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StPO I: Wie stellt man Prozessvoraussetzungen fest?, oder: Freibeweisverfahren ist der richtige Weg.

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Heute dann ein Tag mit StPO-Entscheidungen.

Die Berichterstattung beginne ich mit dem KG,  Beschl. v. 20.08.2021 – (2) 121 Ss 92/21 (14/21) – zur Frage. Wie werden Prozessvoraussetzungen – hier ging es um den Strafantrag in einem Verfahren wegen Sachbeschädigung – festgestellt. Das KG gibt die – richtige – Antwort: Das erfolgt i.d.R. im Freibeweisverfahren:

„Der Senat merkt ergänzend Folgendes an:

Die auf die allgemeine Sachrüge veranlasste Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen ergab das Vorliegen eines wirksamen Strafantrages sowohl hinsichtlich der Sachbeschädigung als auch des Hausfriedensbruchs. Grundsätzlich gilt der Strafantrag bei idealkonkurrierenden Delikten für sämtliche in der Handlungseinheit verwirklichten Antragsdelikte (vgl. Fischer, StGB, 68. Aufl., § 77 Rn. 29), auch wenn eine Beschränkung auf eine von mehreren zusammentreffenden Gesetzesverletzungen (§ 52 StGB) zulässig ist (vgl. OLG Frankfurt, NJW 1952, 1388; Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 158 Rn. 19, 22). Ist eine Beschränkung der gewünschten Strafverfolgung weder erklärt, noch sonst eindeutig erkennbar, umfasst der Strafantrag den gesamten geschichtlichen Vorgang, welcher der Beschuldigung zugrunde liegt (vgl. BGHSt 33, 114, 116).

Anhaltspunkte für eine derartige Beschränkung liegen nicht vor. Sie folgt insbesondere nicht aus dem Umstand, dass das von der Polizei versandte Anhörungsformular neben Tatzeit und Tatort als Deliktsbezeichnung lediglich den Tatvorwurf „Sachbeschädigung“ enthält. Wie das Landgericht zutreffend ausführt, dient diese Angabe allein der Eingrenzung des lebensgeschichtlichen Sachverhalts unter Nennung der vorläufigen rechtlichen Einordnung der Polizeibehörde. Dass der Antragssteller bzgl. einzelner Gesetzesverletzungen, hier des Hausfriedensbruchs, keinen Strafantrag stellen wollte, ergibt sich aus dem Schreiben nicht.

Soweit der Revisionsführer im Rahmen der Verfahrensrüge die Verletzung des § 261 StPO rügt, da das den Strafantrag enthaltene Schreiben nicht ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt worden sei, dringt er ebenfalls nicht durch. Es kann dahinstehen, ob die Rüge den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt. Denn der Revisionsführer verkennt, dass die Feststellung des Vorliegens eines wirksamen Strafantrages als Prozessvoraussetzung im Freibeweisverfahren erfolgt und – anders als im Strengbeweis – Urkunden entgegen § 249 StPO nicht verlesen werden müssen (st. Rspr. seit RGSt 51, 72). Die Grundsätze der Mündlichkeit, Unmittelbarkeit und Öffentlichkeit finden keine Anwendung (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 244 Rn. 9).

Zwar kann es der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) gebieten, das Ergebnis von Beweiserhebungen im Freibeweis zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung zu machen, etwa wenn eine freibeweisliche Beweiserhebung notwendig geworden ist, weil eine Prozessvoraussetzung während der Hauptverhandlung zweifelhaft ist. Wenn die Zweifel aber mit einem Blick in die Akten zu klären sind, ist das Gericht nicht verpflichtet, die Verfahrensbeteiligten von dem Ergebnis der Akteneinsicht zu unterrichten und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Wäre es anders, so müsste auch jede Feststellung zu den Prozessvoraussetzungen, die das Gericht vor der Hauptverhandlung getroffen hat, zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht werden, auch wenn dazu nur eine Akteneinsicht erforderlich war (vgl. Alsberg/Dallmeyer, Der Beweisantrag im Strafprozess, 7. Aufl., Rn. 294).

Vorliegend genügte zur Feststellung der wirksamen Strafantragsstellung ein Blick in die Akten. Das Gericht hat keine darüber hinaus gehenden Beweiserhebungen getätigt, über dessen Ergebnis es die Verfahrensbeteiligten hätte unterrichten müssen.

