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BVV I: Raum-/Hintergrundgespräch bei der TKÜ, oder: Natürlich verwertbar.

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Zum Wochenauftakt dann zwei leider „unschöne“ Entscheidungen des BGH, und zwar zur Beweisverwertungsverbotsproblematik. Da ist der BGH mehr als unbeweglich und rettet, was er retten kann. Im BGH, Beschl. v. 10.01.2018 – 1 StR 571/17 – geht es zunächst um die Verwertung von sog. Hintergrund-/Raumgesprächen, die im Rahmen einer TKÜ aufgezeichnet worden sind. Der BGH sagt: Natürlich verwertbar:

„2. Soweit die Revision die Beweiswürdigung des Landgerichts im Hinblick auf die Verwertung des Inhalts von sog. Hintergrund- bzw. Raumgesprächen rügt (S. 18-21 der Revisionsbegründungsschrift vom 11. September 2017), die durch Vorspielen der Aufzeichnung von Telekommunikationsüberwachung in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind, legt der Senat die Beanstandung in Übereinstimmung mit der Antragsschrift des Generalbundesanwalts als Verfahrensrüge aus, weil die prozessuale Unverwertbarkeit einer Information geltend gemacht wird. Die Rüge ist allerdings ebenfalls nicht in einer zulässigen Weise ausgeführt.

a) Es liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

In der Hauptverhandlung wurden von der Revision näher bezeichnete, überwachte Telefongespräche durch Vorspielen der Aufzeichnung und deren Übersetzung eingeführt. Dies umfasste auch Gespräche, die einer der an der überwachten Telekommunikation Beteiligten mit einer weiteren Person, die sich in demselben Raum wie er befand, während des Telefonats geführt hatte. Der Verwertung der aus dem Raumgespräch stammenden Informationen ist seitens der Verteidigung widersprochen worden. Durch Einfügen einer Ablichtung des als Anlage zum Protokoll der Hauptverhandlung genommenen Widerspruchsschreiben trägt die Revision weiter Folgendes vor: „Grundlage für die TKÜ waren die entsprechenden Beschlüsse des Ermittlungsrichters im Ermittlungsverfahren. Diese Beschlüsse enthalten allerdings keine Befugnis, außerhalb der Telefongespräche geführte Unterhaltungen abzuhören und aufzuzeichnen, wobei noch nicht einmal die Identität der beteiligten Personen bekannt war oder ist“.

b) Die Rüge ist nicht in einer 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechenden Weise erhoben worden. Der Vortrag verhält sich weder zu den tatsächlichen Umständen, aus denen sich die Rechtswidrigkeit der betroffenen Anordnungsentscheidungen für die Telekommunikationsüberwachung ergibt, noch beinhaltet er Tatsachen, aus denen sich die Rechtzeitigkeit des erforderlichen Verwertungswiderspruchs ergibt.

aa) Der Senat hält jedenfalls für die hier vorliegende Konstellation an seiner bisherigen Rechtsprechung zur Verwertbarkeit von sog. Hintergrund- oder Raumgesprächen bei Überwachung der Telekommunikation fest. Danach darf bei durch 100a StPO gerechtfertigter Aufzeichnung eines Telefongesprächs das gesamte während des Telefonats aufgezeichnete Gespräch einschließlich der Hintergrundgeräusche und -gepräche verwertet werden (BGH, Beschluss vom 24. April 2008 – 1 StR 169/08, NStZ 2008, 473 f. mwN; siehe auch KK-StPO/Bruns, 7. Aufl., § 100a Rn. 54). Das gilt jedenfalls dann, wenn es sich – wie hier – um Gespräche handelt, bei denen einer der Teilnehmer der aufgrund gerichtlicher Anordnungsbeschlüsse überwachten Telefongesprächen eine dritte Person in die Kommunikation mit dem telefonischen Gesprächspartner einbezieht. Denn bei einer solchen Fallgestaltung sind die fraglichen Inhalte des Hintergrund- bzw. Raumgesprächs selbst Gegenstand der Telekommunikation (vgl. zu diesem Aspekt Prittwitz StV 2009, 437, 442; SK-StPO/Wolter/Greco, 5. Aufl., Band II, § 100a Rn. 26). Dass es sich vorliegend so verhält, entnimmt der Senat der Darstellung des Inhalts der fraglichen Telefongespräche und der währenddessen geführten Hintergrundgespräche in den Gründen des angefochtenen Urteils (UA S. 48 f.).

