Schlagwort-Archive: Begründungsanforderungen

Ach nöö, nicht schon wieder: Die unzulässige Revision des Nebenklägers

© frogarts - Fotolia.com

© frogarts – Fotolia.com

Man fasst es wirklich nicht bzw.: Nicht schon wieder, die unzulässige Revision des Nebenklägers. Das steht aber doch nun wirklich in jedem Kommentar und Handbuch zur Revision, dass die nicht ausgeführte Sachrüge zur Begründung der Revision des Nebenklägers nichts ausreicht. Man fragt sich, warum das bei den Nebenklägervertretern nicht ankommt. Kann doch nicht so schwer sein, daran zu denken. Und wenn man es tut, dann wird die Revision nicht verworfen, also anders als im BGH, Beschl. v. 1 StR 518/13. Da hat sich der BGH übrigens noch richtig Mühe mit der Begründung gemacht :-).

Das Rechtsmittel ist nicht zulässig erhoben.

Nach der Regelung des § 400 Abs. 1 StPO kann der Nebenkläger ein Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, dass für die Tat eine andere Rechtsfolge verhängt werden soll. Aus dieser Beschränkung des Anfechtungsrechts des Nebenklägers leitet die Rechtsprechung ab, dass die Revision des Nebenklä-gers als Zulässigkeitsvoraussetzung eines Revisionsantrags oder einer Revisi-onsbegründung bedarf, aus denen sich das Verfolgen eines zulässigen Rechtsmittelziels, regelmäßig eine Änderung des Schuldspruchs hinsichtlich eines Nebenklagedelikts, ergibt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. März 2001 – 4 StR 505/00, bei Becker NStZ-RR 2002, 97, 104; vom 11. März 2004 – 3 StR 493/03, bei Becker NStZ-RR 2005, 257, 262; vom 27. Januar 2009 – 3 StR 592/08, NStZ-RR 2009, 253 jeweils mwN).

Diesen Voraussetzungen genügt das Rechtsmittel nicht. Zwar hat der Nebenkläger gemäß § 344 Abs. 1 StPO einen Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Urteils gestellt. Daraus lässt sich vorliegend jedoch nicht ableiten, dass der Nebenkläger ein zulässiges Anfechtungsziel verfolgt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2004 – 3 StR 493/03, bei Becker NStZ-RR 2005, 257, 262). Das Tatgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB und damit wegen eines zur Nebenklage berechtigenden Delikts verurteilt. Dass der Nebenkläger eine darüber hinausgehende Verurteilung des Angeklagten wegen eines weiteren Nebenklagedelikts erstrebt, lässt sich seinem Rechtsmittel angesichts der allein erhobenen nicht ausgeführten Sachrüge nicht entnehmen. Soweit mit der Revision beanstandet werden sollte, dass der Angeklagte aufgrund der dem Nebenkläger beigebrach-ten Stichverletzung nicht wegen einer weiteren tatmehrheitlich begangenen gefährlichen Körperverletzung verurteilt worden ist, hätte dies in der Rechtsmittel-begründung ausgeführt werden müssen. Das Tatgericht hat das gesamte fest-gestellte Geschehen materiell-rechtlich als eine Tat gewertet und deshalb den Angeklagten im Hinblick auf den durch Notwehr gerechtfertigten Messerstich auch nicht (teilweise) freigesprochen. Hätte der Nebenkläger sich gegen diese Bewertung der Konkurrenzverhältnisse wenden wollen – was ein grundsätzlich zulässiges Rechtsmittelziel eines Nebenklägers sein kann (BGH, Urteil vom 22. Juli 2010 – 3 StR 156/10 mwN) -, um zu einer weitergehenden Verurteilung des Angeklagten gelangen zu können, hätte dies in der notwendigen Klarheit (BGH, Beschluss vom 11. März 2004 – 3 StR 493/03, bei Becker NStZ-RR 2005, 257, 262) zum Ausdruck gebracht werden müssen. Das Erheben der allgemeinen Sachrüge genügt dafür nicht.“

Nebenklägerrevision ein Problem, das keins sein dürfte

© Dan Race - Fotolia.com

© Dan Race – Fotolia.com

Ich weiß nicht, wie oft der BGH sich im Jahr it der Frage der Zulässigkeit der Nebenklägerrevision befassen muss. Gefühlt mehrmals im Monat, wenn nicht so oft, sicherlich aber häufig. Auch ich habe hier ja schon öfters über das Problem, das an sich keins sein dürfte, berichtet. Und dennoch: Es wird immer wieder falsch gemacht – obwohl in jedem Buch zur Revision darauf hingewiesen wird, wie der Nebenkläger seine Revision begründen muss. Exemplarisch dazu und zur Wiederholung – vielleicht nutzt es ja – der BGH, Beschl. v. 12.09.2013 – 2 StR 375/13:

„Das Rechtsmittel ist unzulässig. Nach § 400 Abs. 1 StPO kann ein Ne-enkläger das Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, dass eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird. Deshalb bedarf die Revision eines Nebenklägers in der Regel entweder eines konkreten Revisionsantrags oder einer Revisionsbegründung, die deutlich macht, dass ein zulässiges Ziel verfolgt wird. Daran fehlt es hier.“

In der Kürze habe ich es noch nicht gelesen. Aber vielleicht ist der BGH es auch einfach leid.

