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Verkehrstherapeutische Maßnahme – bringt sie was?

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Der Kollege Sydow hat in seinem Blog ja schon über das von ihm erstrittene AG Königs Wusterhausen, Urt. v. 13.09.2012 – 2.2 Ds 458 Js 33194/12 (231/12) -berichtet (vgl. hier), das er mir freundlicher Weise übersandt hat, so dass ich es hier auch einstellen kann.

Es behandelt einen der Fälle, in denen das AG von der Regelentziehung der Fahrerlaubnis nach einer Trunkenheitsfahrt abgesehen hat, weil der Angeklagte an einer verkehrstherapeutischen Maßnahme teilgenommen hat. Es kann sich also lohnen, an der Stelle „nachzuarbeiten´“. Allerdings muss er Mandant sich dann“intensiv engagiert“ haben.

Der Leitsatz:

„Von der Regelentziehung der Fahrerlaubnis kann abgesehen werden, wenn der Beschuldigte in zwar kurzer aber auch sehr intensiver Zeit engagiert und höchstmotiviert an einer umfangreichen verkehrstherapeutischen anerkannten Rehabilitationsmaßnahme teilgenommen und sich zur Weiterführung einschließlich Urinkontrollen vertraglich verpflichtet hat (§§ 69, 69a StGB).“

 

Falschparker aufgepasst – mit vielen Knöllchen ist der Führerschein futsch

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Nach der PM des VG Berlin Nr. 38 v. 13.09.2012 kamm man notorischen Falschparkern nur raten, vielleicht besser doch nach einem (zulässigen) Parkplatz zu suchen. Denn das VG Berlin hat jetzt in seinem VG Berlin, Beschl. v. 13.09.2012 – 4 L 271/12 entschieden: Hartnäckiges Falschparken kann den Führerschein kosten. In der PM heißt es:

Eine Fahrerlaubnis kann nach einem Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Berlin ungeachtet der im Verkehrszentralregister eingetragenen Punktzahl auch dann entzogen werden, wenn der Fahrerlaubnisinhaber nur bloße Ordnungsvorschriften hartnäckig nicht einhält.

Zwischen November 2010 und Juni 2012 waren mit zwei auf den Antragsteller zugelassenen Fahrzeugen insgesamt 144 Verkehrsordnungswidrigkeiten (127 Parkverstöße, 17 Geschwindigkeitsüberschreitungen) begangen worden. Daraufhin entzog das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten sofort vollziehbar die Fahrerlaubnis des Antragstellers. Dieser machte hiergegen geltend, Parkverstöße brächten keine Gefahr für die Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer mit sich. Die Verstöße hätten zum größten Teil seine Mitarbeiter verursacht. Soweit er das Fahrzeug gefahren habe, seien lediglich 42 Verstöße auf ihn zurückzuführen. Die von ihm begangenen Parkuhrverstöße hätten häufig ihren Grund darin, dass er entweder keine Zeit oder aber kein Münzgeld gehabt habe.

Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts bestätigte die Entscheidung der Behörde. Eine Fahrerlaubnis könne nicht nur bei Eintragungen im Verkehrszentralregister, sondern auch demjenigen entzogen werden, der sich aus anderen Gründen als ungeeignet erwiesen habe. Verstöße gegen Vorschriften des ruhenden Verkehrs seien für die Beurteilung der Fahreignung relevant, wenn sie sich über einen längeren Zeitraum derart häuften, dass dadurch eine laxe Einstellung und Gleichgültigkeit gegenüber Verkehrsvorschriften jedweder Art offenbar werde. Dies sei dann anzunehmen, wenn – wie hier – auf ein Jahr gesehen nahezu wöchentlich ein geringfügiger Verstoß anfalle. Der Antragsteller verkenne die von ihm ausgehende Gefahr, die in seiner unangemessenen Einstellung zu den im Interesse eines geordneten Straßenverkehrs erlassenen Rechtsvorschriften liege. Die nicht von ihm begangenen Verstöße habe er jedenfalls ermöglicht, weil er als Halter das rechtswidrige Verhalten Dritter mit auf seinen Namen zugelassenen Fahrzeugen nicht rechtzeitig und im erforderlichen Umfang unterbunden habe.

127 Parkverstöße. Das ist doch mal was. 🙁

Neonazi kann Fahrerlaubnis auch bei Gewalttaten außerhalb des Straßenverkehrs entzogen werden

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Ich hatte schon öfter über die (auch) von der Stadt Münster geübte Praxis berichtet, die Fahrerlaubnis nach dem StVG auch bei Gewalttaten außerhalb des Straßenverkehrs zu entziehen. Eine Entziehung mit der Begründung ist jetzt – bei einem Neonazi –  vom VG Gelsenkirchen im Eilverfahren/Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bestätigt worden (vgl. VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 27.08.2012 – 7 L 896/12). Dazu die PM des Landes NRW:

„Die Fahrerlaubnisbehörde entzog dem Antragsteller die Fahrerlaubnis, da aufgrund des von ihm ausgehenden hohen Aggressionspotentials nicht zu erwarten sei, dass er sich im Straßenverkehr hinreichend angepasst und an den Regeln orientiert verhalte.