Die von der Revision geltend gemachte Unverwertbarkeit allein aufgrund des Umstands, dass es sich um Informationen aus einem bei einer Telekommunikationsüberwachung mitgehörten Raumgespräch handelt, ist damit ausgeschlossen. Sie könnte sich allenfalls aus solchen Gründen ergeben, die allgemein zur Unverwertbarkeit aus Telekommunikationsüberwachung stammenden Informationen führen. Dazu fehlt es jedoch an dem erforderlichen Tatsachenvortrag. Insbesondere trägt die Revision, obwohl nach ihrem Vorbringen ermittlungsrichterliche Anordnungsentscheidungen zur Überwachung der Telekommunikation getroffen worden waren, keine Verfahrenstatsachen vor, die dem Revisionsgericht die Prüfung ermöglichen, ob im Zeitpunkt der ermittlungsrichterlichen Beschlüsse die Voraussetzungen für eine solche Überwachung vorgelegen haben (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 7. März 2006 – 1 StR 534/05, StV 2008, 63, 64 und vom 24. Oktober 2006 – 3 StR 370/06, NStZ 2007, 117).

bb) Richtet sich nach dem vorstehend Ausgeführten die Unverwertbarkeit des Inhalts eines „Hintergrundgesprächs“ der hier vorliegenden Art nach den für ein Verwertungsverbot im Rahmen von Telekommunikationsüberwachung allgemein geltenden Voraussetzungen, bedarf es auch für die vorliegende Fallgestaltung der rechtzeitigen Erhebung eines Verwertungswiderspruchs (zum Widerspruchserfordernis bei Geltendmachen der Unverwertbarkeit aus TKÜ stammenden Informationen siehe nur Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 100a Rn. 39 mwN). Wie in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts näher dargelegt, trägt die Revision aber keine Tatsachen vor, aus denen sich die rechtzeitige Erhebung des Widerspruchs vor dem durch 257 StPO bestimmten Zeitpunkt (dazu BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 – 5 StR 190/91, BGHSt 38, 214, 225 f.) ergibt.“

Man darf allerdings nicht übersehen – die Verfahrensrüge nicht ausreichend begründet war. Aber das ist dann auch so ein Kapitel…..

Unzulässige Vernehmungsmethode, oder: Trau niemals deinem Zellengenossen

entnommen wikimedia.org
Author Denis Barthel

Und zum Tagesabschluss weise ich dann nochmals auf das BGH, Urt. v. 01.12.2016 – 3 StR 230/16 – hin. Darüber hatte ich ja schon mal berichtet, und zwar wegen der Frage der Wiederaufnahme des Verfahrens nach Nichteröffnung aufgrund neuer Tatsachen (vgl. Nichteröffnung des Verfahrens –> Wiederaufnahme, oder: Was sind neue Tatsachen?9.

Heute geht es dann um die Frage des § 136a StPO. In dem Urteil v. 01.12.2106 ging es um die Vewertung von Informatione, die ein zeuge vom Angeklagten durch Täuschung erlangt hatte. Dazu folgender Sachverhalt:

„Der Angeklagte wurde am 3. April 2014 unter dem dringenden Tatverdacht eines weiteren Mordes festgenommen und befand sich seitdem in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede. Nachdem am 15. April 2014 ein ehemaliger Zellengenosse gegenüber der Polizei bekundet hatte, ihm gegenüber habe der Angeklagte geständige Andeutungen zur verfahrensgegenständlichen Tat gemacht, erhielt sie am 22. April 2014 von einem Zeitungsredakteur einen Hinweis darauf, dass der Angeklagte gegenüber einem anderen, mittlerweile entlassenen Mithäftling diese Tat gestanden habe. Am 24. April 2014 nahm die Polizei, um dem Hinweis nachzugehen, telefonisch Kontakt mit der Justizvollzugsanstalt auf und erfuhr bei dieser Gelegenheit, dass sich der Angeklagte sehr unauffällig und zurückgezogen verhalte, allerdings bei einem Besuch der Sanitätsabteilung mit dem inhaftierten Zeugen K. – dessen Angaben zufolge am 23. April 2014 – in Kontakt getreten sei. Am 28. April 2014 wurde der Zeuge erstmals von einem von der zuständigen Polizeibehörde im Wege der Amtshilfe ersuchten Polizeibeamten aufgesucht; diesem berichtete er, er wolle die Tat aufklären und habe den Angeklagten fast „geknackt“. Er bat um gemeinsame Zellenumschlüsse mit dem Angeklagten, die es in der Folgezeit allerdings nicht gab. Bei diesem ersten Gespräch offenbarte der Zeuge, dass er eine Haftverkürzung erstrebe und die anderen Gefangenen in sein Vorhaben eingeweiht habe, damit er das Vertrauen des Angeklagten gewinnen könne.

Am 5. Mai 2014 teilte die Justizvollzugsanstalt der Polizei mit, der Angeklagte habe die verfahrensgegenständliche Tat gegenüber dem Zeugen K.  gestanden. Daraufhin suchten am 7. Mai 2014 zwei Polizeibeamte den Zeugen im Beisein seines Rechtsanwalts auf; der Zeuge bestätigte das Geständnis des Angeklagten, erklärte allerdings, er beabsichtige erst dann umfassend auszusagen, wenn mit der für ihn zuständigen Staatsanwaltschaft geklärt sei, inwieweit sich seine Angaben positiv auf die anstehende Entscheidung über die Aussetzung des restlichen Drittels seiner Haftstrafe zur Bewährung auswirkten. Der für das Ermittlungsverfahren zuständige Staatsanwalt wies am 8. Mai 2014 den Rechtsanwalt des Zeugen K.  telefonisch darauf hin, dass er mangels Zuständigkeit diesem und auch dem Zeugen H. keine Zusagen erteilen könne.

Etwa einen Monat später, am 5. Juni 2014, fand die erste polizeiliche Vernehmung der beiden Zeugen statt, wobei der Zeuge K. das – zuvor zurückgehaltene – erste „schriftliche Geständnis“ des Angeklagten vom 1. Mai 2014 übergab. Dass er zu diesem Zeitpunkt im Besitz einer handschriftlichen Skizze vom Ablageort der Leiche und eines zweiten „schriftlichen Geständnisses“ war, das der Angeklagte in der Zeit vom 16. bis 20. Mai 2014 unterzeichnet hatte, offenbarte der Zeuge indes nicht. Die Skizze wurde am 30. Juni 2014 von seinem Rechtsanwalt der Polizei übergeben, nachdem am 22. Juni 2014 ein Brief der Zeugen K. und H. angehalten worden war, mit dem sie sich bezüglich ihrer Aufklärungsarbeit an die Presse wandten. Ebenfalls über die Presse wurde Anfang September 2014 bekannt, dass noch das zweite „schriftliche Geständnis“ des Angeklagten existierte, woraufhin ein Durchsuchungsbeschluss für die Zelle des Zeugen K.    erwirkt und vollzogen wurde. Im Rahmen der diesbezüglich geführten weiteren Vernehmung des Zeugen vom 18. September 2014 händigte er das zweite „schriftliche Geständnis“ des Angeklagten aus und räumte ein, dieses zurückbehalten zu haben, um durch eine Weitergabe an die Presse Druck wegen seiner eigenen vorzeitigen Entlassung aus der Haft aufzubauen und etwas Geld zu verdienen.“

Der BGH sagt zur Frage des § 136a StPO:

Allein die Entgegennahme von belastenden Informationen durch die Ermittlungsbehörden, die ein Zeuge durch Täuschung des Beschuldigten erlangt hat, führt nicht zu einem Beweisverwertungsverbot. Eine Pflicht, dies zu unterbinden, trifft die Ermittlungsbehörden grundsätzlich nicht.

