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StGB I: Das Bastelset „Der kleine Geldfälscher“, oder: Konkurrenzen

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Der heutige Tag ist drei StGB-Entscheidungen gewidmet, also materiellens Recht.

Und die Vorstellungsreihe eröffnet das BGH, Urt. v. 03.07.2019 – 2 StR 67/19. Es geht u.a. um die Konkurrenzen bei und mit Geldfälschung. Nach den vom LG getroffenen Feststellungen erwarb der Angeklagte in der Absicht, nach und nach Falschgeldscheine herzustellen, um diese für seine auch durch Drogenkonsum gestiegenen Lebenshaltungskosten nutzen zu können, von einer ihm unbekannten Person in M.  für 500 € ein Bastelset, das Utensilien zum Herstellen von verschiedenen Geldwertzeichen im „Wert“ von insgesamt rund 5.000 € enthielt. Der Farbton der darin enthaltenen, noch nicht ausgeschnittenen und nur einseitig bedruckten Papierscheine wirkte nahezu echt, anhand der Qualität des Papieres – einfaches Kopierpapier – war die Unechtheit der Scheine aber taktil erkennbar, der aufzuklebende „Silberstreifen“ aus einfachem Bastelpapier lies die Falschheit auch im Rahmen einer optischen Prüfung erkennen.

In der Nacht vom 02. auf den 03.11.2017 wollte der Angeklagte in F. Betäubungsmittel erwerben und hatte hierfür mittels des Bastelsets zwei falsche Einhundert-Euro-Scheine hergestellt. Bei einer in den frühen Morgenstunden des 03.11.2017 durchgeführten Verkehrskontrolle wurde das Falschgeld sichergestellt. Am 04.11.2017 bezahlte der Angeklagte an einem Obst- und Gemüsestand erworbene Ware mit einem zuvor aus dem Bastelset erstellten Einhundert-Euro-Schein, der zunächst akzeptiert aber in den Abendstunden des gleichen Tages vom Händler als falsch erkannt und sodann polizeilich sichergestellt wurde. Auch in der Nacht auf den 01.12.2017 wollte der Angeklagte mit einem zuvor aus dem Bastelset hergestellten Einhundert-Euro-Schein Betäubungsmittel erwerben, geriet aber erneut in eine Verkehrskontrolle. In dem von ihm geführten Kraftfahrzeug konnten der bereits hergestellte Einhundert-Euro-Schein sowie das Bastelset sichergestellt werden.

Die Strafkammer hat das Verhalten des Angeklagten, soweit er Einhundert-Euro-Scheine bereits hergestellt hatte, als eine Tat der Geldfälschung (§ 146 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 StGB) gewertet; eine Gewerbsmäßigkeit im Sinne von § 146 Abs. 2 StGB hat die Strafkammer mit Blick auf die mindere Qualität der Falschgeldscheine verneint. Tateinheitlich hierzu habe sich der Angeklagte des Betruges (§ 263 StGB) zum Nachteil des Obst- und Gemüsehändlers strafbar gemacht. Soweit der Angeklagte Geldscheine noch nicht hergestellt hatte, habe er sich tatmehrheitlich wegen der nach § 149 Abs. 1 StGB strafbaren Vorbereitungshandlung schuldig gemacht.

Der BGH sieht das anders:

„Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die konkurrenzrechtliche Bewertung durch das Landgericht hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Zutreffend geht die Strafkammer davon aus, dass zwischen dem vom Angeklagten am 4. November 2017 zum Nachteil des Obst- und Gemüsehändlers begangenen Betrug und der vollendeten Geldfälschung Tateinheit vorliegt (BGH, Urteil vom 10. Mai 1983 – 1 StR 98/83, BGHSt 31, 380, 381; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, 30. Aufl., § 146 Rn. 29; SSW-StGB/Wittig, 4. Aufl., § 146 Rn. 34 jeweils mwN). Rechtsfehlerhaft ist indes die Annahme, der Angeklagte habe durch das Inverkehrbringen eines zuvor hergestellten Geldscheins „tateinheitlich die Tatbestandsalternative des § 146 Abs. 1 Nr. 3 StGB verwirklicht“. Die Vorbereitungshandlung des Herstellens (§ 146 Abs. 1 Nr. 1 StGB) geht – ebenso wie die des Sichverschaffens, § 146 Abs. 1 Nr. 2 StGB – im Falle eines sich planmäßig anschließenden Inverkehrbringens regelmäßig im Tatbestand des § 146 Abs. 1 Nr. 3 StGB zu einer einzigen Tat auf (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 12. August 1999 – 5 StR 269/99 Rn. 4; vom 20. Juni 1986 – 1 StR 264/86, NJW 1986, 2960 mwN). Mit dem Inverkehrbringen beendet der Täter seine Tat. Die Handlungen nach § 146 Abs. 1 Nr. 1 StGB und das sodann erfolgte Inverkehrbringen bilden eine deliktische Einheit und stellen dementsprechend nur ein einziges Geldfälschungsdelikt nach § 146 Abs. 1 StGB dar (Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, aaO, § 146 Rn. 26). Dies gilt auch in Konstellationen, in denen – wie hier hinsichtlich der am 2./3. November 2017 und am 1. Dezember 2017 begangenen Taten – das Inverkehrbringen im Versuchsstadium steckenbleibt (MünchKomm-StGB/Erb, 3. Aufl., § 146 Rn. 56 mwN).

2. Die konkurrenzrechtliche Bewertung, es liege ungeachtet des mehrfachen Inverkehrbringens nur „ein Fall der Geldfälschung“ vor, wird von den Feststellungen nicht getragen.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Frage, in wie vielen rechtlich selbständigen Fällen der Täter bei mehreren Absatzgeschäften jeweils den Tatbestand der Geldfälschung verwirklicht, entscheidend auf die Zahl der diesen zu Grunde liegenden einheitlich zu bewertenden Herstellungs- oder Erwerbsvorgänge an (vgl. BGH, Beschluss vom 9. März 2011 – 3 StR 51/11, NStZ 2011, 516). Verschafft sich der Täter durch eine einheitliche Handlung Falschgeld, um dieses im Anschluss entweder bei günstiger Gelegenheit oder an bereits feststehende Abnehmer abzusetzen, so liegt auch dann nur eine Tat im Sinne des § 146 Abs. 1 Nr. 3 StGB vor, wenn das Inverkehrbringen in mehreren Einzelakten geschieht (BGH, Beschlüsse vom 1. September 2009 – 3 StR 601/08, NJW 2009, 3798; vom 3. Dezember 1998 – 4 StR 569/98, NStZ-RR 2000, 105). Maßgebend ist insoweit, dass der Täter sich das Geld bereits in der Absicht verschafft hat, dieses später abzusetzen, und er diese Absicht sodann verwirklicht (vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13 Rn. 30). Hat sich der Täter demgegenüber in einem jeweils selbständigen Erwerbsvorgang mehrere Falschgeldmengen verschafft, liegt Tatmehrheit selbst dann vor, wenn Teilmengen daraus an den gleichen Abnehmer geliefert werden sollen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 2016 – 3 StR 2/16, NStZ-RR 2016, 276, 277). Dementsprechend kann wiederholtes und daher auch gewerbsmäßiges Handeln vorliegen, wenn der Täter beabsichtigt, sich durch mehrfaches Sichverschaffen von Falschgeld und dessen Inverkehrbringen eine Einnahmequelle zu erschließen (Senat, Beschluss vom 2. Februar 2011 – 2 StR 511/10, NJW 2011, 1686 f. mwN). Für das in der entsprechenden Absicht erfolgte wiederholte Herstellen von Falschgeld gilt nichts anderes (BGH, Beschluss vom 16. Mai 2018 – 1 StR 151/18).

b) Hiervon ausgehend hätte es näherer Feststellung zur Herstellung der sichergestellten bzw. in Verkehr gebrachten falschen Einhundert-Euro-Scheine bedurft. Allein der Erwerb des Bastelsets in der Absicht, damit Geldscheine im möglichen Umfang herzustellen und in Verkehr zu bringen, kann die Annahme von Tateinheit nicht begründen……“

Strafzumessung III: Falsche Fuffziger im Bordell, oder: Streng ist man in Bayern

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Über das AG München, Urt. v. 25.04.2018 – 1111 Ls 245 Js 196316/17 – ist auf der Grundlage der PM ja schon an einigen Stellen berichtet worden. Ich habe mir inzwischen den Volltext besorgt und komme auf dessen Grundlage heute auf die Entscheidung zurück. Das AG trifft folgende Feststellungen;

„Zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2017 stellte der Angeklagte mithilfe seines Druckers zwei falsche 50,00 €-Banknoten her, in der Absicht, diese Noten als echt in den Verkehr zu bringen.

