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Ein paar Gedanken zur „Einlassung“ von Beate Zschäpe

© aerogondo - Fotolia.com

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Gestern war nun in München im NSU-Verfahren der große Tag. Wie man lesen kann, war der Saal wieder gut gefüllt. Viele wollten die angekündigte Einlassung von B. Zschäpe hören. Im Internet sind bei den großen Zeitungen Liveticker gelaufen und sie haben sich nach Abschluss des Hauptverhandlungstages mit Berichten und Kommentaren überschlagen. Die gingen z.B. bis zum „juristischen Selbstmord“ in der „Welt“ (vgl. hier).

Natürlich machen sich auch viele Verteidiger/Rechtsanwälte, die das Verfahren von außen nur aus der Ferne beobachten, ihre Gedanken, was ich u.a. auch an den vielen Kommentaren zu dem von mir geteilten „Welt-beitrag“ erkenne. Das war aber auch gestern auf der Weihnachtsfeier der Strafverteidigervereinigung Münsterland-Ostwestfalen der Fall. Auch da waren die Geschehnisse und Erklärungen in München Gegenstand der Diskussion. Auf dem Heimweg von der Veranstaltung sind mir dann noch so ein paar Gedanken durch den Kopf gegangen. Und zwar:

1. Teileinlassung?

An einigen Stellen wird von Teileinlassung gesprochen. Auch ich habe das auf Facebook in einem Kommentar zu dem von mir geteilten Beitrag aus der „Welt“ getan. Nur, wenn man es sich noch einmal genau(er) überlegt, stellt sich doch dann die Frage: War das nun eine „Teileinlassung“ i.e.S.?

M.E. dann doch wohl nicht. „Teileinlassung“ bedeutet ja, dass zu bestimmten Punkten der Anklage Erklärungen abgegeben werden, zu anderen aber ausdrücklich nicht. Das hat B. Zschäpe aber nicht getan. Sie hat ja nicht zu den ihr auch zur Last gelegten Anschlägen/Morden geschwiegen bzw. dazu gesagt: „Dazu sage ich nichts“. Sondern sie hat, wenn man der Berichterstattung Vertrauen darf, auch zu diesen Aspekten Angaben gemacht – nämlich, indem sie dazu angegeben hat, davon immer erst im Nachhinein erfahren zu haben. Das ist aber eine Einlassung zur Sache auch insoweit, durch das Bestreiten der Mittäterschaft und des vorherigen Wissens wird die Einlassung ja nicht zu einer „Teileinlassung“ i.e.S.

In der Sache macht das auch schon einen Unterschied. Es liegt nämlich nun eine Erklärung der Angeklagten vor, die das Gericht auf der Grundlage der übrigen erhobenen Beweise und Erkenntnisse würdigen und widerlegen muss; das kann dauern. Der Senat wird die Einlassung, ihren Inhalt und das Umgehen mit der Einlassung mit den übrigen Beweisergebnissen abgleichen müssen, ggf. muss zusätzlich Beweis erhoben. Einfach nur zu sagen: Das glauben wir nicht, reicht nicht. Man wird aber Rückschlüsse auf das Gefüge in der Gruppe ziehen können/müssen, die ggf. sonst so wohl nicht möglich gewesen wären. Aus dem (späten) Zeitpunkt der Einlassung können aber keine nachteiligen Schlüsse gezogen werden. Darauf weist der BGH immer wieder hin. Alles in allem ein Punkt, zu dem man ohne genaue Kenntnis der Akten und des bisherigen Ergebnisses der Beweisaufnahme nur wenig wird sagen können.

2. Form der Einlassung?

In der Diskussion wird dann auch immer wieder auf die Form der Einlassung hingewiesen, also Verlesung eines Schriftstücks durch den Verteidiger. Allein das dürfte/hätte nicht ausgereicht, um von einer Einlassung/Erklärung der Angeklagten i.e.S. auszugehen. Aber dabei ist es ja nicht geblieben. Denn B. Zschäpe hat – so habe ich es den Presseberichten entnommen – auf Befragen des Vorsitzenden ja anschließend dem Sinne nach erklärt, dass sie die verlesene Erklärung als ihre eigene gelten lassen will. Damit dürfte nach der Rechtsprechung des BGH der Weg insoweit frei sein.

