Am „Gebührenfreitag“ zunächst ein Beschluss des OLG Düsseldorf zur Frage, welche anwaltlichen Stundensätze angemessen sind und welche Kriterien bei ihrer Bemessung zu berücksichtigen sind,. Die Frage spielt in der Praxis ja immer wieder eine große Rolle. Dazu und zu weiteren Fragen in Zusammenhang mit dem anwaltlichen Stundensatz hat dann jetzt das OLG Düsseldorf noch einmal Stellung genommen. Dem OLG Düsseldorf, (Hinweis)Beschl. v. 23.11.2021 – 24 U 355/20 – liegt zwar kein Strafverfahren zugrunde, aber die Ausführungen des OLG haben auch da Bedeutung:
„Gegenstand des Verfahrens ist eine Honorarklage. Die Klägerin ist eine Anwaltskanzlei mit Sitz in Düsseldorf. Sie macht gegenüber der Beklagten, eine Honorar für die Beratung hinsichtlich einer geplanten Akquisition der Beklagten beziehungsweise eines von der Beklagten geworbenen Investors sowie bezüglich der dafür erforderlichen Interessenbekundung («call for expression of interest») und des Bieterverfahrens («bit documents») geltend. Sie hat hierfür eine Vergütung auf Stundensatzbasis von netto ca. 9.800 EUR abgerechnet. Abgerechnet worden sind rund 15 Tätigkeitsstunden ab, für die die die Klägerin unterschiedliche Stundensätze, und zwar in Höhe von 500,00 EUR, 625,00 EUR und 710,00 EUR zugrunde gelegt hat.
Das LG hat der Klage statt gegeben, Die Beklagte hat Berufung eingelegt. Das OLG hat in seinem gem. § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erlassenen Beschluss darauf hingewiesen, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe:
„2. Die zwischen den Parteien zustande gekommene Gebührenvereinbarung bezog sich auf Beratungsleistungen nach § 34 RVG, für die eine Vergütung ohne Beachtung der strengen Form des § 3a RVG vereinbart werden kann. Die Leistungen standen auch in keinem Zusammenhang mit einer anderen gebührenpflichtigen Tätigkeit, zudem fehlt eine gesetzlich festgelegte Vergütung für diese Tätigkeit (vgl. hierzu auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 20. Januar 2015 – 19 U 99/14, Rn. 58; BeckOK/RVG/v. Seltmann, Stand: 1. September 2021, § 3a Rn. 13). Infolgedessen war keine Form einzuhalten, worauf auch das Landgericht zutreffend abgestellt hat.
3. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es nicht darauf an, dass die „Vergütungsvereinbarung“ von der Beklagten erst am 30. Juli 2017 und damit erst einige Zeit nach Erbringung der Leistungen vom 2.-15. Juni 2017 unterzeichnet worden ist. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass dem Geschäftsführer der Beklagten aus anderen Mandaten ihre Stundensätze bekannt waren. Mit dieser Kenntnis hat die Beklagte somit die hier in Rede stehenden Beratungsleistungen der Klägerin beauftragt. Nachfolgend hat sie die „Vergütungsvereinbarung“ unterzeichnet und damit jedenfalls die Stundensätze genehmigt. Bei den Stundensätzen dürfte es sich im Übrigen um die „übliche Vergütung“ der Klägerin gem. § 612 Abs. 2 letzter Halbsatz BGB handeln.
4. Die Einwendungen der Beklagten gegen die Höhe des Honorars und die in Ansatz gebrachten Stunden bleiben ebenfalls ohne Erfolg.
