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Heimliche Beschlagnahme von Emails – gibt es nicht, oder: Die Ermittlungsbehörden sind ans Gesetz gebunden

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(Zunächst) recht deutliche Worte findet der BGH im BGH, Beschl. v. 04.08.2015 – 3 StR 162/15 – in einem BtM-Verfahren zu einer Verfahrensweise der Ermittlungsbehörden: Da war aufgrund amtsgerichtlicher Beschlüsse der Bestand auf dem E-Mail-Konto des Angeklagten beschlagnahmt und dann im Verfahren verwertet worden, obwohl der Angeklagte von den Maßnahmen auch nachträglich nicht unterrichtet worden ist. Der BGH merkt dazu „ergänzend“ – die Revision wird verworfen – an:

„Bei der Beschlagnahme der auf dem Mailserver eines Providers gespeicherten Daten handelt es sich um eine offene Ermittlungsmaßnahme, deren Anordnung den davon Betroffenen und den Verfahrensbeteiligten bekannt zu machen ist (§ 33 Abs. 1, § 35 Abs. 2 StPO). Eine Zurückstellung der Benachrichtigung wegen Gefährdung des Untersuchungszwecks sieht die Strafprozessordnung für diese Untersuchungshandlung – anders als § 101 Abs. 5 StPO für die in § 101 Abs. 1 StPO abschließend aufgeführten heimlichen Ermittlungsmaßnahmen – nicht vor (BGH, Beschluss vom 24. November 2009 – StB 48/09, NJW 2010, 1297, 1298). Der Auffassung des Landgerichts, den Strafverfolgungsbehörden falle Willkür dann nicht zur Last, wenn sie aufgrund eines „nachvollziehbaren Interesses“ an der Geheimhaltung der Beschlagnahme von Benachrichtigungen absehen, geht daher fehl. Es ist nicht Sache der Ermittlungsbehörden oder Gerichte, in Individualrechte eingreifende Maßnahmen des Strafverfahrens je nach eigenen Zweckmäßigkeitserwägungen zu gestalten; sie sind vielmehr an das Gesetz gebunden. Es wäre allein Sache des Gesetzgebers, eine Regelung in die Strafprozessordnung einzufügen, die es den Ermittlungsbehörden gestattet, Beschlagnahmen vor den davon Betroffenen aus ermittlungstaktischen Gesichtspunkten zunächst zu verheimlichen und erst dann offen legen zu müssen, wenn dadurch die weiteren Ermittlungen nicht mehr gefährdet werden. Jedenfalls seit der Veröffentlichung des Senatsbeschlusses vom 24. November 2009 musste dies auch den in vorliegender Sache ermittelnden Stellen bewusst sein.“

Allerdings mal wieder: Wasch mich, mach mich aber nicht nass. Denn:

„Im Ergebnis folgt der Senat indes dem Landgericht und dem Generalbundesanwalt darin, dass der Gesetzesverstoß im konkreten Fall kein Beweisverwertungsverbot begründet. Maßgeblich hierfür ist insbesondere, dass die Beschlagnahme als solche rechtmäßig war; Ermittlungsbehörden und Gericht haben daher befugt Kenntnis der daraus herrührenden verfahrensrelevanten Tatsachen erlangt. Allein der an die zulässige Beschlagnahme anschließende Gesetzesverstoß der unterlassenen Mitteilung hat hier – insbesondere auch vor dem Hintergrund des erheblichen Tatvorwurfs – nicht das Gewicht, die recht-mäßig gewonnenen Erkenntnisse für das Verfahren zu sperren.

Anders könnte es allerdings für den Fall liegen, dass die Strafverfolgungsbehörden die Benachrichtigung deshalb unterlassen, weil sie beabsichtigen, den Eingriff – unter den erleichterten Voraussetzungen der §§ 94, 98 StPO – in zeitlichem Abstand zu wiederholen. Eine so provozierte Fortsetzung belastender E-Mail-Kommunikation und Verwertung hieraus gewonnener Erkenntnisse ist hier jedoch nicht Gegenstand der Rüge.“

Die unterlassene Benachrichtigung des Verteidigers – welche Folgen hat sie?