3. Schriftliche Fragen

Prozessual interessant finde ich die „Volte“ mit den schriftlichen Fragen, also die Erklärung: Fragen werde ich zulassen, aber nur schriftliche und ich werde auch nur schriftlich antworten. Was dahinter steckt, ist m.E. klar: Die Angeklagte und ihren (Wahl)Verteidiger scheuen den direkten Schlagabtausch der Angeklagten mit dem Gericht. Man befürchtet wahrscheinlich, dass die Angeklagte dem nicht gewachsen sein wird und/oder die Einlassung dann ggf. doch „zerschossen“ wird. Nur stellt sich die Frage, ob das so gehen wird und wie der Senat damit umgehen wird. Es gilt ja nun mal das Mündlichkeitsprinzip. Ob man das dadurch (teilweise) umgehen kann, dass ich als Angeklagte schriftliche Fragen verlange und nur auf solche antworten will, wage ich zu bezweifeln. Nach der StPO wird der/die Angeklagte „vernommen“. Auch wird es den Beweiswert der bisherigen Aussagen m.E. schmälern können, wenn man sich als Gericht keinen persönlichen Eindruck von der Angeklagten machen kann/konnte.

Andererseits wird der Senat seine Fragen stellen müssen – schon wegen der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO). Die Frage ist nur: In welcher Form und wie antwortet die Angeklagte? Auch wieder mit einer vom Verteidiger verlesenen Erklärung, die sich die Angeklagte dann zu eigen macht? Dazu gibt es bisher m.E. noch keine Rechtsprechung. Wenn der Senat das zulässt – mit dem Argument: Ist ja auch (noch) Einlassung der Angeklagten – würde man da wohl Neuland betreten.

4. Fragen der Nebenkläger

Zschäpe hat es abgelehnt, Fragen der Nebenkläger(vertreter) zu beantworten. Das kann sie. M.E. macht das ihre Einlassung nicht zu einer Teileinlassung. Allerdings wird man den Umstand bewerten/werten dürfen.

Fazit: Es ist sicherlich zu früh, eine abschließende Bewertung des gestrigen Tages zu geben. Man wird sehen, wie der Senat und auch B. Zschäpe damit weiter umgehen. Alles in allem: Viel weiter ist man nicht. M.E. wäre es – so hatte ich es auch gestern schon geschrieben – besser gewesen, auch weiterhin zu schweigen. Die Angeklagte nach 248 Tagen reden zu lassen, war m.E. „mutig“. Mutig“- wenn nicht sogar „leichtsinnig“, so gestern ein Kommentator auf FB -, weil/wenn man als Verteidiger die bisherige Beweisaufnahme nicht kennt, weil man nicht daran teilgenommen hat, und– wie der Kollege Grasel in seiner Kollegenschelte ja wohl behauptet hat –die „Altverteidiger“ ihre Mitschriften nicht zur Verfügung stellen. Neue Besen kehren dann eben doch wohl nicht immer gut.

Klassischer Fehler XXIX: Nachteile aus dem Zeitpunkt der Beweisantragsstellung?

© J.J.Brown - Fotolia.com

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Ich habe lange nichts mehr in der Rubrik „Klassischer Fehler“ gebracht – nun vielleicht ja: Zum Glück, denn dann scheint es auch länger keine „klassischen Fehler“ gegeben zu haben (?). Jetzt ist aber auf der Homepage des BGH der BGH, Beschl. v. 17.09.2015 – 3 StR 11/15 – veröffentlicht worden, der einen m.E. klassischen Fehler rügt/aufdeckt.

