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Corona I: Soldat: „Ich lasse mich nicht impfen.“, oder: Ist das eine „Gehorsamsverweigerung“?

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In die neue Woche starte ich heute mal wieder mit zwei Entscheidungen, die mit „Corona“ und seinen Folgen zu tun haben.

Hier kommt dann zunächst der OLG Celle, Beschl. v. 29.09.2022 – 1 Ss 14/22 – zur Frage der Strafbarkeit der Verweigerung eines Soldaten, einen Befehl zu befolgen, sich gegen COVID-19 impfen zu lassen.

Das AG hat den Angeklagten wegen Gehorsamsverweigerung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 70 € verurteilt. Nach den vom AG getroffenen Feststellungen ist der Angeklagte Soldat der Bundeswehr im Range eines Oberbootsmanns. Er erhielt von seinem Vorgesetzten, Kapitänleutnant pp., am 12.12.2021 telefonisch den Befehl, sich im Sanitätszentrum N. gegen COVID-19 impfen zu lassen. Der Angeklagte weigerte sich, dem von ihm als solchen erkannten Befehl Folge zu leisten, mit der im Telefonat mit seinem Vorgesetzten ausgeführten Begründung, er halte den Befehl für rechtswidrig. Auch dem daraufhin schriftlich am 17.12.2021 wiederholten Befehl leistete er bis zur Verkündung des amtsgerichtlichen Urteils keine Folge.

Dagegen richtet sich die Revision des Angeklagten, die Erfolg hatte:

„Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, so dass es eines Eingehens auf die Verfahrensrüge nicht bedarf. Allerdings kommt es entgegen der Auffassung des Revisionsführers für die Entscheidung zur Schuldfrage nicht darauf an, ob die dem Angeklagten erteilten Befehle rechtswidrig waren oder nicht. Denn § 20 WStG dient der strafrechtlichen Absicherung jeden verbindlichen Befehls, wobei in § 11 SG geregelt ist, welche Befehle verbindlich sind. Unverbindlich sind danach – unabhängig von der Frage der Rechtmäßigkeit – grundsätzlich nur solche Befehle, die die Menschenwürde verletzen, die nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt wurden oder gar zur Begehung einer Straftat verpflichten.

Dafür ist nach den Urteilsfeststellungen nichts ersichtlich. Den Befehlen haftet auch kein solcher Mangel an, dass sie unverbindlich wären, weil sie mit dem Sinn des Befehlsverhältnisses unvereinbar sind, insbesondere weil sie unter offensichtlicher Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zwischen Mittel und Zweck in die Persönlichkeitssphäre des Soldaten ein-griffen und ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dienstlichem Erfordernis und dem Eingriff in die Rechte des Soldaten aufwiesen (vgl. Münchener Kommentar zum StGB-Dau, 4. Aufl. 2022, Rn. 36 zu § 2 WStG).

Nach § 17a Abs. 2 Satz 1 SG muss der Soldat ärztliche Eingriffe, zu denen u.a. Impfungen gehören, auch gegen seinen Willen dulden, wenn es sich um Maßnahmen handelt, die der Verhütung oder Bekämpfung übertragbarer Krankheiten dienen (BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 2020, 2 WNB 8.20, Rn. 13; zitiert nach juris). Eine Ausnahme besteht insoweit gem. § 17a Abs. 4 S. 2 SG nur, wenn im Einzelfall die ärztliche Behandlung mit einer erheblichen Ge-fahr für Leben oder Gesundheit des Soldaten verbunden wäre. Dafür ist den Urteilsfeststellungen nichts zu entnehmen. Die befohlene Maßnahme war zudem geeignet, die Gesundheit des Angeklagten zu erhalten und die weitere Ausbreitung des COVID-19-Virus zu verringern (BVerfG, a.a.O., Rn. 173 und 239, juris). Allgemeine Gründe für die Rechtswidrigkeit der Erteilung des auf § 17a Abs. 2 Nr. 1 SG in Verbindung mit der Zentralen Dienstvorschrift A840/8 und der hierauf fußenden allgemeinen Regelung A1-840/8-4000 „Impf- und Prophylaxemaßnahmen“ gestützten Befehls sind ebenfalls nicht ersichtlich (vgl. Pressemitteilung des BVerwG Nr. 44/2022 vom 07. Juli 2022 zum Beschluss des BVerwG vom selben Tag unter dem dortigen Az. 1 WB 2.22).

