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Habe fertig: RVG-Kommentar, 5. Auflage, auf dem Weg in die Druckerei, oder: Auslieferung naht

„Mein“ zuständiger Lektor teilt gerade mit: Die 5. Auflage des RVG-Kommentars – oder richtig: „Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl., 2018“ – befindet sich auf dem Weg in die Druckerei. Sehr schön, denn jetzt müssen wir nicht mehr lange warten, bis die Neuauflage vorliegt. Die Auslieferung ist zum 26.09.2017 angekündigt. Insgesamt sind es 1.904 Seiten geworden. Natürlich topaktuell und mit weiteren Beispielen und „Abrechnungsideen“.

Man kann das Werk natürlich <<Werbemodus an>> vorbestellen, und zwar hier auf der Bestellseite meiner Homepage. Es kommt dann nach Erscheinen automatisch. >> Werbemodus aus.

Neuauflagen sind übrigens immer ein wenig „erschreckend“. Merkt man daran doch, wie die Zeit vergeht. Seit der Veröffentlichung der 1. Auflage des RVG-Kommentars sind mittlerweile 13 Jahre vergangen.

Und <<Werbemodus noch einmal an>>: Ich nutze dann dieses Posting um noch einmal auf mein Ebook „Effektivere und praxistauglichere Ausgestaltung des Strafverfahrens?  Die Änderungen in der StPO 2017 – ein erster Überblick“ hinzuweisen. Das stellt die seit dem 24.08.2017 geltenden Änderungen in der StPO vor (vgl. dazu Sondermeldung: Die Änderungen der StPO 2017 sind da – und dazu gleich ein Ebook). Auch das kann man auf auf der Bestellseite meiner Homepage bestellen. >>Werbemodus aus>>.

Auslieferung in die Türkei, oder: Da sind wir ganz, ganz vorsichtig…

entnommen wikimedia.org
Author David Benbennick

Bei der zweiten Auslieferungsentscheidung, die ich heute vorstelle, handelt es sich um den OLG Celle, Beschl. v. 02.06.2017 – 2 AR (Ausl) 44/17. In dem Verfahren ging es um eine Auslieferung in die Türkei, die derzeit ja – vorsichtig ausgedrückt – eine gewisse Brisanz. Und dementsprechend vorsichtig ist das OLG auch, obwohl es sich nach den Beschlussgründen wohl nicht um die Auslieferung wegen eines „politisch motivierten“ Delikts gehandelt hat. Das OLG befürchtet aufgrund der in der Türkei „überfüllten Gefängnis“, dass die „Haftraumbedingungen“ nicht erfüllt sind und lehnt ab. Folgende Leitsätze:e

  1. Die Auslieferung eines Verfolgten zum Zwecke der Strafverfolgung oder Strafvollstreckung in die Türkei ist trotz der dortigen aktuellen politischen Lage nicht grundsätzlich unzulässig.
  2. Angesichts der aktuellen politischen Lage in der Türkei nach dem Putschversuch im Juli 2016 kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass die dortigen Haftbedingungen den in Art. 3 EMRK verankerten menschenrechtlichen Mindestanforderungen widersprechen.
  3. Solange im Einzelfall keine völkerrechtlich verbindliche Zusicherung vorliegt, dass die den Verfolgten konkret erwartenden Haftbedingungen den europäischen Mindestanforderungen entsprechen, steht der Auslieferung ein Hindernis nach § 73 S. 1 IRG entgegen (Anschluss an KG Berlin, Beschluss vom 17. Januar 2017, – (4) 151 AuslA 11/16 (10/17)-).
  4. Es ist angesichts der Erfahrungen anderer Gerichte im Auslieferungsverkehr mit der Türkei derzeit nicht zu erwarten, dass dieses Auslieferungshindernis zeitnah ausgeräumt werden kann, weshalb bereits die Anordnung der förmlichen Auslieferungshaft nicht in Betracht kommt, solange eine entsprechende völkerrechtlich verbindliche Zusicherung fehlt (Anschluss an KG Berlin, Beschluss vom 17. Januar 2017, – (4) 151 AuslA 11/16 (10/17)-).

