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StPO I: Öffentliche Ladung/ZU zur Berufungs-HV, oder: Wenn „forumSTAR“ nicht alle Hinweise enthält

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Heute dann noch einmal drei StPO-Emtscheidungen. Heute kommen die Entscheidungen aber nur von den OLG, na ja das BayObLG ist auch dabei.

Und von dem kommt gleich die erste Entscheidung, die mir die Kollegin J. Braun aus München geschickt hat.

Es geht um ein Verwerfungsurteil des LG München II. Diesem ist eine Berufungshauptverhandlung vorausgegangen, in der die Kollegin mit wirksamer Vertretungsvollmacht erschienen war, der Angeklagte aber ausblieb. Das LG hat dann beschlossen, dass die Anwesenheit des Angeklagten erforderlich sei nach § 329 Abs. 4 StPO und erneut geladen. Die Ladung musste öffentlich zugestellt werden. Einen Hinweis auf die Möglichkeit der Verwerfung nach § 329 Abs. 4 StPO enthielt die Ladung nicht. Darauf hat die Kollegin dann ihre Verfahrensrüge gestützt, die mit dem BayObLG, Beschl. v. 29.03.2022 – 207 StRR 83/22 – Erfolg hatte:

„Dem zulässigen Rechtsmittel kann ein mindestens vorläufiger Erfolg nicht versagt bleiben (§ 349 Abs. 4 StPO).

1. Die Revision greift mit der zulässig erhobenen Rüge der Verletzung des § 329 Abs. 4 S. 3 StPO durch.

a) Die Revision trägt zutreffend vor, dass das Landgericht entgegen § 329 Abs. 4 S. 3 StPO den Angeklagten in der (öffentlichen zugestellten) Ladung zum Fortsetzungstermin vom 19. Oktober 2021 nicht darüber belehrt hat, dass seine Berufung bei unentschuldigtem Nichterscheinen trotz Anwesenheit eines entsprechend bevollmächtigten Vertreters verworfen werden kann. Das entsprechende Revisionsvorbringen wird durch die Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft München II vom 19. Januar 2022 und die darin in Bezug genommene dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden vom 30. November 2021 bestätigt. Daraus ergibt sich, dass die Ladung mit dem Textverarbeitungsprogramm ForumSTAR gefertigt wurde und der dortige Vordruck eine entsprechende Belehrung nicht enthält.

b) Dies stellt einen Verstoß gegen die gesetzlich ausdrücklich vorgeschriebene Belehrungspflicht nach § 329 Abs. 4 S. 3 StPO dar (vgl. im Einzelnen KG, Beschluss vom 12.12.2018, (6) 161 Ss 161/18 (63/18), zitiert nach juris; s. auch Paul in Karlsruher Kommentar zur StPO, 8. Aufl., § 329 Rdn. 3).

c) Auf diesem Rechtsfehler beruht das angefochtene Urteil auch. Eine Beruhensprüfung ist auch hier wie bei jedem Verfahrensfehler vorzunehmen (vgl. Löwe/Rosenberg-Gössel, StPO, 26. Aufl., § 329 Rdn. 15; a. A. (ohne Begründung) OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.02.2021, 111-2 RVs 5/21 u. a., zitiert nach juris, dort Rdn. 17). Der Senat kann nicht ausschließen, dass der verteidigte Angeklagte bei zutreffender Belehrung zum Termin erschienen wäre.“

Zwei Anmerkungen:

1. Die/se) Revision hat nicht vorläufig Erfolg, sondern sie hat endgültig Erfolg, da das landgerichtliche Urteil aufgehoben wird. M.E. ist das „vorläufig“, das man bei Verfahrensfehlern in fast allen OLG-Entscheidungen findet, falsch.

2. Die Kollegin hat mich bei der Übersendung der Entscheidung darauf hingewiesen, was in der Entscheidung nicht so deutlich wird, dass die Ladung ihres Mandanten mit forumSTAR angefertigt wurde. Dieses Programm enthalte zwar standardmäßig sehr viele Hinweise enthält, nicht jedoch einen solchen nach § 329 Abs. 4 StPO. Und genau der fehlte. Der Hinweis müsste in diesen Fällen also eingefügt werden. Vermutlich macht man das manuell 🙂 . Offenbar ist das aber bislang noch nicht weiter aufgefallen. Jedenfalls bis die Kollegin die erfolgreiche Revision melden konnte.

