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Pauschgebühr? Nein, kein „exorbitanter“ Unterschied, oder: Wir machen es genau so falsch wie der BGH

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Bei der zweiten „RVG-Entscheidung“ handelt es sich um einen Pauschgebührenbeschluss, und zwar um den OLG Dresden, Beschl. v. 01.07.2021 – 6 (S) AR 8/21, den mir der Kollege M. Stephan aus Dresden geschickt hat.

Das OLG Dresden ist genauso knauserig wie die anderen OLG und gewährt eine Pauschgebühr von 970 EUR indem es die gesetzlichen Gebühren von 55.030 EUR auf 56.000 EUR erhöht hat. Mehr gibt es nicht:

„Der zulässige Antrag auf Festsetzung einer Pauschgebühr erweist sich in dem aus der Be-schlussformel ersichtlichen Umfang als begründet.

Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 und 3 RVG ist Voraussetzung der Bewilligung einer Pauschgebühr, die über die gesetzlichen Gebühren hinausgeht, dass diese wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache bzw. des betroffenen Verfahrensabschnitts nicht zumutbar ist. Die Bewilligung einer Pauschgebühr stellt dabei die Ausnahme dar; die anwaltliche Mühewaltung muss sich von sonstigen – auch überdurchschnittlichen Sachen – in exorbitanter Weise abheben. Bei der Beurteilung ist ein objektiver Maßstab zu Grunde zu legen. Entscheidend ist, ob die konkrete Strafsache selbst umfangreich war und infolge dieses Um-fangs eine zeitaufwändigere, gegenüber anderen Verfahren erhöhte Tätigkeit des Verteidigers erforderlich geworden ist (BGH, Beschluss vom 1. Juni 2015 — 4 StR 267/11 —, juris m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind nur in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang erfüllt.

Die in der Stellungnahme der Bezirksrevisorin wiedergegebene Auffassung entspricht ständiger Rechtsprechung der Strafsenate des Oberlandesgerichts Dresden. Der Senat hält auch im vorliegenden Fall daran fest.

Die gesetzlichen Gebühren betragen im vorliegenden Fall 55.030 EUR.

Mit Blick auf den Aktenumfang und der damit verbundenen Mühewaltung erscheint die Zuerkennung einer Pauschgebühr in Höhe von 56.000 EUR angemessen.

Eine weitere Erhöhung kommt weder mit Blick auf den Umfang der Hauptverhandlung noch auf die weiteren Umstände des Verfahrens in Betracht.

Die Teilnahme an 80 Sitzungstagen in einer Zeit von annähernd zwei Jahren unterscheidet das Verfahren noch nicht exorbitanter Weise von anderen überdurchschnittlichen Verfahren. Die Strafsache hat die Arbeitskraft des Pflichtverteidigers auch nicht für längere Zeit ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch genommen, sodass ihm ein unzumutbares Opfer abverlangt worden ist.

Auch die im Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten führen nicht zu einer Erhöhung der Pauschgebühr. Die im Urteil dargestellte „Korrespondenzanalyse“, also der visuelle Ver-gleich von Bildmaterial aus unterschiedlichen Quellen mit dem Bildmaterial aus einer weiteren Quelle, erscheint nicht als in wissenschaftlicher Hinsicht so anspruchsvoll, dass eine besonders arbeitsaufwändige Einarbeitung notwendig wäre. Im Revisionsverfahren ist die darauf gestützte Beweiswürdigung ohne weitere Erörterung unbeanstandet geblieben. Das von der Verteidigung hingegen aufgebotene „Gegengutachten“ wird in den Urteilsgründen als „schwer nachvollziehbar, wenn nicht abwegig“ und teilweise als „rein spekulativ“ gewürdigt.“

Wenn ich schon lese, dass sich das „Verfahren noch nicht exorbitanter Weise von anderen überdurchschnittlichen Verfahren“ unterscheidet, dann brauche ich gar nicht weiter zu lesen, weil ich weiß, dass das OLG nur das nachbetet, was der BGH in seiner Rechtsprechung falsch vorgebetet hat. Kein OLG kommt mal auf die Idee, das zu hinterfragen.