„Soweit der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 21. Juli 1998 (5 StR 302/97, BGHSt 44, 129) davon ausgegangen ist, dass ein Beweisverwertungsverbot auch bei einem behördlichen Nichteinschreiten in Betracht kommt, hat dem der Ausnahmefall zugrunde gelegen, dass eine Mitinhaftierte, die nach eigenem Bekunden schon jahrelang mit der Polizei zusammengearbeitet hatte, die Angeklagte mittels abergläubischer Rachedrohungen, nicht ausschließbar unter Verabreichung von sedierenden Betäubungsmitteln zu Angaben veranlasste (sog. „Wahrsagerinnen-Fall“). Hiermit ist der vorliegende Fall nicht zu vergleichen.“

Also: Immer aufpassen, wem man etwas erzählt.

Nochmals die „legendierte Kontrolle“ – durch den Zoll, oder: Erlaubt, kein Beweisverwertungsverbot

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Bei der zweiten Durchsuchungsentsheidung handelt es sich um das BGH, Urt. v. 15.11.2017 – 2 StR 128/17. Mal wieder – legendierte Kontrolle. Ja, mal wieder, weil wir dazu in der letzter Zeit ja einiges an Rechtsprechung hatten. Darunter dann ja auch das BGH, Urteil vom 26.04.2017 – 2 StR 247/16 (Durchsuchung I: Die vorgetäuschte Polizeikontrolle, oder: Zulässig ja, Beweisverwertungsverbot nein, aber Pflicht zur Offenlegung).

Im Urteil vom 15.11.2017ging es um Überwachungsmaßnahmen einer Gemeinsame Ermittlungsgruppe Rauschgift. Die hatte das Mobiltelefon des Angeklagaten überwacht und so erfahren, dass er als “Profikurier” für einen in den Niederlanden handelnden Drogenlieferanten tätig war. Nachdem dann aufgrund der Telefonüberwachung eine weitere Kurierfahrt bekannt geworden war, veranlasste ein Beamter des Zollfahndungsamtes, der dieser Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Rauschgift angehörte, eine zollrechtliche Kontrolle gem. § 10 Abs. 3 ZollVG. Er ging von dem “weitläufigen” Verdacht aus, dass der Angeklagte in seinem Fahrzeug Rauschgift mit sich führte. Bei dieser von zwei Zollbeamten, die selbst von den Hintergrundermittlungen gegen die Rauschgiftbande keine Kenntnis hatten, durchgeführten Kontrolle wurde zwei Presspallten Kokain mit einem Nettogewicht von rund 500 Gramm mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 328 Gramm Kokainhydrochlorid aufgefunden.

Das LG Wiesbaden hat ein Beweisverwertungsverbot angenommen und den Angeklagten. frei gesprochen. Werde eine Durchsuchung unter dem Vorwand einer zollamtlichen Überwachung durchgeführt, um dem Beschuldigten ein gegen ihn und weitere Personen geführtes Ermittlungsverfahren nicht zu offenbaren, liege eine willkürliche Umgehung des Richtervorbehalts aus § 105 StPO vor, die zur Unverwertbarkeit der erhobenen Beweismittel führe.

Anders der BGH. Der hat aufgehoben und meint: Die Untersuchung des Motorraums des Fahrzeugsdes Angeklagten  ohne vorherige richterliche Anordnung sei zumindest nach dem Zollrecht zulässig, die gefundenen Beweismittel seien daher gem. § 161 Abs. 2 Satz 1 StPO verwertbar gewesen. Sowohl das Anhalten des Fahrzeugs des Angeklagten als auch die zum Auffinden der Betäubungsmittel führende Prüfung des Motorraums sei nach § 10 ZollVG gerechtfertigt gewesen. Zum Zeitpunkt der Maßnahme hätten alle Voraussetzungen dieser zollrechtlichen Ermächtigungsgrundlage vorgelegen. Einer vorherigen richterlichen Anordnung habe es nach dieser Vorschrift nicht bedurft.