Gleichwohl konnte das angefochtene Urteil auf die Sachrüge keinen Bestand haben, weil das Amtsgericht sich nicht mit der Frage eines Irrtums auseinandergesetzt hat, obwohl es festgestellt hat, dass der Angeklagte von der Rechtswidrigkeit der Befehle ausgegangen ist und geglaubt habe, sie deshalb nicht befolgen zu müssen. Gemäß § 22 Abs. 3 WStG handelt ohne Schuld, wer einem unvermeidbaren Irrtum über die Unverbindlichkeit eines Befehls erliegt, wenn ihm zudem die Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen den Befehl nicht zumutbar war. Auch wenn schon ein unvermeidbarer Irrtum im o.g. Sinn eher fernliegt, hätte es dazu weiterer Feststellungen bedurft, weil die Unvermeidbarkeit des Irrtums in tatsächlicher Hinsicht nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann.“

Corona II. Sitzungspolizeiliche „Corona-Anordnung“, oder: Es gilt die 3-G Regel und das Maskengebot

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Und als zweite Entscheidung kommt hier dann der VGH Mannheim, Beschl. v. 01.08.2022 – 2 S 437/22 – zur sitzungspolizeilichen Anordnung wegen Corona. Gestritten wird um die sitzungspolizeiliche Anordnung einer Einzelrichterin einer Kammer des VG Freibur. Die hatte

„auf der Grundlage von § 176 Abs. 1 GVG Folgendes bestimmt:

1. 3-G Regel: Die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung ist für gegen COVID-19 geimpfte oder von COVID-19 genesene Personen gestattet.

Nicht immunisierten Personen ist die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung nur nach Vorlage eines auf sie ausgestellten Antigen- oder PCR-Testnachweises mit negativem Ergebnis gestattet. Die zugrundeliegende Testung darf im Falle eines Antigen-Schnelltests maximal 24 Stunden, im Falle eines PCR-Tests maximal 48 Stunden zurückliegen. Ein Testnachweis ist ein Nachweis über einen Test, der von einem der folgenden Leistungserbringer vorgenommen oder überwacht wurde.

Zur Vornahme oder Überwachung des Tests sind berechtigt:

• die zuständigen Stellen des öffentlichen Gesundheitsdienstes und die von ihnen betriebenen Testzentren,

• die von diesen Stellen als weitere Leistungserbringer beauftragten Dritten und

• Arztpraxen, Zahnarztpraxen, Apotheken, medizinische Labore, Rettungs- und Hilfsorganisationen, und die von den Kassenärztlichen Vereinigungen betriebenen Testzentren.

Der Impf-, Genesenen- oder Testnachweis ist zur Kontrolle bereitzuhalten.

2. Abstandsgebot…

3. Mund-Nasen-Schutz

Die Beteiligten und ihre Bevollmächtigten sowie Zeugen, Sachverständige und Dolmetscher und die als Teil der Öffentlichkeit an der mündlichen Verhandlung teilnehmenden Personen haben im Gerichtssaal einen Atemschutz, welcher die Anforderungen der Standards FFP2 (DIN EN 149:2001), KN95, N95 oder eines vergleichbaren Standards erfüllt, zu tragen.“

Gegen diese Anordnung hatte der Kläger, der Rechtsanwalt ist und sich in dem Verfahren vor dem VG, in dem er sich gegen die Zahlung eines Rundfunkbeitrags wandte und die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht für eine Zweitwohnung rückwirkend ab 01.01.2013 begehrte, Beschwerde eingelegt. Ohne Erfolg. Hier die Leitsätze zu der Entscheidung:

1. Ein Rechtsbehelf gegen eine auf § 176 GVG gestützte sitzungspolizeiliche Anordnung ist grundsätzlich nicht statthaft.

2. Eine Ausnahme gilt, wenn der sitzungspolizeilichen Anordnung eine über die Dauer der Hauptverhandlung oder sogar über die Rechtskraft des Urteils hinausgehende Wirkung zukommt und Grundrechte oder andere Rechtspositionen des von einer sitzungspolizeilichen Maßnahme Betroffenen dauerhaft tangiert und beeinträchtigt werden.

