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Akten zurück an die Verwaltungsbehörde –> Verjährung –> Einstellung –> Befriedungsgebühr +

In einem straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren kommt es zu folgendem Ablauf: Der Verteidiger moniert,  dass er ihm überlassen Unterlagen nicht ausdrucken kann. Der Hauptverhandlungstermin wird aufgehoben, die Akten werden gem. § 69 Abs. 5 OWiG zurück an die Verwaltungsbehörde geschickt. Bis die Akten wieder beim AG ankommen, ist Verjährung eingetreten, das Verfahren wird eingestellt. Der Verteidiger macht dann auch die Befriedungsgebühr Nr. 5115 VV RVG geltend. Der LG Oldenburg, Beschl. v. 22.05.2013 – 5 Qs 149/13 – sagt: Zu Recht:

„Jedoch war die Entscheidung in Bezug auf die Gebühr nach Nr. 5115 VV RVG zu ändern. Diese ist angefallen, weil es hierfür lediglich einer Tätigkeit des Verteidigers bedarf, welche die Verfahrenserledigung fördert und dabei keine besondere, nicht nur unwesentliche und gerade auf die außergerichtliche Erledigung gerichtete Tätigkeit erforderlich ist (BGH, Urteil vom 20.01.2011, Az. IX ZR 123/10, juris). Dabei ist auch eine Förderung der Sachaufklärung nicht erforderlich (BGH, ebenda), es genügt ein ursächlicher Beitrag zur Erledigung des Verfahrens (LG Baden-Baden, Beschluss vom 09.08.2000, Az. 1 Qs 111/00, juris), welcher auch in einer Aktivität zwecks Verjährung bestehen kann (Hartmann, Kostengesetze, 37. Auflage, Nr. 4141 VV RVG Rn. 9). So liegt der Fall hier. Denn das Amtsgericht hat die zuvor einmal terminierte Sache nicht wieder terminiert, nachdem der Verteidiger mit Schriftsatz vom 02.07.2012 mitgeteilt hat, die ihm von dem Landkreis per E-Mail übersandte Bedienungsanleitung für das Messgerät sei lediglich zu öffnen, nicht aber auszudrucken. Auf dieses Schreiben hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 11.07.2012 gem. § 69 Abs. 5 OWiG mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung im Sinne des § 69 Abs. 5 OWiG an den Landkreis Cloppenburg zurückverwiesen. Nachdem der Landkreis sodann die Bedienungsanleitung an den Verteidiger übersandt und die Akten im Januar 2013 an die Staatsanwaltschaft geleitet hat, ist durch Beschluss des Amtsgerichts vom 11.02.2013 das Verfahren wegen der zwischenzeitig eingetretenen Verjährung eingestellt worden. Die Mitteilung des Verteidigers, die Bedienungsanleitung nicht ausdrucken zu können, ist folglich ursächlich für den Eintritt der Verjährung geworden. Ohne die Mitteilung wäre durch das Amtsgericht nicht gem. § 69 Abs. 5 OWiG verfahren worden. Es ist auch keinesfalls offenkundig, dass unabhängig von der Tätigkeit des Verteidigers das Verfahren sowieso eingestellt worden wäre (dazu: BGH a.a.O.). Schließlich sind keine Gründe für eine Verfahrenseinstellung aus einem anderen Grund erkennbar.“

Insoweit zutreffend. Über die m.E. unzutreffenden Ausführungen des LG betreffend Auslagenpauschale und Festgebühr decken wir das Mäntelchen des Schweigens. Die Frage, ob die Auslagenpauschale doppelt anfällt, wird sich hoffentlich bald erledigt haben. Das 2. KostRMoG trifft in § 17 Nr. 11 RVG eine ausdrückliche Regelung: Ja.

„Burhoff (in: RVG, 3. Aufl., Nr. 5115 VV Rn. 10) empfiehlt zu Recht….“, das liest man als Autor gerne

Im JurBüro 2013, 189 bin ich auf den LG Potsdam., Beschl. v. 26.11.2012 – 24 Qs 118/11 gestoßen. Und beim Lesen kommt dann große Freude auf. In dem „gebührenrechtlichen Beschluss“ heißt es im Zusammenhang mit der Frage nach der anwaltlichen Mitwirkung i.S. der Nr. 5115 VV RVG:

Burhoff (in: RVG, 3. Aufl., Nr. 5115 VV Rn. 10) empfiehlt zu Recht, dass der Verteidiger seine erste Eingabe im Bußgeldverfahren mit einen Einstellungsantrag verbinden solle, weil dann seine Mitwirkung an einer späteren Einstellung kaum zu widerlegen sein dürfte.“

So etwas liest man als Herausgeber/Autor/Kommentator natürlich gerne. Es beweist das, was ich schon immer gesagt habe: An Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl. 2012, kommt man bei der Abrechnung im Straf- oder Bußgeldverfahren, aber auch bei Teil 6 VV RVG, nicht vorbei. So, das war jetzt Werbung :-).

