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Nach dem Beschluss ist Schluss – wie lange kann ich ablehnen

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Nichts wesentliche Neues bringt der KG, Beschl. v. 05.04.2012 – 4 Ws 31/12 -, aber dennoch ist er mir einen kurzen Hinweis auf die mögliche Unzulässigkeit eines Ablehnungsgesuchs wert. Dieses ist nämlich in den Fällen der Entscheidung des Gerichts im Beschlussweg unzulässig, wenn es nachträglich gestellt wird. An sich gibt es ja sonst in den Fällen keine zeitlichen Beschränkungen für ein Ablehnungsgesuch, anders als bei der Ablehnung in der Hauptverhandlung. Dazu das KG:

„Entscheidet das Gericht im Beschlusswege, so kann ein Ablehnungsgesuch in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 StPO nur so lange statthaft vorgebracht werden, bis die Entscheidung ergangen ist. Eine nachträgliche Ablehnung eines Richters nach dessen Mitwirkung an einer Entscheidung sieht das Prozessrecht nicht vor.“

Davon gibt es – wie könnte es anders sein – natürlich eine Ausnahme: Ist ein Antrag nach § 33a StPO gestellt, kann die Ablehnung noch erklärt werden.

Führt die Übersendung von Entscheidungen an Fachzeitschriften und der Erhalt einer Aufwandsentschädigung hierfür zur Befangenheit?

Das KG hatte sich – in einem Zivilverfahren – mit der (interessanten) Frage auseinanderzusetzen, ob die Übersendung von Entscheidungen an Fachzeitschriften und der Erhalt einer Aufwandsentschädigung hierfür zur Befangenheit der Richters führt. Geltend gemacht war von der Beklagten, „es bestehe die Besorgnis, dass der Richter am Kammergericht xxx befangen sei. Er sei seit langer Zeit dem Kläger vertraglich verbunden, in dem er der Vereinsschrift der Beklagten „xxx“ Beiträge zur Verfügung stelle und hierfür Geld erhalte. Der „xxx“ sei keine gewöhnliche Fachzeitschrift, sondern ein „Parteiorgan“. Der Richter zitiere auch, „wohl wissend, dass die allermeisten Prozessbeteiligten diese Zeitschrift nicht abonniert haben“, in von ihm verfassten Urteilen nicht selten aus der Zeitschrift „xxx “ (xxx). Auch dadurch versuche er, die Interessen des Klägers zu fördern. Selbst wenn die vom Kläger an den Richter gezahlten Aufwandsentschädigungen geringfügig gewesen seien, handle es sich um im Hinblick auf eine Korruptionsgefahr bedenkliche Anbahnungszuwendungen. Der Richter sei im Übrigen verpflichtet gewesen, seine besonderen Beziehungen zum Kläger gemäß § 48 ZPO anzuzeigen.

Der KG, Beschl. v. 20.01.2012 – 5 U 125/11 – verneint die Frage:

„Auch die Tatsache, dass die Richter gelegentlich über die hierfür zuständige Verwaltungsstelle des Kammergerichts Entscheidungen des Senats zum Zwecke der Veröffentlichung an die einschlägigen Fachzeitschriften, darunter auch an den vom Kläger herausgegebenen „xxx“, versenden lassen und hierfür in geringer Höhe die üblichen Aufwandsentschädigungen erhalten, vermag bei vernünftiger Betrachtung ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Richter nicht zu rechtfertigen. Mit der Veröffentlichung von Entscheidungen wirken die Richter an der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe mit, bei der die Gerichte an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden sind (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 19. Dezember 1995 – 10 L 5059/93; BVerwG Urteil vom 26. Februar 1997 – 6 C 3/96). Es steht somit nicht im Belieben der Gerichte, welchen von mehreren einschlägigen Fachzeitschriften Entscheidungen zum Zwecke der Veröffentlichung zugänglich gemacht werden. Der vom Kläger herausgegebene „xxx“ ist eine wettbewerbsrechtliche Fachzeitschrift, die in der einschlägigen Kommentarliteratur zitiert wird (vgl. nur Münchener Kommentar, Lauterkeitsrecht, Bd. 1, § 4 Nr. 11 UWG Fußnote 1272 und Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 12 Rdn. 3.15). Auf diesem Hintergrund werden die zur Veröffentlichung ausgesuchten Entscheidungen des Senats zu wettbewerbsrechtlichen Fragen auch dem „xxx“ übersandt. Die Übersendung von Entscheidungen an den „xxx“ begründet ein Näheverhältnis zwischen den die Veröffentlichung veranlassenden Richtern und dieser Fachzeitschrift nicht. Auch kann in der Übersendung an den „Magazin Dienst“ als einer wettbewerbsrechtlichen Fachzeitschrift keine Förderung der Belange des Klägers gesehen werden. Dass der Herausgeber der Fachzeitschrift xxx“ kein Verlag ist, ändert hieran nichts. Denn für die Veröffentlichungspraxis kommt es darauf an, ob es sich um eine für die jeweilige Fachöffentlichkeit relevante Zeitschrift handelt und nicht darauf, wer die Zeitschrift herausgibt.“