Der zollrechtlichen Rechtmäßigkeit der Maßnahme steht nahc Auffassung des BGH  nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt der Fahrzeuguntersuchung bereits ein Anfangsverdacht einer Straftat gegen den Angeklagten vorlag, der auch ein Vorgehen nach §§ 102, 105 StPO ermöglicht hätte. Es bestehe kein Vorrang strafprozessualer Vorschriften gegenüber dem Gefahrenabwehrrecht, vielmehr stünden Gefahrenabwehr und Strafverfolgung als staatliche Aufgaben mit unterschiedlicher Zielrichtung gleichberechtigt nebeneinander.

Die aufgrund der gefahrenabwehrrechtlich zulässigen Untersuchung des Motorraums gewonnenen Erkenntnisse hätten nach § 161 Abs. 2 Satz 1 StPO gegen den Angeklagten im Strafverfahren verwendet werden dürfen.

Im Übrigen: Selbststudim 🙂 . Lohnt sich m.E., denn mit den Fragen werden wir in Zukunft viel zu tun bekommen. Wenn die Ermittlungsbehörden erst mal ein solches Schlupfloch haben und das auch noch höchstrichterlich abgesegnt wird, dann nutzen sie das Instrumentarium auch. Wenn ich es richtig sehe, gibt es dazu vom BVerfG noch nichts. Ich denek, aber auch das wird nicht mehr lange dauern. Mal sehen, was der Schloßbezirk damit macht. Ich halte es für eine Umgehung der Vorschriften für die Durchsuchung.

Und: Wenn man als Verteidiger damit zu tun hat: Der Verwertung der Beweisergebnisse sollte natürlich in der Hauptverhandlung widersprochen werden.

Durchsuchung I: Durchsuchung ohne Anfangsverdacht führt zu einem Beweisverwertungsverbot

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Am  ersten Arbeitstag des Jahres 2018 zunächst noch einmal allen Lesern/Leserinnen, Followern usw. ein frohes und glückliches Neues Jahr, in dem wenn nicht alle, so aber doch zumindest viele Wünsche in Erfüllung gehen. Hier geht es dann „normal“ weiter, mit – wie gehabt – drei Beiträgen/Tag.

Und der erste Arbeitstag des Jahres ist dann – vor der Auflösung des letzten Gebührenrätsels 2017 – ein „Durchsuchungstag, und zwar zunächst mit dem LG Ansbach, Beschl. v. 19.10.2017 – 3 Qs 95/17. Nichts Besonderes, nur mal erst zum warm werden. 🙂 Das LG hat noch einmal zu den Anforderungen zum Anfangsverdacht als Grundlage einer Durchschungsmaßnahme und zum Beweisverwertungsverbot:

„Voraussetzung für jede Durchsuchung ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Straftat begangen wurde, wofür hinreichende Anhaltspunkte vorliegen müssen und vage Anhaltspunkte oder reine Vermutungen nicht genügen (Meyer-Goßner, 60. Aufl., 2017, § 102 StPO, Rn. 2).

Vorliegend sind die vorgenannten Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt, da sich allein aus den An­gaben der Belastungszeugin keine entsprechende Wahrscheinlichkeit dafür ergibt, dass es durch die Beschuldigte zu einer Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz gekommen ist. Es hätte zunächst der Vernehmung des pp. bedurft. Denn aus der Aussage der Zeugin pp. ergibt sich nicht einmal, ob es bei der durch sie geschilderten Gelegenheit tat­sächlich zu einem Kontakt zwischer pp. und der Beschuldigten gekommen ist, nach­dem die Zeugin pp. lediglich zur Wohnung der Beschuldigten gefahren hat und ihn dann in einer gewissen Entfernung zum Wohnhaus aus dem Fahrzeug hat aussteigen lassen. Weiter vermochte die Zeugin pp. kein konkretes Betäubungsmittel oder eine bestimmte Menge, nicht einmal eine Mindestmenge zu benennen. Aufgrund dessen steht nicht fest, ob es sich überhaupt um Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes und den dazuge­hörigen Anlagen oder aber um sog. „legal highs“ gehandelt haben soll.