Auto II: Unerlaubte Ablagerung von Abfall im Freien, oder: Autowrack als Abfall

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Die zweite „Auto-Entscheidung“ ist dann die aus dem OWi-Bereich, und zwar der BayObLG, Beschl. v. 27.01.2022 – 202 ObOWi 80/22 – zur Einordnung von Autowracks als Abfall und zum Verjährungsbeginn bei unerlaubter Ablagerung von Abfall. Immerhin geht es um ein Auto 🙂 .

Das AG hat den Betroffenen auf dessen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid, der dem Betroffenen zur Last legte, auf seinem Grundstück ein Altfahrzeug außerhalb einer dafür zugelassenen Anlage abgelagert oder behandelt zu haben, wegen vorsätzlichen Behandelns von Abfällen außerhalb einer dafür vorgesehenen Abfallbeseitigungsanlage gemäß § 69 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 KrWG schuldig gesprochen und deswegen gegen ihn eine Geldbuße verhängt. Die Rechtsbeschwerde hatte Erfolg.

Das AG hatte folgende Feststellungen getroffen: Der Betroffene kaufte vor ca. 4 Jahren einen Pkw BMW 540 i, der am 14.04.1993 erstmals zugelassen und am 18.07.2014 außer Betrieb gesetzt worden war. Er erwarb das Fahrzeug, um es auszuschlachten und als Teilespender für seinen eigenen Pkw zu verwenden. Bei Entdeckung des Fahrzeugs durch die Polizei am 11.11.2020 war das Altfahrzeug unter freiem Himmel abgestellt und ungeschützt den Umwelteinflüssen ausgesetzt. Es war bereits zu Substanzschäden gekommen; am Fahrzeug fanden sich großflächige Durchrostungen. Die vordere Stoßstange und das BMW-Emblem waren abgebaut. Am Fahrzeug war grüner Bewuchs vorhanden. Das Lenkrad und die Verkleidung der rechten Tür waren teildemontiert. Eine wirtschaftliche Restauration des Fahrzeugs war angesichts seines Zustands ausgeschlossen. Das Fahrzeug wurde am 19.03.2021 vom Betroffenen verschrottet.

Dazu das BayObLG:

„1. Der Schuldspruch wegen Behandelns von Abfällen wird von den Feststellungen nicht getragen. Zwar ist die Wertung des Amtsgerichts, dass es sich bei dem Altfahrzeug um Abfall im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG handelte, aufgrund der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht zu beanstanden. Denn es sind schon die Voraussetzungen des objektiven Abfallbegriffs nach § 3 Abs. 4 KrWG gegeben. Hiernach muss sich der Besitzer Stoffen oder Gegenständen im Sinne des § 3 Abs. 1 KrWG entledigen, wenn diese nicht mehr entsprechend ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung verwendet werden, auf Grund ihres konkreten Zustandes geeignet sind, gegenwärtig oder künftig das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere die Umwelt, zu gefährden und deren Gefährdungspotenzial nur durch eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung oder gemeinwohlverträgliche Beseitigung nach den Vorschriften dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen ausgeschlossen werden kann. Dass das Altfahrzeug – entgegen der Einlassung des Betroffenen – nicht mehr seinem ursprünglichen Verwendungszweck durch Restauration zugeführt werden sollte, hat das Amtsgericht aufgrund rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung ausgeschlossen. Auch die von § 3 Abs. 4 KrWG vorausgesetzte Gefährdung für das Allgemeinwohl ist bei einem Schrott-Pkw anzunehmen. Ausreichend ist insoweit eine Gefährdungslage auf Grund des Zustandes der Sache sowie typischer Auslösungs- und Wirkungsketten, die das Risiko des Auslaufens umweltgefährdender Flüssigkeiten nicht nur als eine theoretische, fernliegende Möglichkeit erscheinen lässt. Diese Gefahr ist insbesondere für Autowracks typisch, die unter freiem Himmel ungeschützt den Witterungseinflüssen ausgesetzt sind (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 03.06.2010 – 7 LA 36/09 = AUR 2010, 255 = ZUR 2010, 541 = NVwZ 2010, 1111; OVG Koblenz, Beschl. v. 24.08.2009 – 8 A 10623/09 = NVwZ 2009, 1508 = LKRZ 2009, 432 = KommJur 2010, 157). Darauf, ob daneben auch der subjektive Abfallbegriff nach § 3 Abs. 1, 3 Satz 1 Nr. 2 KrWG erfüllt ist, kommt es deshalb nicht mehr an.“