3. Es ist nicht zu beansatnden, wenn ein Gericht eine Testung von Verfahrensbeteiligten zumindest mit einem Antigen- oder PCR-Test für geeignet hält/hielt, um das Risiko einer Ansteckung mit dem Corona-Virus SARS-Cov-2 während der mündlichen Verhandlung zu reduzieren.

Die Entscheidung/Grundsätze gelten nicht nur im Verwaltungsgerichtsverfahren, sondern auch im Straf- und/oder Zivilverfahren.

Corona I: Streichung der U-Haft-„Aufschlusszeiten“, oder: Wie muss das Ermessen ausgeübt werden?

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In die 41. KW. starte ich dann mal wieder mit zwei „Corona-Entscheidungen“. Die mit der Pandemie zusammenhängenden Fragen werden angesichts der steigenden Zahlen in der nächsten zeit sicherlich wieder an Bedeutung zunehmen.

Ich beginne hier mit dem OLG Hamburg, Beschl. v. 10.06.2022 – 1 Ws 16/22. Er behandelt eine Problematik, die in der „Anfangszeit“ der Pandemie in Haftanstalten eine größere Rolle gespielt hat, nämlich die Frage einer (zu) umfassenden Einschlussregelung. So auch hier. Die Hamburger Untersuchungshaftanstalt hatte sämtliche sog. Aufschlusszeiten gestrichen. Dagegen hat sich der U-Haft-Gefangene gewehrt. Das OLG nimmt dann im Juni 2022 (!) zum fortwirkenden Feststellungsinteresse – inzwischen ist die angefochtene Entscsheidungen aufgehoben – und zur Frage des Ermessensgebrauchs durch die JVA Stellung, und zwar zu letzterem wie folgt:

„bb) Nach dieser Maßgabe hat die UHA das ihr in § 42 Abs. 6 HmbUVollzG eingeräumte Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt.

(1) Im Rahmen der ihr eingeräumten Ermessensspielräume hat die Justizvollzugsanstalt die Grundrechte und Bedürfnisse der Gefangenen, insbesondere nach Interaktion mit Mitgefangenen, und die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Justizvollzugsanstalt zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen (vgl. OLG Naumburg, Beschl. v. 29.08.2019 – 1 Ws (s) 269/19 – juris, Rn. 16; OLG Celle, Beschluss vom 03. März 1981 ? 3 Ws 410/80?, NStZ 1981, 238). Bei der Anwendung der Vorschriften des Untersuchungshaftrechts hat sie dabei stets der besonderen Stellung Untersuchungsgefangener und dem Umstand Rechnung zu tragen, dass ein Untersuchungsgefangener noch nicht rechtskräftig verurteilt ist und deshalb lediglich unvermeidlichen Beschränkungen unterworfen werden darf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Januar 2008 – 2 BvR 1229/07 –, juris; BVerfG, Beschluss vom 6. April 1976 – 2 BvR 61/76 –, NJW 1976, 1311; Beschluss vom 31. August 1993 – 2 BvR 1479/93 –, NStZ 1994, 52; Beschluss vom 30.Oktober 2014 – 2 BvR 1513/14 –, NStZ-RR 2015, 79, 80). Untersuchungsgefangene sind gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 HmbUVollzG so zu behandeln, dass der Anschein vermieden wird, sie würden zur Verbüßung einer Strafe festgehalten. Vor diesem Hintergrund erlangen die Grundrechte der Gefangenen ein erhöhtes Gewicht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.10.2012 – 2 BvR 737/11BVerfGK 20, 107, 113). Als Konsequenz hieraus hat die Justizvollzugsanstalt u.a. den in § 5 Abs. 1 S. 1 HmbUVollzG zum Ausdruck gebrachten Angleichungsgrundsatz zu beachten und möglichst darauf hinzuwirken, dass Untersuchungsgefangene eine angemessene Zeit des Tages außerhalb ihrer Hafträume verbringen können (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.10.2012 – 2 BvR 736/11BVerfGK 20, 93, 101).