Dabei war diese Passage in dem LG-Beschluss gar nicht notwendig, da m.E. so oder „Mitwirkung“ vorgelegen hat, denn:

Im vorliegenden Fall ergibt sich eine Mitwirkung des Verteidigers aus den Akten. Der ist danach schon im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde umfassend für den Betroffenen tätig geworden. Er hat für diesen nicht nur Einspruch eingelegt und erfolgreich eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist erreicht, sondern mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2010 an die Verwaltungsbehörde auch vorgetragen, dass ein anderer als sein Mandant der Fahrzeugführer gewesen sein könnte, weil der betreffende Pkw üblicherweise von mehreren Mitarbeitern genutzt werde. Das vorhandene Lichtbild lasse weder seinen Mandanten noch einen seiner Mitarbeiter zweifelsfrei erkennen. Diese Argumentation hat die zuständige Amtsrichterin zumindest auch veranlasst, der Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 6. Mai 2011 mitzuteilen, dass die Fahrereigenschaft des Betroffenen „sehr zweifelhaft“ sei. Gleichzeitig regte sie an, einer Einstellung des Verfahrens nach § 47 Abs. 2 OWiG zuzustimmen. Nach Zustimmung der Staatsanwaltschaft wurde dann das Verfahren nach § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt.

Im Übrigen hat sich das LG der h.M. in Rechtsprechung und Literatur (auch von Burhoff/Burhoff, RVG ;-)) angeschlossen, wonach dem Rechtsanwalt bei der Bestimmung der angemessenen Gebühr ein Ermessensspielraum von 20 % zugebilligt wird.

Ich habe da mal eine (Gebühren)Frage, oder: Die Absprache und die Befriedungsgebühr.

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Mich erreichen nicht wenige Mails, die mit dem Satz beginnen: „Ich habe da mal eine Frage.“ Diese Mails bekomme ich gerne, eröffnen sie mir doch die Möglichkeit, meine (Hand)Bücher einem Praxistest zu unterziehen, nämlich zu prüfen, ob sich die gestellte Frage mit dem Buch beantworten lässt. Wenn ja, bin ich froh :-), wenn nicht, dann kommt an die entsprechende Stelle ein Merkzettel und der Fragesteller bekommt in der Neuauflage „ein Sternchen“ bzw. kann sich zum Kreis derer zählen, denen ich im Vorwort für Hinweise und Stellungnahmen danke.

Ganz wichtig sind die Fragen für den RVG-Kommentar, da gerade da ja die Verteidiger sich in der Praxis mit Einwendungen der Staatskasse und/oder der Rechtsschutzversicherungen auseinander setzen müssen.Zu den letzteren Anfragen gehört folgende zur Erledigungs-/Befriedungebühr Nr. 4141 VVRVG, die mich vor einigen Tage erreichte. Der Kollege hatte folgende Frage:

„Für ein Strafverfahren wurden 2 Verhandlungstermine mit jeweils umfangreicher Zeugenladung terminiert.
Im Verlauf des 1. Verhandlungstages konnte eine Verständigung mit dem Gericht, der StA u. Verteidigung herbeigeführt werden, so dass der 2. Termin sich erübrigte.
Nachdem die Verteidigung entsprechend mitgewirkt hat, wodurch der 2. Verhandlungstag wegfiel, ob dies die Gebühr nach 4141 VVRVG ausgelöst hat ?“

Auf den ersten Blick eine m.E. klare Sache. M.E. wird der Kollege Probleme mit dem Ansatz der Nr. 4141 VV RVG in dem Fall bekommen, denn die h.M. geht von der sog. Einheitlichkeit der HV aus, wenn es sich um den Wegfall von Fortsetzungsterminen handelt. Und das ist hier der Fall. Dazu steht auch einiges in unserem RVG-Kommentar bei der Nr. 4141 VV RVG.

Allerdings: Man muss eine h.M. ja immer auch auf ihre Sinnhaftigkeit prüfen und sich fragen, ob sie vorbehaltlos gilt bzw. weiter gilt. Und an der Stelle habe ich allmählich Bedenken. Denn Sinn und Zweck der Nr. 4141 VV RVG ist es, den Verteidiger dafür zu honorieren, dass er daran mitgewirkt hat, dass eine Hauptverhandlung entbehrlich wird, wodurch der Justiz Zeit und Kosten erspart werden. Der Verteidiger verliert eine Terminsgebühr, was durch die zusätzliche Verfahrensgebühr – zumindest teilweise – ausgeglichen werden soll. Und das Argument gilt m.E. auch beim Wegfall von weiteren Hauptverhandlungsterminen.

In dem Sinne habe ich dem Kollegen auch geantwortet, der inzwischen schon eine ablehnende Stellungnahme der Rechtspflegerin auf dem Tisch hatte. Und ich habe ihm geraten, die Gebühr einfach mal durchzufechten. Nur so besteht ja die Chance, dass sich die h.M. vielleicht doch mal ändert.