Mangels Kenntnis von Art, Menge und Qualität der Betäubungsmittel, mit denen die Beschuldigte Handel getrieben haben soll, ist eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht möglich.

Darüber hinaus fehlt es bei dem Durchsuchungsbeschluss an der Angabe der Tatsachen, auf denen der Anfangsverdacht beruht, da der reine Verweis auf die bisherigen Ermittlungen hierfür nicht ausreichend ist. Vielmehr bedarf es der Nennung der wesentlichen Verdachtsmomente ein­schließlich der Indiztatsachen gem. § 34 StPO, da dem Beschuldigten nur dann eine sachge­rechte und umfassende Prüfung, ob der Beschluss rechtmäßig ergangen ist, möglich ist. Es ist vorliegend nichts dafür ersichtlich, dass eine Bekanntgabe der wesentlichen Verdachtsmomente den Untersuchungszweck gefährdet hätte und die Bekanntgabe deswegen unterbleiben durfte (BGH, Beschl. vom 18.12.2008 – NStZ-RR 2009, 142).

Aus der Rechtswidrigkeit der Durchsuchungsanordnung folgt noch nicht per se die Rechtswidrig­keit der auf ihr beruhenden Beschlagnahme. Die Beschlagnahme aufgrund einer rechtswidrigen Durchsuchung aufgefundener Beweisgegenstände ist nur dann rechtswidrig und führt zu einem Beweisverwertungsverbot, wenn schwerwiegende Verfahrensverstöße vorliegen oder Verfah­rensverstöße willkürlich oder bewusst begangen wurden (Meyer/Goßner, aaO, § 94 StPO, Rn. 21; LG Wiesbaden, Besch. v. 04.10.2016 – 2 Os 74/16).

Liegen jedoch die Voraussetzungen für eine Durchsuchung gern. §§ 102 ff StPO nicht vor und wurde der Beschuldigte auch nicht über die Freiwilligkeit der Durchsuchung belehrt, sind die auf­gefundenen Beweismittel nicht verwertbar (LG Berlin, Beschl. v. 27.06.2008 – StV 2011, 89). Nachdem es vorliegend aufgrund der vagen Angaben der Zeugin bereits an einem für eine Durchsuchungsanordnung erforderlichen auf Tatsachen gestützten Anfangsverdacht für das Vorliegen einer durch die Beschuldigte begangenen Straftat fehlt, hätte die Durchsuchungsanord­nung nicht ergehen dürfen. Nachdem die Beschuldigte auch nicht über die Freiwilligkeit der Durchsuchung belehrt worden ist, ist die Beschlagnahme der aufgefundenen Gegenstände vorliegend ebenfalls rechtswidrig. Ein Anderes ergibt sich auch nicht aus einer Abwägung der Interes­sen der Beschuldigten, insbesondere, ihrem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung gern. Art. 13 Abs. 1 GG und dem Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen Strafverfolgung, zu­mal es sich bei dem Vorwurf des vorsätzlich unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln bzw. dem unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln nicht um einen schwerwiegenden Vorwurf handelt.

„Ich konsumiere Cannabis doch nur gelegentlich“, oder: Angaben bei der Verkehrskontrolle verwertbar

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Als zweite Entscheidung „kocht“ im „Kessel Buntes“ heute der Hess. VGH, Beschl. v. 17.08.2017 – 2 B 1213/17 -, also mal wieder Verkehrsverwaltungsrecht. Es geht um die Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem StVG/der FEV und um die mit dem (mangelnden) Trennungsvermöge bei gelegentlichem Konsum von Cannabis zusammenhängenden Fragen. In der Frage hat der VGH seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben und sich der h.M. in der Rechtsprechung zum „Grenzwert angeschlossen. Das hat er in folgendem Leitsatz kund getant

„Bei gelegentlichem Konsum von Cannabis ist bereits bei Erreichen des Risikogrenzwertes von 1,0 ng/ml im Blutserum von einem fehlenden Trennungsvermögen im Sinne der Anlage 4 Nr. 9.2.2 der FeV auszugehen. Der Senat gibt damit seine bisherige, auf einen Grenzwert von 2,0 ng/ml abstellende Rechtsprechung auf.“