(2) Den vorgenannten Anforderungen hat die UHA nicht genügt. Die einschlägigen Rechte und Interessen der Gefangenen haben bei ihrer Entscheidung keine ausreichende Berücksichtigung gefunden.

(a) Insoweit kann dahinstehen, auf welchen Zeitpunkt es bei der Prüfung der Ermessensentscheidung ankommt und ob und inwieweit die UHA im gerichtlichen Verfahren Gründe nachschieben kann.

(b) Denn jedenfalls genügen die Erwägungen der UHA auch unter Berücksichtigung der erst im Laufe des gerichtlichen Verfahrens geäußerten Überlegungen nicht den Anforderungen an eine fehlerfreie und vollständige Ermessensentscheidung.

Der gebotenen Berücksichtigung des Bedürfnisses der Gefangenen an Interaktion und internen Freiräumen kam im vorliegenden Fall besonderes Gewicht zu. Die Auswirkungen der Anordnung für die Gefangenen ähnelten einer Einzelhaft, die als besondere Sicherungsmaßnahme in § 54 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 3 HmbUVollzG spezifisch geregelt ist und einen schweren Eingriff in Grundrechte bewirkt (vgl. BVerfGK 20, 93, 103).

Die deswegen gebotene hinreichende Abwägung mit den Interessen der Gefangenen hat ausweislich der von der UHA mitgeteilten Erwägungen nicht stattgefunden. Die Begründung der UHA erschöpft sich auch in den nachgeschobenen Erwägungen in der Rechtfertigung der Maßnahme mit dem Infektionsschutz und der sich aus § 36 Abs. 1 Nr. 6 IfSG ergebenden Pflicht der Behörde zur Festlegung innerbetrieblicher Verfahrensweisen zur Infektionshygiene. Zwar hat die Anstaltsleitung hierzu weiter ausgeführt und erläutert, warum nach ihrer Auffassung mildere Mittel nicht in Betracht kämen. Bezüglich der beeinträchtigten Rechte der Gefangenen hat sie dagegen lediglich pauschal darauf verwiesen, dass diese durch die Anordnung gewahrt seien. Ihre Ausführungen lassen nicht erkennen, dass sie sich in ihrer Abwägung der entgegenstehenden Belange eingehend mit den konkret beeinträchtigten Grundrechten der Betroffenen und deren Gewicht auseinandergesetzt und hierbei insbesondere den Angleichungsgrundsatz und die Sonderstellung von Untersuchungsgefangenen berücksichtigt hat. Stattdessen waren die Überlegungen der UHA einseitig darauf ausgerichtet, dem Infektionsgeschehen entgegenzuwirken. Wenngleich dies im Ansatz richtig und dem Sinne des Gesetzes entsprechend war, hätte die UHA in einem zweiten Schritt vor dem Hintergrund der besonders schwerwiegenden Grundrechtseingriffe erwägen müssen, ob und inwieweit zumindest in Grenzen eine Konkordanz mit den Rechten der Gefangenen möglich und vertretbar gewesen wäre. Die UHA hätte sich hierzu näher verhalten und zusätzlich prüfen müssen, ob alternative Konzepte umsetzbar gewesen wären, die zumindest einen kürzeren und eingeschränkten Kontakt zu anderen Gefangenen ermöglicht hätten und hierbei zu einem derart geringen Restrisiko für Belange des Gesundheitsschutzes geführt hätten, dass die rechtlichen geschützten Interessen der Gefangenen dessen Hinnahme als noch vertretbar und damit gerechtfertigt hätten erscheinen lassen.