a) Die Klägerin hat unterschiedliche Stundensätze von EUR 625,00 (S; 9,5 Stunden), EUR 710,00 (D, 4:45 Stunden) und EUR 500,00 (T, 0,5 Stunden) berechnet und kommt zu einem Nettohonorarvolumen von EUR 9.760,00 für geleistete 15:05 Tätigkeitsstunden. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Der von der Beklagten genannte anwaltliche Stundensatz von EUR 250,00 stellt zwar möglicherweise den „Regelfall“ dar, allerdings können bei besonders ausgewiesenen spezialisierten Anwälten in Angelegenheiten, die für den Mandanten existenziell wichtig sind, auch EUR 1.000,00 angemessen sein (vgl. Senat, Beschlüsse vom 8. Januar 2019 – I-24 U 84/18, Rn. 31, NJW 2019, 1956-1960, NJW 2019, 1956-1960; vom 14. November 2011 – I-24 U 192/10, Rn. 10; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 25. Auflage 2021, § 3a Rn. 28 am Ende). Hier hatte die Klägerin unstreitig Beratungsdienstleistungen in Bezug auf eine geplante mögliche Akquisition der Beklagten bzw. eines von der Beklagten geworbenen Investors bei A sowie bezüglich der dafür erforderlichen Interessenbekundung (sog. „call for expression of interest“) und des Bieterverfahrens (sog. bid documents) zu erbringen. Dies erfordert eine hohe Spezialisierung und Kenntnisse des internationalen Rechts. Bereits dieses Anforderungs- und Tätigkeitsprofil rechtfertigt einen überdurchschnittlichen Stundensatz. Dass die berechneten Stundensätze in sittenwidriger Weise gem. § 138 BGB überhöht gewesen seien, macht die Beklagte nicht geltend. Hierfür ist auch nichts ersichtlich.
Zudem hängt die Angemessenheit eines Stundensatzes auch nicht nur von der wirtschaftlichen Bedeutung der Sache, sondern auch von der Kostenstruktur der jeweiligen Anwaltskanzlei ab. Es liegt auf der Hand, dass Einzelkanzleien mit wenig Personal, zum Teil mit Familienangehörigen, in ländlichen und mietpreismäßig günstigen Landesteilen deutlich anders kalkulieren können als international tätige Großkanzleien in Städten mit teuren Mieten und einem großen und kostspieligen Personalbestand (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 14. November 2011 – I-24 U 192/10, Rn. 10 mwN).
Soweit die Beklagte unzulässige, von der Klägerin gestellte AGB vermutet und in diesem Zusammenhang die Höhe der Stundensätze beanstandet, ist dies unbehelflich. Denn der AGBrechtlichen Kontrolle unterliegen nur Klauseln, die die Bedingungen der Leistungserbringungen regeln. Klauseln, die Art, Umfang und Güte der vertraglichen Hauptleistung und der hierfür zu zahlenden Vergütung unmittelbar bestimmen (Leistungsbeschreibungen und Preisvereinbarungen), sind dagegen per se von einer Inhaltskontrolle ausgenommen (vgl. nur BGH, Urteil vom 11. Juli 2019 – VII ZR 266/17, Rn. 19 mwN; MünchKomm/BGB/Wurmnest, 8. Auflage 2019, § 307 Rn. 13 und 17 mwN).
b) Auch die Anzahl der berechneten Tätigkeitsstunden von insgesamt 15,05 begegnet keinen Bedenken. Die Klägerin hat durch Vorlage ihrer Rechnung und den zusätzlich erläuternden Angaben substantiiert zum Anfall der Stunden vorgetragen, sie nach den tätigen Rechtsanwälten untergliedert und die ausgeübten Tätigkeiten hinreichend beschrieben. Die Beklagte selbst wünschte die Einbeziehung italienischer Kollegen der Klägerin (vgl. Schriftsatz vom 2. März 2019, S. 3, GA 122), weshalb schon daraus das Erfordernis der Tätigkeit mehrerer Rechtsanwälte ersichtlich ist und im Hinblick auf die Aufgabenstellung auch plausibel erscheint.