„Gut Ding will Weile haben“ oder „Eile mit Weile“ – so schliddert man in die Ablehnung

Nicht aus dem Strafverfahren, sondern mal aus einem Zivilverfahren stammt der OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.03.2012 – 1 W 5/12-, der eine Ablehnungsfrage behandelt. Es geht um die mehrfach zögerliche Behandlung von Anträgen udn Stellungnahmen der Parteien durch einen Richter. Dieser hatte mehrmals Zeitspannen von bis drei Monaten und mehr verstreichen lassen, bevor er auf sachliche Eingaben einer Partei reagiert hat, wohl nach dem Satz „Gut Ding will Weile haben. Die Partei hatte damit die Besorgnis der Befangenheit begründet. Und sie hat beim OLG Brandenburg Recht bekommen. Aus den Gründen:

Die Verfahrensdauer des seit dem 05.04.2005 rechtshängigen Prozesses ist ein nachvollziehbarer Anlass für die Besorgnis des in eigener Sache auftretenden Klägers. Dazu gehört die Leitung des Verfahrens zwischen der Übersendung des Gutachtens am 27.04.2006 an die Parteien und dem Beweisbeschluss vom 18.12.2006. Die Parteien hatten zuvor bis 12.09.2006 Stellung genommen, erst am 18.12.2006 erging jedoch ein weiterer Beweisbeschluss. Entgegen dem Vorbringen des Klägers sind zwar nicht 8 Monate ohne eine Tätigkeitwerden des Richters bis zum Erlass eines weiteren Beweisbeschlusses vergangen, da der Richter den Parteien das rechtliche Gehör zu den Ausführungen des Sachverständigen ordnungsgemäß eingeräumt hat, sondern 3 Monate. Dies mag zunächst seine Ursache in dem Umfang und auch der Schwierigkeit der Sache gehabt haben. In der Folgezeit setzte sich diese Vorgehensweise jedoch fort. Der Schriftsatz des Klägers vom 27.11.2008 führte nach den im Laufe des Dezember 2008 eingegangenen Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten zu einem Beschluss über die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs gegen den Sachverständigen am 08.04.2009, mithin ebenfalls nach 3 Monaten. Zur Gegenvorstellung des Klägers vom 01.10.2009 gegen den Beweisbeschluss vom 14.09.2009 haben die Parteien bis 19.10.2009 Stellung genommen. Am 11.12.2009 erfolgte ein telefonischer Hinweis des Richters zu beabsichtigten weiteren Vorgehensweise an den Kläger, mithin nach annähernd 2 Monaten.“

Wenn man weiter: Auch der weitere Zeitablauf passt dem OLG nicht:

„Insoweit sind die weiteren Umstände der Verfahrensverzögerung in Übereinstimmung mit der Ansicht des Klägers zwar zu kritisieren, begründen jedoch nicht das Vorliegen von Ablehnungsgründen.“

Immerhin ist inzwischen aber terminiert :-).