Der Angeklagte verausgabte seinem Tatplan entsprechend am 19.09.2017 gegen 19:50 Uhr im Bordell pp. München
50,00 €-Falschgeldnote, indem er damit die Zeugin C. im Voraus für 45-minütigen vaginalen Verkehr bezahlte. Er spiegelte der Zeugin bei Übergabe der Falschgeldnote deren Echtheit vor und wollte die Zeugin C. über die Echtheit der zwei Banknoten täuschen, um einen entsprechenden Vermögensvorteil zu erlangen.“

Das ist eine Geldfälschung in Tateinheit mit versuchtem Betrug gemäß §§ 146 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3, 263 Abs. 1, Abs. 2, 22, 23, 52 StGB. Und faür gibt es dann in Bayern ein Jahr auf Bewährung:

V.
Bei der Strafzumessung war der Strafrahmen des § 146 Abs. 1 StGB zu Grunde zu legen.

Das Vorliegen eines minder schweren Falles nach § 146 Abs. 3 StGB war abzulehnen. Trotz der dilettantischen Vorgehensweise des Angeklagten handelt es sich um keinen Bagatellfall. Zwar war die Qualität der gefälschten Geldscheine eine solche, dass ihre Unechtheit bei näherem Hinsehen problemlos erkennbar war. Mangels einer ordnungsgemäßen Verklebung hafteten die Scheine auch nicht nahtlos aneinander. Sie hatten jedoch Originalgröße und waren auch mit den Originalfarben einer 50 Euro Banknote versehen. Angesichts der nachgemachten Menge, sowie der Tatsache, dass es sich um zwei nachgemachte Scheine handelte und den mehreren Handlungsschritten, die erforderlich waren, um die Scheine schließlich im Bordell zu benützen, kann nicht mehr von einem vom Normalfall derart nach unten abweichenden Einzelfall ausgegangen werden. Es waren mehrere Teilakte erforderlich, das Herstellen, Zusammenkleben und der Weg nach München, bis der Angeklagte die Scheine letztlich einsetzen konnte.

Bei einer Gesamtwürdigung von Person und Tat kam das Gericht daher nicht zur Bewertung, dass die schuldmindernden Gesichtspunkte derart überwiegen, dass ein minder schwerer Fall bejaht werden konnte.

Es war dementsprechend von einer Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe auszugehen.

Zugunsten des Angeklagten sprach dabei sein vollumfängliches Geständnis, welches von Reue und Schuldeinsicht geprägt war. Weiter wurde zugunsten des Angeklagten seine dilettantische Vorgehensweise berücksichtigt, sowie die verhältnismäßig geringe kriminelle Energie, die die Tat aufweist.

Zu Lasten des Angeklagten sprach, dass es sich um zwei gefälschte Scheine und insgesamt 100,00 €, einen nicht unerheblichen Betrag handelte. Strafschärfend wurde weiter berücksich¬tigt, dass der Angeklagte überdies ein weiteres Delikt in Tateinheit verwirklicht hat, den versuchten Betrug. Zu seinen Lasten wurden weiter die Vorstrafen des Angeklagten berücksichtigt, auch wenn diese nicht einschlägig waren und es sich zum größten Teil um Kleinkriminalität handelte. Die letzte erhebliche Tat stammt aus dem Jahr 2007.

Unter nochmaliger Würdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände in seiner Person und bei den Taten hielt das Gericht daher eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr für tat- und schuldangemessen.

Die Freiheitsstrafe von 1 Jahr konnte zur Bewährung ausgesetzt werden, da für den Angeklagten eine positive Sozialprognose besteht. Die Verhältnisse des Angeklagten sind geordnet. Er lebt in einer festen Beziehung und befindet sich in einem festen Arbeitsverhältnis. Nach Ein¬schätzung des Gerichts handelte es sich hier um eine einmalige Verfehlung. Durch die ausgesprochene Strafe ist der Angeklagte daher hinreichend zu zukünftigem normkonformen Verhal¬ten motiviert und es ist davon auszugehen, dass er zukünftig – auch ohne die Einwirkung des Strafvollzuges – keine weiteren Straftaten mehr begeht.“

Na ja: Kein minder schwerer Fall, wenn man auf den ersten Blick die „Blüten“ als falsch erkennt? Ganz schön hart. Aber in bayern ist die Welt eben noch in Ordnung.

