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StPO I: Besetzungseinwand, oder: Begründung wie eine Verfahrensrüge

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Hier dann der Start in die 24. KW. Und der in dieser Woche ohne Corona – passen zu den sinkenden Inzidenzen. Es gäbe sicherlich noch die ein oder andere verwaltungsrechtliche Entscheidung, aber inzwischen sind die Fragen ja alle – teils mehrfach – durchgekaut. Es wird dann aber sicherlich bald wieder los gehen, denn „man“ hat ja entdeckt, dass nun die Masken stören. Mann, Mann, Mann – wenn das nur alles gut geht Frau Lambrecht und Herr Kubicki. Muss die Diskussion sein?

Jedenfalls hier heute „corona-frei“, dafür StPO-Entscheidungen. Und ich beginne mit dem KG, Beschl. v. 01.03.2021 – 4 Ws 14/21, der noch einmal Stellung nimmt zu dem (neuen) Besetzungseinwand nach § 222b StPO. Der Angeklagte hat sich mit seinem Besetzungseinwand gen die Mitteilung der Kammerbesetzung gewandt. Er rügt, die Kammer in der am 4. Februar 2021 begonnenen Hauptverhandlung in unzulässiger Weise lediglich mit zwei Berufsrichtern einschließlich des Vorsitzenden besetzt sei, denn aufgrund der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage sei in diesem Fall die Besetzung mit drei Berufsrichtern erforderlich. Dem Angeklagten werde mit der Anklageschrift unter anderem zur Last gelegt, in zwei Fällen Teile einer Maschinenpistole veräußert zu haben, wobei die waffenrechtliche Beurteilung der Gegenstände „nicht ganz unproblematisch“ sei, da in der Hauptverhandlung zu klären sei, ob die veräußerten Gegenstände Teile sogenannter Dekorwaffen seien und ob diese unter das Waffengesetz fielen. Insbesondere habe es in der Vergangenheit „zahlreiche Gesetzesänderungen […] über die Unbrauchbarmachung von Teilen für Dekowaffen und weiterhin Regelungen zum Bestandsschutz für ältere Waffenteile“ gegeben. Die seitens der Kammer geplante Vernehmung eines Sachverständigen gebiete die Dreierbesetzung.

Das KG hat den Einwand als unzulässig zurückgewiesen:

„b) Allerdings genügt der Einwand in formeller Hinsicht nicht den an ihn nach § 222b Abs. 1 Satz 2 StPO (in der seit dem 13. Dezember 2019 gültigen Fassung vom 10. Dezember 2019) zu stellenden Anforderungen, wonach die Tatsachen, aus denen sich die Vorschriftswidrigkeit der Besetzung ergeben soll, anzugeben sind.

Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10. Dezember 2019 hat der Gesetzgeber das Vorabentscheidungsverfahren eingeführt, um frühestmöglich Klarheit über die zutreffende Gerichtsbesetzung zu schaffen (vgl. BT-Drucks. 19/14747, S. 29). Es ersetzt damit die nach altem Recht im Wege der Verfahrensrüge nach § 338 Nr. 1 StPO mit dem Rechtsmittel der Revision zu erhebende Rüge der ordnungsgemäßen Gerichtsbesetzung. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll das Vorabentscheidungsverfahren im Wesentlichen an das Revisionsverfahren angelehnt sein und die für die alte Rechtslage vorgeschriebenen Form- und Fristvoraussetzungen (vgl. insoweit BGHSt 44, 161) sowie die Begründungsanfor-derungen gemäß § 222b Abs. 2 Satz 2 und 3 StPO – in der bis zum 12. Dezember 2019 geltenden Fassung – erhalten bleiben (vgl. BT-Drucks. aaO).

Entsprechend einer Rüge der Gerichtsbesetzung im Revisionsverfahren gem. § 344 Abs. 2 StPO erfordert die Rüge daher eine geschlossene und vollständige Darstellung der Verfahrenstatsachen; alle einen behaupteten Besetzungsfehler begründenden Tatsachen müssen aus sich heraus – das heißt, ohne Bezugnahmen und Verweisungen auf andere Schriftstücke, insbesondere Anlagen, Aktenbestandteile oder Schriftsätze anderer Verfahrensbeteiligten – so konkret und vollständig innerhalb der Wochenfrist des § 222b Abs. 1 Satz 1 StPO vorgebracht werden, dass eine abschließende Prüfung durch das nach § 222b Abs. 3 Satz 1 StPO zuständige Rechtsmittelgericht ermöglicht wird (vgl. [zur alten Rechtslage] BGHSt aaO; [zur unveränderten neuen Rechtslage] OLG Celle StraFo 2020, 159; OLG München, Beschluss vom 12. Februar 2020 – 2 Ws 138/20, 2 Ws 139/20 –, juris). Hierzu zählt auch, dass Umstände, die geeignet sein könnten, die vom Gericht beschlossene Besetzung zu begründen, nicht verschwiegen werden dürfen (OLG Celle aaO).

