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OWi III: Elektronische Aktenführung in Baden-Württemberg, oder: Keine Aktenversendungspauschale

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Und zum Abschluss des Tages eine AG-Entscheidung mit kostenrechtlichem Einschlag. Es geht erneut um den Anfall der Aktenversendungspauschale bei elektronischer Aktenführung. Zu der Frage hatten ja in letzter Zeit schon einige Amtsgerichte aus Rheinland-Pfalz Stellung genommen und den Anfall verneint, wenn die Akten des Bußgeldverfahrens elektronisch ohne die nach § 110a Abs. 1 Satz 2 OWiG erforderliche Rechtsverordnung geführt werden. So jetzt auch das AG Bühl im AG Bühl, Beschl. v. 31.7.2020 – 1 OWi 41/20 – für Baden-Württemberg:

„Dem Antragssteller wurde mit Schreiben vom 15.07.2020 seitens der Stadt Bühl auf dessen Antrag hin Akteneinsicht gewährt. Für die Aktenversendung wurde nach § 107 Abs. 5 OWiG eine Aktenversendungspauschale in Höhe von 12,00 EUR erhoben.

Mit weiterem Schriftsatz des Antragsstellers vom 20.07.2020 wurde bei der Stadt Bühl angefragt, in welcher Form die Verwaltungsbehörde die Akte des zugrundeliegenden Bußgeldverfahrens führe und es wurde für den Fall, dass diese in elektronischer Form geführt werden sollte, die Nennung der Rechtsgrundlage auf welche diese Art der Aktenführung gestürzt wird, erbeten. Die Stadt Bühl führte daraufhin mit Schreiben vom 22.07.2020 aus, dass alle verfahrensrelevanten Dokumente zunächst nur digital vorhanden wären und erst bei Bedarf, zum Beispiel bei Versendung der Akte oder bei Einspruch, eine Papierakte ausgedruckt werde. Dies geschehe ohne Rechtsgrundlage, da die Landesregierung Baden-Württemberg noch nicht die notwendige Rechtsverordnung erlassen habe.

Mit Schriftsatz vom 23.07.2020 wurde sodann durch den Antragssteiler die gerichtliche Entscheidung im Hinblick auf die festgesetzte Aktenversendungspauschale beantragt.

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig und begründet, da es im Hinblick auf den von der Stadt Bühl übersandten Aktenausdruck derzeit an einer rechtlichen Grundlage für die Festsetzung der Versendungspauschale fehlt.

Gemäß § 107 Absatz 5 OWiG kann von demjenigen, der die Versendung von Akten beantragt, je durchgeführte Sendung einschließlich der Rücksendung durch Behörden pauschal 12,00 EUR als Auslage erhoben werden. Wir die Akte in elektronischer Form geführt, sieht § 107 Absatz 5 Satz 2 eine pauschale Auslage für die elektronische Übermittlung in Höhe von 5,00 EUR vor.

Grundsätzlich ist die Originalakte an den beantragenden Rechtsanwalt zu versenden ist. Die gilt jedoch nicht, wenn die Akte in elektronischer Form geführt wird. Hier wurde die Akte nach den Angaben der Stadt Bühl in digitaler Form geführt. In diesem Fall kann gemäß § 110b Absatz 2 Akteneinsicht durch Übermittlung von elektronischen Dokumenten erfolgen oder durch Erteilung von Aktenausdrucken, welche jedoch den Erfordernissen der §§ 110b ff. OWiG gerecht werden müssen. Dies setzt indes voraus, dass die Akte zulässigerweise in elektronischer Form geführt wird. Dafür sieht§ 11 Ob Absatz 1 Satz 2 OWiG vor, dass die zuständige Landesregierung durch Rechtsverordnung den Zeitpunkt bestimmt, von welchem an die Akten elektronisch geführt werden oder im behördlichen Verfahren geführt werden können sowie die hierfür geltenden organisatorisch-technischen Rahmenbedingungen für die Bildung, Führung und Aufbewahrung der elektronischen Akten.