Wenn die Prostituierte die zugesagte Leistung nicht erbringt, oder: Erfüllungsbetrug?

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Ich eröffne die Woche dann mit einem Beschluss aus dem „wilden Süden“, und zwar mit dem AG Reutlingen, Beschl. v. 03.04.2018 – 5 Cs 24 Js 4686/18. Das AG hat den Erlass eines Strafbefehls gegen die Beschuldigte abgelehnt, den die StA auf der Grundlage folgenden Sachverhalts beantragt hatte

„Am 10. Februar 2018 zwischen 08,30 und 14.00 Uhr habe die Angeschuldigte, eine ungarische Staatsbürgerin, unter Vorspiegelung ihrer vollen Leistungswilligkeit per WhatsApp dem Anzeigeerstatter angedient, ihm ab 21.30 Uhr zwei Stunden lang „full service“ und „ohne Tabus“ sexuelle Dienstleistungen für 350,– € zu erbringen. Bereits bei Vertragsschluss habe sie zumindest billigend in Kauf genommen, nicht die volle Leistung erbringen zu wollen oder können. Im Vertrauen auf ihre Leistungswilligkeit habe der Anzeigeerstatter – vor Aufnahme der sexuellen Handlungen – nach deren Erscheinen in dessen Wohnung gegen 21.45 Uhr die verlangten 350.- EUR in bar übergeben. Vorgefasster Absicht entsprechend habe die Angeschuldigte sich gegen 22.00 Uhr nach dem ersten geschlechtlichen Verkehr wieder angekleidet und habe die Örtlichkeit verlassen, ohne zu weiteren sexuellen Handlungen bereit zu sein. Dem Anzeigeerstatter sei hierdurch ein entsprechender Schaden in Höhe von etwa 300 EUR entstanden.“

Das AG lehnt aus tatsächlichen Gründen ab, und zwar:

„In tatsächlicher Sicht steht dem Erlass eines Strafbefehls entgegen, dass ein hinreichender Tatverdacht zweifelhaft ist. Es handelt sich um eine Konstellation Aussage-gegen-Aussage, wobei überdies eine Vernehmung der Angeschuldigten mit einem Dolmetscher unterlassen wurde. Mit dem „WhatsApp“-Chat, gar in einer Übersetzung, wurde die Angeschuldigte im Ermittlungsverfahren schon nicht konfrontiert, was freilich im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1, 3 lit. d) EMRK vor Erlass eines Strafbefehls unerlässlich erscheint. Dass eine Übersetzung des Chats und dessen Vorhalt in ungarischer Sprache notwendig gewesen wäre, folgt schon aus dem Umstand, dass die Polizei Belehrungsformulare in ungarischer Sprache verwendet hat. Die datentechnische Integrität des vom Anzeigeerstatter vorgelegten Chat-Protokolls ist nicht überprüft.

Soweit der Anzeigeerstatter sich betrogen sieht, bleibt festzuhalten, dass die von ihm mitgeteilten Inhalte der Vertragsabsprache sehr wohl der Auslegung, §§ 133, 157 BGB, zugänglich sind. Zwar mögen im Bereich der gewerblichen Prostitution bestimmte Bezeichnungen und Szene-Abkürzungen („Full Service“) üblich sein, zum Beispiel in Zeitungsannoncen oder bei der Geschäfts- bzw. Verkehrsanbahnung. Doch kann hier den vagen Angaben des Anzeigeerstatters nicht sicher entnommen werden, was rein tatsächlich zum Leistungsinhalt gemacht werden sollte, worin mithin die Täuschung liegen könnte. Zum Online-Profil der Beschuldigten – zur Tatzeit – sind keine Ermittlungen getätigt. Aus diesem könnten sich Auslegungshinweise ergeben.

Auch bekundet der Anzeigeerstatter umfangreiche Nachverhandlungen in seiner Wohnung, die nicht mehr durch Chatverläufe dokumentiert sind.