Dies wäre, soweit ersichtlich, nach Lage der Dinge jedenfalls für geimpfte und genesene Gefangene wie den Beschwerdeführer nicht ausgeschlossen gewesen. Den Versuch eines Interessenausgleichs hätte die UHA etwa durch die Prüfung der Frage unternehmen können, ob dem Grundbedürfnis an Kommunikation zumindest durch ein Minimum an zusätzlichen Freiräumen hätte entsprochen werden können. Zu denken gewesen wäre an deutlich verkürzte Öffnungszeiten, zu denen jeweils nur wenige Gefangene – bei Aufteilung in feste Gruppen – die Gelegenheit zu intern freier Bewegung gehabt hätten. Die Pflicht zur Tragung von Masken hätte in diesem verminderten Rahmen eher mit dem zur Verfügung stehenden Personal überwacht werden können; ihre Durchsetzung hätte durch den Verlust der Vergünstigung erfolgen können. Soweit die UHA in diesem Zusammenhang darauf verwiesen hat, dass eine unterschiedliche Behandlung von Gefangenen („Binnendifferenzierung“) die Einrichtung einer abgetrennten Station erfordert hätte und dies aufgrund der räumlichen Gegebenheiten nicht möglich gewesen wäre, weil dies dazu geführt hätte, dass Plätze auf dieser Station nicht voll hätten belegt werden können, falls nicht ausreichend geimpfte oder genesene Gefangene vorhanden gewesen wären, erscheinen die Überlegungen aus sich heraus nicht nachvollziehbar. Insbesondere ist nicht erkennbar, warum nicht einzelne Gefangene auf einer sonst (zeitweise) geöffneten Station im Einschluss hätten verbleiben können.

Ob die entsprechenden Überlegungen zu einem Interessenausgleich, wie von der Generalstaatsanwaltschaft vertreten, notwendig zu Ausnahmen von der Einschlussregelung hätten führen müssen, weil letztere andernfalls unverhältnismäßig wäre, kann hier dahinstehen. Ein Ermessensfehler liegt alleine schon darin, dass die UHA das Gewicht der Gefangenenrechte und dementsprechend ihre Bedeutung bei der Ermessensausübung verkannt hat.“

Vorkind II: Corona-Regelung für Vereine ausgelaufen, oder: Bundestag macht Hausaufgaben nicht

Um auch Vereinen, deren Satzung die Möglichkeit einer Online-Versammlung bzw. einer virtuellen Versammlung nicht vorsah, während der Corona-Pandemie eine solche Versammlung zur ermöglichen, hatte Art. 2 § 5 Abs. 2 des COVZvRMG (BGBl 2020 I S. 569) abweichend von § 32 BGB im Hinblick auf die Covid-Pandemie vorgesehen, dass der Vorstand auch ohne Ermächtigungen in der Satzung vorsehen konnte, dass Vereinsmitglieder an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort teilnehmen, und Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können oder müssen (Nr. 1) oder ohne Teilnahme an der Mitgliederversammlung ihre Stimmen vor der Durchführung der Mitgliederversammlung schriftlich abgeben können oder müssen (Nr. 2). Der Vorstand konnte frei entscheiden, welche Form er für die Mitgliederversammlung nutzt.

Der Vereinsvorstand hatte damit während der Covid-Pandemie grds. die Möglichkeit, statt der klassischen Präsenzveranstaltung eine virtuelle Mitgliederversammlung durchzuführen, auch wenn das an sich in der Vereinssatzung nicht vorgesehen war.

Diese Regelung war allerdings bis zum 31.08.2022 befristet. Zu einer Anschlussregelung durch eine Verlängerung des Art. 2 § 5 Abs. 2 COVZvRMG ist es nicht gekommen. Man hat es „laufen lassen“. Zwar hatte im Juni 2022 der Freistaat Bayern einen Gesetzesantrag in den Bundesrat eingebracht, der in den „Entwurf eines Gesetzes zur Ermöglichung digitaler Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht“ (BR-Drucks. 193/22) eingegangen ist. Der Entwurf ist  auch am 10.06.2022 in die Ausschüsse des Bundesrates überwiesen worden. Die geplanten Änderungen sollten am 1.9.2022 in Kraft treten und die pandemiebedingte Sonderregelung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 COVZvRMG ersetzen. Aber diese Gesetzesinitiative, die eingegangen ist in die BT-Drucks. 20/2532 v. 1.7.2022, die den Entwurf eines „Gesetzes zur Ermöglichung digitaler Mitgliederversammlungen im Vereinsrecht“ enthält, ist nicht mehr rechtzeitig umgesetzt worden. Der Bundestag hat das vor und nach seinem Urlaub nicht (mehr) geschafft.

Also ist weiter Warten angesagt.

