Im „Kessel Buntes“ heute dann (verkehrs)verwaltungsrechtliche Entscheidungen. Und ich starte die Berichterstattung mit dem OVG Münster, Beschl. v. 17.02.2020 – 16 B 885/19 -, den mir der Kollege Urbanzyk aus Coesfeld geschickt hat. Problematik: Cannabiskonsum und Verkehrsteilnahme.
Dem Beschluss liegt in etwa folgender Sachverhalt zugrunde.
Der Mandat des Kollegen hat am 13.06.2016 erstmalig ein Kfz unter Cannabiswirkung im Straßenverkehr geführt. Ihm wurde daraufhin nach der zu dem Zeitpunkt geltenden Rechtsprechung die Fahrerlaubnis aufgrund Verstoß gegen das Gebot der Trennung von Cannabiskonsum und Teilnahme am Straßenverkehr mit Anordnung sofortiger Vollziehung entzogen. Am 10.05.2017 erlangte er durch erfolgreiche Teilnahme an einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) die Fahreignung wieder. Am 16.05.2017 wurde ihm die Fahrerlaubnis dann neu erteilt.
Am 26.11.2018 nahm der Antragsteller dann abermals unter Wirkung von Cannabis am Straßenverkehr teil. Mit Ordnungsverfügung vom 21.03.2019 wurde ihm die Fahrerlaubnis im Wege des Sofortvollzugs entzogen, da er als Gelegenheitskonsument aufgrund fehlenden Trennungsvermögens, Nr. 9.2.2 der Anlage 4 FeV keine Fahreignung besitze.
Gegen diesen Entziehung ist Klage erhoben und Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gestellt worden. Zwischenzeitlich ergingen am 11.04.2019 die BVerwG-Entscheidungen 3 C 13.17 u.a.
Das VG lehnte am 19.06.2019 im Eilverfahren den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ab. Begründung: Der Antragsteller habe nicht erstmals im Sinne der BVerwG-Rechtsprechung ein Kfz unter Wirkung von Cannabis im Straßenverkehr geführt. Die der früheren Neuerteilung zugrundliegende Prognose, der Antragsteller werde künftig das Trennungsgebot einhalten, sei innerhalb relativ kurzer Zeit widerlegt worden.
Dagegen dann die Beschwerde, mit der vorgetragen worden ist, der Cannabis-Verstoß vom Juni 2016 dürfe ihm heute nicht mehr entgegen gehalten werden. Es gebe nämlich keine „bedingte“ Fahreignung, sondern nur Fahreignung oder keine Fahreignung. Durch Wiedererlangung der Fahreignung und Neuerteilung der Fahrerlaubnis im Mai 2017 sei der Antragsteller beim neuerlichen Verstoß wie ein Ersttäter zu behandeln. Dies sei auch Wille des Gesetzgebers. Denn bei Neuerteilung der Fahrerlaubnis würden aus dem FAER alle früheren Punkte gelöscht. Außerdem sei selbst bei einem Zweittäter die Prognose der Fahrerlaubnisbehörde nicht ohne fachliche Hilfe möglich, da der Behörde insoweit die Kompetenz fehle. Das BVerwG habe zwar nur über einen „Ersttäter“ entscheiden müssen. Es gebe jedoch keinen Erfahrungssatz, dass Zweittäter automatisch zum Drittäter würden.
Das OVG Münster wies die Beschwerde trotz Zugeständnissen an die Auffassung des Antragstellers insgesamt als unbegründet zurück. Dazu bitte in der recht umfangreich begründeten Entscheidung im Volltext selbst nachlesen.
Der vom Kollegen, der die Sache für den VRR aufbereitet hat, erstellte Leitsatz lautet:
Auch ein zweimaliges Auffälligwerden im Straßenverkehr unter der Wirkung von Cannabis erlaubt in der Regel nicht, ohne weitere Sachverhaltsaufklärung die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen anzunehmen und die Fahrerlaubnis zu entziehen.
Das ist wohl – wenn ich es richtig sehe – die erste OVG-Entscheidung, mit der geklärt und klargestellt wird: Auch beim zweiten Verstoß ist grundsätzlich weitere Sachverhaltsaufklärung geboten, also die Anordnung einer MPU.
Hier hat es aber wenig genutzt. Denn das OVG meint: Zwar durften Fahrerlaubnisbehörde und VG Münster nicht allein aufgrund Zweitverstoßes und der Widerlegung der Positivprognose von feststehender Nichteignung gemäß § 11 Abs. 7 FeV ausgehen. Jedoch galt der Antragsteller laut früherem MPU-Gutachten als „drogengefährdet“ (= Hypothese D3 der Beurteilungskriterien zur Kraftfahreignung). Er hätte daher abstinent leben müssen, hat dies nicht – und abermals an den Tag gelegte fehlende Trennungsvermögen ist Ergebnis eines Kontrollverlustes.
Schauen wir mal, wie es weitergeht.