Aber mir geht es gar nicht so sehr um diese Frage, sondern um die Ausführungen des VGH zu einem vom Betroffenen geltend gemachten Beweisverwertungsverbot hinsichtlich seiner Angaben bei der Verkehrskontrolle, die dem Verfahren zugunde liegt. Da hatte er ein Beweisverwertungsverbot reklamiert. Der VGH lehnt das ab:

„Dass der Antragsteller gelegentlicher Konsument von Cannabis ist, ergibt sich für den beschließenden Senat aus seinen Angaben gegenüber der Polizei im Rahmen der Beschuldigtenvernehmung, welche im Anschluss an die Verkehrskontrolle am 25. Mai 2016 stattfand. Hierbei führte er aus, dass er regelmäßig Cannabis in mäßiger Form seit drei Jahren konsumiere. Er mische die Droge mit Tabak. Selbst kaufe er nicht, rauche aber bei anderen Personen mit. Nach dem Konsum führe er nie ein Fahrzeug. Diese Einlassungen unterliegen entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers keinem Verwertungsverbot. Zum einen ist darauf hinzuweisen, dass der Vortrag des Antragstellers, er sei nicht ordnungsgemäß belehrt worden, ausweislich Blatt 30 der Behördenakte (Protokoll der Beschuldigtenvernehmung) unzutreffend ist. Daraus ergibt sich nämlich ausdrücklich, dass der Antragsteller belehrt worden ist, was er durch seine Unterschrift und den Vermerk „selbst gelesen, genehmigt und unterschrieben“ bestätigt hat.

Selbst wenn eine Belehrung unterblieben wäre, stünde das strafrechtliche Beweisverwertungsverbot des § 136 Abs. 1 Strafprozessordnung – StPO – der Verwertung dieser Angaben im Fahrerlaubnisentzugsverfahren durch die Verwaltungsbehörde nicht entgegen. Auf den Umstand, dass eine Belehrung stattgefunden hatte, sowie darauf, dass die strafrechtlichen Beweisverwertungsverbote regelmäßig im dem Gefahrenabwehrrecht zuzuordnenden Fahrerlaubrecht keine Berücksichtigung finden, hat auch das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung (S. 4 des amtlichen Umdrucks) bereits zutreffend hingewiesen (vgl. auch: VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. Mai 2007 – 10 S 608/07-, NZV 2008, S. 55).

Im Fahrerlaubnisrecht sind Beweisverwertungsverbote nur in besonderen Ausnahmefällen anzunehmen. Selbst wenn wegen Verstoßes gegen Verfahrensvorschriften im Strafprozess ein Verwertungsverbot besteht, wirkt sich dies in der Regel nicht auf das Verfahren der Fahrerlaubnisentziehung aus. Da im Fahrerlaubnisrecht ein Beweisverwertungsverbot nicht ausdrücklich normiert ist, ist im Wege der Interessenabwägung über die Beweisverwertung zu entscheiden. Diese führt regelmäßig zu einer Zulässigkeit der Verwertung, denn während Beweisverwertungsverbote im repressiv geprägten Strafprozess dem Grundrechtsschutz des Betroffenen dienen, sind im Fahrerlaubnisrecht präventive Ziele, nämlich der Schutz von Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer, maßgeblich (Hess. VGH, Beschluss vom 22. März 2017 – 2 B 847/17 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. September 2016 ? 16 B 685/16 ?, juris Rz. 13 ff.; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 16. Dezember 2009 ? 12 ME 234/09 –, juris Rz. 4 f.; Bay. VGH, Beschluss vom 28. Januar 2010 ? 11 CS 09.1443 –, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 9. Februar 2016 ? 3 M 14/16 ?, juris).

Im Ergebnis ist es daher nicht zu beanstanden, wenn der Antragsgegner, gestützt auf die eigenen Angaben des Antragstellers, zu der Einschätzung gelangt, dass es sich beim Antragsteller um einen zumindest gelegentlichen Konsumenten von Cannabis handelt.“