Übrigens: Die Abrechnungsfragen in Zusammenhang mit der Verständigung sind dargestellt bei Burhoff RVGreport 2010,  401: Anwaltsgebühren bei der Verständigung im Straf-/Bußgeldverfahren.

 

 

 

Zweimal eingestellt – zweimal Befriedungsgebühr?

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Folgender gebührenrechtlicher Sachverhalt:

Gegen die Angeschuldigte war wegen fahrlässiger Körperverletzung bei einem Verkehrsunfall ein Ermittlungsverfahren anhängig. Dieses wurde am 02.09. 2008 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, weil kein Strafantrag gestellt war und ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung nicht ersichtlich war. Nachdem sich am 10.09. 2008 der Verletzte als Nebenkläger gemeldet hatte und ein Unfallrekonstruktionsgutachten in Auftrag gegeben worden war, wurden die Ermittlungen am 09. 10. 2008 wieder aufgenommen. Unter dem 22. 9. 09 klagte die StA die Angeschuldigte dann vor dem AG. Dieses lehnte die Eröffnung der Hauptverhandlung ab; die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten wurden der Staatskasse auferlegt. Der Verteidiger machte im Rahmen der Kostenerstattung gegenüber der Staatskasse zwei Befriedungsgebühren nach Nr. 4141 VV RVG geltend. Der Rechtspfleger hat im Kostenfestsetzungsbeschluss nur eine Befriedungsgebühr angesetzt.

Frage: Richtig?
Antwort im AG Lemgo, Beschl. v. 16.04.2012 – 25 Ds – 41 Js 1894/08 – 542/09: Ja, denn die Gebühr Nr. 4141 VV RVG kann nur einmal entstehen. Nachzulesen hier.

Meine Stellungnahme: Nur bedingt richtig, denn es kommt darauf an.

  1. Sieht man im Strafverfahren das vorbereitende Verfahren und das gerichtliche Verfahren als dieselbe Angelegenheit an, hat das AG das richtige Ergebnis gefunden. Denn dann folgt aus § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG, dass in derselben Angelegenheit der Rechtsanwalt die Gebühren nur einmal fordern kann. Selbst wenn also die Nr. 4141 VV RVG zweimal entstanden ist/wäre, kann sie nur einmal gefordert werden.
  2. Sieht man hingegen das vorbereitende und das gerichtliche Verfahren als verschiedene Angelegenheiten an, dann kann in jeder dieser Angelegenheiten die Nr. 4141 VV RVG entstehen. Sie wären dann im Vorverfahren nach Nr. 4141 Anm. 1 Nr. 1 VV RVG entstanden – die Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO wird von der Regelung erfasst – und im gerichtlichen Verfahren nach Nr. 4141 Anm. 1 Nr. 2 VV RVG. Dass zwischenzeitlich das Verfahren wiederaufgenommen worden ist, hat auf die im vorbereitenden Verfahren entstandene Gebühr nach § 15 Abs. 4 RVG keinen Einfluss.

 

Einfache Frage – einfache Antwort

Einfache Frage zu einer gebührenrechtlichen Konstellation, die da gerade ein Kollege an mich gerichtet hat.

Da heißt es in der Mail:

…in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren vor dem Amtsgericht […] hatte ich die Angelegenheit vor dem Hauptverhandlungstermin mit dem zuständigen Richter telefonisch erörtert und eine entsprechende Vereinbarung getroffen. Aufgrund dessen habe ich mich schriftlich im Auftrag meines Mandanten zur Sache eingelassen und mitgeteilt, dass eine Entscheidung im Wege des Beschlussverfahrens gem. § 72 OWiG nicht widersprochen wird. Ich bitte Sie höflich um Mitteilung, ob diesbezüglich eine Terminsgebühr angefallen ist. Die Rechtsschutzversicherung weigert sich, eine Terminsgebühr zu übernehmen…„.

Zu der einfachen Frage passt dann auch die einfache Antwort, die ich dem Kollegen geben konnte:

…die Antwort ergibt sich m.E. zwanglos aus dem Gesetz: Eine TG ist (natürlich) nicht angefallen. Sie haben ja nicht an einem Termin teilgenommen und es liegt auch kein Fall der Vorbem. 5 Abs. 3 S. 2 VV RVG vor. Aber: M.E. ist als Ausgleich für den ausgefallenen Termin die Nr. 5115 Ziff. 5 VV RVG entstanden. Also immerhin ein kleiner „Ausgleich“…

Die Nr. 5115 Ziff. 5 VV RVG wird leider häufig übersehen. Ist ja auch eine neue (na ja, nach nun fast acht Jahren nicht mehr ganz so neue) Vorschrift. Jedenfalls steht sie fast am Ende der gebührenrechtlichen Regelungen für das Bußgeldverfahren. Bis dahin muss man erst mal lesen 🙂 :-).