Ablehnung III: „Wir werden uns wiedersehen“ – reicht nicht

Zur Ablehnung im Strafverfahren eine weitere Entscheidung:

In einem umfangreichen Verfahren wird am dritten Sitzungstag nach einer Unterbrechung der Hauptverhandlung noch im Sitzungssaal und in Gegenwart aller Verfahrensbeteiligter das Verfahren gegen den (bisherigen) Mitangeklagten G. wegen dessen schlechten Gesundheitszustandes abgetrennt. Im Zusammenhang hiermit äußerte der Vorsitzende: „Herr G. , Sie werden sicher von Ihrer Familie erfahren, wie das Verfahren ausgeht. Falls der BGH unsere Rechtsauffassung teilt, werden wir uns wiedersehen.“

Wegen dieser Äußerung lehnten die anderen Angeklagten die Berufsrichter wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Die Anträge werden zurückgewiesen. In der Revision wird ein Verstoß gegen § 338 Nr. 3 StPO gerügt. Die Rüge greift beim BGH nicht durch. Dazu das BGH, Urt. v. 09.07.2009 – 5 StR 263/08BGHSt 54, 39, der im Übrigen wegen einer anderen Frage auch das BVerfG (NJW 2010, 2036) beschäftigt hat.

„…Nach § 24 Abs. 2 StPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Das ist der Fall, wenn der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zur Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die die gebotene Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann (BGHSt 21, 334, 341; BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 4). Diese Voraussetzungen sind hier noch nicht erfüllt.

Die gewählte Formulierung kann nicht losgelöst von dem prozessualen Hintergrund gesehen werden. Dieser ist in der Situation der unmittelbar zuvor erfolgten Verfahrensabtrennung dadurch gekennzeichnet, dass im Vordergrund des Strafverfahrens die rechtlich strittigen, im Eröffnungsbeschluss von der Strafkammer bejahten Fragen standen, ob der Angeklagte L. als Amtsträger anzusehen und sein Verhalten als pflichtwidrig zu bewerten sei. Vor diesem Hintergrund ist die unnötige, zudem ungeschickt formulierte Äußerung nur als situationsbedingter Hinweis zu verstehen, der noch einmal die Auffassung wiederholte, die bereits Grundlage des Eröffnungsbeschlusses war. Die Mitteilung einer Rechtsauffassung als solche kann aber grundsätzlich nicht die Besorgnis der Befangenheit begründen. Eine unverrückbare Festlegung auf eine Rechtsauffassung und auf ein bestimmtes Beweisergebnis, was durchgreifend bedenklich wäre, kann der Äußerung von einem besonnenen Prozessbeteiligten letztlich nicht entnommen werden. Hinzu kommt, dass der Hinweis auf die Maßgeblichkeit einer künftigen Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofs für die Notwendigkeit einer Fortführung des Prozesses gegen den Angeklagten G. angesichts der Position der Staatsanwaltschaft für den Fall der Nichtverurteilung ebenso gelten konnte.“

Ich denke, da hatte der BGH Recht.

Das ist ja „lachhaft“ – reicht nicht für eine Ablehnung…

Ich hatte im Februar über den BGH, Beschl. v. 21.12.2011 – 4 StR 404/11 berichtet, in dem es u.a. um die Ablehnung des Richters wegen der Äußerungen „Mumpitz“ und „Unfug“ ging. Bei meinen Recherchen für die Neuauflagen der Handbücher für das Ermittlungsverfahren (immerhin die 6. Aufl.) bzw. für die Hauptverhandlung (immerhin die 7. Aufl.) bin ich dann auch auf den BGH, Beschl. v. 09.06.2009 – 4 StR 461/08 gestoßen. Da war es die Äußerung „das ist ja lachhaft“ zu einem Antrag des Verteidigers, die der BGH hat durchgehen lassen, allerdings immerhin versehen mit einem kleinen „noch“.

Aus dem Beschluss:

„a) Zur Begründung dieses Ablehnungsgesuchs führte die Verteidigerin des Beschwerdeführers u. a. aus: Der Verteidiger des Mitangeklagten G. , Rechtsanwalt R. , habe im Zusammenhang mit der Vernehmung des Zeugen Gü. einen schriftlichen Antrag auf Wortlautprotokollierung angekündigt. Dabei sei es zu einer Auseinandersetzung zwischen Rechtsanwalt R. und dem Vorsitzenden gekommen, in deren Verlauf sich der Verteidiger gegen den Ton des Vorsitzenden verwahrt und die Verhandlungsführung beanstandet habe. Nach einer kurzen Unterbrechung der Sitzung habe der Vorsitzende “völlig überraschend“ den nicht gestellten, sondern nur angekündigten Antrag auf Protokollierung zurückgewiesen. Daraufhin habe sie die Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt, weil sie keine Gelegenheit gehabt habe, für den Beschwerdeführer zu „diesem Antrag“ Stellung zu nehmen. Dies habe der Vorsitzende mit der Bemerkung kommentiert: “Dies ist ja lachhaft“. Diese Bemerkung könne nur so verstanden werden, dass der Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör nicht ernst genommen werde, weil das Gericht sich sein Urteil zu dessen Nachteil bereits gebildet habe. …

