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Anwaltswechsel: Wer trägt die Mehrkosten?

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Ein Anwaltswechsel kommt in der Praxis sicherlich häufiger vor. Wird der Anwaltswechsel vorgenommen, weil der bisherige Anwalt (vermeintlich) seine Pflichten verletzt hat, stellt sich die Frage, ob die dadurch entstandenen Mehrkosten erstattungsfähig sind. Dazu gibt es jetzt zwei neuere OLG-Entscheidungen, die sich mit der Frage (noch einmal) befassen.

Für das Zivilrecht ist das der OLG Koblenz, Beschl. v. 04.01.2017 – 14 W 4/17, in dem es dazu im Leitsatz heißt:

„Wird ein Anwaltswechsel vorgenommen, weil der bisherige Anwalt (vermeintlich) seine Pflichten verletzt hat, sind die dadurch entstandenen Mehrkosten nicht erstattungsfähig. Diese sind im Innenverhältnis als Schadensersatz gegenüber dem bisherigen Bevollmächtigten geltend zu machen.2

Begründung des OLG:

„Voraussetzung der Erstattung der Mehrkosten eines Anwaltswechsels ist, dass dieser weder von der Partei noch von dem zunächst beauftragten Rechtsanwalt zu vertreten ist (Zöller/Herget, ZPO, 31. Aufl., § 91 Rn. 13 – Anwaltswechsel mwN.). Die Klägerin selbst trägt aber vor, dass der Anwaltswechsel auf eine aus ihrer Sicht unzureichende Vertretung und damit eine Verletzung des Mandatsvertrages durch den ersten Bevollmächtigten beruhte. Hierfür kann der Prozessgegner nicht in Haftung genommen werden (OLG Hamburg MDR 1998, 928; OLG Nürnberg JurBüro 1990, 726). Diese Frage ist zwischen der Partei und ihrem ersten Bevollmächtigten im Innenverhältnis zu klären.“

Und für das Strafverfahren ist zu verweisen auf den OLG Hamm, Beschl. v. 09.02.2017 – 1 Ws 457/16 – mit den Leitsätzen:

1. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte eines Beteiligten sind nur insoweit als notwendige Auslagen gemäß § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO i.V.m. § 91 Abs. 2 ZPO anzusehen, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder in der Person eines Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. Letzteres ist nur bei zwingenden in der Person des Rechtsanwalts liegenden und vom Beteiligten nicht zu vertretenden Gründen erfüllt; allein der Wechsel des Haftortes des Beteiligten stellt keinen solchen zwingenden Grund dar, soweit nicht ersichtlich ist, dass der erste Rechtsanwalt das Mandat z.B. aufgrund der räumlichen Entfernung seines Kanzleisitzes vom neuen Haftort nicht weiter fortgeführt hätte.

2. Die zusätzlichen Kosten des Anwaltswechsels sind in dieser Konstellation auch unter dem Gesichtspunkt der Erstattungsfähigkeit fiktiver Reisekosten nur dann erstattungsfähig, wenn tatsächlich eine – ggfls. weitere – Besprechung mit dem Mandanten nach dem Wechsel der Vollzugsanstalt erforderlich gewesen wäre.

Und dazu aus der Begründung:

„Dieses Ergebnis verstößt nicht gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Der Verurteilte hat gleichwohl das Recht, mehrere Verteidiger zu beauftragen und insbesondere einen Verteidiger seines Vertrauens zu wählen. Daraus folgt aber nicht, dass in jedem Fall die gesamten Auslagen hierfür erstattet werden müssen (BVerfG NJW 2004, 3319). Auch aus Sicht der beteiligten Verteidiger ist das Ergebnis nicht unbillig. Sie sind gleichwohl berechtigt, ihre Gebühren gegenüber dem Verurteilten geltend zu machen. Das Kostenfestsetzungsverfahren dient nur der Feststellung der Kosten, die dem früheren Beschwerdeführer von der Staatskasse zu ersetzen sind.“

Scanausdruck: Erstattung auch nicht bei starker Sehbehinderung?