Begründung:

„Der Senat vermag die Voraussetzungen für die Anordnung der Auslieferungshaft derzeit angesichts der aktuellen politischen Lage in der Türkei dennoch nicht anzunehmen. Zwar hält der Senat eine Auslieferung an die türkische Republik anders als das OLG Schleswig (Beschluss vom 22. September 2016 – 1 Ausl (A) 45/15 (41/15) -, juris) nicht für grundsätzlich unzulässig. Jedoch geht der Senat davon aus, dass ein der Auslieferung entgegenstehendes Hindernis derzeit nicht ausgeräumt werden kann (in einem vergleichbaren Fall auch KG, B. v. 17.01.2017, (4) 151 AuslA 11/16 (10/17), juris). Angesichts der aktuellen politischen und justiziellen Entwicklungen in der Türkei seit dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 und der Verhängung des Ausnahmezustandes ist anzunehmen, dass sich aufgrund der aus der Presse und aus Berichten von nichtstaatlichen Organisationen wie A. I. zu entnehmenden massenhaften Inhaftierungen die Haftbedingungen vor Ort jedenfalls teilweise erheblich verschlechtert haben (OLG München, B. v. 16.08.2016, 1 AR 252/16). Auch wenn dem Senat insoweit keine konkreten Zahlen bekannt sind, ist davon auszugehen, dass eine Vielzahl von Personen innerhalb eines kurzen Zeitraumes inhaftiert worden ist und somit jedenfalls erhebliche Bedenken bestehen, ob die vom Europäischen Menschengerichtshof für erforderlich gehaltenen Haftbedingungen tatsächlich in allen Justizvollzugsanstalten der Türkei derzeit eingehalten werden. Aufgrund der zu vermutenden Haftbedingungen vor Ort könnte der Auslieferung daher langfristig ein Hindernis nach § 73 Satz 1 IRG in Verbindung mit Art. 3 EMRK entgegenstehen (KG a. a. O.). Hinzu kommt, dass die Türkei mit Datum vom 21. Juli 2016 gemäß Art. 15 EMRK eine Deklaration beim Europarat hinterlegt hat und auf diese Weise die in der Europäischen Menschenrechtskonvention niedergeschriebenen Rechte eines Beschuldigten weitestgehend außer Kraft gesetzt hat. Zwar darf ein Vertragsstaat auch in diesem Fall nicht von dem in Art. 3 EMRK niedergelegten Verbot der Folter und unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung abweichen. Jedoch kann der Senat angesichts der geschilderten politischen Lage vor Ort derzeit nicht ausschließen, dass die europäischen Mindeststandards für die Haftbedingungen in der Türkei zurzeit immer eingehalten werden können.“

Auslieferung nach Rumänien, oder: 3 qm Haftraumgröße müssen es schon dauerhaft sein

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Ich eröffne die 28. KW. mit zwei Entscheidungen zum Auslieferungsrecht. Beide kommen aus Celle. Die erste Entscheidung ist der OLG Celle, Beschl. v. 31.03.2017 – 2 AR (Ausl) 15/17. Die GStA hatte beantragt, die Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Strafvollstreckung wegen der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten wegen Raubes u. a. nach Rumänien für zulässig zu erklären und Haftfortdauer anzuordnen, nachdem der Verfolgte vorläufig festgenommen worden war. Das OLG hat das abgelehnt. Die Gründe ergeben sich aus den Leitsätzen des OLG. Sie sind für eine Auslieferung nach Rumänien nicht neu:

  1. Die Auslieferung eines Verfolgten nach Rumänien zur Strafvollstreckung aufgrund eines Europäischen Haftbefehls ist nach § 73 IRG unzulässig, wenn nicht sichergestellt ist, dass die dortigen Haftbedingungen den in Art. 3 EMRK verankerten menschenrechtlichen Mindestanforderungen genügen.
  2. Den durch den EGMR mit Urteil der großen Kammer vom 20. Oktober 2016 (7334/13, Mursic/Kroatien) aufgestellten Kriterien zu der Frage, ob die Haftbedingungen im Ausstellungsmitgliedstaat Art. 3 EMRK genügen, kommt eine normativen Leitfunktion zu. Die in dem Urteil des Gerichtshofes aufgestellten Maßstäbe sind daher der Prüfung des Senates zugrunde zu legen (Anschluss OLG Celle, 1. Strafsenat, Beschluss vom 23.12.2016 – 1 AR (Ausl) 80/16 -; entgegen OLG Hamburg, Beschluss vom 03.01.2017, Ausl 81/16).
  3. Danach stellt eine Haftraumgrundfläche von 3 m² pro Inhaftiertem bei Belegung eines Haftraumes mit mehreren Gefangenen das von Art. 3 EMRK verlangte Minimum dar. Die Unterschreitung dieses Minimalstandards begründet eine starke Vermutung für eine unmenschliche Behandlung.
  4. Dieser Maßstab gilt sowohl für den geschlossenen Vollzug als auch für den halboffenen Vollzug, weil der Gefangene auch im halboffenen Vollzug eine signifikante Zeit des Tages in dem Haftraum eingeschlossen ist.
  5. Um entgegen der Regelvermutung einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu verneinen, müssen drei (kompensatorische) Voraussetzungen kumulativ gegeben sein: Die Haftraummindestgröße von 3 m² pro Gefangenem darf nur kurzzeitig, gelegentlich und geringfügig unterschritten werden. Die Reduktion der Haftraummindestgröße muss mit ausreichender Bewegungsfreiheit außerhalb der Zellen und adäquaten Aktivitäten außerhalb der Hafträume einhergehen. Die betreffende Haftanstalt muss generell angemessen ausgestattet sein und darf es keine anderen den Gefangenen beschwerenden Haftumstände geben.