b) Die Verfahrensrüge greift nicht durch. …

Die danach verbleibende Prüfung der Rüge der „Zurückweisung“ des Ablehnungsgesuchs nach Beschwerdegrundsätzen ergibt folgendes:

Das Gesuch war zwar zulässig, insbesondere war seine Begründung nicht aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet. Das Gesuch war aber, die Richtigkeit der behaupteten Ablehnungsgründe unterstellt, sachlich nicht begründet. Die Reaktion des Vorsitzenden auf die Rüge der Verteidiger des Beschwerdeführers, ihnen sei vor der Entscheidung über die vom Verteidiger des Mitangeklagten G. gestellten Antrages keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden, war zwar in der Form unangemessen. Die Unmutsäußerung des Vorsitzenden war aber unter den gegebenen Umständen aus der Sicht eines verständigen Angeklagten (vgl. BGHSt 21, 334, 341) nicht geeignet, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des abgelehnten Richters zu rechtfertigen.

Unmutsäußerungen eines abgelehnten Richters dürfen nicht isoliert, sondern müssen in dem Zusammenhang, in dem sie gefallen sind, betrachtet werden (vgl. BGH NStZ 2000, 325). Das Protokoll über die Hauptverhandlung und das Vorbringen der Revision belegen, dass die Atmosphäre zwischen dem Gericht und den Verteidigern sowohl des Beschwerdeführers als auch des Mit-angeklagten G. während der gesamten Hauptverhandlung erheblich gespannt war. Erst im Verfahren entstandene Spannungen zwischen Gericht und Verteidigern begründen jedoch in aller Regel nicht die Besorgnis der Befangenheit (vgl. BGH NStZ 2005, 218 m. N.). Diese kann sich allerdings aus Reaktio-nen des Richters ergeben, die in keinem vertretbaren Verhältnis zu dem sie auslösenden Anlass stehen (vgl. BGHR StPO § 24 Abs. 2 Befangenheit 8). So liegt es hier jedoch nicht. Auch am 27. Hauptverhandlungstag war es während der Vernehmung des Polizeibeamten Gü. , die zwischen 10:08 Uhr und 11:00 Uhr fünfmal, davon zweimal auf Antrag des Beschwerdeführers, unterbrochen wurde, zu Spannungen zwischen dem Vorsitzenden und den Verteidigern, ins-besondere dem Verteidiger des Mitangeklagten G. gekommen. Entgegen dem Vorbringen der Revision hatte dieser im Verlauf der Vernehmung des Zeugen Gü. nicht „lediglich“ angekündigt, schriftlich einen Antrag auf Protokollierung zu stellen. Vielmehr beantragte der Verteidiger des Mitangeklagten G. ausweislich des Protokolls, dem insoweit gemäß § 274 StPO Beweiskraft zu-kommt, mündlich „die wörtliche Protokollierung einer Äußerung des Zeugen.“ Nach zwei kurzen Unterbrechungen der Hauptverhandlung und einem Wortwechsel zwischen dem Vorsitzenden und dem Verteidiger des Mitangeklagten G. lehnte der Vorsitzende diesen Antrag mit der Begründung ab, dass es auf den Wortlaut der Äußerung des Zeugen unter keinem, wie auch immer gearteten rechtlichen Gesichtspunkt ankomme. Von der Möglichkeit, gemäß § 274 Abs. 3 Satz 2 StPO die Entscheidung des Gerichts zu beantragen, machte keine der an der Verhandlung beteiligten Personen Gebrauch. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Reaktion des Vorsitze“nden auf die Rüge der Verteidiger des Angeklagten, sie hätten keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Antrag gehabt, als eine spontane, noch verständliche Unmutsäußerung dar.

Immerhin: „ noch verständliche Unmutsäußerung„.