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Vergütungsvereinbarung zu hoch, oder: Sittenwidrig?

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Die zweite gebührenrechtliche Entscheidung, die ich heute vorstelle, ist das KG, Urt. v. 08.06.2018 – 9 U 41/16. Es behandelt zunächst/vornehmlich die Frage nach dem Entfallen des anwaltlichen Vergütungsanspruchs nach Mandatskündigung auch bei erst nachträglich entdecktem Kündigungsgrund. Dazu sagt das KG:

„Auch ein nachgeschobener Kündigungsgrund, der im Zeitpunkt der Kündigung schon bestand, dem kündigenden Dienstberechtigten aber seinerzeit noch nicht bekannt war, kann eine Kündigung im Sinne der Vorschrift des § 628 Abs. 1 S. 2 BGB veranlasst haben.“

Jetzt lassen wir mal dahin gestellt, ob das so richtig ist. Mir geht es hier heute um den Teil der Entscheidung, der sich mit der Sittenwidrigkeit der vereinbarten Vergütung befasst.

„Die dieser Rechnung zugrundeliegende Honorarvereinbarung ist nicht gemäß § 138 Abs. 1 oder 2 BGB unwirksam. Eine Sittenwidrigkeit im Sinne dieser Vorschrift ist weder konkret vorgetragen noch sonst ersichtlich.

a) Unabhängig davon, dass die Beklagte verkennt, dass der Kläger seine außergerichtliche Tätigkeit vergütet haben will, er mithin ohne Honorarvereinbarung eine Geschäftsgebühr nach RVG VV 2300 verlangen kann (insgesamt 1,3 x 354,00 Euro zzgl. Postpauschale zzgl. MWSt. = 571,44 Euro) und die von ihm geltend gemachte Vergütung danach lediglich knapp dreimal so hoch ist, kann die Sittenwidrigkeit einer Honorarvereinbarung nicht allein aus einem Vergleich mit den gesetzlichen Gebühren hergeleitet werden.

Eine Vergütungsabrede ist nach ständiger Rechtsprechung gemäß § 138 Abs. 1 BGB nur dann sittenwidrig, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein auffälliges Missverhältnis besteht und weitere Umstände hinzutreten, welche die Sittenwidrigkeit begründen, insbesondere etwa eine verwerfliche Gesinnung oder die Ausbeutung der schwierigen Lage oder Unerfahrenheit für das eigene unangemessene Gewinnstreben (BGH, Urteil vom 10. November 2016 – IX ZR 119/14 –, Rn. 17, juris). Für die Frage, ob ein Missverhältnis besteht, kommt es auf einen Vergleich zwischen dem objektiven Wert der beiderseitigen Leistungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Entscheidend ist der Marktwert, also der marktübliche Preis. Daher muss der Mandant, der ein sittenwidrig überhöhtes Entgelt behauptet, zu dem Preis vortragen, welcher der vom Anwalt versprochenen Leistung üblicherweise im sonstigen Geschäftsverkehr zukommt. Die gesetzlichen Gebühren allein sind vielfach keine ausreichende Vergleichsgrundlage für ein den Schluss auf eine Sittenwidrigkeit ermöglichendes Missverhältnis, weil sie nicht in allen Fällen die marktangemessene, adäquate Vergütung für die aufgrund eines konkreten Mandats geschuldete Leistung des Anwalts abbilden sollen, sondern auf einer anderen Grundlage festgesetzt werden (BGH, a.a.O., Rn. 18 f., juris).

Danach reicht der Vortrag der Beklagten nicht aus, eine Sittenwidrigkeit der Honorarvereinbarung festzustellen. Hinzukommt, dass das Landgericht seine Entscheidung darauf gestützt hat, dass die subjektiven Tatbestandsmerkmale gemäß § 138 Abs. 2 BGB nicht vorgetragen sind. Selbst wenn man ein auffälliges Missverhältnis annehmen würde, fehlt die Darlegung dieser subjektiven Merkmale, zu denen die Beklagte nichts vorgetragen hat.

b) Soweit sich die Beklagte darauf berufen will, es liege ein besonders grobes Missverhältnis vor, aus dem auf die verwerfliche Gesinnung des Klägers geschlossen werden könne, gilt nichts anderes.