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Bei dem OLG Celle, Beschl. v. 26.05.2016 – 1 Ws 245/16 – handelt es sich in meinen Augen um eine Art „Steine statt Brot Entscheidung, bzw.: Das OLG nimmt mit der einen Hand, was es gerade mit der anderen Hand gegeben hat. Es geht um die Pflichtverteidigervergütung und dabei um das sattsam bekannte Probleme der Erstattung der Kosten für Ausdrucke von Ablichtungen einer auf CD endgültig dem Pflichtverteidiger überlassenen Aufzeichnung einer Telekommunikation, immerhin in einem Umfang von insgesamt 33.394 Seiten. Das Ganze macht der Pflichtverteidiger ein wenig spät geltend, so dass die Landeskasse Verwirkung einwendet.

Insoweit – also zur Verwirkung – „gibt“ die Landeskasse dem Plfichtverteidiger und verneint die Voraussetzungen für die Annahme einer Verwirkung – die dazu gemachten Ausführungen entsprechen der H.M. in der Rechtsprechung. Aber zu den Auslagen für die Ausdrucke wird dann gleich wieder genommen. Denn die werden nicht erstattet.

aa) Die durch Ausdrucken der kompletten Telekommunikationsinhalte auf der ihm dauerhaft überlassenen CD im Umfang von 33.394 Seiten entstandenen Auslagen sind nicht erstattungsfähig.

Nach Nr. 7000 Ziff. 1 Buchst. a W RVG erhält der Rechtsanwalt die Aufwendungen für Ausdrucke aus Gerichtsakten ersetzt, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Bei der Beurteilung der Notwendigkeit der Ausdrucke kommt es nicht auf die subjektive Sicht des Beschwerdeführers oder darauf an, ob in seiner Kanzlei eine elektronische Aktenbearbeitung üblich ist oder nicht. Vielmehr ist auf die objektive Sicht eines verständigen sachkundigen Dritten abzustellen. Dabei besteht zwar ein gewisser Ermessenspielraum; andererseits ist der allgemeine Grundsatz der kostenschonenden Prozessführung zu beachten (vgl. Senatsbeschluss vom 28. November 2011 – 1 Ws 415¬418/11 – NJW 2012, 1671 mit weiteren Nachweisen).

Der Senat hat zwischenzeitlich seine von dem Beschwerdeführer zitierte vorherige Rechtsprechung (OLG Celle, NJW 2012, 1671) nach der aus der allgemein anerkannten Beweislastverteilung nach § 46 Abs. 1 RVG gefolgert wurde, dass auch bei der Anwendung von Nr. 7000 Ziff. 1 Buchst. a W RVG die Staatskasse darlegen und beweisen müsse, dass die Aufwendungen nicht notwendig waren, aufgegeben (OLG Celle, Beschluss vom 11. Dezember 2015 — 1 Ws 518/15 juris). Da das Vergütungsverzeichnis nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG als Anlage zum RVG ausgestaltet worden ist, sind seine Reglungen Bestandteil des Gesetzes. Deshalb hat in der hier zu beurteilenden Frage die speziellere Regelung in Nr. 7000 Ziff. 1 Buchst. a VV RVG Vorrang; diese weist aber die Darlegungs- und Beweislast für die Notwendigkeit der Ausdrucke dem zu, der hierfür Aufwendungen geltend macht, also dem Rechtsanwalt (vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.09.2014 – 111-1 Ws 247/14, 111- 1 Ws 293/14,- juris; OLG Rostock JurBüro 2014, 637; OLG Braunschweig Nds. Rpfl. 2015, 332).

Unter Berücksichtigung des Vorstehenden ist nicht erkennbar, dass der Ausdruck der CD für die sachgerechte Bearbeitung durch den Beschwerdeführer im Sinne von Nr. 7000 Abs. 1 a VV RVG geboten war.

Dem Beschwerdeführer stand die gesamte Aufzeichnung der Telekommunikation dauerhaft in digitalisierter Form zur Verfügung. Er konnte darauf – das Vorhandensein entsprechender Hard- und Software vorausgesetzt – jederzeit Zugriff nehmen. Eine Fallkonstellation, in der die Gerichtsakten dem Rechtsanwalt nur vorübergehend überlassen wurden und er deshalb daraus Dateien für seine eigenen Unterlagen ausdrucken musste, war deshalb nicht gegeben. Das gilt auch während der Teilnahme an der Hauptverhandlung.

Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Beschwerdeführer. persönlich nach seinem Vortrag im Schriftsatz vom 5. Oktober 2012 jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit einem Computer gearbeitet habe. Denn dies belegt nicht die Notwendigkeit der Ausdrucke vom Standpunkt eines objektiven Dritten.

Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, sich aufgrund langjähriger Erfahrung eine spezielle Lesetechnik erarbeitet zu haben, die es ermögliche, physisch in Papierform vorliegenden Text quasi zu scannen, rechtfertigt auch dies keine andere Beurteilung, weil es nicht auf die subjektive Sicht des Rechtsanwalts, sondern auf die objektive Sicht eines sachkundigen Dritten ankommt.

Das Studium umfangreicher Akten am Bildschirm mag von dem Beschwerdeführer als unangenehmer und für die Augen ermüdender empfunden werden als das Lesen von Papierakten. Eine objektive Notwendigkeit, die Dateien deshalb (vollständig) auszudrucken, folgt daraus auch angesichts der vorgetragenen – auch starken – Sehbeeinträchtigung nicht. Denn es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass diese nicht mit eine Sehhilfe korrigiert werden kann.“

Nun ja, das ist grudnsätzlich leider auch h.M.. Dass dem OLG insoweit nun aber sogar auch eine vom Rechtsanwalt vorgetragene – auch starke – Sehbeeinträchtigung nicht ausreicht, ist allerdings neu und für ich wenig verständlich. Auch die Begründung: „Denn es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass diese nicht mit einer Sehhilfe korrigiert werden kann.“ macht die Argumentation des OLG für mich nicht nachvollziehbarer. Man fragt sich, warum fragt man denn nicht mal nach.

Lachen oder weinen?, oder: Verteidiger braucht man nicht, man kann der StA vertrauen

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Auf eine interessante Entscheidung aus Bayern hat mich vor einigen Tagen mein Sozius aufmerksam gemacht, nachdem sie in der Mailiung-Liste der ARGE Strafrecht gelaufen ist. Fazit aus dem AG Pfaffenhofen, Urt. v. 07.12.2015 – 1 C 764/15:  Wer sich gegen eine gegen ihn erstattete Strafanzeige durch Einschaltung eines Verteidigers verteidigt, bleibt, wenn das Verfahren eingestellt wird, i.d.R. auf den dadurch entstandenen Kosten sitzen.

Nach dem Sachverhalt hatte der Beklagte gegen den Kläger Strafanzeige wegen des Verdachts eines Diebstahls von Dieselkraftstoff aus Fahrzeugen des Arbeitgebers des Klägers erstattet. Vorausgegangen war eine Pressenotiz der Polizei. Der Kläger nahm sich einen Verteidiger. Nachdem der für den Kläger im Ermittlungsverfahren eine Äußerung abgegeben hatte, wurde das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO durch die Staatsanwaltschaft eingestellt. Der Kläger machte dann gegen den Beklagten die bei seinem Verteidiger entstanden Gebühren als Schadenersatz gemäß § 164 StGB i.V.m. §§ 823 Abs. 2, 249 BGB geltend. Das AG hat die Klage abgewiesen.

Das AG verneint einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG und des BGh. Danach verstößt die Anwendung des Schadensersatzrechts, die den gutgläubigen Strafanzeigenerstatter mit dem Risiko des Schadensersatzes für den Fall belastet, dass seine Anzeige nicht zum Erweis behaupteten Vorwurfs führt, gegen Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. mit dem Rechtsstaatsprinzip (BVerfG NJW 1987,1929). Die Rechtsanwaltskosten für die Vertretung in einem Ermittlungsverfahren gehören zu den typischen, ersatzlos hinzunehmenden Folgen einer formal berechtigten Einleitung und Durchführung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens (BGHZ 74, 9). Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die Strafanzeige wissentlich unwahr oder leichtfertig erstattet worden ist (BVerfG, a.a.O.). Das war aber nicht der Fall.

Auf den ersten Blick dann vielleicht doch überraschend. Ist aber eben die Linie der obergerichtlichen Rechtsprechung. Und das gilt nicht nur, wenn es um die Abwehr einer Strafanzeige geht, sondern auch, wenn es die Kosten der Erstattung einer Strafanzeige im Rahmen eines ggf. entstehenden Schadensersatzanspruchs gegen den Schädiger über § 823 BGB im Spiel sind (vgl. dazu BGH NJW 2011, 2966; OLG Zweibrücken NJW-RR 2014, 33).