Eine entsprechende Rechtsverordnung hat das Land Baden-Württemberg bislang noch nicht erlassen. § 1 eAktVO ordnet diese Form der Führung für verschiedenen in der Anlage zu der Verordnung genannten Gerichte an, nicht jedoch auch für die Verwaltungsbehörden. Die Verordnung des Justizministeriums über den elektronischen Rechtsverkehr in Baden-Württemberg betrifft in dem von § 1 LERVVO festgelegten Anwendungsbereich lediglich die Einreichung elektronischer Dokumente an die Gerichte des Landes Baden-Württemberg sowie die Bearbeitung elektronischer Dokumente durch diese Gerichte.

Vor Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung für die Verwaltungsbehörden in Baden-Württemberg ist die Führung der Akten in elektronischer Form unzulässig. Die Aktenführung geschieht bei der Stadt Bühl demnach nicht in zulässiger Art und Weise.

Die Übersendung einer ohne Rechtsgrundlage geführten Akte kann keine Aktenversendungspauschale begründen (AG Pirmasens, Beschluss vom 13.04.2017 – 1 Owi 424/16; AG Trier, Beschluss vom 02.02.2020- 35a OWi 1/20– ; AG Landstuhl, Beschluss vom 14.01.2020- 2 Owi 189/19 -).“

Ausdruck einer elektronischen Akte/Akteneinsicht, oder: Aktenversendungspauschale

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An meinem „Gebührentatg“ merke ich immer, wie schnell eine Woche dahinfliget, denn, wenn es dann wieder Freitag ist, meine ich immer, dass ich doch gerade erst Gebühren- und/oder Kostenrechtsentscheidungen vorgestellt habe. So auch heute wieder.

Heute eröffne ich mit zwei Entscheidungen zur Aktenversendungspauschale (AVP) nach Nr. 9003 KV GKG. Auf die bin ich beim Kollegen Gratz vom VerkehrsRechtsBlog gestoßen. Es geht um die Frage, ob die AVP geltend gemacht werden kann, wenn es um den Ausdruck einer elektonisch geführten (Bußgeld)Akte (§ 110a OWiG) geht. Grds. ist diese Art der Aktenführung zwar zulässig, allerdings bedarf es dazu nach § 110a Abs. 1 Satz 2 OWiG einer Rechtsverordnung. Und die gibt es in Rheinland-Pflaz (noch) nicht, dennoch werden die Akten aber elektronisch geführt. In dem Fall darf, das hatte u.a. auch schon der AG Pirmasens, Beschl. v. 14.04.2017 – 1 OWi 424/16 – entschieden, die AVP nicht erhoben werden.

Und dem haben sich nun das AG Trier im AG Trier, Beschl. v. 02.02.2020 – 35a OWi 1/20 – und das AG Landstuhl im AG Landstuhl, Beschl. v. 14.01.2020 – 2 OWi 189/19 – angeschlossen. Aus den Gründen des AG Trier, Beschlusses:

„Der Antrag ist auch begründet, da es im Hinblick auf den durch die Bußgeldstelle an den Verteidiger übersandten Aktenausdruck derzeit an einer Grundlage für die Auslagenfestsetzung fehlt.

Gemäß § 107 Abs. 5 S. 1 OWiG kann von demjenigen, der die Versendung von Akten beantragt, je durchgeführte Sendung einschließlich der Rücksendung durch Behörden pauschal 12 Euro als Auslagen erhoben werden. Wird die Akte elektronisch geführt und erfolgt ihre Übermittlung elektronisch, wird eine Pauschale nicht erhoben, § 107 Abs. 5 S. 2 OWiG.