StPO II: Beweisverwertungsverbot, oder: Ob ein BVV vorliegt, klären wir im Freibeweis

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In der zweiten Entscheidung des heutigen Tages, dem BGH, Beschl. v. 02.05.2019 – 3 StR 21/19 – geht es ebenfalls um Beweisverwertungsverbotsfragen. Es geht darum, wie das Vorliegen eines Beweisverwertungsverbotes festgestellt/geklärt wird. Der BGH sagt – noch einmal: Im Wege des Freibeweises:

„Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 28. Juni 1961 – 2 StR 154/61, BGHSt 16, 164; Beschluss vom 30. Oktober 1987 – 3 StR 414/87, BGHR StPO § 136a Abs. 1 Satz 3, Vereinbarung 1; offen gelassen von BGH, Urteil vom 14. August 2009 – 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69, Rn. 73; Beschluss vom 14. September 2010 – 3 StR 573/09, BGHSt 55, 314, Rn. 11) sind die Voraussetzungen eines – hier von der Verteidigung behaupteten – Beweisverwertungsverbots nach § 136a StPO im Wege des Freibeweises aufzuklären; insoweit ist das Revisionsgericht zu eigener Prüfung berufen. Es ist grundsätzlich weder auf die Feststellungen des Tatgerichts beschränkt noch an dessen Beweiswürdigung gebunden (BGH, Urteil vom 28. Juni 1961 – 2 StR 154/61, BGHSt 16, 164, 167). Der Senat kommt bei eigener revisionsgerichtlicher Überprüfung anhand der mitgeteilten Umstände zu den Beschuldigtenvernehmungen des Angeklagten zu dem Ergebnis, dass dieser verbotenen Vernehmungsmethoden nicht unterworfen wurde. Dabei sind – wie schon die Strafkammer ausgeführt hat – die in sich stimmigen und durch objektive Umstände bestätigten Angaben der Ermittlungsbeamten zugrunde zu legen. Diese werden weder durch die schon aufgrund ihrer Widersprüchlichkeit unglaubhaften gegenteiligen Erklärungen des Angeklagten widerlegt, noch durch die ohne näheren Bezug zum vorliegenden Fall in die Revisionsbegründung eingerückten, weitgehend ohne Kenntlichmachung wörtlich aus einer Veröffentlichung des Verteidigers des Angeklagten übernommenen, pauschalen und empirisch nicht belegten Ausführungen über die vermeintliche Befangenheit von Ermittlern in Zweifel gezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Vernehmungssituation und deren Würdigung sowie zu der in diesem Zusammenhang erhobenen Rüge, die Verteidigung habe bei der freibeweislichen Anhörung des Vernehmungsbeamten keine Fragen stellen dürfen, nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die insoweit zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts.
Soweit sich ein Verstoß gegen § 136a StPO auch daraus ergeben soll, dass der Angeklagte in rechtswidriger Art und Weise seiner Freiheit beraubt gewesen sei, ist die Rüge bereits unzulässig, weil die Revision nicht mitteilt, welche Tatsachen den Ermittlungsbeamten bekannt waren und welche Anhaltspunkte für einen dringenden Tatverdacht daraus abzuleiten waren, als der Angeklagte zur Vernehmung auf der Polizeiwache gebeten wurde (vgl. zu diesem Vortragserfordernis BGH, Urteil vom 28. Juni 2018 – 3 StR 23/18, NStZ 2018, 734 f.). Dazu hätte insbesondere der Vermerk der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach vom 3. Februar 2018 vorgelegt werden müssen, aus dem sich Erkenntnisse zu der vor den Beschuldigtenvernehmungen des Angeklagten und der Mitangeklagten vorhandenen Verdachtslage ergeben. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass insoweit eine Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft nunmehr gesetzlich vorgeschrieben ist (§ 347 Abs. 1 Satz 3 StPO) und deshalb geboten gewesen wäre.“

 

Beweiswürdigung III: Vermittlung der erforderlichen Sachkunde im Freibeweisverfahren

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Und die dritte Entscheidung hat auch eine beweisrechtliche Problematik zum Gegenstand. Ergangen ist der OLG Celle, Beschl. v. 24.01.2019 – 3 Ws 317/18 (StrVollz) allerdings im Vollzugsverfahren. Es geht um die Frage der notwendigen Sachkunde zur Beurteilung der anstaltsärztlichen medizinischen Betreuung des Gefangenen.

Dazu meint das OLG:

Im Rahmen des Freibeweisverfahrens kann unter bestimmten Voraussetzungen auch die anstaltsärztliche Stellungahme dem Gericht die notwendige Sachkunde vermitteln.

DNA-Gutachten durch den BGH – geht das?

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Man ist erstaunt, wenn man das Procedere liest, dass dem BGH, Beschl. v. 25.04.2012 – 5 StR 444/11 zugrunde liegt und das der BGH in seinem Beschluss dann wie folgt darstellt:

„a) Dem in die Hauptverhandlung eingeführten Sachverständigengutachten des Landeskriminalamts Niedersachsen und der Zeugenaussage des ermittelnden KHK B. zufolge war einer Person mit den Personalien des Angeklagten im Jahre 2008 in Umsetzung einer Anordnung nach § 81g StPO eine Speichelprobe entnommen, anhand dieser ein DNA-Identifizierungsmuster erstellt, das Material allerdings wegen der vorangegangenen Notierung eines Aliasnamens – behördlicher Übung folgend – unter der polizeilichen Führungspersonalie „S. D. geb. 1982“ in die DNA-Analyse-Dateieingestellt worden. Ausweislich eines Gutachtens des hessischen Landeskriminalamtes war am Tatort im Fall 1 der Urteilsgründe eine Blutspur („Wattetupfer Nr. 1“) gesichert worden, die dasselbe DNA-Identifizierungsmuster aufwies wie das unter den Personalien des „S. D. geb. 1982“ gespeicherte.