c) Diesen Anforderungen genügt die Besetzungsrüge nicht. Zwar bedurfte es der – von der Generalstaatsanwaltschaft vermissten – umfassenden Darstellung des Gegenstands des Verfahrens in der Rüge nicht, da sich dieser aus der Anklageschrift und dem Eröffnungsbeschluss der Kammer, welche der Senat im Revisionsverfahren und damit auch im Überprüfungsverfahren nach § 222b StPO von Amts wegen zu berücksichtigen hat (vgl. [bezüglich des Revisionsverfahrens] Gericke in KK-StPO, 8. Auflage, § 344 Rn. 39 sowie § 352 Rn. 16 jeweils mwN; [bezüglich § 222b StPO] Schneider, jurisPR-StrafR 10/2020 Anm. 2), ergibt.

Das Rügevorbringen des Verteidigers ermöglicht dem Senat – auch im Zusammenspiel mit der Anklageschrift – gleichwohl keine abschließende Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 GVG, denn weder der Rüge noch der Anklageschrift lässt sich entnehmen, zu welchen Fragen der in der Beweismittelliste der Anklageschrift als sachverständiger Zeuge aufgeführte Dipl.-Ing. Treu vom LKA KTI 31 gehört werden soll; auch teilen weder der Einwand noch die Anklageschrift zumindest die wesentlichen Inhalte des schriftlichen Sachverständigengutachtens mit. Dies wäre zum formgerechten Vortrag beim Besetzungseinwand aber erforderlich, da sich ausweislich des Rügevorbringens aus der Einvernahme des Sachverständigen die behauptete Notwendigkeit der Dreierbesetzung ergeben soll.

Der Einwand genügt den formellen Vorgaben auch deshalb nicht, weil er keine Darstellung aller für die Besetzung relevanten Verfahrensvorgänge (vgl. zu diesem Erfordernis BGH NStZ 2018, 110; OLG München aaO; Gericke aaO, § 344 Rn. 45) enthält. Denn nur so ist es dem Senat möglich, die Rechtzeitigkeit des Einwands prüfen zu können, ebenso den Umfang der (möglichen) Besetzungsrüge, denn die Wochenfrist des § 222b Abs. 1 Satz 1 StPO beginnt nicht bei jeder Besetzungsänderung für die gesamte Kammerbesetzung neu zu laufen, sondern nur für die neu hinzugekommene zur Urteilsfindung berufene Person (vgl. OLG München aaO; Claus, NStZ 2020, 57). Alles andere würde dem Zweck des Gesetzes zur Modernisierung des Strafverfahrens zuwiderlaufen, welches die Beschleunigung des Strafverfahrens zum Ziel hat und durch das neu eingeführte Vorabentscheidungsverfahren zeitnahe Rechtssicherheit über die ordnungsgemäße Besetzung der Gerichte schaffen will (vgl. BT-Drs aaO, S. 1, 29 ff.). Würde man mit jeder Mitteilung der Änderung der Gerichtsbesetzung erneut die gesamte Kammerbesetzung zur Überprüfung stellen, liefe die beabsichtigte Beschleunigung ins Leere (vgl. OLG München aaO).

Das Rügevorbringen teilt insoweit lediglich mit, dass am 3. Februar 2021 die Mitteilung der Besetzung erfolgt sei, gibt aber bereits den Inhalt der Mitteilung nicht wieder; insbesondere offenbart die Rüge nicht, dass – was der Senat dem Beschluss des Landgerichts Berlin vom 16. Februar 2021 entnimmt – es sich lediglich um eine Änderung einer bereits zuvor erfolgten Besetzungsmitteilung handelte. Der Besetzungseinwand verschweigt insoweit für die Fristberechnung maßgebliche Umstände, namentlich den Inhalt sämtlicher Besetzungsmitteilungen einschließlich deren Zustellungszeitpunkte, denn nach Maßgabe der obigen Grundsätze beginnt die Wochenfrist bezogen auf die Mitteilung der Besetzung mit zwei Berufsrichtern bereits mit förmlicher Zustellung der ersten Besetzungsmitteilung nach § 222a StPO zu laufen. Diese Frist wird auch (wiederum bezogen auf die Besetzung mit zwei bzw. drei Berufsrichtern) nicht dadurch neu in Gang gesetzt, wenn – insbesondere wegen des Wechsels einzelner Gerichtspersonen – nachträglich geänderte Mitteilungen der Besetzung des Gerichts ergehen.