Und nochmals Pauschgebühr, oder: Und nochmals: Warum hier und sonst nicht auch?

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Ich hatte am vergangenen Freitag über den OLG Hamm , Beschl. v. 27.04.2020 – III 5 RVGs 19/20 berichtet, in dem das OLG Hamm eine Pauschgebühr bewilligt hat (vgl. Pauschgebühr für Verfahrensabschnitte, oder: Manchmal versteht man OLGs nicht…). An den Beitrag knüpfe ich heute mit meinem ersten Gebührenposting an. Also nochmals Pauschgebühr nach § 51 RVG.

Und auch nochmals OLG Hamm mit dem OLG Hamm, Beschl. v. 07.05.2020 – 5 RVGs 21/20. Das OLG hat eine Pauschgebühr bewilligt. Wenn man den Beschluss liest, weiß man – auch hier – nocht so richtig, warum, bzw. fragt sich: Warum dann in anderen Fällen nicht? Ich räume allerdings ein, dass ich mehr als die vom OLG angeführten Verfahrensumstände nicht kenne. Das OLG führt aus:

„Der Antragsteller begehrt in dem vorliegenden Verfahren mit näherer Begründung, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, für seine Tätigkeit als Pflichtverteidiger des Angeklagten pp. die Festsetzung einer Pauschgebühr, deren Höhe 6500,00 € nicht unterschreiten soll.

Zu diesem Antrag hat der Vertreter der Staatskasse am 09.03.2020 ausführlich Stellung genommen und den Tätigkeitsumfang des Antragsteilers zutreffend dargelegt. Auf diese dem Antragsteller bekannt gegebene Stellungnahme, in welcher der Vertreter der Staatskasse insbesondere die entstandenen gesetzlichen Gebühren in Höhe von 4.551,00 € und die fiktiven Wahlverteidigerhöchstgebühren in Höhe von 9.737,50 zutreffend dargelegt hat, wird Bezug genommen. Gegen die Bewilligung einer angemessenen Pauschgebühr hat der Vertreter der Staatskasse keine Bedenken erhoben, Von seiner Stellungnahmemöglichkeit hat der Antragsteller keinen Gebrauch gemacht.

II.

Auf seinen Antrag auf Festsetzung einer Pauschgebühr hin ist dem Antragsteller nach § 51 Abs. 1 RVG eine angemessene Pauschgebühr in Höhe von 6.500 € zu bewilligen.

1. Das Verfahren war zwar nicht „besonders schwierig“ im Sinne von § 51 Abs. 1 RVG. Denn von besonderer Schwierigkeit ist nur dann auszugehen, wenn das Verfahren aus besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen über das Normalmaß hinaus erheblich verwickelt ist (Burhoff, in: Gerold/Schmidt. 24. Aufl. 2019, RVG § 51 Rn. 28). Dies ist indes nicht der Fall gewesen. Bei der Beurteilung schließt sich der Senat der Einschätzung des Vorsitzenden der Strafvollstreckungskammer an (vgl. hierzu Senat in StraFo 2005, 130; Burhoff, in: Gerold/Schmidt/Burhoff, 24. Aufl., 2019, RVG § 51 Rn, 30). Insbesondere besteht zu der vom Antragsteller als besonders problematisch angesehenen Gesamtstrafenfähigkeit ausländischer Urteile eine gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 43, 79; BGH NStZ 1998; 134: BGH NStZ 2010, 30), nach welcher diese zu verneinen und stattdessen ein Härteausgleich vorzunehmen ist.