Trotz fehlender Rechtsgrundlage werden die Akten bei der Bußgeldstelle elektronisch geführt (OLG Koblenz, Beschluss vom 17.07.2018 – 1 OWi 6 SsBs 19/18). Bisher fehlt es im Landesrecht von Rheinland-Pfalz an einer Rechtsgrundlage, die eine elektronische Aktenführung durch die Verwaltungsbehörde ermöglicht. Eine Rechtsverordnung auf Grundlage der Verordnungsermächtigungen in § 110a Abs. 1 OWiG n.F. ist bisher nicht erlassen worden.

Insofern ist die Aktenführung bei der Zentralen Bußgeldstelle des Polizeipräsidiums Rheinpfalz, wo alle verfahrensrelevanten Dokumente zunächst nur digital vorhanden sind bzw. digital hergestellt werden und erst bei Bedarf ausgedruckt werden, derzeit rechtswidrig. Die Übersendung eines Ausdrucks einer insofern ohne Rechtsgrundlage geführten elektronischen Akte kann keine Aktenversendungspauschale begründen, denn eine solche kann nur dann anfallen, wenn Einsicht in eine zulässigerweise und ordnungsgemäß geführte Akte gewährt wird (AG Pirmasens, Beschluss vom 14.04.2017 – 1 OWi 424/16; AG Landstuhl, Beschluss vom 29.11 .2019 – 2 OWi 157/19).“

Fristenkontrolle bei elektronischer Aktenführung, so muss man es machen II

laptop-2Im Spätsommer 2014 hatte ich über den BGH, Beschl. v. 09.07.2014 – XII ZB 709/13 berichtet (vgl. Fristenkontrolle bei elektronischer Aktenführung, so muss man es machen). Daran schließe ich heute mit einem Hinweis auf den BGH, Beschl. v. 27.01.2015 – II ZB 23/13 – an, der erneut die Fristenkontrolle bei einem elektronisch geführten Fristenkalender zum Gegenstand hat. Zu beurteilen hatte der BGH folgenden Sachverhalt:

Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin arbeiten mit dem Anwaltsprogramm WinMacs. Alle Akten der Kanzlei werden elektronisch innerhalb dieses Anwaltsprogramms geführt. Auch der Fristenkalender wird ausschließlich elektronisch in diesem Programm geführt. Das Programm ist zentral auf dem Terminalserver in den Kanzleiräumen in R. gespeichert. Erst wenn man sich über den Terminalserver bei WinMacs anmeldet, hat man Zugriff auf die Akten und den Fristenkalender. Der Server ließ sich am Morgen des 05.08.2013, an einem Montag, aufgrund eines am Wochenende eingetretenen Schadens nicht hochfahren. Der unverzüglich beauftragte Computertechniker hat den ganzen Tag versucht, das Problem zu beheben. Da es sich aber um ein größeres Problem gehandelt hat, ist es erst am 06.08.2013 gelungen, den Serverzugang soweit herzustellen, dass auf WinMacs wieder zugegriffen werden konnte. Wegen dieses Fehlers ist es zum Ablauf einer Berufungsbegründungsfrist gekommen, ohne dass die Berufung begründet worden ist.

Der Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin ist zurückgewiesen worden. Der BGH meint – in Übereinstimmung mit dem OLG: Ist der Zugriff auf einen ausschließlich elektronisch geführten Fristenkalender wegen eines technischen Defekts einen ganzen Arbeitstag lang nicht möglich, kann es die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts in Fristensachen verlangen, dass die dem Rechtsanwalt vorliegenden Handakten auf etwaige Fristabläufe hin kontrolliert werden:

b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist davon auszugehen, dass der sachbearbeitenden Rechtsanwältin die Handakte des vorliegen-den Berufungsverfahrens aufgrund der auf den 29. Juli 2013 notierten Vorfrist an diesem Tag zur Bearbeitung vorgelegt wurde und es weder dargelegt noch glaubhaft gemacht ist, dass die Handakte von der sachbearbeitenden Rechtsanwältin nachfolgend wieder zur erneuten Wiedervorlage erst auf den 5. August 2013 wegverfügt wurde. Für die rechtliche Beurteilung im Rechtsbeschwerde-verfahren ist von diesen von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen auszugehen.