Da die Darstellung der für die Besetzung relevanten Verfahrensvorgänge vorliegend auch nicht ausnahmsweise entbehrlich war, ist die Rüge nicht in der erforderlichen Form angebracht worden und somit bereits unzulässig.“

 

StPO II: Besetzungseinwand im Bußgeldverfahren?, oder: Die §§ 222a, 222b StPO gelten nicht

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Die zweite Entscheidung kommt mit dem OLG Köln, Beschl. v. 01.10.2020 – 2 Ws 534/20 – vom OLG Köln. Das hat zur Anwendbarkeit der §§ 222a, 22b StPO im Bußgeldverfahren Stellung genommen, wenn dort das LG erstinstanzlich entscheidet.

Bußgeldverfahren? Ja.  Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit hatte gegen die Betroffene mit Bußgeldbeschluss vom 27.11.2019 wegen Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung (Art. 83 Abs. 4 a i.V.m. Art. 32 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (DSGVO)) eine Geldbuße festgesetzt. Auf den Einspruch der Betroffenen hat der Bundesbeauftragte den Bußgeldbescheid nach Prüfung aufrechterhalten und das Verfahren der Staatsanwaltschaft Bonn übersandt. Die Staatsanwaltschaft Bonn hat das Verfahren dem LG Bonn – Kammer für Bußgeldsachen – vorgelegt, Beim LG Bonn ist das Verfahren nach Eingang der 9. Strafkammer – als Kammer für Bußgeldsachen – zugeleitet worden. Der Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Bonn für das Geschäftsjahr 2020 weist der 9. Strafkammer als Kammer für Bußgeldsachen die Bearbeitung von Ordnungswidrigkeitenverfahren des ersten Rechtszuges zu. Um die Besetzung dieser Kammer geht es. Die Betroffene hat mit Schriftsatz ihres Verteidigers die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts gerügt und beantragt, gemäß § 222 b Abs. 2 S. 2 StPO festzustellen, dass das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt sei. Der Besetzungseinwand ist für nicht begründet erachtet und dem OLG zur Entscheidung vorgelegt worden. Der Einwand hatte keinen Erfolg:

„Der von der Betroffenen erhobene Besetzungseinwand bleibt ohne Erfolg. Der Besetzungseinwand ist im vorliegenden Bußgeldverfahren nicht statthaft. Er war daher als unzulässig zurückzuweisen.

1. Allgemein ist zunächst Folgendes vorwegzustellen: Die 9. Kammer für Bußgeldsachen des Landgerichts Bonn ist derzeit mit der Bearbeitung des vorliegenden erstinstanzlichen Bußgeldverfahrens befasst. Üblicherweise entscheidet nach § 68 Abs. 1 S. 1 OWiG das Amtsgericht über Einsprüche gegen Bußgeldbescheide. Vorliegend ist ausnahmsweise das Landgericht mit der Entscheidung über einen Einspruch im Bußgeldverfahren befasst. Hintergrund hierfür ist, dass der Gesetzgeber in § 41 Abs. 1 BDSG bestimmt hat, dass hinsichtlich Verstößen nach Art. 83 Abs. 4 bis 6 DSGVO die Vorschriften des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sinngemäß Anwendung finden, wobei § 68 OWiG mit der Maßgabe Anwendung findet, dass „das Landgericht“ entscheidet, wenn die festgesetzte Geldbuße – wie hier – den Betrag von 100.000 € übersteigt. Der Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Bonn sieht daher auch eine Zuständigkeit der 9. Strafkammer als Kammer für Bußgeldverfahren für Ordnungswidrigkeiten des ersten Rechtszuges vor (vgl. § 46 Abs. 7 OWiG).

Auch in anderen Fällen hat der Gesetzgeber bestimmt, dass ausnahmsweise – abweichend von § 68 OWiG – nicht das Amtsgericht zur erstinstanzlichen Bearbeitung von Einsprüchen in Bußgeldverfahren berufen ist. So sieht § 83 GWB vor, dass das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk die zuständige Kartellbehörde ihren Sitz hat, im gerichtlichen Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 81 GWB entscheidet. Nach § 62 WpÜG entscheidet das für den Sitz der Bundesanstalt in Frankfurt am Main zuständige Oberlandesgericht im gerichtlichen Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 60 WpÜG.

Angesichts der als „systemwidrig“ (so der Gesetzesantrag des Landes Hessen vom 02.03.2020, BR-Drs. 107/20, S. 14) erscheinenden erstinstanzlichen Befassung des Landgerichts mit Bußgeldsachen haben sich die Justizministerinnen und Justizminister der Länder auf der Herbstkonferenz am 15.11.2018 in Thüringen für die Abschaffung der erstinstanzlichen Zuständigkeit der Landgerichte in datenschutzrechtlichen Bußgeldsachen ausgesprochen (TOP II.10). Sie haben die Bundesregierung gebeten, zeitnah einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorzulegen, mit dem die singuläre Zuständigkeitsbestimmung der Landgerichte, die ansonsten nicht mit erstinstanzlichen Bußgeldsachen befasst seien, abgeschafft werde. Der Bundesrat hat unter dem 03.07.2020 einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorgelegt, nach welchem § 41 Abs. 1 S. 3 BDSG ersatzlos aufgehoben werden soll (BR-Drs. 107/20, S. 9, S. 43 f.). Der Entwurf wurde dem Bundestag zugeleitet, wurde aber bislang – soweit ersichtlich – noch nicht beraten.