2. Das Verfahren war jedoch besonders umfangreich. Zur Begründung schließt sich der Senat den zutreffenden Ausführungen des Vertreters der Staatskasse in seiner Stellungnahme vom 09.03.2020 an, die insbesondere auch die Senatsrechtsprechung berücksichtigen. Auf sie wird Bezug genommen. Ebenso wie der Vertreter der Staatskasse ist der Senat der Auffassung, dass es sich vorliegend für den Antragsteller schon um ein besonders umfangreiches Verfahren i. S. d. § 51 zeitaufwendige Bearbeitung. Der Aktenumfang war erheblich und bedurfte aufgrund der im Raum stehenden und schließlich auch verhängten Unterbringung in der Sicherungsverwahrung der besonders intensiven Auseinandersetzung mit den eingeholten Sachverständigengutachten. Zudem dauerte die Mandatstätigkeit von der ersten Vollmachtsvorlage im Juli 2012 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens im Februar 2017 über 5 1.4 Jahre. In dieser Zeit nahm der Antragsteller über einen Zeitraum von ca. drei Monaten an 13 Hauptverhandlungstragen teil. Die durchschnittliche Terminsdauer lag hierbei allerdings unter 3 Stunden.

Wie der Vertreter der Staatskasse ist auch der Senat der Auffassung, dass die Inanspruchnahme des Antragstellers durch die Verhandlungstermine insbesondere mit den gesetzlichen Gebühren hinreichend abgegolten ist. Entsprechendes gilt für haftbedingten Mehraufwand. Auch dieser ist durch die angefallenen gesetzlichen Gebühren ausreichend vergütet Ein zusätzlicher besonderer Besprechungsaufwand mit dem Mandanten ist nicht erkennbar. Die im Rahmen der Gesamtschau auch zu beachtende Gebühr für das Revisionsverfahren wird insbesondere im Hinblick darauf, dass die Ausführungen zur rechtlichen Würdigung gerade einmal eine halbe Seite betrugen, als zumutbar angesehen,

Bei zusammenfassender Gesamtwürdigung erscheint dem Senat anstelle der gesetzlichen Pflichtverteidigergebühren in Höhe vom 4.551,00 €, wie sie vom Vertreter der Staatskasse zutreffend in seiner Stellungnahme vom 09.03.2020 dargelegt worden sind, die antragsgemäße Bewilligung der Pauschgebühr in Höhe von 6.500 € angemessen.“

Fazit für mich: Ob eine Pauschgebühr bewilligt wird, lässt sich nicht vorher sagen. Es scheint ein Glücksspiel zu sein. Daher kann man nur empfehlen: In allen Fällen, in denen eine Pauschgebühr nach § 51 RVG möglich erscheint, sollte man als Pflichtverteidiger einen entsprechenden Antrag stellen. Kostet ja nichts – außer die für die Antragsbegründung aufgewendete Arbeitszeit.

Pauschgebühr für Verfahrensabschnitte, oder: Manchmal versteht man OLGs nicht…

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Die zweite Entscheidung, die ich vorstelle, hat mir der Kollege Strüwe aus Essen geschickt. Es handelt sich um den OLG Hamm , Beschl. v. 27.04.2020 – III 5 RVGs 19/20, in dem das OLG dem Kollegen eine Pauschgebühr nach § 51 RVG „gewährt“ hat. Das ist ja nun inzwischen leider selten geworden. Daher hatte ich überlegt, dieses Posting ggf. mit „Sondermeldung“ zu überschreiben 🙂 .

Bewilligt worden ist die Pauschgebühr in einem amtsgerichtlichen Verfahren. Das OLG ist von „besonderem Umfang“ ausgegangen und hat für die Verfahrensabschnitte Grundgebühr, Ermittlungsverfahren und gerichtliches Verfahren jeweils eine Pauschgebühr bewilligt:

„Eine Pauschgebühr ist dem gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt nach § 51 Abs. 1 RVG zu bewilligen, wenn die in den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses bestimmten Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache nicht zumutbar sind. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Im Anschluss an die Einschätzung der Gerichtsvorsitzenden vom 17. Januar 2020 geht auch der Senat davon aus, dass das Verfahren für ein amtsgerichtliches  Verfahren besonders umfangreich war. Besonders umfangreich war vor allem der anwaltlich zu bearbeitende Prozessstoff aufgrund der Vielzahl der dem früheren Angeklagten zur Last gelegten Delikte, die auch nicht alle demselben modus operandi folgten. Die erstinstanzlichen Verfahrensakten umfassten ca. 400 Seiten. Die Staatsanwaltschaft hatte 20 Zeugen benannt. Zwischen dem ersten Auftreten des Antragstellers und der Hauptverhandlung lag ein Zeitraum von ca. einem Jahr und zehn Monaten. Zum Umfang der Sache wird im Übrigen auf die ausführlichen und zutreffenden Darstellungen der Vertreterin der Staatskasse hingewiesen, denen sich der Senat vollumfänglich anschließt.

Im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung erachtet der Senat die beantragte und bewilligte Pauschgebühr in Höhe von 80 % der Wahlverteidigerhöchstgebühren bezogen auf die Gebührentatbestände 4100, 4104 und 4106 für angemessen, aber auch ausreichend. Eine diesen Betrag unterschreitende Pauschgebühr für das Verfahren wäre für den Antragsteller unter Berücksichtigung des Umfangs der Sache nicht zumutbar. Eine noch höhere Pauschgebühr kam hingegen nicht in Betracht. Die Bewilligung der Pauschgebühr soll nach dem Willen des Gesetzgebers einen Ausnahmefall darstellen (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 11. Mai 2015, – 1 AR 2/15, Rn. 8 zitiert nach juris; Burhoff in: Gerold/Schmitt, RVG, 24. Auflage 2019, S 51 Rn. 32). Eine-Gleichstellung oder sogar Besserstellung des Pflichtverteidigers im Verhältnis zum Wahlverteidiger ist daher nicht Ziel der Regelung, lediglich außergewöhnliche und unzumutbare Belastungen des Pflichtverteidigers sollen vermieden werden (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Juni 2013 1— 5 RVGs 43/13).

Eine Pauschgebühr (auch) in Bezug auf die Terminsgebühr nach Nr. 4108 W RVG kam dagegen nicht in Betracht. Bezogen auf die Hauptverhandlung lag ein besonderer Umfang des Verfahrens nicht vor. Ein erbrachter zeitlicher Aufwand des Antragstellers, der erheblich über dem Zeitaufwand lag, der in einer „normalen“ Sache zu erbringen ist, ist nicht ersichtlich. Wird – wie hier – eine Pauschgebühr für bestimmte Verfahrensabschnitte geltend gemacht, muss dieser für sich betrachtet besonders umfangreich oder schwierig gewesen sein (Burhoff in: Gerold/Schmitt, RVG, 24. Auflage 2019, § 51 Rn. 37; Sommerfeldt in: BeckOK RVG, 47. Ed. 1.3.2020, RVG § 51 Rn. 7). Dies ist bezogen auf die Hauptverhandlung am 03. Dezember 2019 nicht der Fall. Diese dauerte in Anwesenheit des Antragstellers von 09:00 Uhr bis 10:55 Uhr, also knapp zwei Stunden. Vernommen wurde ein Zeuge. Auf die Vernehmung von vier weiteren Zeugen wurde verzichtet. Zwar war der Antragsteller gehalten, sich auf die Vernehmung aller fünf Zeugen im Vorfeld des Termins vorzubereiten, der zu erwartende Gegenstand der Vernehmung der einzelnen Zeugen war jedoch überschaubar. Dementsprechend hat die Vorsitzende die Zeugen zum Termin zwar gestaffelt geladen, die letzten drei Zeugen jedoch gemeinsam zu 10:30 Uhr, mithin eineinhalb Stunden nach geplantem Sitzungsbeginn. Im Übrigen wird ein besonderer Zeitaufwand des Antragstellers bezogen auf die Vorbereitung der Hauptverhandlung auch nicht vorgetragen.“

Nun ja. Wenn man es so liest, fragt man sich, warum nicht in vielen anderen Verfahren auch Pauschgebühren bewilligt werden. Manchmal sind die Gedankengänge eines OLG nicht nachvollziehbar.