Bei einem besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung spricht eine Vermutung für ein Handeln aus verwerflicher Gesinnung (vgl. BGH, Urteil vom 30. Mai 2000 – IX ZR 121/99, juris: 5-fache der gesetzlichen Vergütung). Liegt die Diskrepanz aber unterhalb der für das besonders grobe Missverhältnis anerkannten Grenze, liegt nur ein auffälliges Missverhältnis vor, das keine Vermutung für eine verwerfliche Gesinnung begründet (BGH, Urteil vom 10. November 2016 – IX ZR 119/14 –, Rn. 18, juris). Da die gesetzlichen Gebühren nicht in allen Fällen die marktangemessene, adäquate Vergütung für die aufgrund eines konkreten Mandats geschuldete Leistung des Anwalts abbilden (s.o.), genügt für sich genommen das mehrfache Überschreiten der gesetzlichen Gebühren noch nicht, um den Schluss auf ein auffälliges oder gar besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinne des § 138 BGB ziehen zu können (BGH, a.a.O., Rn. 19).

„Der Mandant, der geltend macht, die mit dem Anwalt getroffene Vergütungsvereinbarung sei sittenwidrig und daher nichtig, und sich hierzu auf ein auffälliges Missverhältnis zwischen der Leistung des Anwalts und dem vereinbarten Honorar beruft, muss also nicht nur dartun, dass die vereinbarte Vergütung die gesetzlichen Gebühren überschreitet, sondern zudem darlegen und beweisen, dass nach Umfang und Schwierigkeit der im Rahmen des konkreten Mandats geschuldeten anwaltlichen Tätigkeit objektiv nur eine geringere als die vereinbarte Vergütung marktangemessen ist. Erst wenn auf dieser Grundlage feststeht, dass die versprochene Vergütung das Honorar deutlich überschreitet, welches für die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nach dem konkreten Mandat im Gegenzug zu leistende anwaltliche Tätigkeit objektiv angemessen ist, liegt ein auffälliges Missverhältnis vor. Übersteigt sie das angemessene, adäquate Honorar in krasser Weise, liegt ein besonders grobes Missverhältnis vor, aus dem auf die verwerfliche Gesinnung des Rechtsanwalts geschlossen werden kann.” (BGH, Urteil vom 10. November 2016 – IX ZR 119/14 –, Rn. 21, juris) Dies hat die Beklagte nicht dargetan.“

Auf freien Fuß gesetzt? Dann aber auch nix wie weg…

Zwei gestern auf der Homepage des BGH veröffentlichte Beschlüsse befassen sich mit dem Grundsatz der Spezialität und einem bei dessen Verletzung sich daraus ggf. ergebenden Verfahrenshindernis. Es ist einmal der zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehene BGH, Beschl. v. 09.02.2012 – 1 StR 148/11– und der BGH, Beschl. v. 09.02.2011 – 1 StR 152/11, den ich bereits in anderem Zusammenhang erwähnte hatte.

In beiden Fällen waren die Angeklagten aus der Schweiz wegen bestimmter Straftaten ausgeliefert worden., so dass wegen der im Haftbefehl genannten Taten der Spezialitätsgrundsatz eingriff. Später wurden die Angeklagten auf freien Fuß gesetzt und sind dann in der Bundesrepublik geblieben. Damit galt – so der Leitsatz 2 des BGH-Beschlusse:

Ist der Ausgelieferte mit Verkündung des erstinstanzlichen Urteils auf freien Fuß gesetzt worden, entfällt die Spezialitätsbindung gemäß Art. 14 Abs. 1 Buchst. b EuAlÜbk dann, wenn er – obwohl er über die Rechtsfolgen dieser Vorschrift informiert worden ist und die Möglichkeit einer Ausreise hatte – nicht innerhalb von 45 Tagen die Bundesrepublik Deutschland verlassen hat oder wenn er nach dem Verlassen Deutschlands dorthin zurückgekehrt ist.“

Also, wenn auf freien Fuß, dann nichts wie weg…..