Es geht um gefährliche Körperverletzung. Die Angeklagten haben in der Hauptverhandlung zu dem Tatvorwurf, in der Silvesternacht 2012/2013 gemeinschaftlich auf drei Männer eingeschlagen und eingetreten zu haben, keine Angaben gemacht. Das Landgericht hat sich seine Überzeugung von der Täterschaft aufgrund eines vom Angeklagten T. bei dessen polizeilicher Vernehmung im Ermittlungsverfahren abgelegten Geständnisses gebildet. Auf zum Zwecke des Alibibeweises gestellte Beweisanträge der Verteidiger von drei anderen Angeklagten hat die Strafkammer die Eltern eines dieser Angeklagten zu dessen angeblichem Aufenthalt im Elternhaus sowie einen Kellner und einen Gast zum angeblichen Aufenthalt einer dieser Angeklagten in einem Lokal angehört. Die Alibibehauptungen hat sie als nicht bestätigt gefunden und hat dies neben anderen Erwägungen zum Wert der einzelnen Aussagen jeweils auch wie folgt begründet: Es hätte „nichts näher gelegen“ bzw. „nahe gelegen“, die Alibizeugen bereits im Ermittlungsverfahren oder zumindest in der Hauptverhandlung spätestens nach Vernehmung der Opferzeugen zu benennen, anstatt sich erst nach längerem Verlauf der Hauptverhandlung, teilweise nach einem ersten Schluss der Beweisaufnahme auf sie zu berufen.

Das schmeckt dem BGH nun gar nicht, denn:

b) Diese Überlegung verstößt gegen den Grundsatz der Selbstbe-lastungsfreiheit des Angeklagten. Diesem kann der Zeitpunkt, zu dem er sich erstmals zur Sache einlässt, nicht zum Nachteil gereichen. Erst recht gilt dies für den Zeitpunkt eines vom Verteidiger gestellten Beweisantrages.

Der Grundsatz, dass niemand im Strafverfahren gegen sich selbst auszusagen braucht, insoweit also ein Schweigerecht besteht, ist notwendiger Bestandteil eines fairen Verfahrens. So steht es dem Angeklagten frei, sich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen (§ 136 Abs. 1 Satz 2, § 243 Abs. 5 Satz 1 StPO). Macht ein Angeklagter von seinem Schweigerecht Gebrauch, so darf dies nicht zu seinem Nachteil gewertet werden (BGH, Urteile vom 26. Oktober 1983 – 3 StR 251/83, BGHSt 32, 140, 144; vom 26. Mai 1992 – 5 StR 122/92, BGHSt 38, 302, 305; vom 22. Dezember 1999 – 3 StR 401/99, NJW 2000, 1426; Beschluss vom 3. Mai 2000 – 1 StR 125/00, NStZ 2000, 494, 495). Der unbefangene Gebrauch dieses Schweigerechts wäre nicht gewährleistet, wenn der Angeklagte die Prüfung und Bewertung der Gründe für sein Aussageverhalten befürchten müsste. Deshalb dürfen weder aus der durchgehenden noch aus der anfänglichen Aussageverweigerung – und damit auch nicht aus dem Zeitpunkt, zu dem sich der Angeklagte erstmals einlässt – nachteilige Schlüsse gezogen werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 22. Februar 2001 – 3 StR 580/00, NStZ-RR 2002, 72 bei Becker; Beschluss vom 28. Mai 2014 – 3 StR 196/14, NStZ 2014, 666, 667 jeweils mwN).