Die Verteidigung hat beantragt, „ein DNA-Identifizierungsmuster des Angeklagten“ und ein „rechtsmedizinisches Sachverständigengutachten einzuholen“. Das Gutachten werde ergeben, „dass das DNA-Identifizierungsmuster des Angeklagten nicht mit den unter den Personalien ‚S. D. geb. 1982‘ gespeicherten Daten identisch ist“.

Die Strafkammer hat diesen Antrag unter Berufung auf § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, aufgrund von Gutachten des Landeskriminalamtes Niedersachsen vom 22. März 2011, betreffend das unter den Personalien des „S. D. geb. 1982“ gespeicherte DNA-Identifizierungsmuster, und des hessischen Landeskriminalamtes vom 31. März 2011 zu dessen Vergleich mit der Tatortspur sei erwiesen, dass „der Angeklagte (Herr S. D. geb. 1982)“ Verursacher der Tatortspur sei, so dass das Gegenteil der behaupteten Tatsache erwiesen sei. Der Einholung eines weiteren Gutachtens bedürfe es nicht. Insbesondere gehe das Gutach-ten nicht von unzutreffenden Voraussetzungen aus. Bei dem im Gutachten des Landeskriminalamtes Niedersachsen untersuchten Material handele es sich um solches, das vom Angeklagten stamme. Der Zeuge KHK B. habe glaubhaft angegeben, dass im damaligen Ermittlungsverfahren der Staatanwaltschaft Braunschweig im Rahmen erkennungsdienstlicher Erfassung eine Speichelprobe vom Angeklagten genommen und unter Aliaspersonalien des Angeklagten abgelegt worden sei, weil dessen 2008 abgenommene Fingerabdrücke identisch gewesen seien mit unter jenem Aliasnamen im Jahre 2004 abgenommenen Fingerabdrücken. Der Zeuge KHK B. habe den Angeklagten im Hauptverhandlungstermin als diejenige Person wiedererkannt, der damals die Speichelprobe entnommen wurde. Auch die Inaugenscheinnahme eines Lichtbildes von der 2008 erkennungsdienst-lich behandelten Person habe deren Identität mit dem Angeklagten ergeben.“

Was macht der BGH? Er gibt die Anregung im Revisionsverfahren dem Angeklagten eine neue DNA-Probe zu entnehmen, deren Begutachtung dann Übereinstimmung sowohl mit der unter den Aliaspersonalien abgelegten Probe als auch mit der Tatortspur erbracht hat.

Und dann? Dann wird die Revision verworfen. Denn der BGH vermutete hinter dem Beweisantrag wegen der „erdrückenden Beweislage“ eine bewusst wahrheitswidrige Behauptung des Angeklagten und hat das durch das SV-Gutachten abgeklärt mit der Folge, dass er dann den Antrag nicht mehr als „Beweisantrag“ ansieht:

Der Senat hat hierzu das erwähnte Sachverständigengutachten eingeholt (vgl. zur Möglichkeit solchen Vorgehens im Revisionsrechtszug, bislang freilich in etwas anders gelagerten Fallkonstellationen: BGH, Urteile vom 24. November 1992 – 5 StR 500/92, BGHSt 39, 49, 53; 29. April 1997– 1 StR 511/95, BGHSt 43, 66, 72; 30. Juli 1999 – 1 StR 618/98, BGHSt 45, 164, 166 f.; 22. April 2004 – 5 StR 534/02, NStZ-RR 2004, 270, 271; 15. Februar 2005 – 1 StR 91/04, StV 2005, 374). Dadurch hat sich der Verdacht sicher bestätigt. Dementsprechend handelt es sich bei dem Antrag, dessen Bescheidung die Revision beanstandet, nicht um einen nach Maßgabe des § 244 Abs. 3, 4 und 6 StPO zu behandelnden Beweisantrag, sondern um einen tatsächlich nicht zum Zwecke der Wahrheitsermittlung, sondern sachwidriger Prozesstaktik gestellten missbräuchlichen Scheinbeweisantrag. Es fehlt daher erwiesenermaßen an einer Verletzung des Beweisantragsrechts.

Also: Freibeweisverfahren (?). Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob das mit der bisherigen Rechtsprechung des BGH übereinstimmt. Das sieht der Senat auch, vertieft das aber nicht weiter.