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OWi III: Bei einem Fahrverbot droht Kündigung, oder: Anforderungen an die Urteilsgründe

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Und zum Tagesschluss dann noch eine OLG-Entscheidungen zu den Rechtsfolgen, und zwar zum Fahrverbot.

Ich verweise auf den OLG Hamm, Beschl. v. 03.03.2022 – 5 RBs 48/22. Das OLG hat sich  umfangreich in Zusammenhang mit der Frage des Absehens vom Fahrverbot wegen einer vom Betroffenen geltend gemachten Kündigung durch den Arbeitgeber geäußert. Das AG hatte abgesehen, dem OLG reicht die Begründung des AG nicht. Wegen der umfangreichen Begründung ordne ich das Selbstleseverfahren an. Hier müssen/sollen die Leitsätze des OLG reichen:

    1. Will das Amtsgericht aufgrund einer angenommen unbilligen Härte von der Verhängung des Regelfahrfahrverbots absehen, ist es gehalten, in den Urteilsgründen eine eingehende, auf Tatsachen gestützte Begründung niederzulegen, die es dem Senat ermöglicht, die Annahme einer unbilligen Härte rechtlich überprüfen zu können. Bei der Beurteilung, ob für den Betroffenen eine solche unbillige Härte aufgrund eines konkret drohenden Verlustes des Arbeitsplatzes vorliegt, ist es dem Tatrichter zwar nicht schlechthin verwehrt, einer Behauptung des Betroffenen oder einer schriftlichen Bestätigung des Arbeitgebers, aus dem sich solche konkreten Anhaltspunkte ergeben können, zu glauben. Er hat jedoch die Angaben des Betroffenen oder des Arbeitgebers auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen und im Urteil darzulegen, aus welchen Gründen er diese für glaubhaft erachtet.
    2. Ist für einen schweren Verkehrsverstoß ein mehrmonatiges Regelfahrverbot vorgesehen, so ist ggf. zu prüfen, ob zur Abwendung einer (tatsächlich feststellbaren) Existenzgefährdung die Reduzierung der Dauer des Fahrverbots ausreicht.

Solche Entscheidungen zeigen m.E. dann immer auch, womit sich der Verteidiger befassen muss bzw., was in vergleichbaren Fällen vorgetragen werden muss/sollte, damit sich das AG dann damit auseinandersetzt.

Fahrverbot I: Wegfall des Hauptauftraggebers – kein Fahrverbot

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Den Auftakt machen in dieser Woche zwei mal positive Fahrverbotsentscheidungen. Zunächst der schon etwas ältere OLG Zweibrücken, Beschl. v. 10.12.2015, 1 OWi 1 SsBs 57/15, über den in der vergangenen Woche auch schon der Kollege vom Verkehrsrechtsblog berichtet hat. Das AG hatte bei einem Selbstständigen das Absehen vom (Reegle)Fahrverbot mit einer drohenden Existenzgefährdung begründet und eine solche Gefahr bereits im konkret drohenden Wegfall des Hauptauftraggebers für die Dauer von – mindestens – 1 Monat gesehen. Zusätzlich war nach Ansicht des AG eine erneute Beschäftigung des Betroffenen durch den Hauptauftraggeber nach Ablauf des Fahrverbots ungewiss. Das OLG hat keinen Ermessensfehler gesehen.

„Handelt es sich um die Anordnung eines sog. Regelfahrverbots darf das Vorliegen eines Ausnahmefalles nicht ausschließlich aus der nicht näher belegten Einlassung des Betroffenen abgeleitet werden (vgl. OLG Celle NZV 1996, 117; OLG Koblenz NZV 1996, 373, 1997, 48). Bei der Frage, ob eine Existenzbedrohung durch Verbüßung des Fahrverbots während eines zusammenhängenden Urlaubs mit zumutbaren Mitteln abgewendet werden kann, ist jedoch zu berücksichtigen, dass viele Selbstständige mangels eines gesetzlichen Urlaubsanspruchs in der Regel keinen vollen Monat Urlaub nehmen und erst recht nicht am Stück. Von daher bedarf es besonderer Feststellungen, wenn ein solcher Betroffener auch in Ansehung des Vollstreckungsaufschubs nach § 25 Abs. 2a StVG auf den Urlaub verwiesen werden soll (vgl. Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 4. Aufl., Rn. 1411). Soweit das Tatgericht nicht im Rahmen seiner Amtsaufklärungspflicht zur Erhebung naheliegender Beweismittel verpflichtet gewesen ist, kann es rechtlich daher nicht beanstandet werden, wenn sich das Tatgericht über die fehlende Möglichkeit der Abwendung der Existenzbedrohung durch Verbüßung des Fahrverbots während eines zusammenhängenden Urlaubs durch – alleinige – Ein-vernahme des Betroffenen seine Überzeugung verschafft hat.

