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Immer die anderen? Aber: So einfach wie sich Frau Leutheusser-Schnarrenberger das (vielleicht) gedacht hat, läuft es nicht…

…mit der Umsetzung der Entscheidung des EGMR v. 17.12.2009 und der (neuen) Divergenzvorlage nach § 121 Abs. 2 Nr. 3 GVG an den BGH in den Fragen der Anwendung dieser Entscheidung auf Altfälle.

Nachdem schon das OLG Hamm in seinem Beschl. v. 22.07.2010 – III 4 Ws 180/10 in einem obiter dictum eine (potenzielle) Vorlagepflicht nach der neuen Regelung, die zum Zeitpunkt seiner Entscheidung noch nicht in Kraft getreten war, (vorsorglich) verneint hat, hat diese jetzt das OLG Karlsruhe, was dieses gerade in einer PM mitteilt, in seinem Beschl. v. 04.08.2010 – 2 Ws 227/10 ausdrücklich verneint; die Begründung entspricht der des OLG Hamm.

In der PM heißt es:

„Vorlage an den Bundesgerichtshof nicht zulässig

Der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe hat im Hinblick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte erneut entschieden, dass sich die gegen einen Sicherungsverwahrten vor dem 31.01.1998 angeordnete, bereits mehr als zehn Jahre vollzogene Sicherungsverwahrung erledigt hat.

Einer sofortigen Beschwerde des Sicherungsverwahrten gegen die Fortdauer der Maßregel hat der 2. Strafsenat jetzt stattgegeben und das Eintreten von Führungsaufsicht festgestellt. Die Begründung für die Unzulässigkeit der weiteren Vollstreckung der Sicherungsverwahrung deckt sich mit den Gründen in zwei am 15.07.2010 entschiedenen Fällen (vgl. hierzu die Presseerklärung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 15.07.2010, eingestellt ins Internet unter www.olg-karlsruhe.de). Trotz dieser von der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte abweichenden Entscheidung sei die Sache nicht dem Bundesgerichtshof vorzulegen.

Allerdings trat am 30.07.2010 die neu eingeführte Vorschrift des § 121 Abs. 2 Nr. 3 GVG in Kraft, nach der ein Oberlandesgericht, das bei der Beschwerdeentscheidung über die Frage der Erledigung der Sicherungsverwahrung oder die Zulässigkeit ihrer weiteren Vollstreckung von einer nach dem 01.01.2010 ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs abweichen will, die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen hat. Der 2. Strafsenat hatte daher im Hinblick auf bereits im Jahre 2010 ergangene, von der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Karlsruhe abweichende Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte zu prüfen, ob nach der neuen Vorschrift eine Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof geboten war.

Dies hat der 2. Strafsenat verneint. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Vorlage unzulässig, wenn der Bundesgerichtshof dieselbe Rechtsfrage bereits entschieden hat und das Oberlandesgericht ebenso entscheiden will. In einem solchen Fall sind nur die Oberlandesgerichte, die ihrerseits von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs abweichen wollen, zur Vorlage verpflichtet. Vorliegend hat der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs die Vorschrift des § 2 Abs. 6 StGB mit Beschluss vom 12.05.2010 (4 StR 577/09) unter Berücksichtigung des Urteils des EGMR vom 17.12.2009 ebenso ausgelegt wie der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts in seiner jetzigen Entscheidung. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat ausdrücklich klargestellt, dass Art. 7 EMRK eine andere Regelung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB darstellt, so dass für Entscheidungen über die Sicherungsverwahrung das Tatzeitrecht maßgeblich ist. Auch wenn es dort um die Frage der Anordnung einer nachträglichen Sicherungsverwahrung ging, während das Oberlandesgericht über die Frage eines Rückwirkungsverbots im Zusammenhang mit dem nachträglichen Entfallen der Zehnjahresfrist des § 67 d Abs. 1 StGB in der bis zum 30.01.1998 geltenden Fassung zu befinden hatte, habe der Bundesgerichtshof dieselbe Rechtsfrage bereits entschieden. Denn sowohl in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen wie auch in dem dem Oberlandesgericht Karlsruhe vorliegenden Fall gehe es um die Frage, ob die Sicherungsverwahrung in ihrer konkreten Ausgestaltung in der Auslegung durch den EGMR als Strafe zu werten und deshalb Art. 7 EMRK für diese Maßregel als andere gesetzliche Regelung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB anzusehen ist, die ein Rückwirkungsverbot begründet. Angesichts der Ähnlichkeit der Fallgestaltungen könne diese Frage nur einheitlich beantwortet werden, zumal der 4. Senat des Bundesgerichtshofs die Rechtsfrage aufgrund einer Entscheidung des EGMR entschieden habe, die die dem Oberlandesgericht vorliegende Fallkonstellation betraf.“

Tja, vorlegen müssen dann die OLG, die es anders sehen als der BGH und/oder OLG Hamm und OLG Karlsruhe. Und: Frau Bundesjeustizministerin: Es wird kein Weg an einer gesetzlichen Umsetzung der Vorgaben des EGMR vorbeigehen. Die OLG werden dir die Kartoffeln in der Frage nicht aus dem Feuer holen.