Aber:

„2. Allerdings leidet das tatrichterliche Urteil unter einem Darstellungsmangel, weil sich eine Tathandlung, die als „Behandeln“ des als Abfall im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 KrWG eingestuften Schrottfahrzeugs aufzufassen wäre, den Urteilsfeststellungen nicht entnehmen lässt. Unter Behandeln ist jede Veränderung des Abfalls zu verstehen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Abfallbeseitigung steht (vgl. Landmann/Rohmer UmweltR/Beckmann 96. EL September 2021 KrWG § 28 Rn. 15), worunter der Ausbau von Ersatzteilen zum Zwecke des sog. Ausschlachtens zweifelsfrei fällt (vgl. nur BayObLG, Beschl. v. 17.04.1998 – 3 ObOWi 43/98 = BayObLGSt 1998, 60 = RdL 1998, 157 = DÖV 1998, 693 = NuR 1998, 446 = BayVBl 1998, 570 = UPR 1998, 395 = ZfW 1999, 118). Es bleibt indes bereits offen, ob der Betroffene tatsächlich Ausbauhandlungen vorgenommen hat. Stattdessen wird lediglich mitgeteilt, dass er das Fahrzeug zum Zwecke des Ausschlachtens erworben hatte. Ferner schildert das amtsgerichtliche Urteil nur den Zustand, der durch erfolgte Teilmontagen gekennzeichnet ist. Ob und gegebenenfalls wann diese Handlungen vom Betroffenen vorgenommen wurden oder ob er das Fahrzeug nicht bereits in diesem Zustand erworben hatte, stellt das Amtsgericht nicht fest.

3. Zwar rechtfertigen die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen an sich auch die Annahme eines Lagerns des Altfahrzeugs im Sinne des § 69 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 KrWG.

a) Als Lagern ist eine vorübergehende Lagerung, Zwischenlagerung oder Aufbewahrung mit dem Ziel späterer Verwertung, Wiederverwertung oder sonstiger Beseitigung zu verstehen (vgl. BayObLG, Beschl. v. 14.07.1993 – 3 ObOWi 57/93 = BayObLGSt 1993, 108 = RdL 1993, 275 = wistra 1993, 313 = ZfW 1994, 434 = NStE Nr 1 zu § 18 AbfG = NuR 1994, 361), was durch das Abstellen des Altfahrzeugs zum Zwecke des Ausschlachtens gegeben war.

b) Der Senat kann allerdings eine Schuldspruchänderung schon deshalb nicht vornehmen, weil sich – worauf die Generalstaatsanwaltschaft zu Recht hinweist – weder nach den Urteilsfeststellungen noch aufgrund des Akteninhalts beurteilen lässt, ob nicht das von Amts wegen zu beachtende Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung (§ 31 Abs. 1 OWiG) eingetreten ist…..“

Vollstreckung I: Absehen wegen Therapieabsicht?, oder: Beurteilungsspielraum

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Am letzten Arbeitstag vor Ostern stelle ich hier drei Entscheidungen aus dem Bereich der Vollstreckung vor. Der kommt ja leider immer etwas kurz.

Zunächst etwas aus Bayern vom BayObLG zu § 35 BtMG, und zwar der BayObLG, Beschl. v. 31.01.2021 – 204 VA 536/20. Schon etwas älter, aber das BayObLG hat auch spät geschickt 🙂 .

Der Verurteilte ist mit Urteil vom 16.09.2020 wegen des Erschleichens von Leistungen mit Sachbeschädigung mit Diebstahl mit Beleidigung in sechs tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt worden. Der Verurteilte verbüßt diese Freiheitsstrafe seit 18.12.2020.  Zwei Drittel der Strafe sind/waren am 17.4.2021 erreicht. Das Strafende ist/war auf den 17.6.2021 notiert.

Mit Anwaltsschreiben vom 15.10.2020 hat der Verurteilte beantragt die Vollstreckung der Freiheitsstrafe gemäß § 35 BtMG zugunsten einer von ihm beabsichtigten Therapie zurückzustellen, da die Taten aufgrund der bei ihm bestehenden Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden seien. Die Staatsanwaltschaft hat das abgelehnt, da die Tat des Verurteilten nicht oder jedenfalls nicht überwiegend aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden sei. Dagegen hat der Verurteilte unter Hinweis auf die im Urteil aufgenommene Vorschrift des § 17 Abs. 2 BZRG Beschwerde eingelegt. Die hatte keinen Erfolg. Dagegen dann der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der ebenfalls beim BayObLG keinen Erfolg hatte. Das BayObLG hat seiner Entscheidung folgende Leitsätze vorangestellt:

  1. Der Vollstreckungsbehörde steht hinsichtlich der Feststellung einer Betäubungsmittelabhängigkeit und deren Kausalität für die Tat ein Beurteilungsspielraum zu.