Aus den von der Klägerin in der Rechnung beschriebenen Tätigkeiten wird weiter deutlich, dass die Beklagte in nicht unerheblichem Umfang Unterlagen übermittelt hatte, welche durchgesehen und geprüft werden mussten. Hierzu hat die Klägerin unwidersprochen vorgetragen (Anspruchsbegründung vom 14. Mai 2018, S. 3, GA 54). Diese Tätigkeiten fielen, wenn auch vielleicht in unterschiedlichem Ausmaß, bei allen drei Rechtsanwälten an, welche das Anliegen der Beklagten bearbeiteten und was naturgemäß zu einem höheren Stundenaufwand führt als bei einer Bearbeitung nur durch eine Einzelperson. Demgegenüber hat die Beklagte den Stundenaufwand nicht substantiiert bestritten, wovon das Landgericht zutreffend ausging. Ihr ist aus eigener Anschauung bekannt, welche Dokumente sie der Klägerin übermittelte, welche Beratungsleistungen von dieser erbracht wurden und welche E-Mails bzw. Telefonate mit ihr als Mandantin mit welchen Inhalten ausgetauscht wurden. Die Klägerin hat für Rechtsanwalt S u.a. im Stundenaufschrieb „telephone calls and extensive e-mail correspondence with the client“ vermerkt. Ein nur pauschales Bestreiten des Mandanten ist jedoch bei Vorgängen, die er selbst miterlebt hat (z.B. Telefonate) oder kennt (z.B. die übersandten Dokumente und deren Umfang) unerheblich (vgl. hierzu auch Senat, Beschluss vom 8. Januar 2019 – I-24 U 84/18, Rn. 33 mwN). Demgemäß musste die Klägerin nicht näher zu den von der Beklagten übermittelten Unterlagen vortragen. Des Weiteren hat die Klägerin zum Tag, der Person und dem Zeitaufwand vorgetragen, welcher mit den Telefonaten, die mit Herrn C als einer der für A tätigen Rechtsanwälte geführt worden waren, verbunden war. Damit hat sie den zu stellenden Anforderungen genügt (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 – IX ZR 18/09, Rn. 79; Beschluss vom 11. Dezember 2014 – IX ZR 177/13, Rn. 2).
c) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es nicht erforderlich ein Sachverständigengutachten zur Angemessenheit der abgerechneten Honorare einzuholen. Unklar ist bereits, unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt dies erforderlich sein soll, denn zum einen waren der Beklagten die Honorarsätze der Klägerin unstreitig bei Mandatserteilung bekannt. Zum anderen behauptet die Beklagte keine sittenwidrige Überhöhung von Honorar gem. § 138 BGB, jedenfalls lässt sich dies ihrem Vorbringen nicht entnehmen. Eine sachverständige Beratung des Senats ist im Übrigen nicht erforderlich, weil er selbst sachkundig ist. Er ist auf anwaltliches Gebührenrecht spezialisiert und hierfür im Bezirk des OLG Düsseldorf ausschließlich zuständig. Deshalb und unter Anwendung des § 287 ZPO kann er die Angemessenheit des Stundensatzes als auch den abgerechneten zeitlichen Aufwand schätzen, zumal ein Richter in seinem Beruf vergleichbare Arbeit leistet, indem er Informationen rechtlicher Art verarbeitet, Recherchen durchführt, Dokumente erstellt und kommuniziert (vgl. hierzu auch Senat, Beschluss vom 8. Januar 2019 – I-24 U 84/18, Rn. 36)….“
Die Entscheidung entspricht hinsichtlich der vom OLG angesprochenen Frage der h.M. in der Rechtsprechung des BGH und auch der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf. Interessant für die anwaltliche Bemessung der Stundensatzes ist der nochmalige Hinweis des OLG darauf, dass für die Frage der Angemessenheit des anwaltlichen Stundensatzes auch die Kostenstruktur der jeweiligen Anwaltskanzlei von Bedeutung ist. Das wird den Einzelanwalt „mit wenig Personal, zum Teil mit Familienangehörigen, in ländlichen und mietpreismäßig günstigen Landesteilen“ nicht freuen, ist aber wohl richtig. Denn der Aufwand ist eben in „international tätigen Großkanzleien in Städten mit teuren Mieten und einem großen und kostspieligen Personalbestand“ ein anderer/größerer.