Sicherungsverwahrung und Fußfesseln – füllen wir damit das (juristische) Sommerloch?

Im Moment ist es am juristischen Nachrichtenmarkt ziemlich ruhig, nur die Sicherungsverwahrung ist weiter on Top, und zwar nicht nur mit der neuen Divergenzvorlage, um eine einheitliche Rechtsprechung der OLG zu erlangen, sondern auch mit den Plänen, die den materiellen Teil der SV betreffen. Da ist zu lesen, dass die Sicherungsverwahrung mit der Fußfessel kombiniert werden soll (vgl. hier und hier). Man fragt sich natürlich: Kann das funktionieren. M.E. ist das ein Ansatz, der – wenn überhaupt – nur über eine Verschärfung der Vorschriften über die Führungsaufsicht möglich ist, wenn man nicht (wieder) Ärger mit dem EGMR bekommen will (oder ggf. auch mit dem BVerfG).

Allerdings betritt man hier wohl rechtspolitisches Neuland. Bislang hat es die elektronische Fußfessel nur in Hessen als Modellprojekt gegeben (vgl. hier die Evaluation). Dort war sie aber vornehmlich wohl u.a. als Maßnahme bei Aussetzung des Vollzuges eines Haftbefehls (§ 116 StPO) eingesetzt. In Baden-Württemberg beginnt jetzt im Oktober 2010 ein Test auf des Basis eines GPS-Systems (vgl. hier und hier). Hier soll es aber wohl um Freigänger und um die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe gehen. Die SV fällt also im Anwendungsbereich ein wenig aus dem Rahmen. Man darf gespannt sein, wie das Ministerium den Spagat löst (vgl. hier), jedenfalls scheint die sog. nachträgliche SV – aus der Sicht des Ministeriums – vor dem Aus zu stehen und eine „verstärkte vorbehaltene Sicherungsverwahrung“ scheint zu kommen.

Positives Abfallprodukt des Diskussion: Wenn die elektronische Fußfessel für die SV kommt, dann kommt sie auch in den anderen Fällen, in denen sie sicherlich durchaus sinnvoll ist.

Sicherungsverwahrung: Justizministerin sorgt für einheitliche Rechtsprechung

Gerade erst zur Sicherungsverwahrung gepostet – OLG Hamm und OLG Köln, da erreicht mich die PM des BMJ unter dem „niedlichen“ Titel: „Sicherungsverwahrung: Justizministerin sorgt für einheitliche Rechtsprechung„.

Und weiter:

An dem Urteil des EGMR kann nichts mehr geändert werden – die deutschen Gerichte müssen es beachten und umsetzen. Ich habe sehr zügig eine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht, die durch eine Vorlagepflicht an den Bundesgerichtshof für eine einheitliche Rechtsprechung und damit auch Rechtspraxis sorgt. Nach dem Urteil des EGMR müssen die zuständigen Gerichte in jedem Einzelfall prüfen, ob ein Straftäter aus der Sicherungsverwahrung entlassen werden muss oder nicht. Bislang gibt es dazu einige sehr unterschiedliche Entscheidungen, die auf unterschiedlichen Rechtsauffassungen der Gerichte beruhen – es kommt zu Entlassungen von Straftätern, es werden aber auch Anträge auf Entlassung abgelehnt. Gerade bei solchen Fragen ist eine einheitliche Linie in der Rechtsprechung besonders wichtig. Deshalb habe ich durchgesetzt, dass Fälle, in denen ein Gericht von der Rechtsauffassung eines anderen Gerichts abweichen will, dem Bundesgerichtshof vorgelegt werden müssen, der dann über die Frage der Sicherungsverwahrung verbindlich entscheidet. Ich freue mich, dass sich auch alle verantwortlichen Landesjustizminister für diese Neuregelung ausgesprochen haben.“

Einfacher wäre es m.E. gewesen, die Rechtsprechung des EGMR in materielles Recht umzusetzen. Dann müssten sich die OLG nicht zanken und auf den BGH und das BVerfG warten.