Beruht die Annahme von der Täterschaft des Angeschuldigten allein auf der Aussage eines Belastungszeugen, ohne dass weitere belastende Indizien vorliegen, so sind an den hinreichenden Tatverdacht strenge Anforderungen zu stellen. Dabei ist berücksichtigt, dass bei dem im Rahmen der Entscheidung nach § 408 Il StPO zu fällenden Wahrscheinlichkeitsurteil für in dubio pro reo noch kein Raum ist. Jedoch kann der hinreichende Tatverdacht mit der Begründung verneint werden, dass nach Aktenlage bei den gegebenen Beweismöglichkeiten am Ende wahrscheinlich das Gericht nach diesem Grundsatz freisprechen wird.

Da drei weitere mögliche (Entlastungs-)Zeugen oder gar Beteiligte in der Akte geführt werden, die unvernommen blieben, ist anzumerken, dass eingedenk der strukturellen Aufgabenverteilung zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht nur einzelne ergänzende richterlich veranlasste Beweiserhebungen im späteren Verfahren vorgesehen sind. Ermittlungen größeren Umfangs zur Komplettierung des von der Staatsanwaltschaft unzulänglich belegten Tatvorwurfs oder zur erstmaligen Abklärung einer Konstellation Aussage-gegen-Aussage sind gesetzlich nicht vorgesehen, Gleichermaßen unstatthaft ist der Erlass eines Strafbefehls unter der Annahme, „erst später“, im Falle eines Einspruches, nachträglich umfangreiche Beweisaufnahmen durchzuführen, wie etwa die Vernehmung zentraler Zeugen zur weiteren Abklärung. Hierin läge ein von Rechts wegen nicht vorgesehene Aufweichung oder Herabsetzung des im (Strafbefehls-)Verfahren für eine Anklage vorausgesetzten Verdachtgrades.“

Abgelehnt hat das AG auch aus rechtlichen Gründen, weil nach seiner Ansicht die Rückforderung des Anzeigeerstatters sittenwidrig sei, jedenfalls aber kein Anspruch bestehe. Ein Erfüllungsbetrug scheide deswegen aus. Insoweit: Selbststudium 🙂 .

Kann man den IS betrügen? oder: Es gibt kein gutes oder böses Vermögen

Das BGH, Urt. v. 11.04.2018 – 5 StR 595/17 – beschäftigt sich mit der Verurteilung eines Angeklagten wegen versuchten Betruges durch den IS. Das LG saarbrücken hatte den Angeklagten wegen versuchten Betruges zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, und zwar auf der Grundlage folgenden Sachverhalts.

Der Angeklagte, der als syrischer Flüchtling nach Deutschland gekommen war, hatte sich im Dezember 2016 über eine Online-Chatplattform an einen vermeintlichen Angehörigen einer islamistischen Terrororganisation gewandt. Er hatte ihm wahrheitswidrig vorgespiegelt, einen Anschlag mit mehreren mit Sprengstoff beladenen Fahrzeugen vorzubereiten, und ihn hierfür um eine finanzielle Unterstützung in Höhe von 180.000 EUR gebeten. Der Angeklagte wollte den vorgeblichen Tatplan aber nicht ausführen und das erstrebte Geld für eigene Zwecke verwenden. Bei dem Adressaten der Nachrichten des Angeklagten handelte es sich tatsächlich um einen syrischen Oppositionellen, der an die Zugangsdaten des Chat-Accounts eines kurz zuvor getöteten Funktionärs des „Islamischen Staates“ gelangt war. Er verfolgte die Absicht, möglichst viele IS-Anhänger ausfindig zu machen und an zuständige Behörden zu melden.

Der BGH sagt zum versuchten Betrug:

Da die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund des Rechtsmit-tels des Angeklagten auch keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben hat, ist seiner Revision ebenfalls der Erfolg zu versagen. Der Erörterung bedarf nur Folgendes:

Das Landgericht hat die Tat zu Recht als versuchten Betrug zum Nachteil des IS gemäß § 263 Abs. 1 und 2, §§ 22, 23 StGB gewertet. Es hat dabei den vom Vorsatz des Angeklagten erfassten Eintritt einer Schädigung des Ver-mögens der Terrororganisation als Vermögensschaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB angesehen und insoweit eine normative Einschränkung des Rechtsgüterschutzes abgelehnt. Diese Wertung steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung zum wirtschaftlichen Vermögensbegriff (vgl. zuletzt BGH, Urteile vom 22. September 2016 – 2 StR 27/16, BGHSt 61, 263, 264, und vom 16. August 2017 – 2 StR 335/15 mwN). Allein der Gesetzeszweck des § 89c StGB, Geldzuflüsse an Terrororganisationen zu verhindern, gibt keinen Anlass, den Vermögensbegriff bei § 263 StGB einzuschränken. Abgesehen da-von, dass § 89c StGB hier schon tatbestandlich nicht in Betracht kommt, hat sich der Gesetzgeber bei Schaffung dieser Strafvorschrift entgegen dem Vor-bringen der Staatsanwaltschaft mit der Frage der Reichweite des strafrechtlichen Vermögensschutzes nach § 263 StGB nicht befasst (vgl. BT-Drucks. 18/4087, S. 7). Die Rechtsordnung kennt im Bereich der Vermögensdelikte allgemein kein wegen seiner Herkunft, Entstehung oder Verwendung schlechthin schutzunwürdiges Vermögen (vgl. BGH, Urteile vom 17. November 1955 – 3 StR 234/55, BGHSt 8, 254, 256 und vom 26. Okto-ber 1998 – 5 StR 746/97, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 42). Hieran hält der Senat fest.“

Tachomanipulation, oder: Nur Betrug

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Und als zweite Entscheidung heute dann der BGH, Beschl. v. 27.09.2017 – 4 StR 142/17.  Der BGH nimmt kurz Stellung zum Verhältnis von Betrug (§ 263 StGB) zu Manipulation von Wegstreckenzählern, also Tachometern (§ 22b StVG), Stellung genommen:

Die sachlich-rechtliche Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Sie führt im Fall II. 6 der Urteilsgründe wegen einer Korrektur des Konkurrenzverhältnisses lediglich zu einer geringfügigen Änderung des Schuldspruchs.

1. Das Landgericht hat den Angeklagten in diesem Fall wegen Betruges (§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB) in Tateinheit mit Anstiftung zum Missbrauch von Wegstreckenzählern (§ 22b StVG) zu einer Einzelstrafe von einem Jahr verurteilt. Nach den Feststellungen verkaufte er im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem Mitangeklagten ein Kraftfahrzeug an einen gutgläubigen Dritten zu einem Preis von 17.800 Euro. Der Wegstreckenzähler des Pkws war zuvor auf Veranlassung des Angeklagten und des Mitangeklagten von einem Unbekannten manipuliert worden, sodass er statt der tatsächlichen Laufleistung von 333.000 km eine solche von nur 165.303 km auswies. Dem Käufer entstand ein Schaden von mindestens 7.590 Euro.

2. Die Beurteilung des Konkurrenzverhältnisses zwischen Betrug im Sin-ne des § 263 StGB und einer Straftat nach § 22b StVG hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

a) § 22b StVG wurde durch Gesetz vom 14. August 2005 (BGBl. I 2412) neu in das StVG eingefügt, um mit Blick auf § 268 StGB (vgl. dazu BGH, Urteil vom 7. Februar 1980 – 4 StR 654/79, BGHSt 29, 204) und § 263 StGB Sanktionslücken zu schließen (BT-Drucks. 15/5315, S. 8; vgl. MüKoStVR/Weidig, § 22b StVG, Rn. 1; Humberg, SVR 2011, 164, 165; Blum, NZV 2007, 70). Das Verfälschen der Messung eines Wegstreckenzählers im Sinne des § 22b StVG stellt sich als typische Vorbereitungstat eines Betruges dar, die regelmäßig nicht von einem eigenständigen Unrechtsgehalt geprägt ist (Weidig, aaO, Rn. 2; vgl. dazu allg. Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl., Vor § 52 Rn. 33). Kommt es in der Folge einer solchen Manipulation zu einer strafbaren Betrugshandlung, tritt § 22b StVG als mitbestrafte Vortat daher regelmäßig im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter § 263 StGB zurück (ebenso Weidig, aaO, Rn. 9; offen gelassen bei Blum, aaO, S. 71).“

Schön, dass es uns der BGH gesagt hat. Lag/liegt m.E. aber auf der Hand.