Geplant ist, dass nNach der (Neu)Regelung § 32 BGB ergänzt wird um einen Abs. 1a, der wie folgt lauten soll:

„(1a) Der Vorstand kann auch ohne Ermächtigung in der Satzung vorsehen, dass Vereinsmitglieder an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort teilnehmen und Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können.“

Diese Regelung schließt weitgehend an § 5 Abs. 2 Nr. 1 COVMG an, man hat aber bewusst auf die Wörter „oder müssen“ nach dem Wort „können“ verzichtet, damit der Vorstand die Mitglieder nicht dazu verpflichten kann, an einer Versammlung im Wege der Bild- und Tonübertragung teilzunehmen (BR-Drucks. 193/22 S. 3). Andernfalls hätte er die Möglichkeit, Mitglieder von der Versammlung auszuschließen, die auf entsprechende Kommunikationsmedien nicht zugreifen können. Damit bestünde die Gefahr eines Missbrauchs der Regelung, was wiederum zu einer Schwächung bzw. Aushöhlung der Mitgliederrechte führen könnte, was man vermeiden will.

<<Werbemodus an>>: Und hier dann auch noch einmal der Hinweis auf die anstehende Neuerscheinung von „Burhoff, Vereinsrecht – Ein Leitfaden für Vereine und ihre Mitglieder„. Die 11. Auflage wird voraussichtlich im November 2022 erscheinen. Vorbestellen kann man hier. <<Werbemodus aus>>.

Wenn man wegen Corona „außerhäusig“ verhandelt, oder: Vorübergehende Kapazitätsbeschränkung

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Und als zweite Entscheidung dann der OVG Lüneburg, Beschl. v. 05.04.2022 – 7 Ks 41/13 -, den ich an sich auch an einem „Corona-Tag“ hätte bringen können. Denn es geht um die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die von einer Partei/einem Angeklagten ggf. zu tragenden Gercihtskosten.

Hier sind mit einer Gerichtskostenrechnung dem in dem zugrundeliegenden Gerichtsverfahren Kosten gemäß Kostenverzeichnis Nr. 9006 KV GKG (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) für Geschäfte außerhalb der Gerichtsstelle, zunächst in Höhe von 428,15 EUR, in Rechnung gestellt worden. Hintergrund war die Anmietung eines – außerhalb des Gerichtsgebäudes des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts liegenden – Raumes durch die Verwaltung des Gerichts, in dem die mündliche Verhandlung des zugrundeliegenden Gerichtsverfahrens durchgeführt wurde. Dagegen wendet sich der Kläger beim OVG und hat damit Erfolg:

„Gemäß § 3 Abs. 2 GKG werden Kosten nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zum GKG erhoben. Eine über diese Tatbestände hinausgehende Auferlegung von Kosten ist nicht zulässig. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 GKG ist zu unterscheiden zwischen Gebühren und Auslagen. Die Gebühren stellen eine Gegenleistung für die Inanspruchnahme der Gerichte dar; als Auslagen werden die von den Gerichten aufgewendeten (verauslagten) Beträge erhoben (Zimmermann in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, 5. Aufl. 2021, § 1 Rn. 6). Nr. 9000 ff. KV GKG regelt die Erstattungsfähigkeit von Auslagen.