Der zwanzigjährige Dortmunder ist seit seinem 15. Lebensjahr mehrfach und fortlaufend nach dem Jugendstrafrecht wegen (gefährlicher) Körperverletzung, Sachbeschädigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung verurteilt worden. Anhaltspunkte dafür, dass die Strafverfahren und Jugendstrafen sowie ein nach eigenen Angaben durchgeführtes Anti – Aggressionstraining irgendeine Verhaltensänderung bewirkt haben könnten, waren für die Kammer nicht ersichtlich. Nach den Feststellungen der Kammer ist er zur Zeit zusammen mit Mitgliedern einer neonazistischen Gruppe vor dem Dortmunder Landgericht angeklagt, weil er an Körperverletzungen auf dem Dortmunder Weihnachtsmarkt im November 2011, dem Überfall auf die Gaststätte „HirschQ“ im Dezember 2010 und an Körperverletzungsdelikten in Duisburg ebenfalls im Dezember 2010 beteiligt gewesen sein soll. Diese Strafverfahren können nach Auffassung der Kammer berücksichtigt werden, obwohl sie noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sind, da aus ihnen in Verbindung mit den schon rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren deutlich wird, dass das Aggressionspotenzial des Antragstellers mit anderen Mitgliedern seiner Gruppierung zusammen und häufig auch unter erheblichem Alkoholeinfluss weiterhin ungehemmt wirkt und von einer Besserung oder gar Aufarbeitung nicht die Rede sein könne.

Deshalb sei, obwohl der Antragsteller bisher verkehrsrechtlich nicht aufgefallen ist, auch ohne Abklärung durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten von der Nichteignung des Antragstellers auszugehen. Bei diesem Sachverhalt stehe die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht im Ermessen der Behörde.

An der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Entziehungsverfügung bestehen nach Auffassung der Kammer keine Bedenken. Etwaige mit der sofort wirksamen Fahrerlaubnisentziehung verbundene insbesondere wirtschaftliche und berufliche Schwierigkeiten habe der Antragsteller hinzunehmen, weil gegenüber seinen Interessen das Interesse am Schutz von Leib, Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer eindeutig überwiege.“

 

Fahrerlaubnis für „einäugige“ Menschen? – darüber entscheidet demnächst der EuGH

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Der EuGH hat demnächst mal wieder über eine deutsche Fahrerlaubnisfrage zu entscheiden. Allerdings geht es nicht um den Dauerbrenner „Anerkennung einer ausländischen Fahrerlaubnis“, sondern um die Frage, ob ein stark sehbehinderter/fehlsichtiger Mensch eine Fahrerlaubnis bekommen kann oder nicht. Diese Frage hat der VGH Bayern mit Beschl. v. 05.07.2012 – 11 BV 1764/11 – denm EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt.

In der Meldung, die ich dazu bei Jurion gefunden habe, heißt es:

„Mit Beschluss hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) ein Verfahren ausgesetzt, in dem ein stark fehlsichtiger Mensch (Sehschärfe auf dem einen Auge unter 0,1) eine Fahrerlaubnis für die LKW-Klassen C1 und C1E (3,5 bis 7,5 t) begehrt. Dem EuGH wurde die Frage vorgelegt, ob Bestimmungen der aktuell geltenden europäischen Führerscheinrichtlinie mit der europäischen Grundrechtecharta vereinbar sind.

Nach Auffassung des BayVGH steht der Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klassen C1 und C1E an den Kläger eine Vorschrift des deutschen Rechts entgegen, mit der Bestimmungen der europäischen Führerscheinrichtlinie umgesetzt werden. Diese Vorschrift sei jedoch teilweise ungültig, weil sie unter bestimmten, beim Kläger (und bei zahlreichen anderen betroffenen Personen) erfüllten Voraussetzungen in Widerspruch vor allem zu dem Grundrecht stehe, nicht wegen einer Behinderung benachteiligt zu werden.