Was mich an der Entscheidung des AG stört sind weitere Ausführungen des AG, die m.E. neben der Sache liegen und zudem auch so nicht zutreffend sind. Da heißt es:

„Darüber hinaus bestand für den Kläger überhaupt keine Notwendigkeit, zu seiner Verteidigung einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Es wäre für ihn ein Leichtes gewesen, seine Sachverhaltsversion selbst gegenüber der Polizei schriftlich oder im Rahmen einer Vernehmung, zu der er geladen wurde, zu schildern. Dass es hierfür der Einschaltung einer Rechtsanwältin bedurfte, ist nicht ersichtlich……

„Darüber hinaus hätte der Kläger auch auf die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft als staatliche Ermittlungsbehörde vertrauen könne, da diese nicht zur zulasten, sondern auch zugunsten des Beschuldigten ermittelt.“

Also:

  • Diese Ausführungen wären bei dem vom AG eingenommenen Rechtsstandpunkt überhaupt nicht erforderlich gewesen, da das AG schon einen Schadensersatzanspruch verneint hat. Was soll das also?
  • Zudem sind sie m.E. auch falsch. Denn offenbar will das AG damit ggf. einen Verstoß gegen § 254 BGB begründen. Dem dürfte aber wohl § 137 StPO entgegenstehen. Der erlaubt es dem Beschuldigten, sich in jeder Lage des Verfahrens eines Verteidigers zu bedienen.
  • Und: Zu dem „Vertrauen“ in die Staatsanwaltschaft verkneife ich mir einen weiteren Kommentar, außer: Mit dem Argument könnte man die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verteidigers immer verneinen. Da war wahrscheinlich ein reiner Zivilst am Werk. Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll.

Erstattung des Ausdrucks von Scans – auch nicht bei einer fast 80-jährigen Mandantin….

© Alex White _Fotolia.com

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Nach dem KG, Beschl. v. 28. 08. 2015 – 1 Ws 31/15 (dazu das Posting Ausdruck der digitalen Akte – nein, eine Dokumentenpauschale gibt es nicht….) hier dann die nächste Scan-Entscheidung des KG, und zwar der KG, Beschl. v. 28.08.2015 – 1 Ws 59/15 – mit folgendem Sachverhalt: Die Rechtsanwältin, die im Rahmen ihres Kostenfestsetzungsantrags eine Position „Dokumentenpauschale“ in Höhe von rund 70 EUR geltend gemacht hatte, war Nebenklagevertreterin. Auf Nachfrage der Staatskasse hatte sie mitgeteilt, dass ihr die Akten als Scan und in Papierform vorliegen würden. Später hat sie ergänzend vorgetragen, dass ihrer fast 80-jährigen Mandantin keine Mittel zur Verfügung stünden, sich durch einen eingescannten Aktenauszug zu informieren. Die 70 EUR sind nicht festgesetzt worden. Das KG hate es gehalten.

Begründung:

  • Für die Herstellung von Scans fällt die Dokumentenpauscahle nicht (vgl. dazu den KG, Beschl. v. 28.08.2015 – 1 Ws 51/15 – und das Posting Dokumentenpauschale für das Einscannen von Unterlagen – gibt es beim KG nicht).
  • Und: Auch der Ausdruck gescannter Gerichtsakten ist nicht erstattungsfähig. Hier sei vor allem nicht dargetan, dass die Herstellung der Papierkopien zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten gewesen sei. Das folge auch nicht daraus, weil der fast 80-jährigen Mandantin keine Mittel zur Verfügung stehen würden, sich durch einen gescannten Aktenauszug (z.B. über die Vernehmung des Beschuldigten und das Ergebnis der Begutachtung) zu informieren. Bei der Beurteilung, ob Ablichtungen aus den Akten zur Überlassung an die Nebenklägerin notwendig sind, sei entscheidend, ob diese auf den genauen Wortlaut der Schriftstücke angewiesen sei und/oder ob sie diese zur Vorbereitung ihrer Nebenklage ständig zur Hand haben müsse. In allen anderen Fällen sei es die Aufgabe des Nebenklagevertreters, dem Nebenkläger den Akteninhalt zusammenfassend mündlich zu vermitteln und dessen Bedeutung für den Verfahrensfortgang erforderlichenfalls anhand einzelner Schriftstücke zu belegen, wobei dazu i.d.R. Rückgriff auf den eigenen Ablichtungssatz bzw. Scan des Anwalts ausreichen werde.