Divergenzvorlage zum BGH im Strafverfahren, wenn es um die Sicherungsverwahrung geht

Da habe ich gerade am 09.07.2010 zur Divergenzvorlage im Strafverfahren gebloggt (vgl. hier) und das noch als Frage gesehen, da muss ich heute feststellen: Die Divergenzvorlage ist längst da. Der Bundesrat hat am 09.07.2010 ein am 01.07.2010 vom Bundestag beschlossenes Gesetz zur Änderung des § 121 GVG gebilligt. Der lautet demnächst wie folgt – vgl. BT-Drs. 17/2350:

§ 121 Absatz 2 wird wie folgt gefasst:

„(2) Will ein Oberlandesgericht bei seiner Entscheidung

  1. nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder Buchstabe b von einer nach dem 1. April 1950 ergangenen Entscheidung,
  2. nach Absatz 1 Nummer 3 von einer nach dem 1. Januar 1977  ergangenen Entscheidung oder
  3. nach Absatz 1 Nummer 2 über die Erledigung einer Maßregel der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung oder in einem psychiatrischen Krankenhaus oder über die Zulässigkeit ihrer weiteren Vollstreckung von einer nach dem 1. Januar 2010 ergangenen Entscheidung

eines anderen Oberlandesgerichtes oder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes abweichen, so hat es die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen.“

Damit dürften wir dann bald nach Inkrafttreten des Neuregelung eine Entscheidung des BGH bekommen, die hoffentlich Klarheit bringt.

Kommt im Strafverfahren die Divergenzvorlage zum BGH?

Die unterschiedlichen Auffassungen der OLG zur Frage der Auswirkungen des Urteils des EGMR vom 17.12.2009, über die wir ja auch schon berichtet haben, machen m.E. deutlich, dass eins in der StPO fehlt: die sog. Divergenzvorlage an den BGH, die in solchen Fragen dann Rechtssicherheit bringen könnte bzw. zumindest eine einheitliche Behandlung solcher Fragen.

Das scheint auch der Politik aufgegangen zu sein. Ich zitiere dazu aus einer PM des Justizministeriums des Landes Rheinland-Pfalz v. 09.07.2010

Bamberger zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes zur Divergenzvorlage

Der rheinland-pfälzische Justizminister Heinz Georg Bamberger wies heute im Bundesrat auf die Wichtigkeit einer Ausweitung der sogenannten Divergenzvorlage nach § 121 Absatz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) hin. „In Folge der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), wonach der rückwirkende Wegfall der 10-Jahres-Höchstfrist bei der deutschen Sicherungsverwahrung gegen die Menschenrechtskonvention verstoße, hat sich eine intensive Diskussion über die Konsequenzen dieser Entscheidung ergeben, deren Ergebnis noch nicht abzusehen ist“, so Bamberger.

Die Gerichte hätten nun zu entscheiden, ob vor dem Hintergrund des Urteils des EGMR gefährliche Straftäter, die sich in der Sicherungsverwahrung befinden, freizulassen seien. Gegen die Entscheidungen der erstinstanzlich zuständigen Strafvollstreckungskammern gebe es bisher – mit Ausnahme der Verfassungsbeschwerde – lediglich das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu den Oberlandesgerichten. Diese Entscheidung sei abschließend und könne – nach der derzeit geltenden Rechtlage – nicht mehr beim Bundesgerichtshof angefochten werden.

Widersprechende Entscheidungen der Oberlandesgerichte seien also möglich und auch bereits ergangen. Während das Oberlandesgericht Frankfurt/Main in dem Ausgangsverfahren die Freilassung des Sicherungsverwahrten angeordnet habe, hätten die Oberlandesgerichte in drei anderen Ländern eine Freilassung in parallelen Fällen abgelehnt. Um in dieser wichtigen Frage zu einer bundeseinheitlichen Rechtsprechung zu gelangen, sei die Ausweitung der sogenannten Divergenzvorlage durch Änderung des § 121 Abs. 2 GVG erforderlich.

Bamberger: „Auch wenn sich die Bundesregierung nicht mit den Koalitionsfraktionen von CDU / CSU und FDP einigen kann, wie eine Reform der Sicherungsverwahrung in Deutschland auszusehen hat, so muss doch zumindest bundesweit für Rechtssicherheit gesorgt werden“.

Hintergrund:

Mit der Divergenzvorlage können Gerichte die Entscheidung eines obersten Bundesgerichts herbeiführen, wenn sie in einer ihrer Entscheidungen von der Rechtsprechung eines anderen Obergerichts oder der des obersten Bundesgerichts abweichen möchten.“

Dem möchte ich in der Sache beitreten, die politischen Akzente in der PM aber außen vorlassen.