2. Der durch die Betroffene erhobene Besetzungseinwand ist im vorliegenden Bußgeldverfahren nicht statthaft und daher unzulässig.

Nach § 222 a Abs. 1 StPO ist die Besetzung des Gerichts spätestens zu Beginn der Hauptverhandlung mitzuteilen, wenn die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Landgericht oder dem Oberlandesgericht stattfindet. Auf Anordnung des Vorsitzenden kann sie schon vor der Hauptverhandlung mitgeteilt werden. Hat das Gericht die Besetzung mitgeteilt, kann der Einwand, dass das Gericht vorschriftswidrig besetzt sei, innerhalb einer Woche geltend gemacht werden (§ 222 b Abs. 1 S. 1 StPO). Hält das Gericht den Einwand nicht für begründet, hat es ihn spätestens vor Ablauf von drei Tagen dem Rechtsmittelgericht nach § 222 b Abs. 3 S. 1 StPO vorzulegen (Vorabentscheidungsverfahren).

Ob die in der Strafprozessordnung für das Strafverfahren im ersten Rechtszug vorgesehenen Vorschriften der §§ 222 a, 222 b StPO auch in Bußgeldverfahren Anwendung finden, ist in der Literatur umstritten. Die Frage wird regelmäßig in Bezug auf erstinstanzlich vor dem Oberlandesgericht geführte Kartellordnungswidrigkeitenverfahren (§ 82 GWB) diskutiert, soweit dort eine Hauptverhandlung stattfindet, also nicht im schriftlichen Verfahren (§ 72 OWiG) entschieden wird. Teilweise wird die Ansicht vertreten, § 222 a StPO sei auch in Bußgeldverfahren vor dem Oberlandesgericht wegen Kartellordnungswidrigkeiten anzuwenden (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 222 a Rdn. 2; Deiters in SK-StPO, 4. Aufl., § 222 a Rdn. 4; Eschelbach in KMR StPO, 2018, § 222 a Rdn. 24). Andere Stimmen halten die Vorschriften der §§ 222 a, 222 b StPO in Kartellordnungswidrigkeitenverfahren nicht für anwendbar (Wrage-Molkenthin/Bauer in Jaeger/Kokott/Pohlmann/Schroeder, Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, 96. Lieferung 2020, § 83 GWB Rdn. 27) oder vertreten die Ansicht, dass diese Vorschriften in Bußgeldverfahren ganz allgemein nicht anwendbar seien (Gmel in Karlsruher Kommentar, StPO, 8. Aufl., § 222 a Rdn. 3; Julius/Reichling in Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO, 6. Aufl., § 222 a Rdn. 2; Keller in AK-StPO, § 222 a Rdn. 2; vgl. auch Graf, StPO, 3. Aufl., § 222 a Rdn. 5: keine Anwendung in Bußgeldverfahren mit Ausnahme der vor dem OLG verhandelten Kartellordnungswidrigkeiten).

Der Senat schließt sich in diesem Streit der letztgenannten Ansicht an, wonach die Vorschriften im Bußgeldverfahren nicht anwendbar sind. Dies entspricht auch der Ansicht des Bundesgerichtshofs, der in einem Kartellordnungswidrigkeitenverfahren ausdrücklich entschieden hat, dass die §§ 222 a, 222 b StPO (a.F.) im Bußgeldverfahren keine Anwendung finden (BGH, Beschluss vom 27.05.1986, KRB 13/85 (KG), NStZ 1986, 518).

Zwar schließt der Wortlaut des § 222 a Abs. 1 S. 1 StPO eine Anwendung auf erstinstanzlich vor dem Landgericht geführte Bußgeldverfahren – soweit aufgrund einer Hauptverhandlung entschieden wird – nicht aus. Nach dem Wortlaut ist die Besetzung mitzuteilen, wenn die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Landgericht oder dem Oberlandesgericht stattfindet. Auch in einem nach § 41 Abs. 1 S. 3 BDSG geführten Bußgeldverfahren findet die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Landgericht statt. Hinzukommt, dass der Gesetzgeber in § 41 Abs. 2 S. 1 BDSG bestimmt hat, dass die Vorschriften des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich der Strafprozessordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes, durchaus entsprechend gelten.