Tja, was soll man dazu sagen? In meinen Augen „kleinlich“ und nicht „großzügig“, obwohl ja immer der „gewisse, nicht zu enge, sondern eher großzügige Ermessensspielraum“ des Rechtanwalts betont wird. Kleinlich in meinen Augen auch wegen der Argumentation des KG zur Mandantin. Vorgetragen bzw. aus der Akte zu entnehmen war, dass die Rechtsanwältin einer fast 80-jährigen Mandantin in einem Verfahren „wegen versuchter sexueller Nötigung pp.“ beigeordnet war. M.E. dürfte damit – vor allem auch vor dem Hintergrund, dass der Nebenklägerin keine (technischen) Mittel zur Verfügung standen, sich durch einen gescannten Aktenauszug (genaue) Informationen aus der Akte zu beschaffen – die Notwendigkeit für die Überlassung des Ausdrucks auf der Hand gelegen haben. Was soll/muss der Rechtsanwalt den in dem Zusammenhang noch alles vortragen, bis ein OLG mal „großzügig“ ist/wird?

Scan und/oder Ausdruck – was wird bezahlt?; oder: Reihenfolge wichtig?

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Nach den Änderungen der Nr. 7000 Nr. 1a VV RVG haben wir ein neues „Schlachtfeld“ im RVG: Nämlich die Frage, ob und wann Scans und/oder Ausdrucke bezahlt werden. Vor einigen Tagen hat der Kollege Hoenig über dieses Problem und seine Probleme mit der Kostenbeamtin berichtet (vgl. hier: Kopien ausschliesslich in Papierform notwendig). Der Kollege Hoenig war noch nicht weiter als bis zur Kostenbeamtin gekommen.

Ich habe inzwischen von einem Kollegen, der schon ein Stück weiter ist :-), den LG Berlin, Beschl. v. 23.07.2015 – (537 KLs) 255 Js 381/14 (28/14) – übersandt bekommen. Da ging es auch um die Kopiekosten. Die sind nicht gewährt worden:

„Die Verwendung des Begriffs „Kopie“ anstelle von „Ablichtung“ erfolgte durch den Gesetzgeber bewusst, um Missverständnisse bei der Erstellung von Scans zu vermeiden. Ein Scan fällt nicht unter „Kopie“ im kostenrechtlichen Sinne.

Der Verteidiger hat ein Wahlrecht. Er kann entweder den Akteninhalt für sich in Papierform erstellen oder ein elektronisches Dokument davon (Scan). Beides ist nach dem objektiven Standpunkt eines vernünftigen sachkundigen Dritten, nicht nach der subjektiven Ansicht des Rechtsanwalts, zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache nicht erforderlich.

Da der Verteidiger die Akten zuerst gescannt und dann ausgedruckt hat, sind Ausdrucke nicht erstattungsfähig. Vielmehr dienen diese Ausdrucke lediglich der Arbeitserleichterung für den Verteidiger. Es handelt sich daher um allgemeine Geschäftskosten, die mit den Grund- und Verfahrensgebühren abgegolten werden (vgl. OLG München, Beschluss vom 3. 11. 2014 — 4c Ws 18/14).“

Ob der Verweis auf OLG München richtig ist, lassen wir mal dahingestellt, die Entscheidung ist zudem in meinen Augen zweifelhaft. Aber irgendwie schon komisch. Wenn erst gescannt und dann ausgedruckt wird, wird nicht erstattet. Aber wenn die Akte ausgedruckt und dann gescannt wird, wird erstattet. Und dass alles nur, weil der Gesetzgeber in seiner unerforschlichen Weisheit durch das 2. KostRMoG eine Änderung vorgenommen hat, um Scans nicht mehr bezahlen zu müssen (obwohl heute vielfach nur noch gescannt wird) und die h.M. das bis dahin anders gesehen hat. Man kann nur hoffen, dass der Gesetzgeber das bald wieder ändert.

Und: Man kann dann nur auf das KG hoffen. Von dem werden wir dann bald was hören. Denn der Kollege hat gegen den LG Berlin Beschluss Rechtsmittel eingelegt. Das KG darf dann entscheiden.