Gemäß Nr. 9006 KV GKG gehören zu den Auslagen die den Gerichtspersonen aufgrund gesetzlicher Vorschriften gewährte Vergütung (Reisekosten, Auslagenersatz) und die Auslagen für die Bereitstellung von Räumen in voller Höhe, die bei Geschäften außerhalb der Gerichtsstelle anfallen. Hauptanwendungsfall dieser Vorschrift ist der Ortstermin (Touissant in: Touissant, Kostenrecht, 51. Aufl. 2021, Nr. 9006 KV GKG, Rn. 1 m.w.N.; Volpert in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, Nr. 9006 KV GKG, Rn. 3). Der vorliegende Einzelfall ist mit einer derartigen Konstellation nicht vergleichbar. Zwar sind Auslagen für die Anmietung einer Räumlichkeit durch die Gerichtsverwaltung entstanden, in der die Sitzung des Senats am 20. Januar 2022 durchgeführt werden konnte.Allerdings handelte es sich dabei nicht um Auslagen, die durch Geschäfte außerhalb der Gerichtsstelle im Sinne dieser Vorschrift angefallen sind.Gerichtsstelle ist regelmäßig das Gerichtsgebäude. Darunter fällt aber auch jeder andere Raum, in dem üblicherweise und regelmäßig Sitzungen des betreffenden Gerichts stattfinden (vgl. wortgleich zu Nr. 9006 KV GKG in Nr. 2006 KV FamGKG: Schneider in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl. 2021, Nr. 2006 KV FamGKG, Rn. 2). Die Möglichkeit eines anderen Ortes als Gerichtsstelle besteht auch dann, wenn etwa außerhäusige Gerichtstage stattfinden (Zimmermann in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, 5. Aufl. 2021, Nr. 9006 KV GKG, Rn. 1; Klahr in: Dörndorfer/Wendtland/Gerlach/Diehn, BeckOK Kostenrecht, 36. Ed. 2022, Nr. 9006 KV GKG, Rn.2) oder wenn das Gericht Räumlichkeiten außerhalb des Gerichtsgebäudes vorübergehend nutzt, etwa wenn wegen Bauarbeiten die Nutzung des eigentlichen Gerichtssaals nicht möglich ist (Schneider in: Schneider/Volpert/Fölsch, a.a.O.). Eine vergleichbare Konstellation ist vorliegend gegeben. Ursächlich für die in Rede stehende Raumanmietung ist die derzeitige Vorgabe, dass aufgrund coronabedingter Maßgaben eine Benutzung der im Gebäude des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts zur Verfügung stehenden Sitzungssäle grundsätzlich nur noch mit eingeschränkter Personenzahl erfolgen darf. Dem Senat ist es regelmäßig nicht mehr möglich, ohne Anmietung einer außerhäusigen Räumlichkeit durch das Gericht Termine in Planfeststellungsverfahren – wie vorliegend zugrundeliegend – überhaupt durchzuführen, solange die coronabedingten Vorgaben nur noch eine eingeschränkte Benutzung des Sitzungssaals ermöglichen. Vor diesem Hintergrund hat der Senat auch – seit Auferlegung der Corona-Einschränkungen – derartige Verfahren wiederholt allein außerhalb des Gerichtsgebäudes verhandeln können. Auch andere Spruchkörper des Gerichts haben die externen Räumlichkeiten entsprechend in Anspruch genommen. Diese Notwendigkeit ist dabei nicht durch eine außergewöhnlich große Anzahl von Personen bedingt, sondern resultiert aus der derzeit eingeschränkten Nutzbarkeit des im Gerichtsgebäude zur Verfügung stehenden Gerichtssaals. Entgegen den Ausführungen des Bezirksrevisors in seiner Stellungnahme vom 8. März 2022 war maßgeblich für die Anmietung der Räumlichkeit im vorliegenden Verfahren deshalb auch weder die hohe Anzahl der Teilnehmer noch ein im Gebäude des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts in benötigter Größe fehlender Sitzungssaal. Auf Nachfrage des Senats war von den Beteiligten als Teilnehmerzahl (inklusive der Beteiligten selbst nebst Sachverständigen und Sachbeiständen) eine Gesamtpersonenzahl aller Beteiligten von 22 Personen und damit eine über der derzeit in den Sitzungssälen des Oberverwaltungsgerichts aufgrund coronabedingter Vorgaben zulässige Personenzahl gemeldet worden. Der Senat hat in den letzten Jahren – vor Einschränkung der vorhandenen Sitzungssaalkapazität aufgrund coronabedingter Vorgaben – bereits eine Vielzahl von Verhandlungen mit weit mehr Teilnehmern in den im Gerichtsgebäude zur Verfügung stehenden Sitzungssälen durchgeführt. Die Gesamtteilnehmerzahl für die Verhandlung lag demnach nicht über dem, was üblicherweise in einer mündlichen Verhandlung für ein Planfeststellungsverfahren zu erwarten ist und zuvor auch mit den vorhandenen Räumlichkeiten des Gerichts bewältigt werden konnte. Der Justizgewährleistungsanspruch muss es auch unter coronabedingten Einschränkungen ermöglichen, Verhandlungen, die sich mit Blick auf die Teilnehmerzahl in einem grundsätzlich üblichen Rahmen halten, durchzuführen, ohne dass dadurch die Beteiligten mit nicht unerheblichen Mehrkosten belastet werden.

