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Nicht beim ersten Mal lebenslanges Berufsverbot für Gruppenleiter eines Kinderheims wegen sexuellen Missbrauchs?

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Ein scharfes Schwert unter den Maßregeln der Sicherung und Besserung im StGB ist das Berufsverbot nach § 70 StGB. Sicher, es gibt noch schärfere, aber: Das Berufsverbot greift nicht unerheblich in die Lebensumstände des Angeklagten ein, vor allem, wenn es sich um ein lebenslanges Berufsverbot handelt. Bei seiner Verhängung und bei erstmaliger Straffälligkeit ist besondere Vorsicht geboten. Darauf weist jetzt noch einmal das BGH, Urt. v. 25.03.2013 – 4 StR 296/12 – hin.

Da ist der Angeklagte vom LG u.a. wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt worden. Nach den landgerichtlichen Feststellungen missbrauchte der Angeklagte als verantwortlicher Gruppenleiter eines Kinderheims im Zeitraum von Februar 1994 bis in den Sommer 2005 in insgesamt 15 Fällen fünf minderjährige, ihm anvertraute Mädchen, indem er unterschiedliche sexuelle Handlungen an ihnen vornahm und in zwei Fällen je ein männliches Kind hierbei einbezog. Das LG hat die von der Staatsanwaltschaft beantragte „Verhängung eines (lebenslangen) Berufsverbots“ abgelehnt, weil die in § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB vorausgesetzte Wiederholungsgefahr nicht gegeben sei. Dagegen die Revision der StA, die der BGH zurückgewiesen hat.

„Ein Berufsverbot ist ein schwerwiegender (BGH, Urteil vom 12. Juni 1958 – 4 StR 147/58, VRS 15, 112, 115) Eingriff, mit dem die Allgemeinheit, sei es auch nur ein bestimmter Personenkreis (BGH, Urteil vom 23. Juni 1959 – 5 StR 221/59, GA 1960, 183), vor weiterer Gefährdung geschützt werden soll (BGH, Urteil vom 12. Mai 1975 – AnwSt (R) 8/74, NJW 1975, 1712). Deshalb darf der Strafrichter es nur verhängen, wenn die Gefahr besteht, dass der Täter auch in Zukunft den Beruf, dessen Ausübung ihm verboten werden soll, zur Verübung erheblicher Straftaten missbrauchen wird (RGSt 68, 397, 398 f.; BGH, Beschluss vom 17. Mai 1968 – 2 StR 220/68, BGHSt 22, 144, 145 f.; BGH, Urteil vom 1. November 1955 – 5 StR 442/55, MDR 1956, 143 bei Dallinger). Voraussetzung ist, dass eine – auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung abgestellte (BGH, Urteil vom 5. August 1975 – 1 StR 356/75, NJW 1975, 2249 f.) – Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten den Richter zu der Überzeugung führt, dass die Gefahr, das heißt die Wahrscheinlichkeit künftiger ähnlicher erheblicher Rechtsverletzungen durch den Täter besteht (BGH, Beschluss vom 2. August 1978 – StB 171/78, BGHSt 28, 84, 85 f.; Urteil vom 22. Oktober 1981 – 4 StR 429/81, wistra 1982, 66, 67).

Diesen Rechtsgrundsätzen entspricht das angefochtene Urteil; das Landgericht ist bei der Ablehnung eines Berufsverbots von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen: Der Angeklagte war zur Zeit der Begehung der hier abgeurteilten Taten strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten. Wird ein Täter erstmalig wegen einer Anlasstat straffällig, sind an die Annahme seiner weiteren Gefährlichkeit im Sinne des § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB ganz besonders strenge Anforderungen zu stellen; insbesondere ist zu prüfen, ob bereits die Verurteilung zur Strafe den Täter von weiteren Taten abhalten wird (BGH, Beschlüsse vom 30. Oktober 1987 – 3 StR 414/87, BGHR StGB § 70 Abs. 1 Wiederholungsgefahr 1, und vom 12. September 1994 – 5 StR 487/94, NStZ 1995, 124).“

Nicht gelten lassen hat der BGH auch den Hinweis der StA, auf die „erhebliche(n) präventive(n) Aspekte“ der Eintragung eines Berufsverbots im Bundeszentralregister. Denn bereits die Regelung in § 34 Abs. 1 Nr. 2 BZRG gewährleiste eine hinreichende Information potentieller Arbeitgeber.