 

Anhörungsrüge: Der Blick des BGH in die juristische Kristallkugel?

Der BGH hatte mit Beschluss vom 21.02.2013 die Revision eines Angeklagten verworfen, der u.a. wegen Betruges verurteilt worden war. weitgehend verworfen. Mit seiner Verfahrensrüge hatte der Angeklagte die Verletzung von § 257c Abs. 4 Satz 4 StPO sowie des Rechts auf ein faires Verfahren geltend gemacht. Die Ausfertigung der Revisionsentscheidung wurde am 10.04.2013 abgesandt. Mit einem am 22.04.2013 beim BGH eingegangenen Schriftsatz hat der Verurteilte die Anhörungsrüge gemäß § 356a StPO erhoben und geltend gemacht, der BGH habe bei seiner Entscheidung vom 21.02.2013 das rechtliche Gehör dadurch verletzt, dass er in Kenntnis der unmittelbar bevorstehenden Entscheidung des BVerfG zu § 257c StPO nicht dessen Entscheidung abgewartet habe. Außerdem hat er einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt und eine Gegenvorstellung erhoben, weil der BGH nicht die Entscheidung des BVerfG zu § 257c StPO abgewartet habe, mit dem Beschluss vom 21.02.2013 habe er den „Rechtsgedanken des Art. 101 Abs. 1 Satz 1 GG“ verletzt.

Der BGH, Beschl. v. 16.05.2013 – 1 StR 633/12 – weist alles Anträge zurück.

a) Die Anhörungsrüge wurde nicht innerhalb der Wochenfrist des § 356a Satz 2 StPO erhoben. Es fehlt an der erforderlichen Mitteilung des Zeitpunkts der Kenntniserlangung durch den Verurteilten von der Verletzung des rechtlichen Gehörs, die innerhalb der Wochenfrist zu erfolgen hat….

b) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat keinen Erfolg. Es fehlt schon an dem Vortrag eines Sachverhalts, der ein Verschulden des Verurteilten an der Fristversäumnis ausschließt…. .

…Es ist allerdings schon fraglich, ob überhaupt ein ausschließlich von der Kanzleikraft zu vertretender Fehler vorläge, wenn Verteidiger einen Schriftsatz unterschreiben und absenden lassen, ohne zu überprüfen, ob dieser Schriftsatz – zumal in einem für die Zulässigkeit des darin gestellten Antrags maßgeblichen Punkt – ihrem Diktat entspricht (vgl. demgegenüber die Beispiele bei Hömig aaO für Arbeitsvorgänge, bei denen ein Fehler der Kanzleikraft nicht dem Rechtsanwalt zuzurechnen ist).

Letztlich muss der Senat dem aber nicht nachgehen. Selbst wenn man nämlich insoweit von einem ausschließlich der Kanzleikraft anzulastenden Fehler ausginge, könnte alternativer Tatsachenvortrag, wonach den Verteidigern und damit dem Verurteilten ein Verschulden an der Fristversäumung entweder zuzurechnen ist oder nicht, nicht Grundlage eines erfolgreichen Wiedereinsetzungsantrags sein.

c) Unabhängig davon bliebe die Anhörungsrüge aber auch erfolglos, wenn sie zulässig erhoben wäre.

Der Senat hat bei seiner Entscheidung weder Verfahrensstoff verwertet, zu dem der Verurteilte nicht gehört worden wäre, noch hat er bei der Entscheidung zu berücksichtigendes Vorbringen des Verurteilten übergangen. Dies wird auch nicht geltend gemacht. Der Vortrag, der Senat habe Vorbringen nicht berücksichtigt, das angebracht worden wäre, wenn eine zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Revision noch nicht ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts schon getroffen gewesen wäre, vermag die Möglichkeit einer Gehörsverletzung nicht zu verdeutlichen. ….

2. Die Gegenvorstellung bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

„…. Es ist nämlich auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Gegenvorstellung nicht ersichtlich, warum der Senat nicht, wie geschehen, am 21. Februar 2013 über die Revision des Angeklagten hätte entscheiden dürfen.“

M.E. hat der BGH in allen Punkten Recht. War zwar von den Verteidigern „kreativ gedacht“, aber: Selbst wenn die Anhörungsrüge zulässig erhoben worden wäre :-(, konnte sie m.E. keinen Erfolg haben. Denn man wird dem BGH/Revisionsgericht kaum vorwerfen können, dass es nicht über quasi hellseherische Fähigkeiten verfügt und eine Entscheidung des BVerfG berücksichtigt, die noch gar nicht in der Welt, zu dem Zeitpunkt 21.02.2013 ja vielleicht noch gar nicht beraten war. Das wäre „rechtliches Gehör in the Future“ .-) oder der Blick des Revisionsgerichts in die juristische Kristallkugel. Der BGH ist zwar manchmal Hellseher, aber an der Stelle muss er es nicht sein.

Interessant der Hinweis des BGH zum Verschulden: Daraus kann man nur den Schluss ziehen. Der Verteidiger muss lesen, was er diktiert hat. M.E., auch eine Selbstverständlichkeit.