  2. Der Beurteilungsspielraum der Vollstreckungsbehörde ist dann stark eingeschränkt oder im Sinne einer Bindung völlig aufgehoben, wenn sich die Kausalität gemäß § 35 Abs. 1 BtMG „aus den Urteilsgründen“ ergibt, wobei die entsprechenden Feststellungen nur die Bedeutung einer widerleglichen Vermutung haben.

  3. Den Urteilsfeststellungen kommt dann ein hohes Gewicht und ein erheblicher Beweiswert zu, wenn sie sich eingehend mit der Betäubungsmittelabhängigkeit beschäftigen und die entsprechenden Beweise vom Gericht erhoben und gewürdigt werden, insbesondere wenn sie sich auf ein Sachverständigengutachten stützen und das Urteil zur Begründung der richterlichen Überzeugung eine eingehende Darlegung des Vorlebens eines Angeklagten und seiner Drogenkarriere enthält.

  4. Die bloße Nennung von § 17 Abs. 2 BZRG in der Liste der angewendeten Vorschriften ist kein Beleg für die Betäubungsmittelabhängigkeit und deren Kausalität für die abgeurteilte Tat.

StGB II: Die „Lachnummer auf der Kippenschachtel“, oder: Beleidigung oder noch „meinungsfrei“?

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Die zweite Entscheidung kommt auch vom BayObLG. Es geht mal wieder um die Frage der Beleidigung

Das AG hat den Angeklagten wegen Beleidigung in drei tateinheitlichen Fällen zu einer Geldstrafe verurteilt. Hiergegen haben der Angeklagte sowie die Staatsanwaltschaft – letztere beschränkt auf den Rechtsfolgenausspruch –  Berufung eingelegt. Das LG Nürnberg-Fürth hat die Berufung des Angeklagten als unbegründet verworfen und auf die Berufung der Staatsanwaltschaft den Rechtsfolgenausspruch des AG-Urteils abgeändert.

Dagegen hat der Angeklagte Revision eingelegt. Die hatte insoweit Erfolg, als das Verfahren hinsichtlich eines Falles der Beleidigung eingestellt worden ist, weil nach Auffassung des BayObLG ein Strafantrag fehlte. Im Übrigen hatte die Revision soweit sie sich gegen den Schuldspruch der Beleidigung in dann noch zwei tateinheitlichen Fällen richtete, keinen Erfolg.

Das LG hatte folgende Feststellungen getroffen, die dann auch das BayObLG seiner Entscheidung zugrunde legt:

„a) Danach hat der Angeklagte am 29.05.2020 auf seinem YouTube-Kanal ein Video hochgeladen mit dem Titel:

„Es ist Wahnsinn. Hier wird eine Volkswirtschaft kaputt gemacht und alle schauen zu.“

Im Rahmen dieses Videos erscheint ab Minute 6.51 ein Bild, auf dem fünf Personen, unter anderem die Strafantragsteller pp.  zu sehen sind, wobei im Hintergrund ein Plakat der Partei „die Grünen“ zu sehen ist. Über dem Bild befindet sich folgender Text:

„Und ich dachte immer, die Schockbilder auf den Kippenschachteln wären schlimm“ (smiley). „Das sind die Grünen im bayerischen Landtag…..und nein: Das ist KEIN Scherz.“

Der Angeklagte kommentierte dieses Foto mündlich mit folgenden Worten:

„Ja und wenn ihr euch das anschaut, das sind welche, die sind im bayerischen Landtag. Das ist jetzt kein Witz und das ist auch kein Scherz. Also wenn ich mir die Figuren anschaue und die bestimmen über unsere Zukunft und solche Leute sind gewählt, also das sind ja Lachnummern, das sind absolute Lachnummern, diese Figuren. Das ist wirklich, das kannste normalerweise, wie es heißt, das kannste auf ne Kippenschachtel tun als Warnhinweis.“

Das Berufungsgericht hat weiter festgestellt, dass es sich bei sämtlichen auf dem Foto abgebildeten Personen um Menschen mit transsexuellem Hintergrund handelt, wobei (Anm.: zum Tatzeitpunkt) lediglich eine dieser Personen und Strafantragstellerin ein Mitglied der Grünen im bayerischen Landtag ist, eine weitere Person weder Mitglied der Grünen noch im bayerischen Landtag vertreten ist und über die drei anderen Personen nichts Näheres bekannt ist.