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In Zusammenhang mit Wiedereinsetzungsfragen spielt häufig die Problematik eine Rolle, welche Folgen die – entgegen der Regelung in § 145a Abs. 3 Satz 2 StPO/51 Abs. 3 Satz 3 OWiG – unterlassene Benachrichtigung des Verteidigers von einer an den Angeklagten/Betroffenen bewirkten Zustellung hat. Dazu gibt es eine weitgehend einhellige Rechtsprechung, aus der zuletzt auf den KG, Beschl. v. 09.01.2014 – 2 Ws 2/14 – hinzuweisen ist, nämlich – so aus den Leitsätzen:

Das Unterbleiben der Benachrichtigung nach § 145a Abs. 3 Satz 2 StPO hat keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der an den Angeklagten/Betroffenen  bewirkten Zustellung und den Lauf der hierdurch in Gang gesetzten Beschwerdefrist.

Der Verstoß begründet jedoch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn die Fristversäumnis darauf beruht und nicht besondere Umstände vorliegen, die dem Angeklagten/Betroffenen Anlass geben mussten, für die Einhaltung der Frist auch selbst Sorge zu tragen.

Und: Erhält der Verteidiger eine Abschrift „zur Kenntnisnahme“ ohne weitere Hinweise, stellt das keine ordnungsgemäße Benachrichtigung i.S.d. §§ § 145a Abs. 3 Satz 2 StPO ; 51 Abs. 3 Satz 3 OWiG dar, da diese Form der Mitteilung nicht dem Zweck dieser Vorschrift genügt (LG Aurich StRR 11, 348 für § 145a Abs. 3 Satz 2 StPO).

Auf der Flucht? – Dann gibt es keine Wiedereinsetzung…

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Nach § 145a Abs. 3 Satz 1 StPO wird Beschuldigten, wenn seinem Wahlverteidiger nach § 145a Abs. 1 StPO eine Entscheidung zugestellt worden ist, weil sich dessen Vollmacht bei den Akten befindet, der Beschuldigte von der Zustellung unterrichtet; zugleich erhält er formlos eine Abschrift der Entscheidung. Das gebietet die prozessuale Fürsorgepflicht des Gerichts. Das Unterlassen dieser Pflicht und eine darauf beruhende Fristversäumung kann die Wiedereinsetzung (§§ 44, 45 StPO) begründen.

Frage: Was ist, wenn der Angeklagte/Beschuldigte flüchtig ist und damit dem Gericht die Erfüllung dieser Pflicht unmöglich macht? Kann er sich dann, wenn er eine Frist versäumt, zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags auf einen Verstoß gegen § 145a Abs. 3 Satz 1 StPO berufen? Als Antwort schießt einem da sofort ein Nein und eine Parallele zum „venire contra factum proprium“ durch den Kopf. Und so ähnlich hat auch der KG, Beschl. v. 22.02.2013 – (4) 161 Ss 38/13 (41/13) – die Problematik gelöst, wenn es dort heißt:

„Die erst am 29. August 2012 eingelegte Revision war gemäß § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen, weil sie verspätet ist. Das angefochtene Urteil ist dem Verteidiger am 27. Juli 2012 wirksam (§ 145a Abs. 1 StPO) zugestellt worden. Das Fehlen einer Unterrichtung des Angeklagten und einer formlosen Übersendung einer Urteilsabschrift an ihn gemäß § 145a Abs. 3 Satz 1 StPO böte angesichts dessen, dass er aus der Jugendstrafanstalt flüchtig und unbekannten Aufenthalts war, im Übrigen keinen Anlass für eine Wiedereinsetzung (vgl. BGH NStZ 2010, 584, 585). Denn die in § 145a Abs. 3 StPO vorgesehene Benachrichtigung des Betroffenen von der Zustellung an seinen Verteidiger ist Ausdruck der prozessualen Fürsorgepflicht, die dem Gericht gegenüber dem Angeklagten obliegt (vgl. Meyer-Goßner, StPO 55. Aufl., § 145a Rn. 13). Wenn ein Angeklagter dem Gericht die Erfüllung dieser Pflicht unmöglich macht, kann er ein Wiedereinsetzungsgesuch nicht auf die fehlende Benachrichtigung stützen (vgl. KG, Beschluss vom  26. September 2001 – 5 Ws (B) 609/01 – [juris]).“

Im Übrigen: Selbst wenn das KG anderer Auffassung gewesen wäre, wäre dem Angeklagten keine Wiedereinsetzung gewährt worden. Sein Antrag war nämlich (mal wieder) nciht ausreichend begründet/glaubhaft gemacht.