Indes gelten die Vorschriften der Strafprozessordnung für das Bußgeldverfahren nur sinngemäß und nur insoweit, als das Ordnungswidrigkeitengesetz nichts anderes bestimmt. Gemäß § 71 Abs. 1 OWiG richtet sich das Verfahren nach zulässigem Einspruch – soweit im Ordnungswidrigkeitengesetz nichts anderes bestimmt ist – nach den Vorschriften der Strafprozessordnung, die nach zulässigem Einspruch gegen den Strafbefehl gelten. Für ein Strafbefehlsverfahren, das ausweislich der Regelungen in §§ 407 ff. StPO vor dem Amtsgericht stattfindet, sind die §§ 222 a, 222 b StPO indes gerade nicht anwendbar. Der Bundesgerichtshof ist vor diesem Hintergrund zu dem Ergebnis gelangt, dass die §§ 222 a, 222 b StPO (a.F.) im Bußgeldverfahren keine Anwendung finden (BGH, Beschluss vom 27.05.1986, KRB 13/85 (KG), NStZ 1986, 518). Auch eine sinngemäße Anwendung dieser Vorschriften erscheint nicht geboten (BGH, Beschluss vom 27.05.1986, KRB 13/85 (KG), NStZ 1986, 518). Dies gilt auch unter Berücksichtigung, dass das Landgericht Bonn vorliegend beabsichtigt, nicht im Beschlusswege (§ 72 OWiG), sondern auf der Grundlage einer Hauptverhandlung zu entscheiden.

Auch die Gesetzesmaterialien zur Einführung des Vorabentscheidungsverfahrens nach § 222 b Abs. 3 StPO (BR-Drs. 532/19) geben keine Veranlassung zu einer abweichenden Entscheidung. Insbesondere lässt sich ihnen nicht entnehmen, dass die Vorschriften der §§ 222 a, 222 b StPO – und damit auch das Vorabentscheidungsverfahren – nach den Vorstellungen des Gesetzgebers auch in Bußgeldverfahren Anwendung finden soll. Ziel der Einführung des Vorabentscheidungsverfahrens war vielmehr, einem Angeklagten die Möglichkeit zu eröffnen, seinen grundrechtsgleichen Anspruch auf Gewährleistung des gesetzlichen Richters schon vor Ende der Hauptverhandlung abschließend überprüfen zu lassen. Die Regelung soll die Urteilsaufhebung wegen vorschriftswidriger Besetzung in land- und oberlandesgerichtlichen Verfahren reduzieren und das Strafverfahren von unnötigem Aufwand sowie erheblichen Verfahrensverzögerungen entlasten. Vergleichbare Erwägungen für Bußgeldverfahren hat der Gesetzgeber nicht angestellt.

Eine Anwendung der §§ 222 a, 222 b StPO erscheint im Bußgeldverfahren auch nicht geboten. Der Gesetzgeber hat bei der Abfassung der Regelungen – auch bereits vor Einführung des Vorabscheidungsverfahrens – von der Einbeziehung weiterer Verfahren bewusst abgesehen (Arnoldi in Münchener Kommentar, StPO, 1. Aufl., § 222 a Rdn. 5). Dies betrifft zunächst amtsgerichtliche Verfahren, die trotz der Möglichkeit, Sprungrevision einzulegen, zumeist mit der Berufung angegriffen werden. Auch für zweitinstanzliche Verfahren vor dem Landgericht ist die Mitteilung der Besetzung nicht vorgesehen worden, obwohl auch Berufungsurteile mit der Revision angreifbar sind. Insoweit hat der Gesetzgeber auch berücksichtigt, dass Berufungsverhandlungen regelmäßig nicht so umfangreich wie erstinstanzliche Hauptverhandlungen vor den Strafkammern und Strafsenaten sind (Arnoldi, aaO). Auch für Bußgeldverfahren gilt, das diese regelmäßig nicht vergleichbar umfangreich sind. Das Bedürfnis, die Urteilsaufhebung wegen eines Besetzungsfehlers zu vermeiden, ist vor diesem Hintergrund auch hier weniger dringlich (vgl. hierzu allgemein Jäger in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 222 a Rdn. 2).

Da sich der Besetzungseinwand nach alledem bereits als unstatthaft erweist, kann der Senat offen lassen, ob der Besetzungseinwand vom 10.09.2020 betreffend die Besetzungsmitteilung vom 31.08.2020 angesichts der erneuten Besetzungsmitteilung vom 09.09.2020 und des Besetzungseinwandes vom 17.09.2020 prozessual überholt ist. Der Besetzungseinwand ist jedenfalls mangels Statthaftigkeit unzulässig. Vor diesem Hintergrund hatte der Senat auch über die Frage der Begründetheit des Besetzungseinwandes nicht zu entscheiden.“

StPO II: Besetzungseinwand nach neuem Recht, oder: Welche Anforderungen an die Begründung?

Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den OLG Celle, Beschl. v. 27.01.2020 – 3 Ws 21/20. Den hat das OLG Celle erst gestern verschickt, ich stelle ihn dann heute gleich vor, da er Stellung nimmt zum neuen Recht nach dem „Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens v. 10.12.2019“ (BGBl I, S. 212), das am 13.12.2019 in Kraft getreten ist.

Es geht um einen Besetzungseinwand, den der Angeklagte in einem Wirtschaftsstrafverfahren erhoben hatte. Das OLG hat den Einwand als unzulässig zurückgewiesen:

„I.

Der Angeklagte N. richtet sich mit seinem Besetzungseinwand im Sinne von § 222b StPO gegen die Mitteilung der Kammerbesetzung vom 2. Oktober 2019 mit dem Vorbringen, die Kammer sei als Wirtschaftsstrafkammer entgegen der Vorschrift des § 76 Abs. 3 GVG in unzulässiger Weise mit lediglich zwei Berufsrichtern einschließlich der Vorsitzenden besetzt. Die Sache sei in tatsächlicher Hinsicht als umfangreich als auch in rechtlicher Hinsicht als schwierig zu bewerten, weshalb ein nach § 76 Abs. 3 GVG anzunehmendes Regelbeispiel für eine Besetzung mit drei Richtern einschließlich der Vorsitzenden – und zwei Schöffen – anzunehmen sei.  Der Aktenumfang sei mit (u.a.) sechs Bänden Hauptakten nebst diversen Sonderheften erheblich und es sei namentlich im Hinblick auf die Auswertung der Telefonüberwachungsprotokolle von einer umfangreichen Beweisaufnahme auszugehen. Für die fünf Angeklagten hätten sich sechs Verteidiger legitimiert und es seien internationale steuerrechtliche Probleme für die Urteilsfindung aufzuklären.

Die Kammer hat mit Beschluss vom 21. Januar 2020 dem Besetzungseinwand nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Die Verfahrensbeteiligten als auch die Generalstaatsanwaltschaft wurden gehört.

II.

Der vom Angeklagten N. erhobene Besetzungseinwand ist bereits unzulässig.

Der Einwand genügt nicht den an ihn nach § 222b Abs. 1 Satz 2 StPO (in der Fassung vom 10. Dezember 2019) zu stellenden Anforderungen. Hiernach sind die Tatsachen, aus denen sich die vorschriftswidrige Besetzung ergeben soll, dabei anzugeben. Bereits diesem Formerfordernis wird der vorliegende Einwand nicht gerecht.

Das Vorabentscheidungsverfahren nach § 222b StPO soll dem Willen des Gesetzgebers zufolge im Wesentlichen an das Revisionsverfahren angelehnt sein. Hieraus folgt, dass die nach bislang geltendem Recht vorgeschriebenen Form- und Fristvoraussetzungen des Besetzungseinwandes sowie die Begründungsanforderungen gemäß § 222b Abs. 2 Satz 2 und 3 StPO – in der bis zum 10. Dezember 2019 geltenden Fassung – erhalten bleiben (BT-Drucks. 19/14747, S. 31). Die Anlehnung an das Revisionsverfahren hat wiederum auch zur Folge, dass der Besetzungseinwand in der gleichen Form geltend zu machen ist wie die als Verfahrensrüge ausgestaltete Besetzungsrüge der Revision nach Maßgabe von §§ 345 Abs. 2, 309 Abs. 2 StPO (vgl. schon zum bisherigen Recht BGHSt 44, 161; Meyer-Goßner-Schmitt, Strafprozessordnung, 62. Aufl., § 222b Rn. 6; § 338 Rn. 21). Ebenso wie bei der Verfahrensrüge der Revision müssen hierbei alle einen behaupteten Besetzungsfehler begründenden Tatsachen im einzelnen und konkret rechtzeitig und vollständig vorgebracht werden; die Begründungsanforderungen entsprechen weitgehend denjenigen des § 344 Abs. 2 StPO (LR-Jäger, StPO, 27. Aufl., § 222b Rn. 17; MK-StPO-Arnoldi, § 222b Rn. 13; KK-StPO-Gmel, 8.Aufl., § 222 Rn. 8). Hieran hat sich auch auf der Grundlage der Vorschrift des § 222b StPO und dem hiernach möglichen Rechtsbehelf des Besetzungseinwands in der Fassung vom 10. Dezember 2019 ersichtlich nichts geändert. Der Besetzungseinwand muss demnach – und zwar innerhalb der in § 222b Abs. 1 Satz 1 StPO benannten Frist und ohne Bezugnahmen und Verweisungen – aus sich heraus Inhalt und Gang des bisherigen Verfahrens so konkret und vollständig wiedergeben, dass eine abschließende Prüfung durch das nach § 222b Abs. 3 Satz StPO zuständige Rechtsmittelgericht ermöglicht wird. Hierzu zählt auch, dass Umstände, die geeignet sein könnten, die vom Gericht beschlossene Besetzung zu begründen, nicht verschwiegen werden dürfen.