Die in Rede stehende deutsche Vorschrift fordert, dass folgende Sehschärfewerte nicht unterschritten werden: Sehschärfe des besseren Auges oder beidäugige Sehschärfe: 0,8, Sehschärfe des schlechteren Auges: 0,5. In Einzelfällen kann unter Berücksichtigung von Fahrerfahrung und Fahrzeugnutzung der Visus des schlechteren Auges für die Klassen C, CE, C1, C1E unter 0,5 liegen, ein Wert von 0,1 darf nicht unterschritten werden. Im Berufungsverfahren (vor dem Verwaltungsgericht Regensburg war die Klage erfolglos geblieben) hat der BayVGH Gutachten von zwei augenärztlichen Sachverständigen eingeholt. Danach bestehe kein Anlass, Menschen mit einer einseitigen Sehschärfe unter 0,1 die Fahrerlaubnis für die Klassen C1 und C1E zu versagen, wenn die folgenden drei Voraussetzungen erfüllt seien: Es müsse sich um beidäugig sehende Personen handeln (d.h. nicht anatomisch einäugig, beide anatomisch vorhandenen Augen nehmen am Sehvorgang teil), die Betroffenen müssten auf jedem Auge ein normales Gesichtsfeld haben, und die Betroffenen müssten in der Lage sein, ein bei ihnen nicht vorhandenes räumliches Sehvermögen vollständig zu kompensieren.

Da mit der deutschen Rechtsvorschrift die europäische Führerscheinrichtlinie umgesetzt wird und ein nationales Gericht europäisches Recht nicht verwerfen darf, stellt der BayVGH dem EuGH folgende Frage zur Vereinbarkeit der EU-Führerscheinrichtlinie mit der EUGrundrechtecharta: „Ist die Nummer 6.4 des Anhangs III der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (ABl L 403 vom 30.12.2006, S. 18) in der Fassung der Richtlinie 2009/113/EG der Kommission vom 25. August 2009 (ABl L 223 vom 26.8.2009, S. 31) insoweit mit Art. 20, Art. 21 Abs. 1 und Art. 26 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vereinbar, als diese Vorschrift – ohne die Möglichkeit einer Ausnahme vorzusehen – von Bewerbern um eine Fahrerlaubnis der Klassen C1 und C1E auch dann eine Mindestsehschärfe von 0,1 auf dem schlechteren Auge verlangt, wenn diese Personen beidäugig sehen und auf beiden Augen über ein normales Gesichtsfeld verfügen?“ Nach Beantwortung dieser Frage durch den EuGH wird das Berufungsverfahren vor dem BayVGH fortgesetzt werden.“

Entziehung der Fahrerlaubnis – bei BtM-Delikten nicht „automatisch“

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Der 50. Band von BGHSt enthält zwei für die Praxis wichtige Entscheidungen. Das ist einmal die des Großen Senats für Strafsachen zur Absprache (BGHSt 50, 40) und dann die des Großen Senats für Strafsachen zur Entziehung der Fahrerlaubnis bei den Delikten der allgemeinen Kriminalität (BGHSt 50, 93). Letztere spielt im BGH, Beschl. v. 23.05.2012 – 5 StR 185/12 eine Rolle. Die Ausführungen und die Begründung des BGH sprechen für sich:

„5. Schließlich hält die gegen die Angeklagten B. und R. jeweils angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Das Landgericht hat dazu lediglich festgestellt, dass die Angeklagten langjährige Betäubungsmittelkonsumenten seien, der Angeklagte R. sogar betäubungsmittelabhängig sei, und die Vielzahl der Fahrten es nahe lege, dass „auch die Beschaffungsfahrten unter Betäubungsmitteleinfluss stattgefunden haben, bei denen mit einer Situation gerechnet werden musste, in der es zu einer Gefährdung oder Beeinträchtigung des Verkehrs kommen konnte“ (UA S. 47). Zudem sei der Angeklagte R. bereits wegen Verkehrsstraftaten verurteilt und der Angeklagte B. am 6. Oktober 2011 als Fahrer eines Kraftfahrzeugs mit Amphetaminen und Metamphetamin im Urin festgestellt worden. Die Strafkammer zweifele daher nicht daran, dass die Angeklagten bei den jeweiligen Taten bereit waren, die Sicherheit des Straßenverkehrs den jeweiligen kriminellen Interessen unterzuordnen.

Diese Feststellungen tragen die Maßregelanordnungen nicht. „Aus der Tat“ kann sich die charakterliche Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nur dann ergeben, wenn die Anlasstat selbst tragfähige Rückschlüsse auf die Bereitschaft des Täters zulässt, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Zielen unterzuordnen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. April 2005 – GSSt 2/04, BGHSt 50, 93, 102 f.; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 69 StGB Rn. 13 mwN). Derartiges ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Namentlich fehlen Feststellungen zu einem etwaigen den Fahrten vorausgegangenen Drogenkonsum, zum täglichen Konsumverhalten der Angeklagten, die zumindest einen Schluss hierauf zulassen, oder zur Fahrweise der unter Observation stehenden Angeklagten. Vielmehr stellt das Landgericht insoweit nur Vermutungen an. Ferner sind die Belange der Verkehrssicherheit in Kurierfällen, in  denen der Täter im Fahrzeug Rauschgift transportiert, auch nicht ohne Wei-teres beeinträchtigt; es besteht kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass Rauschgifttransporteure bei Verkehrskontrollen zu besonders riskanter Fahrweise entschlossen sind (BGH, aaO, S. 104; König, aaO, § 69 StGB Rn. 14b).“