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OWi II: Wo gilt die Beschilderung auf der BAB?, oder: Sämtliche Fahrstreifen werden erfasst

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Bei der zweiten Entscheidung des Tages handelt es sich um den OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.03.2022 – 2 RBs 31/22. Der Betroffene ist wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt worden. Dagegen die Rechtsbeschwerde, die keinen Erfolg hat. Das OLG nimmt insbesondere zum Regelungsbereich der Beschilderung auf der BAB und der Irrtumsfrage Stellung:

„a) Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 20. Oktober 2020 um 00:06 Uhr in Duisburg die A 59. In Höhe des Kilometers 9,086 überschritt er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften um 58 km/h (nach Toleranzabzug). Die Beschilderung (Zeichen 274) war zur Tatzeit ordnungsgemäß angebracht und wurde von dem Betroffenen jedenfalls an der rechten Seite der Fahrbahn auch wahrgenommen. Gleichwohl ging er davon aus, mindestens 130 km/h fahren zu dürfen, und beschleunigte seinen Pkw bewusst sehr stark.

Die Einzelheiten der Örtlichkeit ergeben sich aus der bei den Akten befindlichen Luftaufnahme, auf die in dem Urteil gemäß § 71 Abs. 1 OWiG, § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO verwiesen worden ist. Die Luftaufnahme, welche der Betroffene selbst vorgelegt hat, zeigt in hoher Auflösung den Bereich des Autobahnkreuzes Duisburg-Nord (A 59/A 42) und lässt die Fahrbahnmarkierungen deutlich erkennen.

Das Amtsgericht ist davon ausgegangen, dass der Betroffene entsprechend seiner Einlassung von der A 42 aus westlicher Richtung kommend über die dortige Rechtsschleife („Ohr“) auf die A 59 in nördlicher Richtung eingefädelt ist. Nach Durchfahren der Rechtsschleife gelangt der Fahrer hier vor der die A 59 überquerenden Brücke der A 42 auf den kombinierten Einfädelungs- und Ausfädelungsstreifen (früher: Beschleunigungs- und Verzögerungsstreifen), der rechts parallel zu den beiden durchgehenden Fahrbahnen der A 59 liegt und hinter der Brücke der A 42 im weiteren Verlauf schräg rechts zur Abfahrt Duisburg Alt-Hamborn abgeht.

Ferner hat das Amtsgericht die Beschilderung zugrunde gelegt, welche in der von dem Betroffenen selbst vorgelegten Luftaufnahme durch Symbole des Zeichens 274 (80 km/h) und zu den Standorten weisende Pfeile kenntlich gemacht worden ist. Hiernach war das Zeichen 274 zum einen links der drei Fahrstreifen zwischen den Schutzplanken des Mittelstreifens der Autobahn aufgestellt, zum anderen gegenüberliegend rechts der drei Fahrstreifen. Die Standorte befinden sich jeweils wenige Meter vor der Brücke der A 42, wobei das rechts der drei Fahrstreifen aufgestellte Zeichen 274 geringfügig näher zu dieser Brücke liegt, welche die A 59 nicht im rechten Winkel, sondern in leichter Schrägrichtung überquert.

b) Auch wenn unwahrscheinlich ist, dass das links auf dem Mittelstreifen aufgestellte Zeichen 274 (80 km/h) zu mitternächtlicher Zeit beim Passieren des Betroffenen durch ein anderes Fahrzeug verdeckt war, folgt schon aus seiner dem Urteil zugrunde gelegten Einlassung, er habe nur das rechts aufgestellte Zeichen 274 (80 km/h) wahrgenommen, eine vorwerfbare Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.

Denn die Annahme des Betroffenen, das an der rechten Seite aufgestellte Zeichen 274 (80 km/h) habe allein für die rechte Nebenfahrbahn und nicht für die beiden Hauptfahrbahnen gegolten, geht fehl.

Verkehrszeichen stehen als Schilder regelmäßig rechts (§ 39 Abs. 2 Satz 3 StVO). Gelten sie nur für einzelne markierte Fahrstreifen, sind sie in der Regel über diesen angebracht (§ 39 Abs. 2 Satz 4 StVO). Der Regelungsbereich eines rechts aufgestellten Verkehrszeichens umfasst im Sinne einer quer zur gesamten Fahrbahn verlaufenden Linie sämtliche Fahrstreifen (vgl. OLG Düsseldorf [1. Senat für Bußgeldsachen] NZV 1991, 204; OLG Köln NZV 1995, 329).

Eine diesen Regelungsbereich einschränkende Beschilderung war an der Stelle nicht vorhanden. So kann etwa das Zeichen 274 an einer Schilderbrücke einem bestimmten Fahrstreifen darunter zugeordnet werden. Eine solche Zuordnung ist auch durch eine Fahrstreifentafel mit integriertem Zeichen 274 möglich (Zeichen 523, Katalog der Verkehrszeichen Teil 4). An einer besonderen Zuordnung fehlte es hier indes, so dass das rechts aufgestellte Zeichen 274 (80 km/h) erkennbar ohne Einschränkung für sämtliche Fahrstreifen und damit auch für die beiden durchgehenden Fahrbahnen der Autobahn galt.

c) Der Betroffene hat das rechts aufgestellte Zeichen 274 (80 km/h) optisch richtig wahrgenommen. Damit scheidet ein Tatbestandsirrtum aus (§ 11 Abs. 1 OWiG). Die unzutreffende Wertung des Betroffenen, dass die angeordnete Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit allein für die Nebenfahrbahn gegolten habe, begründet lediglich einen Verbotsirrtum im Sinne des § 11 Abs. 2 OWiG, der den Vorsatz nicht entfallen lässt (vgl. BayObLG NJW 2003, 2253; OLG Bamberg BeckRS 2015, 20269; OLG Frankfurt BeckRS 2021, 21431).