Das LG war beweiswürdigend davon ausgegangen, „dass das verfahrensgegenständliche Bild, das der Angeklagte seiner Einlassung nach bereits mit der oben bezeichneten Überschrift aus den sozialen Netzwerken kopiert habe, ca. Anfang 2019 mit Einverständnis der fotografierten Personen im bayerischen Landtag gefertigt wurde, es sich lediglich bei einer fotografierten Person um ein Mitglied des bayerischen Landtags handelte, sämtliche Personen der Partei der Grünen nahestanden und dem Angeklagten weder der Anlass der Anfertigung des Fotos bekannt war noch er wusste, um wen es sich bei den abgebildeten Personen gehandelt habe, er aber aufgrund von ihm nicht geprüfter Angaben in den sozialen Netzwerken davon ausgegangen sei, dass es sich bei allen Personen um Politikerinnen der Grünen im bayerischen Landtag gehandelt habe, und dass der transsexuelle Hintergrund ihm nicht bekannt bzw. eine diesbezügliche Kenntnis nicht nachzuweisen gewesen sei.“

Es hatte „zum übrigen Inhalt des Videos festgestellt, dass zu dessen Beginn der Untertitel „der politische Wochenrückblick von Hallo Meinung“ eingeblendet ist. Der Angeklagte leitet das Video mit den Worten ein „diese Woche ist viel passiert“, wobei er sich kritisch über die Finanztransfers der europäischen Nordländer an die europäischen Südländer, die jahrelang Misswirtschaft getrieben hätten, äußert. Es folgt ein Ausschnitt aus der Sendung von Markus Lanz, in der der SPD-Politiker Ralf Stegner auftritt, den der Angeklagte mit den Worten „Hirnis wie Stegner“ kommentiert. Die nächste Sequenz befasst sich mit einem Artikel über milliardenschwere Coronahilfen, die mit Steuern finanziert werden, wobei der Angeklagte zum einen Ursula von der Leyen kritisiert und zum anderen den eingeblendeten europäischen Politiker Manfred Weber unter anderem mit den Worten charakterisiert „solche Leute sind für mich Waschlappen“, „jetzt ist er nur ein Hinternkriecher“, „solche Orgelpfeifen bestimmen über unsere Zukunft“. Es folgt eine Sequenz, in der darüber berichtet wird, dass die Grünenpolitikerin Baerbock in einer Sendung von Anne Will die Bundesrepublik Deutschland als größte Volkswirtschaft der Welt bezeichnet hat, was der Angeklagte richtig stellt und kritisiert, dass diesen Fehler niemand bemerkt habe.

In zeitlicher Abfolge danach enthält das Video die unter II.1.a. dargestellte Sequenz ab Minute 6.51. Nach dieser wird ein Bild, auf dem die (Anm.: ehemalige) deutsche Bundeskanzlerin Merkel und der französische Präsident Macron zu sehen sind, gezeigt mit der Unterschrift „Enkel-Trick: Smarter Betrüger klaut verwirrter Seniorin 135 Milliarden Euro. Die Polizei bitte um Mithilfe.“

Schließlich kommentiert der Angeklagte ein Bild der Firma B + I, zugehörig zur Baumüller-Gruppe in Nürnberg, damit, dass die Frau des bayerischen Ministerpräsidenten Söder etwas mit dieser Firma, die Face-Shields vertreibe, zu tun habe, wozu er ironisch bemerkt, dass er selbstverständlich keinen Zusammenhang mit der Politik herstellen wolle, „ein Schelm, wer Böses dabei denkt.“

Das Video endet mit einem Bild, das die These aufstellt, wir seien auf dem besten Weg, ein gleichgeschaltetes Volk zu werden und das ebenfalls vom Angeklagten kommentiert wird.“

Das BayObLG hat die Auffassung des LG, dass der Angeklagte sich damit der Beleidigung gemäß § 185 StGB in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig gemacht hat, bestätigt.