Bei dieser Sachlage hat das Berufungsgericht entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht der Prozess-bevollmächtigten der Klägerin nicht überspannt, wenn es von der sachbearbeitenden Rechtsanwältin erwartet, dass die ihr vorliegenden – nicht alle, wie die Rechtsbeschwerde unterstellt – Handakten händisch auf etwaige Fristabläufe hin kontrolliert werden. Treten Störungen in der Organisation des Büros auf, die dazu führen können, dass die Pflichten des Anwalts bei der Fristenkontrolle nicht erfüllt werden, erhöhen sich seine Sorgfaltspflichten. Er muss sicherstellen, dass seine Angestellten ihre Aufgaben auch dann zuverlässig erfüllen, wenn das zur Fristenkontrolle eingerichtete System aufgrund eines Computerdefekts vorübergehend nicht zuverlässig funktioniert (vgl. BGH, Beschluss vom 1. April 1965 – II ZB 11/64, VersR 1965, 596 f.; Beschluss vom 26. August 1999 – VII ZB 12/99, NJW 1999, 3783; Beschluss vom 15. September 2014 – II ZB 12/13, juris Rn. 13; BFH, Beschluss vom 23. Dezember 2005 – VI R 79/04, BFH/NV 2006, 787 Rn. 12; Beschluss vom 17. Juli 2006 – VII B 291/05, BFH/NV 2006, 1876 Rn. 7). Die Durchsicht der vorgelegten Handakten drängt sich insbesondere deshalb auf, weil die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist durch eine ausreichende Vorfrist sicherzustellen ist (statt anderer Nachweise BGH, Beschluss vom 24. Januar 2012 – II ZB 3/11, NJW-RR 2012, 747 Rn. 9), so dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin damit rechnen musste, dass sich unter den ihr vorliegenden Handakten solche befinden, die ihr aufgrund der Vorfrist im Hinblick auf den bevorstehenden Ablauf der Berufungsbegründungsfrist vorgelegt worden sind. Dies gilt vorliegend erst recht, weil nach dem Wiedereinsetzungsvorbringen der Klägerin mit solchen Fristabläufen konkret zu rechnen gewesen ist.“

Ganz ungefährlich ist die elektronische Aktenführung also nicht….

Fristenkontrolle bei elektronischer Aktenführung, so muss man es machen

laptop-2Die elektronische Aktenführung nimmt zu und damit auch die Zahl elektronisch geführter Handakten. Von daher ist der BGH, Beschl. v. 09.07.2014 – XII ZB 709/13 – von Bedeutung, der sich mit der richtigen/ausreichenden Fristenkontrolle bei der elektronisch geführten Handakte befasst. Die Entscheidung ist zwar in einem familienrechtlichen Verfahren ergangen – also an sich so gar nicht mein Berichtsbereich -, sie hat aber darüber hinaus auch in anderen Verfahren, in denen dem Mandanten ggf. ein Verschulden des Rechtsanwalts an einer Fristversäumung zugerechnet wird, Bedeutung. Die Entscheidung setzt die Rechtsprechung des BGH zur der anwaltlichen Sorgfaltspflicht in Fristsachen bei elektronischer Aktenführung fort. Der BGH hält im Beschluss daran fest bzw. betont noch einmal, dass sich an den Anforderungen an die Notierung von Rechtsmittelfristen nichts dadurch ändert, dass die Handakte zulässigerweise elektronisch geführt wird. Wie die elektronische Fristenkalenderführung gegenüber dem herkömmlichen Fristenkalender darf also die elektronische Handakte grundsätzlich keine geringere Überprüfungssicherheit bieten als ihr analoges Gegenstück auf Papier (BGH BGH NJW-RR 2012, 1085).

Noch mal lesens- und beachtenswert, mit dem Fazit: Also lieber einmal mehr prüfen.