Die Fehlinterpretation des Regelungsbereiches war vermeidbar. Eine irreführende Häufung von Verkehrszeichen lag nicht vor. Die Erwägung des Betroffenen, das Zeichen 274 hätte unmittelbar rechts neben den beiden durchgehenden Fahrbahnen stehen müssen, um für diese Wirkung zu entfalten, erscheint abwegig. Denn an dieser Schnittstelle, an der die rechte durchgehende Fahrbahn und die Nebenfahrbahn nur durch Bodenmarkierungen abgegrenzt werden, hätte das Schild auf der befahrbaren Fläche ein lebensgefährliches Verkehrshindernis für die Fahrer dargestellt, die den Spurwechsel von oder zu dem kombinierten Einfädelungs- und Ausfädelungsstreifen vollziehen. Verkehrszeichen dürfen nicht innerhalb der Fahrbahn aufgestellt werden. Diese aus Gründen der Verkehrssicherheit selbstverständliche Anforderung findet sich in der VwV-StVO zudem ausdrücklich unter Rdn. 43 zu den §§ 39 bis 43.“

Interessant – aber auch zu erwarten – dann noch die Ausführungen des OLG zu einer Verfahrensbeanstandung. Der Betroffene hat in der Hauptverhandlung unter Berufung auf eine Einstellungsbeschluss des OLG Saarbrücken beantragt, das Verfahren nach § 47 Abs. 2 OWiG einzustellen. Dem hat das Amtsgericht nicht entsprochen und sich dazu auch nicht geäußert Der Betroffene stützt darauf die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör. Ohne Erfolg. Hier der Leitsatz des OLG zu der Frage:

Regt der Betroffene in der Hauptverhandlung an, das Verfahren nach § 47 Abs. 2 OWiG einzustellen, und möchte das Gericht dieser Anregung nicht folgen, ist es von Rechts wegen nicht geboten, dass sich das Gericht hierzu durch einen Zwischenbescheid äußert. Das Fehlen einer förmlichen Ablehnung durch Beschluss begründet keine Verletzung des rechtlichen Gehörs.

„Burhoff (in: RVG, 3. Aufl., Nr. 5115 VV Rn. 10) empfiehlt zu Recht….“, das liest man als Autor gerne

Im JurBüro 2013, 189 bin ich auf den LG Potsdam., Beschl. v. 26.11.2012 – 24 Qs 118/11 gestoßen. Und beim Lesen kommt dann große Freude auf. In dem „gebührenrechtlichen Beschluss“ heißt es im Zusammenhang mit der Frage nach der anwaltlichen Mitwirkung i.S. der Nr. 5115 VV RVG:

Burhoff (in: RVG, 3. Aufl., Nr. 5115 VV Rn. 10) empfiehlt zu Recht, dass der Verteidiger seine erste Eingabe im Bußgeldverfahren mit einen Einstellungsantrag verbinden solle, weil dann seine Mitwirkung an einer späteren Einstellung kaum zu widerlegen sein dürfte.“

So etwas liest man als Herausgeber/Autor/Kommentator natürlich gerne. Es beweist das, was ich schon immer gesagt habe: An Burhoff (Hrsg.), RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl. 2012, kommt man bei der Abrechnung im Straf- oder Bußgeldverfahren, aber auch bei Teil 6 VV RVG, nicht vorbei. So, das war jetzt Werbung :-).

Dabei war diese Passage in dem LG-Beschluss gar nicht notwendig, da m.E. so oder „Mitwirkung“ vorgelegen hat, denn:

Im vorliegenden Fall ergibt sich eine Mitwirkung des Verteidigers aus den Akten. Der ist danach schon im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde umfassend für den Betroffenen tätig geworden. Er hat für diesen nicht nur Einspruch eingelegt und erfolgreich eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist erreicht, sondern mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2010 an die Verwaltungsbehörde auch vorgetragen, dass ein anderer als sein Mandant der Fahrzeugführer gewesen sein könnte, weil der betreffende Pkw üblicherweise von mehreren Mitarbeitern genutzt werde. Das vorhandene Lichtbild lasse weder seinen Mandanten noch einen seiner Mitarbeiter zweifelsfrei erkennen. Diese Argumentation hat die zuständige Amtsrichterin zumindest auch veranlasst, der Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 6. Mai 2011 mitzuteilen, dass die Fahrereigenschaft des Betroffenen „sehr zweifelhaft“ sei. Gleichzeitig regte sie an, einer Einstellung des Verfahrens nach § 47 Abs. 2 OWiG zuzustimmen. Nach Zustimmung der Staatsanwaltschaft wurde dann das Verfahren nach § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt.

Im Übrigen hat sich das LG der h.M. in Rechtsprechung und Literatur (auch von Burhoff/Burhoff, RVG ;-)) angeschlossen, wonach dem Rechtsanwalt bei der Bestimmung der angemessenen Gebühr ein Ermessensspielraum von 20 % zugebilligt wird.