Ich erspare mir das Einstellen der umfangreichen Begründung im BayObLG, Beschl. v. 31.01.2022 – 204 StRR 574/21 – und ordne das Selbstleseverfahren an.

StGB I: Gewährung von „Kirchenasyl“ in Dublin-Fällen, oder: Machen sich Pfarrer/Ordensleute strafbar?

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Zur Wochenmitte der „Karwoche“ dann heute drei StGB-Entscheidungen. Dieses Mal nicht vom BGH, sondern aus der „Instanz“.

Zunächst der BayObLG, Beschl. v. 25.02.2022 – 201 StRR 95/21 – zu einer etwas „exotischen“ Fragestellung, nämlich zur zur Strafbarkeit von Pfarrern und Ordensleuten wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt bei Gewährung von „Kirchenasyl“ in den sog. Dublin-Fällen. Hat man sicherlich nicht alle Tage. Das BayObLg nimmt zu den Rechtsfragen eingehend Stellung. Daher stelle ich hier nur die Leitsätze vor. Folgender Sachverhalt/Verfahrensablauf:

Die Staatsanwaltschaft hat unter dem 05.02.2021 beim AG „den Erlass eines Strafbefehls, in welchem dem Angeklagten, einem Ordensbruder der Abtei B., zur Last gelegt wurde, dem anderweitig Verfolgten A., geboren in Gaza, Staatsangehörigkeit ungeklärt, jedenfalls seit dem 25.08.2020 in den Räumlichkeiten der Abtei sogenanntes „Kirchenasyl“ gewährt zu haben. Obwohl dem Angeklagten bekannt gewesen sei, dass A., der erstmalig am 13.04.2020 in das Bundesgebiet eingereist war und am 22.04.2020 Asylantrag gestellt hatte, nach Ablehnung des Asylantrags mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden BAMF) vom 12.05.2020 seit dem 23.05.2020 vollziehbar ausreisepflichtig war, habe er ihn am 25.08.2020 in das „Kirchenasyl“ aufgenommen und ihm Unterkunft und Verpflegung gewährt. Den Eintritt habe der Angeklagte noch am selben Tage der zuständigen Stelle beim BAMF gemeldet und bis zum 25.09.2020 fristgerecht ein entsprechendes Dossier eingereicht. Das BAMF habe das Selbsteintrittsrecht abgelehnt, eine Frist zum Verlassen des „Kirchenasyls“ bis zum 15.10.2020 gesetzt und dies dem Angeklagten am 12.10.2020 mitgeteilt. Gleichwohl habe der Angeklagte das „Kirchenasyl“ über den 15.10.2020 hinaus fortgesetzt und durch die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung dessen illegalen Aufenthalt unterstützt, sodass dieser sich dem Zugriff der Behörden entziehen konnte.“

Das AG hat den Strafbefehl wegen rechtlicher Bedenken nicht erlassen, sondern stattdessen Termin zur Hauptverhandlung gemäß § 408 Abs. 3 Satz 2 StPO bestimmt. Es hat den Angeklagten dann aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Nach den Feststellungen des AG „gewährte der Angeklagte, der auch Koordinator der Flüchtlingshilfe in der Abtei B. ist, dem A. in der Zeit vom 25.08.2020 bis Dezember 2020 im Einvernehmen mit den anderen Angehörigen der Abtei B. in den dortigen Räumlichkeiten „Kirchenasyl“ in Form der Gewährung von Unterkunft und Verpflegung. A., dessen Staatsangehörigkeit ungeklärt, aber jedenfalls nicht deutsch ist, war erstmalig am 13.04.2020 in das Bundesgebiet eingereist und hatte am 22.04.2020 Asylantrag gestellt. Sein Asylantrag war mit Bescheid des BAMF vom 12.05.2020 im Hinblick auf die sog. „Dublin-III-Verordnung“ abgelehnt worden, da er bereits zuvor in Rumänien als asylsuchend registriert worden war. Damit war er, wie auch der Angeklagte wusste, seit 23.05.2020 vollziehbar ausreisepflichtig. Den Eintritt des Ausländers in das „Kirchenasyl“ teilte der Angeklagte dem BAMF noch am 25.08.2020 über das katholische Büro Bayern mit. Das BAMF lehnte am 12.10.2020 die Ausübung des Selbsteintrittsrechts ab und setzte eine Frist zum Verlassen des „Kirchenasyls“ bis zum 15.10.2020, was der Angeklagte noch am selben Tage erfuhr, zeitnah dem A. mitteilte und mit ihm die weiteren Handlungsmöglichkeiten erörterte. Dieser verblieb weiterhin im „Kirchenasyl“. Nach Ablauf der Überstellungsfrist, welche am 12.11.2020 endete, verließ A. im Dezember 2020 das „Kirchenasyl“ und befindet sich seither im deutschen Asylverfahren.“