Erst recht darf aus dem Zeitpunkt, zu dem ein Verteidiger einen Beweisantrag anbringt, nichts zum Nachteil des bis dahin schweigenden Angeklagten hergeleitet werden. Der Verteidiger ist neben dem Angeklagten selbständig berechtigt, Beweisanträge zu stellen. Er kann einen solchen Antrag auch gegen den offenen Widerspruch des Angeklagten vorbringen, der Antrag muss nicht mit der Einlassung des Angeklagten übereinstimmen, die unter Beweis gestellte Behauptung kann auch einem Geständnis des Angeklagten widersprechen. Dementsprechend darf der Antrag des Verteidigers sowie die hierzu abgegebene Begründung oder weitergehende Erläuterung nicht als Einlassung des Angeklagten behandelt werden, es sei denn der Angeklagte erklärt (eventuell auf Befragen), er mache sich das Vorbringen als eigene Einlassung zu eigen (BGH, Beschluss vom 29. Mai 1990 – 4 StR 118/90, StV 1990, 394; Urteil vom 24. Juli 1991 – 4 StR 258/91, BGHR StPO, § 243 Abs. 4 Äußerung 4; Beschluss vom 7. August 2014 – 3 StR 105/14, NStZ 2015, 207, 208; LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 118).

Den Urteilsgründen ist nicht zu entnehmen, dass sich die Angeklagten das Vorbringen in den Beweisanträgen der Verteidiger als Einlassung zu Eigen gemacht hätten. Aus einer Gesamtschau des Urteils ergibt sich jedoch, dass sich die Angeklagten – mit Ausnahme des Angeklagten T. – auch im Ermittlungsverfahren nicht zum Tatvorwurf  eingelassen haben. Der Fehler ist deshalb auf Sachrüge hin zu beachten (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2014 – 3 StR 196/14, NStZ 2014, 666, 667).“

Warum muss sich das eigentlich eine Strafkammer vom BGH „ins Stammbuch schreiben lassen“?

Selbstläufer

© Alex White - Fotolia-com

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Ich habe ja schon häufiger darauf hingewiesen: Ein (Straf-/Bußgeld)Urteil muss die Einlassung des Angeklagten/Betroffenen wiedergeben. Geschieht das – unverständlicher Weise – nicht, dann ist die Revision/Rechtsbeschwerde gegen dieses Urteil i.d.R. ein Selbstläufer. Das beweist (mal wieder) der OLG Naumburg, Beschl. v. 24.08.2015 – 2 RV 104/15, in dem es zu der Frage nur kurz heißt:

„Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, weil es materiell-rechtlich unvollständig ist. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, das die Überzeugungsbildung des Amtsgerichts in jeder Hinsicht auf einer rechtsfehlerfreien Grundlage beruht und andererseits kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Entscheidung in diesem Bereich von rechtsfehlerhaften Erwägungen beeinflusst ist (§ 337 StPO).

1. So teilt das Amtsgericht in seinem Urteil weder mit, ob und wie sich die Angeklagte zu der Sache eingelassen hat, noch wie und mit welchen erhobenen Beweisen diese Einlassung gewürdigt worden ist. Fehlen in einem Strafurteil jedoch jegliche Angaben darüber, liegt grundsätzlich ein sachlich rechtlicher Mangel vor, der zur Aufhebung des Urteils führt, denn ein so unvollständiges und lückenhaftes Urteil ermöglicht keine Überprüfung, ob in ihm das Recht in fehlerfreier Weise angewandt worden ist [vgl. KG Berlin, Beschluss vom 09.07.1997 — (4) 1 Ss 158/97 (66/97)].

Und das muss man in der Revision/Rechtsbeschwerde noch nicht einmal ausdrücklich rügen 🙂 . Man sollte es aber lieber tun…..

Die Einlassung gehört ins Urteil – was ist daran denn so schwer?