Pauschgebühr u.a. wegen umfangreichen Urteils, oder: Es gibt sie doch die Pauschgebühr

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Die zweite Entscheidung kommt aus Bayern vom OLG München. Den OLG München, Beschl. v. 03.05.2019 – 1 AR 136/19 – stelle ich u.a. deshalb vor, weil man ihn auch überschreiben könnte: Und es gibt sie doch, die Pauschgebühr beim OLG München, und dann auch noch mit einem Zuschlag von 100 % auf die gesetzlichen Gebühren.

Leider kann man aber aus dem Beschluss nicht so ganz viel Honig saugen, weil das OLG kaum Kriterien mitteilt, die zur Bewilligung der Pauschgebühr nach § 51 RVG wegen besonderen Umfangs geführt haben:

„Gemäß der Stellungnahme der Frau Bezirksrevisorin vom 30.04.2019, die der ständigen Recht¬sprechung des Senats entspricht und mit der sich der Verteidiger einverstanden erklärt hat, war die Pauschgebühr zu bewilligen. Das Verfahren war zweifellos besonders umfangreich und für den Antragsteller – trotz des weiteren Verteidigers – sehr arbeitsaufwändig. Allein das Urteil vom 25.06.2018 umfasste – trotz vorangegangener Verständigung gem. § 257c StPO – 94 Seiten. Ein Zuschlag von ca. 100 % auf die gesetzlichen Gebühren erscheint auch dem Senat daher ausnahmsweise angemessen und erforderlich.

Über den Ersatz von Auslagen, auch Mehrwertsteuer. hat der Senat nicht zu entscheiden.

Bereits ausgezahlte Gebührenanteile betreffend das Verfahren 6 KLs 501 Js 38103/17 sind auf die bewilligte Pauschgebühr anzurechnen. Nicht anzurechnen sind Gebührenanteile betreffend das Verfahren 6 KIs 501 Js 6403/18 bis zu dessen Verbindung zum vorliegenden Verfahren.“

Und, was man auch nicht übersehen darf: Die Anrechnungsregelung. Allerdings hätte man auch da gern ein paar Informationen mehr gehabt.

Pauschgebühr und „Konfliktverteidigung“, oder: Wenn u.a. die Vernehmung von u.a. Trump, Putin, Macron und Assad beantragt wird

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Pauschvergütungsentscheidungen gibt es kaum noch, und wenn, sind sie meist nachteilig. Heute stelle ich hier mal wieder eine vor, und zwar den OLG München, Beschl. v. 16.03.2018 – 8 St (K) 3/18. Ergangen ist die Entscheidung in einer Staatsschutzsache. Gestritten wird mal wieder um die Frage des besonderen Umfangs und der besonderen Schwierigkeit. Zum besonderen Umfang meint das OLG, dass der Aktenumfang zwar mit 11 Bänden bis zur Anklageerhebung überschaubar gewesen sei. Eine gewisse Kompensation des Umfangs werde zudem bereits durch die erfolgte Beiordnung eines zweiten Pflichtverteidigers bewirkt. Das Argument halte ich für fragwürdig und steht bei Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl.,  § 51 Rn. 164 auch so.

Zur „besonderen Schwierigkeit“, die das OLG (auch) verneint hat, verweist das OLG u.a. auf seine Rechtsprechung, wonach Staatsschutzsachen nicht generell besonders schwierig im Sinne des § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG sind (vgl. OLG München, Beschl. v. 02. Juni 2017 – 8 St (K) 1/17).