Auch Sinn und Zweck der in Nr. 9000 ff. KV GKG geregelten Erstattungsfähigkeit von Auslagen spricht für die vorliegend erfolgte Auslegung des Nr. 9006 KV GKG. Gegenleistung für die Inanspruchnahme der Gerichte ist grundsätzlich die Gerichtsgebühr (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.12.2016 – 20 KSt 1.16 -, BeckRS 2016, 111720). So werden weder die Nutzung des im Gericht vorhandenen Sitzungssaals noch die Kosten für sämtliche gerichtlicherseits an dem Verfahren Mitwirkende (vgl. dazu auch Nr. 9005 KV GKG – nicht als Auslagen erhoben werden Beträge, die an ehrenamtliche Richter (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 JVEG) gezahlt werden) gesondert als Auslagen in Rechnung gestellt.Sinn und Zweck der in Nr. 9000 ff. KV GKG geregelten Erstattungsfähigkeit von Auslagen ist – im Gegensatz zu Gebühren – die Möglichkeit der Auferlegung von Kosten, die aufgrund der Besonderheit des Einzelfalls entstehen, mit Blick auf Nr. 9006 KV GKG etwa, weil aufgrund der besonderen Gegebenheiten des konkreten Einzelfalls ein Ortstermin, eine Inaugenscheinnahme oder eine Anhörung an einem anderen Ort als im Gerichtssaal erforderlich wird, ggf. auch wegen einer außergewöhnlich hohen Anzahl von Teilnehmenden, bei der nicht erwartet werden kann, dass diese mit den üblicherweise vorhandenen Kapazitäten bewältigt werden kann. Dabei handelt es sich um Auslagen, die Folge der besonderen Situation des jeweiligen Einzelfalls sind. Eine solche Konstellation ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Die Anmietung resultierte vielmehr daraus, dass die Nutzung des vorhandenen Sitzungssaals aufgrund von außerhalb des konkreten Einzelfalls liegenden Umständen, die auch nicht der Risikosphäre der Beteiligten oder dem konkreten Verfahren zuzuordnen sind, eingeschränkt war.

Auch ein Vergleich mit den übrigen unter Nr. 9000 ff. KV GKG aufgeführten Tatbeständen ergibt, dass Auslagen im Sinne dieser Vorschrift nicht diejenigen Aufwendungen sind, die üblicherweise anfallen. Diese sind vielmehr bereits mit der Gerichtsgebühr abgegolten. So ist bspw. gemäß Nr. 9000 Abs. 3 KV GKG für jeden Beteiligten und dessen Bevollmächtigten jeweils eine vollständige Ausfertigung oder Kopie oder ein vollständiger Ausdruck einer gerichtlichen Entscheidung oder des Sitzungsprotokolls frei von einer Dokumentenpauschale zu erteilen, erst darüber hinausgehend angeforderte oder erforderliche Mehrstücke können gesondert als Auslage in Rechnung gestellt werden. Die nach Nr. 9002 KV GKG mögliche Zustellungspauschale wird neben Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, regelmäßig nur erhoben, soweit in einem Rechtszug mehr als 10 Zustellungen anfallen, und die nach Nr. 9004 KV GKG mögliche Auslage für öffentliche Bekanntmachungen ist nicht zu erheben für die Bekanntmachung in einem elektronischen Informations- und Kommunikationssystem, wenn das Entgelt nicht für den Einzelfall oder ein einzelnes Verfahren berechnet wird.

Ist aber, wie ausgeführt, die – vorübergehende – Kapazitätsbeschränkung des gerichtseigenen Sitzungssaals ursächlich für die Anmietung von Räumlichkeiten, und steht infolge dessen ein Gerichtssaal im Gerichtsgebäude nicht uneingeschränkt zur Verfügung, handelt es sich bei aus der Anmietung resultierenden Kosten nicht um Auslagen im Sinne der Nr. 9000 ff. KV GKG, weil die Bereitstellung eines Gerichtssaals per se grundsätzlich mit den Gerichtsgebühren abgegolten ist.“