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Fangen wir nach den Feiertagen ganz einfach und leicht wieder an, und zwar mit einer Problematik, zu der der BGH auch immer wieder Stellung nimmt/nehmen muss (vgl. kurzem der BGH, Beschl. v. 30.12.2014 – 2 StR 403/14 und dazu: Klassischer Fehler XXIII: Urteil ohne Einlassung, das ist ein “Anfängerfehler”). Heute ist es der OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 20.01.2015 – 1 Ss 8/14 – der die Frage der Einlassung in den Urteilsgründen behandelt. Das AG hatte den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung verwarnt und sich die Festsetzung einer Geldstrafe  vorbehalten. Das OLG hebt auf, weil ihm die Beweiswürdigung und die Mitteilung der Einlassung des Angeklagten nicht ausreicht:

„Diese Beweiswürdigung hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Die Aufgabe, sich an der Grundlage der vorhandenen Beweismittel eine Überzeugung vom tatsächlichen Geschehensablauf zu verschaffen, obliegt grundsätzlich allein dem Tatrichter. Dem Revisionsgericht ist es verwehrt, die Beweiswürdigung des Tatrichters durch seine eigene zu ersetzen (vgl. z. B. Senatsbeschl. v. 27.02.2007 – Az.: 1 Ss 286/06 – m.w.N.). Bei der Überprüfung des Urteils darf die Beweiswürdigung des Tatrichters daher nur auf rechtliche Fehler überprüft werden. Die Beweiswürdigung ist rechtsfehlerhaft, wenn sie in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist oder gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (vgl. Senatsbeschl. v. 07.09.2005 – 1 Ss 401/04 u. v. 30.08.2005 – 1 Ss 385/04 -; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 337 Rdziff. 27 m.w.N.). Aus § 261 StPO ergibt sich die Verpflichtung des Tatrichters, den festgestellten Sachverhalt, soweit er bestimmte Schlüsse zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten nahe legt, in Verbindung mit den sonst festgestellten Tatsachen erschöpfend zu würdigen. Die Gesamtwürdigung aller in der Hauptverhandlung festgestellten wesentlichen Tatsachen ist in den Urteilsgründen darzulegen, wobei insbesondere auch die Einlassung des Angeklagten und die Aussage der Zeugen mitzuteilen und unter Berücksichtigung der erhobenen Beweise in nachvollziehbarer Weise eingehend zu würdigen sind (vgl. z. B. Senatsbeschl. v. 07.09.2005 – 1 Ss 401/04 – u. v. 30.08.2005 – 1 Ss 385/04 -; Meyer-Goßner, aaO. § 267 Rdziff. 12 m.w.N.).

Diesen Anforderungen hält das angefochtene Urteil nicht stand. Die Einlassung der Angeklagten ist nicht zusammenhängend wiedergegeben. Lediglich an drei Stellen der Beweiswürdigung wird dieser – wie dargelegt – fragmentartig aufgeführt (Anm.: Zur Verdeutlichung werden diese Passagen in dem Senatsbeschluss kursiv und fett gedruckt wiedergegeben). Grundsätzlich hat der Tatrichter die Einlassung des Angeklagten zum Schuldvorwurf in den Urteilsgründen erschöpfend aufzunehmen und zu würdigen. Ohne die Wiedergabe der Einlassung des Angeklagten und ihre Würdigung kann das Revisionsgericht nicht erkennen, ob der Beurteilung des Sachverhalts rechtlich fehlerhafte Erwägung zugrunde liegen (vgl. Senatsbeschl. v. 02.05.2007 – 1 Ss 365/06 -). Nur im sachlich und rechtlich einfach gelagerten Fällen von geringer Bedeutung kann unter Umständen auf die Wiedergabe der Einlassung ohne Verstoß gegen die materiell-rechtliche Begründungsfrist verzichtet werden (vgl. Senatsbeschl. v. 02.05.2007 – 1 Ss 365/06 -). Bei dem vorliegenden Sachverhalt ist eine erschöpfende Wiedergabe und Würdigung der Einlassung der Angeklagten im Hinblick auf den Tatvorwurf – fahrlässige Tötung – und der Komplexität der Beweiswürdigung geboten.“

Ich verstehe es nicht. Im Grunde ist das doch eine ganz einfache Geschichte. Warum da immer wieder Fehler gemacht werden, ist mir unerklärlich. So schwer ist es doch nicht, auch wenn mehrere Kühe im Spiel sind.

