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Das BVerfG und Fristende bei „Faxrechtsmittel“, oder: Fristgemäß nach drei Jahren

Heute stelle ich dann drei „Rechtsmittelentscheidungen“ vor. Den Anfang mache ich mit dem BVerfG, Beschl. v.  23.12.2016 – 1 BvR 3511/13, ergangen in einem Zivilverfahren, aber m.E. mit darüber hinausgehender Bedeutung. Der Beschluss enthält auch nichts Neues, ruft aber noch einmal den BVerfG, Beschl. v. 15.01.2014 – 1 BvR 1656/09 – dazu Beim Faxen keine Faxen machen, sondern: Sicherheitspolster einkalkulieren – in Erinnerung. Es geht um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung der Verfassungsbeschwerde. Das BVerfG bekräftigt:

Also: Fristende ist quasi 20 Minuten vor Fristablauf. Darauf sollte man nicht nur bei der Verfassungsbeschwerde achten, sondern in allen Rechtsmittelverfahren, eben auch im Straf- und Bußgeldverfahren. Sonst kann es ggf. schwierig(er) mit einer erforderlichen Wiedereinsetzung werden.

Was fällt an dem Beschluss noch auf? Nun, das BVerfG braucht mehr als drei Jahre für die ein paar Zeilen lange Entscheidung. Das nenne ich dann mal „fristgemäß“ 🙂 .

Aufgepasst: Fristen am Rosenmontag :-)

Schon etwas älter ist der BGH, Beschl. v. 25.06.1980 – VIII ZB 9/80 in dem es um die Wahrung von Fristen an den Karnevalstagen im OLG-Bezirk Düsseldorf ging. Das OLG hatte eine Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen der Wiedereinsetzungsantrag.

Dazu der BGH:

Die Beklagten legten gegen das am 17. Januar 1980 zugestellte Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 10. Januar 1980 am 19. Februar 1980 Berufung ein. Am 3. März 1980 beantragten sie, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren. Zur Begründung dieses Antrags machten sie glaubhaft, daß sie weder am 16. noch am 17. noch am 18. Februar 1980 (Rosenmontag) einen ihrer Prozeßbevollmächtigten oder auch nur deren Kanzlei hätten erreichen können. …..

2. Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden kann, weil in jedem Falle die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten ein Verschulden trifft.

a) Hätten die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten erst mit Schreiben vom 15. Februar 1980 den Lauf der Berufungsfrist mitgeteilt, so träfe sie schon deshalb ein Verschulden, weil sie verpflichtet waren, die Beklagten alsbald von der Zustellung des Urteils zu unterrichten. Zudem hätten die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten, wenn sie den Lauf der Berufungsfrist erst mit Schreiben vom 15. Februar 1980 mitgeteilt hätten, den Beklagten angesichts der durch die Karnevalstage bedingten Verbindungsschwierigkeiten einen Besprechungstermin vorschlagen müssen, wie das Berufungsgericht ausgeführt hat.

b) Das letztere gilt auch dann, wenn die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten diese alsbald nach der Zustellung des Urteils über den Lauf der Rechtsmittelfrist unterrichtet und im Schreiben vom 15. Februar 1980 lediglich nochmals auf den Fristablauf hingewiesen hätten. In diesem Falle träfe allerdings auch die Beklagten ein Verschulden. Da sie in N wohnen, waren ihnen die Verhältnisse im R bekannt. Sie mußten daher damit rechnen, daß es in den Karnevalstagen nicht möglich sein werde, mit ihren Prozeßbevollmächtigten Verbindung zu bekommen.“

Manchmal ist zu schnell auch nicht gut….

Manchmal sind zu schnelle/kurzfristige Entscheidungen auch nicht gut bzw. führen zur Aufhebung. So im OLG Celle, Beschl.. v. 18.11.2011 – 1 Ws 453/11. Da hatte das LG dem Angeklagten eine Frist zur Benennung eines Pflichtverteidigers gesetzt und dann später in der Annahme, diese sei abgelaufen, dem Angeklagten einen Pflichtverteidiger beigeordnet. Die Frist war aber (noch) nicht abgelaufen, da der Angeklagte das Aufforderungsschreiben wohl erst später erhalten hatte. Das OLG sagt zu der Beschwerde:

Kündigt das Gericht die Beiordnung eines von ihm gewählten Verteidigers an, falls der Angeklagte nicht innerhalb der Frist einen Verteidiger selbst wählt, und ordnet dem Angeklagten in der fehlerhaften Annahme, die Frist sei abgelaufen, sodann einen Verteidiger bei, hat eine Beschwerde des Angeklagten, der nach erfolgter Beiordnung, aber vor Ablauf der Frist einen Verteidiger benennt, Erfolg“.

 

LG Braunschweig: Nicht aus dem Haus, nicht in der Welt – auch „nachträgliche“ Pflichtverteidigerbenennung hat der Amtsrichter zu berücksichtigen

Manchmal ist man nicht nur erstaunt, sondern „sehr erstaunt“, wenn man Fallgestaltungen sieht/liest. So erging es mir bei einem Beschluss des LG Braunschweig vom 21.09.2009 – 7 Qs 280/09. Es handelt sich zwar noch um einen Fall nach „altem Recht“, die Problematik bleibt aber auch nach den Änderungen des § 142 Abs. 1 StPO durch das 2. OpferRRG aktuell.

Das AG hatte dem Angeschuldigten mit Schreiben vom 10.7.2009 die Anklageschrift förmlich zugestellt und dem Ange­schuldigten Gelegenheit gegeben binnen einer Woche einen Pflichtverteidiger zu benennen. Am 3.8.2009 beschloss das Amtsgericht, dem Angeschuldigten, der sich bis dahin nicht anderweitig geäußert hatte, eine Pflichtverteidigerin beizuordnen. Ausgefertigt wurde der Beschluss am 6.8.2009. Bereits einen Tag zuvor – nämlich am 5.8.2009 um 12.40 Uhr (Eingang bei Gericht) – hatte der Angeklagte beantragt, ihm Rechtsanwalt X als Pflichtverteidiger beizuordnen. Diesen Antrag hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 26.8.2009 zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde hatte Erfolg. Das LG führt kurz und zackig aus:

Die zulässige Beschwerde ist auch in der Sache begründet. Zwar hat der Angeschul­digte nicht innerhalb der ihm gem. § 142 Abs. 1 Nr. 2 StPO gesetzten Frist einen Verteidiger seiner Wahl benannt. Dies ist aber nachfolgend geschehen und zwar bevor der Beschluss des Vorsitzenden Außenwirkung erlangen konnte. Die Sache hätte mithin dem Vorsitzenden noch einmal vorgelegt werden müssen, damit dieser den Wunsch des Angeschuldigten bei seiner Auswahlentscheidung hätte berücksich­tigen können.“

Dem kann man sich nur anschließen und sagen: Recht so, denn noch war der Beschluss nicht „in der Welt“ und die Frist des § 142 Abs. 1 StPO ist keine Ausschlussfrist. Das weiß jetzt auch das AG.