Vorläufiges Berufsverbot für den Rechtsanwalt – muss schon zeitnah kommen

Der angeklagte Rechtsanwalt wird mit nicht rechtskräftigem Urteil des Landgerichts im Berufungsverfahren wegen versuchter Strafvereitelung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt; gleichzeitig wird gegen den Angeklagten ein Berufsverbot für die Tätigkeit als Rechtsanwalt für die Dauer von drei Jahren verhängt. Mit Beschluss vom selben Tag hat die Berufungskammer gegen den Angeklagten gemäß § 132a StPO dann ein vorläufiges Berufsverbot für die Tätigkeit als Rechtsanwalt verhängt. Dagegen die Beschwerde des Angeklagten, die beim OLG Nürnberg Erfolg hatte.

Zur Sache kann man leider wenig sagen, da insoweit der OLG Beschluss „dünn ist“, da er nur auf die landgerichtliche Entscheidung Bezug nimmt. Aber verfahrensrechtlich ist zumindest ein vom OLG angesprochener Punkt von Interesse. Das OLG führt im OLG Nürnberg, Beschl. v. 26.07.2011 – 1 Ws 31o/11 aus:

….Allein das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 70 StGB i.V.m. § 132a StPO rechtfertigt ein vorläufiges Berufsverbot jedoch noch nicht. Wegen der überragenden Bedeutung von Art. 12 Abs. 1 GG muss hinzukommen, dass die als Präventivmaßnahme mit Sofortwirkung ausgestaltete Anordnung wegen ihrer erheblichen Intensität und irreparablen Wirkung erforderlich ist, um bereits vor rechtskräftigem Abschluss des Hauptverfahrens konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter abzuwehren, die aus einer Berufsausübung durch den Angeklagten resultieren können (vgl. BVerfG EuGRZ 2006, 197, BVerfGE 48, 292). Daran fehlt es vorliegend, da die Berufungskammer in diesem Zusammenhang alleine auf die im Rahmen des § 70 StGB zu prüfende Wiederholungsgefahr abgestellt und nicht auch geprüft hat, aufgrund welcher konkreten Gefahrenlage ein Zuwarten bis zur Rechtskraft des Urteils nicht verantwortet werden kann.

Zwar wird grundsätzlich auch die konkrete Gefahr erheblicher Rechtsverletzungen durch die Art und Schwere der vorgeworfenen Taten indiziert. Diese Indizwirkung geht jedoch verloren, wenn zwischen dem Begehungszeitpunkt und der vorläufigen Maßnahme nach § 132a StPO ein erheblicher Zeitraum liegt und außerdem feststeht, dass der Beschwerdeführer in dieser Zeitspanne keine weiteren gleichgelagerten oder ähnlichen Straftaten verübt hat bzw. Anhaltspunkte hierfür ersichtlich sind (OLG Brandenburg StV 2001, 106).

Da nach Sachlage jedoch keine Anhaltspunkte bestehen, dass der Beschwerdeführer, außer der ihm gegenständlich für den 15.5.2008 zur Last gelegten Tat, weiterer gleichgelagerter oder ähnlicher Fälle verdächtig ist, und außer der Art und Schwere der vorgeworfenen Tat auch sonst keine Umstände ersichtlich sind, die eine konkrete Gefahr im dargestellten Sinne begründen könnten, war der angefochtene Beschluss aufzuheben.“

Also: Aufhebung wegen langen Zeitablaufs und damit im Grunde Übertragung der Rechtsprechung zur nicht mehr zulässigen vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach langer Zeit (vgl. dazu vor kurzem das KG).

Berufsverbot für Zündel-Verteidigerin bestätigt

Bereits am 02.12.2008 hat der BGH entschieden, erst jetzt ist der begründete Beschluss in 3 StR 203/08 veröffentlicht worden. In diesem hat der BGH u.a. das gegen eine Rechtsanwältin vom LG Mannheim verhängte Berufsverbot bestätigt. Die Rechtsanwältin hat den Holocaust-Leugner Ernst Zündel vor Gericht vertreten und ist Lebensgefährtin von Horst Mahler. Das LG hatte sie unter anderem wegen mehrfacher Volksverhetzung, Nötigung, versuchter Strafvereitelung, Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole sowie Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der BGH hat aber nur den Schuldspruch bestätigt. Über das Strafmaß muss das LG erneut verhandeln und entscheiden. Das liegt daran, dass der BGH zwei der vom LG festgestellten Tatvorwürfe eingestellt hat. Man darf auf die neue Hauptverhandlung gespannt sein. Schon sowohl das Zündel-Verfahren als auch das Verfahren gegen die Rechtsanwälting habe die Justiz längere Zeit beschäftigt.