Klassischer Fehler XXIII: Urteil ohne Einlassung, das ist ein „Anfängerfehler“.

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Da kann/muss ich mal wieder über einen „Klassischen Fehler“ berichten, den ich allerdings noch besser in die Kategorie „Anfängerfehler“ eingeordnet hätte. Denn das, was das LG Gera da „verbrochen“ hat, geht m.E. gar nicht. Die Strafkammer verurteilt den Angeklagten wegen Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflichten zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und setzt die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus. Im Urteil kein Wort zur Einlassung des Angeklagten. Und das war es dann beim BGH, der dazu im BGH, Beschl. v. 30.12.2014 – 2 StR 403/14 – ausführt:

„Die Beweiswürdigung, aufgrund derer sich das Landgericht die Überzeugung vom Vorliegen der angeklagten Tatvorwürfe verschafft hat, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie ist lückenhaft, weil jegliche Angaben dazu fehlen, ob und wie sich die Angeklagte zur Sache eingelassen hat.

Aus § 267 StPO, der den Inhalt der Urteilsgründe festlegt, ergibt sich zwar nicht, dass das Gericht verpflichtet ist, eine Beweiswürdigung im Urteil vorzunehmen, in der die Einlassung des Angeklagten mitgeteilt und diese Einlassung unter Bewertung der sonstigen Beweismittel gewürdigt wird. Doch ist unter sachlich-rechtlichem Blickwinkel regelmäßig eine Wiedergabe der Einlassung des Angeklagten erforderlich, damit das Revisionsgericht nachprüfen kann, ob sich der Tatrichter unter Berücksichtigung der erhobenen Beweise eine tragfähige Grundlage für seine Überzeugungsbildung verschafft und das materielle Recht richtig angewendet hat (vgl. zuletzt BGH NStZ-RR 2013, 134, 135 m.w.N. im Falle eines Freispruchs; siehe BGH NStZ-RR 1999, 45 zu einem Verurteilungsfall; dazu auch: auch OLG Hamm StraFo 2003, 133; OLG Köln StraFo 2003, 313). Es bedarf somit einer geschlossenen und zusammenhängenden Wiedergabe wenigstens der wesentlichen Grundzüge der Einlassung des Angeklagten, um die Beweiswürdigung des Tatrichters auf sachlich-rechtliche Fehler hin überprüfen zu können.

In den Urteilsgründen fehlt jegliche Auseinandersetzung mit der Einlassung der Angeklagten. Es wird nicht einmal mitgeteilt, ob die Angeklagte sich überhaupt zu dem Anklagevorwurf geäußert hat. Soweit sich den Gründen der angefochtenen Entscheidung entnehmen lässt, dass die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten auf ihren Angaben beruhen, lässt dies – entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts – nicht den Schluss zu, dass die Angeklagte über Erklärungen zur Person hinaus keine Angaben zur Sache gemacht hat. Infolgedessen ist das Urteil mangels einer durch das Revisionsgericht überprüfbaren Beweiswürdigung aufzuheben.“

In meinen Augen ein Fehler, den man allenfalls noch einem frisch gebackenen „Neuling“ als Amtsrichter am AG durchgehen lassen kann – aber auch nur einmal, nicht aber eine Strafkammer mit einem Vorsitzeden und mindestens einem Richter am LG. Man fragt sich: Wieso haben die ihre Hausaufgaben nicht gemacht und wieso kann es zu so einem Fehler kommen? Möglicherweise liegt es dem in den Augen der der Kammer geringen Strafmaß und man hat nicht  mit einer Revision gerechnet. Aber: Im Zweifel wird das Urteil doch erst nach Einlegung der Revision begründet worden sein. Das wusste man, dass eine Revision im Spiel und der Weg nach Karlsruhe programmiert war.

Und: Ceterum censeo: Hier geht es zur Abstimmung Beste Jurablogs Strafrecht 2015 – wir sind dabei, die Abstimmung läuft…