Im Ausgangspunkt zutreffend weisen die Beschwerdeführerin und die Generalstaatsanwaltschaft Zweibrücken in ihrer Stellungnahme vom 1. Dezember 2015 darauf hin, dass im vorliegenden Fall bei der Frage, ob ein Absehen von der Verhängung eines Regelfahrverbots in Betracht kommt, den Vorbelastungen des Betroffenen als Abwägungskriterium eine gewichtige Rolle zukommt. Sind erhebliche, insbesondere einschlägige Vorbelastungen vorhanden, sind dem Betroffenen gravierende berufliche Folgen bis hin zur erzwungenen Aufgabe der selbständigen Tätigkeit zuzumuten, denn ansonsten würde einem solchen Verkehrsteilnehmer ein dauerhafter „Freifahrschein” erteilt und eine solche, wegen besonderer Umstände bevorzugte Behandlung wäre gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern nicht mehr zu rechtfertigen (vgl. OLG Karlsruhe NZV 2004, 316). So ist eine Existenzgefährdung bei einem mehrfachen Wiederholungstäter kein Grund von einem Fahrverbot abzusehen, da dieser andernfalls durch ausschließliche Verhängung einer Geldbuße nicht zu künftig verkehrsgerechtem Verhalten veranlasst werden kann (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2002, 88; OLG Hamm NZV 1995, 498; VRR 2009, 310; OLG Brandenburg DAR 2004, 460). Den zitierten Entscheidungen waren mehrere einschlägige Vorbelastungen innerhalb eines Zeitraums von maximal zwei Jahren vor der jeweiligen Tatbegehung gemein, während beim Betroffenen seit Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit im Jahre 2012 nur eine – nicht einschlägige – Vorbelastung durch Verurteilung des Amtsgerichts Mannheim vom 12. Dezember 2013 wegen Abstandsunterschreitung vorgelegen hat. Entsprechend ist die Annahme des Tatgerichts, der Betroffene sei durch die erfolgte Belehrung über die Konsequenzen eines künftigen verkehrsrechtlichen Verstoßes im Hinblick auf die Folgen für seine wirtschaftliche Existenz und sein Umgangsrecht ausreichend zu verkehrstreuem Verhalten angehalten worden und es könne unter Erhöhung der Geldbuße von einem Fahrverbot abgesehen werden, im Rahmen des tatrichterlich eingeräumten Ermessens nicht zu beanstanden.

Die wirtschaftlichen Folgen eines Fahrverbots, die Erschwerung der Ausübung des Umgangsrechts und der persönliche Eindruck des Betroffenen in der Verhandlung haben das Tatgericht auch im Hinblick auf das Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 12. Dezember 2014 ausdrücklich von der Verhängung eines Fahrverbots absehen lassen. Selbst wenn gegen einen Täter wegen einer (einschlägigen) Verkehrsordnungswidrigkeit bereits einmal in der Vergangenheit von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen worden ist, schließt dieser Umstand die erneute Anwendung des § 4 Abs.4 BKatV nicht generell aus. Bei dieser Sachlage bedarf es vielmehr einer eingehenden Erörterung, warum trotz dieser Vorwarnung nun nochmals von der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme des Fahrverbotes abgesehen werden kann bzw. soll. Liegt – wie hier – eine solche Erörterung vor, ist die tatrichterliche Würdigung im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung „bis zur Grenze des Vertretbaren“ hinzunehmen. Ob eine andere Entscheidung ebenfalls vertretbar gewesen wäre, ist dann ohne Bedeutung (vgl. OLG Hamm VRS 112, 62).

Das Urteil des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 07.10.2015 überschreitet diese „Grenze des Vertretbaren“ nach Ansicht des Senats nicht.“

Man wünscht sich mehr solche Entscheidungen.

Neue Arbeitsstelle – kein Fahrverbot, sondern „Du-Du“ reicht

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Ich hatte ja gestern bereits über das AG Sigmaringen, Urt. v. 12.02.2013, 5 OWi 15 Js 7112/12 – zum Vier-Augen-Prinzip bei der Lasermessung berichtet (vgl. hier: Und es gibt doch ein Vier-Augen-Prinzip bei der Lasermessung – zumindest in Baden-Württemberg). Die Entscheidung des AG ist m.E. aus noch einem weiteren Grund berichtenswert, und zwar hinsichtlich der Fahrverbotsentscheidung. Das AG hat bei dem Betroffenen nämlich mit folgender Begründung vom Regelfahrverbot abgesehen:

„…Von der Verhängung des Regelfahrverbots hat das Gericht ausnahmsweise abgesehen, nachdem das Fahrverbot für den Betroffenen eine Existenzgefährdung darstellen würde:

Der Betroffene war fast ein Jahr lang arbeitslos und hat jetzt seit dem 2. Januar 2013 wieder eine neue Arbeitsstelle gefunden. Er arbeitet jetzt als Servicetechniker für eine Firma S. und befindet sich noch in der Probezeit. Zur Zeit wird er gerade eingearbeitet, die Probezeit beträgt 6 Monate. Während der Probezeit kann er keinen Urlaub nehmen, er kann das Fahrverbot somit auch nicht im Urlaub abdienen. Im Falle der Verbüßung des Fahrverbots würde er die neue Arbeitsstelle sofort wieder verlieren.

Daher hat das Gericht ausnahmsweise von der Verhängung des Fahrverbots abgesehen. Der Betroffene ist daraufhin gewiesen worden, dass es diese Ausnahme nur ein einziges Mal gibt. Zur Einwirkung auf ihn wurde die Geldbuße angemessen auf 500,00 EUR erhöht….“

Also: Deutliches „Du-Du“ reicht – beim ersten Mal.