Der vom Angeklagten N. erhobene Besetzungseinwand umschreibt bereits den Gegenstand des Verfahrens nicht hinreichend. Insoweit werden lediglich die Strafvorschriften, indessen kein konkreter Tatvorwurf benannt. Aus derartigem Vorbringen kann der Senat weder zu Umfang noch zur Schwierigkeit des Verfahrens etwas herleiten. Allein dies muss nach den dargelegten, revisionsrechtlichen Grundsätzen für eine Verfahrensrüge zur Unzulässigkeit des Besetzungseinwands führen. Hinzu kommt, dass sich der Besetzungseinwand im Wesentlichen auf den Tatvorwurf stützt, wie er sich aus der Anklageschrift vom 4. Januar 2018 ergibt. Bereits nicht mitgeteilt wird indessen, dass ausweislich der Nichtabhilfeentscheidung vom 21. Januar 2020 die Kammer vor ihrer Entscheidung über die Besetzung nach Durchführen eines Erörterungstermins mit den Verfahrensbeteiligten sämtliche mit der Zigarettenlieferung am 3. Februar 2016 in Zusammenhang stehenden Anklagevorwürfe (Taten 4,5 und 6) nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt und das Verfahren aus rechtlichen Erwägungen gemäß §§ 154 Abs. 2, 154a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf der Hinterziehung deutscher Tabaksteuer bzw. den Vorwurf einer hierauf bezogenen gewerbsmäßigen Steuerhehlerei beschränkt hat. Dieser – indessen nicht mitgeteilte – Umstand ist im Hinblick auf die Annahme von Umfang und Schwierigkeit der Sache im Sinne von § 76 Abs. 3 GVG offenkundig erheblich mit der Folge, dass der Senat allein aufgrund der im Einwand benannten Verfahrenstatsachen nicht in die Lage versetzt wird, die gebotene abschließende Überprüfung der Besetzung der Strafkammer vorzunehmen.

III.

Lediglich ergänzend bemerkt der Senat, dass der Besetzungseinwand auch in der Sache nicht durchgreifen könnte. Zwar steht der eröffnenden Strafkammer bei der Entscheidung über die Besetzung kein Ermessen zu und ist eine Besetzung mit jeweils zwei oder drei Richtern zu beschließen, soweit die jeweiligen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat den Strafkammern im Hinblick auf die Annahme von Umfang oder Schwierigkeit indessen einen weiten Beurteilungsspielraum anerkannt, der letztlich nur bei objektiver Willkür erfolgreich beanstandet werden kann (vgl. zum Ganzen nur LR-Gittermann, 26. Aufl., § 76 GVG Nachtr., Rn. 23 m.w.N.). Dass die Strafkammer im Hinblick auf Umfang oder Schwierigkeit der Sache vorliegend willkürlich, d.h. greifbar gesetzwidrig, eine Besetzung mit zwei Richtern beschlossen hat, ist auf der Grundlage der von der Kammer im Beschluss vom 21. Januar 2020 dargelegten Umstände indessen nicht anzunehmen.“

Nicht wirklich überraschend die Entscheidung. Diese – soweit ersichtlich – erste (veröffentlichte) Entscheidung zum neuen Recht gibt mir aber die Gelegenheit – auch nicht überraschend 🙂 – <<Werbemodus an>> noch einmal auf mein Ebook 2019 – „Modernisierung des Strafverfahrens? Die Änderungen in der StPO 2019 – ein erster Überblick – und Synopse altes/neues Recht der Pflichtverteidigung“ hinzuweisen, das man auf der Bestellseite meine Homepage, und zwar hier, für 25 EUR bestellen kann <<Werbemodus aus>>.

Besetzungseinwand: Wie muss er abgefasst/formuliert sein, oder: Strenge Anforderungen

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Und dann habe ich als dritte „Besetzungsentscheidung“ des heutigen Tages den BGH, Beschl. v. 07.09.2016 – 1 StR 422/15 (siehe im Übrigen den BGH, Beschl. v. 08.02.2017 – 1 StR 493/16 und dazu Fassungslos, wenn ein Schwurgericht jahrelang keinen kammerinternen Geschäftsverteilungsplan hat, oder: Mia san mia? – und den BVerfG, BVerfG, Beschl. v. 16.01.2017 – 2 BvR 2011/16 und 2 BvR 2034/16 und dazu BVerfG: Nachträgliche Änderung des GVP – bei bereits anhängigen Verfahren nicht so einfach). An sich hätte der an den Anfang der Serie gehört, denn er behandelt die Frage, wie der in der Hauptverhandlung zu erhebende Besetzungseinwand (§ 222b StPO) auszusehen hat.

b) Die Verfahrensrüge, es liege ein absoluter Revisionsgrund im Sinne § 338 Nr. 1 StPO vor, ist bereits unzulässig. Die Besetzungsrüge ist präkludiert, denn der vor der erkennenden Strafkammer geltend gemachte Besetzungseinwand entsprach nicht der von § 222b Abs. 1 StPO vorgeschriebenen Form……

(2) Zwar haben Präklusionsvorschriften wegen ihrer einschneidenden Folgen einen strengen Ausnahmecharakter. Die Präklusionsregelung der § 338 Nr. 1, § 222b Abs. 1 StPO genügt indes den an sie zu stellenden verfassungs-rechtlichen Anforderungen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. März 2003 – 2 BvR 1540/01, BVerfGK 1, 87).