Der Angeklagte hatte in der Hauptverhandlung geltend gemacht, „er habe durch den intensiven Kontakt mit einzelnen Geflüchteten glaubhafte Kenntnis von einer Vielzahl traumatischer Erfahrungen der Geflüchteten in den Transitländern – darunter auch Bulgarien, Rumänien und Ungarn – auf dem Weg nach Deutschland erhalten. Auf der Balkanroute habe es massive körperliche Gewalt gegeben, die Geflüchteten seien unmenschlich behandelt worden. Er sei zu der Erkenntnis gelangt, dass die ihm anvertrauten Flüchtlinge bei Rücküberstellung in diese Länder Gefahr laufen würden, in einer Weise behandelt zu werden, die mit ihrer Menschenwürde unvereinbar sei. Diese Überzeugung habe dazu geführt, dass er in sorgfältig ausgewählten Ausnahmefällen und unter steter Rückendeckung der Abtei Personen, die in die genannten Staaten zurück zu überstellen gewesen wären, den Schutz der Abtei gewährt habe, um eine nochmalige Einzelfallprüfung durch das BAMF nach Art. 17 der Dublin-III-Verordnung herbeizuführen. Nach deren negativem Ausgang habe es zwar Fälle gegeben, in denen aufgenommene Geflüchtete das „Kirchenasyl“ freiwillig verlassen hätten, entweder um Deutschland zu verlassen oder aber um hier unterzutauchen und auf eigene Faust zu versuchen, den Ablauf der Rücküberstellungsfrist abzuwarten. Wenn ein Geflüchteter jedoch bleiben wolle, sehe er sich – unbeschadet auch einer ihm etwa drohenden Freiheitsstrafe – aufgrund seiner von der christlichen Grundüberzeugung getragenen Wertvorstellungen nicht imstande, einen zum Bleiben entschlossenen Geflüchteten den Schutz der Abtei zu versagen und das Verlassen des Abteigeländes zu erzwingen, ohne die eigenen Wertvorstellungen vollständig in Frage zu stellen.“

Dagegen dann die Sprungrevision der Staatsanwaltschaf, die keinen Erfolg hatte. Hier dann die Leitsätze des BayObLG:

  1. Die Gewährung von „Kirchenasyl“ entfaltet für sich genommen keine aufenthaltsrechtlichen Wirkungen. Jedoch begründet der Eintritt in das mehrstufige Prüfungsverfahren entsprechend der Vereinbarung vom 24.02.2015 zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und den Bevollmächtigten der evangelischen und katholischen Kirche zur Kirchenasylgewährung in den sog. Dublin-Fällen einen Anspruch des aufgenommenen Asylsuchenden auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG wegen Vorliegens eines rechtlichen.

  2. Werden die Vorgaben der Vereinbarung eingehalten, so scheidet jedenfalls bis zur Mitteilung des BAMF über den negativen Ausgang der erneuten Einzelfallprüfung sowie dem fruchtlosen Ablauf der dem Asylsuchenden gesetzten Dreitagesfrist zum Verlassen des „Kirchenasyls“ eine Strafbarkeit des kirchlichen Entscheidungsträgers wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG mangels vorsätzlich begangener, rechtswidriger Haupttat des aufgenommenen Asylsuchenden aus.

  3. Wird das „Kirchenasyl“ nach der Negativmitteilung des BAMF und dem Ablauf der Dreitagesfrist durch den kirchlichen Entscheidungsträger fortgeführt und beschränkt sich die Hilfeleistung auf die bloße Fortsetzung der Beherbergung und Verpflegung des vollziehbar ausreisepflichtigen Asylsuchenden, so liegt der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit nicht in einem aktiven Tun, sondern in einem Unterlassen, das jedoch mangels Garantenpflicht des kirchlichen Entscheidungsträgers zur Beendigung des „Kirchenasyls“ nicht als strafbare Hilfeleistung zum unerlaubten Aufenthalt des Asylsuchenden zu qualifizieren ist.