Interessant dann die Ausführungen des OLG zu den vom Verteidiger ins Feld geführten Argument, dass die Verteidigung „zahlreiche „umfangreiche und notwendige“ Anträge stellte, die ihrer Auffassung nach erforderlich waren“. Das sieht das OLG anders, aber weiter als das OLG Hamm, dass sich zu der Frage der „unnötigen“ Anträge auch vor einiger Zeit geäußert hat:

„Da im Rahmen der Verteidigungsstrategie dem Rechtsanwalt ein weiter Spielraum zuzugestehen ist, sieht der Senat deren Grenzen nicht zwingend dort, wo Anträge dem Bereich der Konfliktverteidigung zuzurechnen sind oder von einem durch Wahlverteidiger vertretenen Angeklagten nicht gestellt worden wären (so OLG Hamm Beschluss vom 23. Juli 2012 – 5 RVGs 65/12 Rdn. 7 f. zit. nach juris; OLG Köln Beschluss vom 02. Dezember 2005 – 2 ARs 223/05 Rdn. 3 zit. nach juris). Dies gilt ungeachtet der Frage der Definition des Begriffs der Konfliktverteidigung (vgl. hierzu Dahs Handbuch des Strafverteidigers 8. A. Rdn. 450 mwN).

Die Grenze ist jedoch eindeutig dort zu ziehen, wo der Bereich angemessener und sinnvoller Verteidigung überschritten wird (vgl. Burhoff/Volpert aaO Rdn. 25), insbesondere wenn Anträge gestellt werden, bei denen ein ernst gemeintes Aufklärungsbemühen fernliegt.

Hierunter fällt ersichtlich der am 07.11.2016 gestellte Antrag,

– die Ehefrau des Angeklagten in Raqqa/Syrien im Rechtshilfeweg zu vernehmen, wobei einerseits ihr genauer Aufenthalt zunächst noch anhand der Geodaten eines Handyvideos aus dem Februar 2015 zu ermitteln sei, im schriftlichen Antrag aber zugleich behauptet wird, sie stehe „in Raqqa gerne für eine Aussage zur Verfügung“

– und dem Senat zudem anheimgestellt wurde, zum Zwecke der Vernehmung dieser Zeugin ein Rechtshilfeersuchen „an Al-Baghdadi zu stellen, hilfsweise an die syrische Regierung“. Die Vernehmung werde dann unter Anwesenheit der Beteiligten „entweder von einem Shariarichter des IS oder

– eines Richters des völkermörderischen Assad-Regimes durchgeführt werden“.

In die gleiche Richtung gehen Anträge auf Vernehmung der Verteidigungsminister der USA, Frankreichs und Russlands sowie des Königs von Jordanien und des syrischen Staatspräsidenten zur Anzahl und Häufigkeit von Luftangriffen und sonstigem Beschuss auf Raqqa, die sämtlich als bedeutungslos bzw. aus den Gründen des § 244 Abs. 5 S. 2 StPO abgelehnt wurden, ungeachtet der Frage, inwieweit eine Ladung dieser Personen völkerrechtlich überhaupt zulässig wäre (vgl. BVerwG Beschluss vom 30. September 1988 – 9 CB 47/88) und dass erkennbar war, weshalb diese Zeugen eigene zeugnisfähige Wahrnehmungen zu diesen Beweisthemen haben sollten.

Auch die Sinnhaftigkeit und Angemessenheit perplexe Anträge, etwa dahingehend, das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einzustellen, welches einerseits damit begründet wurde, dass diverse beim Berliner Landesamt für Verfassungsschutz und beim BND gesicherte Chatverläufe und Screenshots der Kommunikation zwischen dem Angeklagten und seinem Bruder durch das BKA nicht zu den Ermittlungsakten genommen worden seien, die Aktenvollständigkeit somit nicht gegeben sei, und andererseits damit, dass gerade die Zusammenarbeit von BKA mit BND und Verfassungsschutz gegen das Trennungsverbot verstoße (vgl. Anlage 7.3 Seite 3, Anlage 11.3 Seite 3 f. zum Hauptverhandlungsprotokoll) erscheint in diesem Sinne zweifelhaft.“

Ich denke, das passt so, steht ja auch so im RVG-Kommentar 🙂 . Die Ausführungen des OLG zur „Zumutbarkeit“ – die nicht überraschen, waren daher dann überflüssig.