(3) Mit Blick auf den Normzweck und im Sinne der Intentionen des Gesetzgebers werden unter Wahrung der verfassungsrechtlichen Anforderungen hohe Anforderungen an den Inhalt des Besetzungseinwands gestellt. Die Begründungsanforderungen an den Besetzungseinwand entsprechen dabei nach den Vorstellungen des Gesetzgebers weitgehend den Rügeanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, wie schon die insoweit wortgleiche Formulierung zeigt (vgl. BT-Drucks. 8/976, S. 47; BGH, Beschluss vom 12. Januar 2016 – 3 StR 490/15, Rn. 11, NStZ-RR 2016, 120; Urteile vom 25. Oktober 2006 – 2 StR 104/06, NStZ 2007, 536 und vom 30. Juli 1998 – 5 StR 574/97, BGHSt 44, 161, 162; vgl. auch Arnoldi in MüKo-StPO, § 222b Rn. 13 und Britz in Radtke/Hohmann, StPO, § 222b Rn. 8 mwN). Es müssen ebenso wie bei der Verfahrensrüge der Revision (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) alle Tatsachen angeführt werden, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit der Zusammensetzung des Gerichts ergibt (vgl. Jäger in LR-StPO, 26. Aufl., § 222b Rn. 17). Fehlt die erforderliche umfassende Begründung, insbesondere ein hinreichend substantiierter Tatsachenvortrag, so ist der Besetzungseinwand nicht in der vorgeschriebenen Form geltend gemacht, mithin nicht zulässig erhoben worden (BGH aaO, BGHSt 44, 161, 162 und NStZ 2007, 536; BGH, Beschluss vom 1. September 2015 – 5 StR 349/15, NStZ-RR 2016, 54).“

Also: „Es müssen ebenso wie bei der Verfahrensrüge der Revision (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) alle Tatsachen angeführt werden, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit der Zusammensetzung des Gerichts ergibt“, heißt: Es muss alles auf den Tisch genau wie bei der Begründung der Verfahrensrüge. Um nichts anderes – vorgezogen – handelt es sich im Grunde ja auch.

(Verstecktes) Lob vom 1. Strafsenat – wann gibt es das schon mal?

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Der Verteidiger macht mit der Revision geltend, sein in der Hauptverhandlung vor der Vernehmung des Angeklagten zur Sache angebrachter Besetzungseinwand (§ 222b Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 338 Nr. 1b StPO) sei zu Unrecht zurückgewiesen worden. Die Seite des Hauptverhandlungsprotokolls, die diesen Vortrag belegt, ist dabei vom Angeklagten/Verteidiger ausdrücklich genannt. Der GBA hatte Zweifel, ob dieser Vortrag den Anforderungen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt, weil ohne Beifügung des Hauptverhandlungsprotokolls nicht zu beurteilen sei, ob der Einwand tatsächlich rechtzeitig angebracht wurde.

Die Zweifel hat der 1. Strafsenat (!!!!) des BGH im BGH, Beschl. v. 22.01.2013 –  1 StR 557/12 – nicht:

„Die Behauptung, der Einwand sei vor Vernehmung des ersten Angeklagten zur Sache angebracht worden, ist schlüssig und vollständig. Dies genügt den Anforderungen von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Darüber hinaus ist schon nicht die Angabe, umso weniger die Beifügung von Beweismitteln zur Überprüfung der tatsächlichen Richtigkeit des Revisionsvorbringens erforderlich (BGH, Beschluss vom 15. März 2011 – 1 StR 33/11; Beschluss vom 22. September 2006 – 1 StR 298/06 mwN)….“

Und der 1. Strafsenat setzt – versteckt lobend – gleich noch einen drauf, wenn er ausführt:

„Der Senat bemerkt, dass der hier gleichwohl gegebene Hinweis auf die einschlägige Seite des Protokolls die Überprüfung des Revisionsvorbringens in tatsächlicher Hinsicht erleichtert hat.“

Der Verteidiger wird sich freuen. Denn wann wird man vom 1. Strafsenat schon mal gelobt? Allerdings: In der Sache hat es nichts gebracht. Die Rüge war unbegründet.