Auslieferung nach Rumänien, oder: 3 qm Haftraum/Person müssen es sein

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Auslieferungsrecht kommt hier im Blog leider etwas kurz, obwohl es in der Praxis ja eine immer größere Rolle spielt. Daher dann heute mal wieder einen Beschluss aus dem Bereich, der die in der Praxis immer wieder eine Rolle spielende Frage der Auslieferung in den Fällen der nicht genügenden menschenrechtlichen Mindestanforderungen geht. Es handelt sich um eine Auslieferung nach Rumänien und es spielt mal wieder die Haftraumgröße eine Rolle. Dazu dann der OLG Celle, Beschl. v. 02.03.2017 – 1 AR (Ausl) 99/16 – mit folgenden (amtlichen) Leitsätzen:

  1. Die Auslieferung eines Verfolgten nach Rumänien zur Strafvollstreckung aufgrund eines Europäischen Haftbefehls ist nach § 73 IRG unzulässig, wenn nicht sichergestellt ist, dass die dortigen Haftbedingungen den in Art. 3 EMRK verankerten menschenrechtlichen Mindestanforderungen genügen.
  1. Die Prüfung, ob die Haftbedingungen im Ausstellungsmitgliedstaat Art. 3 EMRK genügen, hat anhand der vom EGMR in seiner Grundsatzentscheidung vom 20. Oktober 2016 (7334/13, Murši?/Kroatien) aufgestellten Kriterien zu erfolgen (entgegen OLG Hamburg, Beschluss vom 3. Januar 2017 – Ausl 81/16).
  1. Danach stellt eine Haftraumgrundfläche von 3 m² pro Inhaftiertem bei Belegung eines Haftraumes mit mehreren Gefangenen das von Art. 3 EMRK verlangte Minimum dar. Die Unterschreitung dieses Minimalstandards begründet eine starke Vermutung für eine unmenschliche Behandlung.
  1. Um entgegen der Regelvermutung einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu verneinen, müssen drei (kompensatorische) Voraussetzungen kumulativ gegeben sein. Erstens darf die Haftraummindestgröße von 3 m² pro Gefangenem nur kurzzeitig, gelegentlich und geringfügig unterschritten werden. Zweitens muss die Reduktion der Haftraummindestgröße einhergehen mit ausreichender Bewegungsfreiheit außerhalb der Zellen und adäquaten Aktivitäten außerhalb der Hafträume. Und drittens muss die betreffende Haftanstalt generell angemessen ausgestattet sein und darf es keine anderen den Gefangenen beschwerenden Haftumstände geben.“

Auslieferung: Strafverfolgung wegen Mordes bzw. menschenrechtswidriger Haftbedingungen

entnommen openclipart.org

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Nach den beiden U-Haft-Postings am vergangenen Dienstag – siehe U-Haft I: „Hohe Freiheitsstrafe“ und Reststrafaussetzung, oder: Olle Kamellen  und U-Haft II: „Hohe Freiheitsstrafe“ und Reststrafenaussetzung – so geht es beim BGH – hier dann zwei Entscheidungen betreffend Auslieferung/Auslieferungshaft. Auslieferungsrecht nimmt an Bedeutung zu, kommt aber leider hier im Blog doch zu kurz. Bei den beiden Entscheidungen handelt es sich um:

  • OLG Hamm, Beschl. v. 16.08.2016 – 2 Ausl. 145/13 – ergangen in einem Verfahren betreffend die Auslieferung eines deutschen Staatsangehörigen nach Belgien zur Strafverfolgung wegen Mordes bei drohender Verurteilung zu einer zweiten lebenslangen Freiheitsstrafe. Der Leitsatz der Entscheidung:„Die Auslieferung eines deutschen Staatsangehörigen, der bereits in Deutschland aufgrund einer inländischen Verurteilung eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßt, zum Zwecke der Strafverfolgung wegen einer anderen, im ersuchenden Staat begangenen und dort mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe bedrohten Tat, für die auch die deutsche Gerichtsbarkeit nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB sowie eine Gesamtstrafenfähigkeit nach §§ 53-55 StGB gegeben wäre, kann trotz einer für den Fall der Verurteilung abgegebenen Zusicherung der Rücküberstellung unzulässig sein. Dies ist dann der Fall, wenn dem Verurteilten ohne Härteausgleich die Vollstreckung einer weiteren, gesondert zu vollstreckenden lebenslangen Freiheitsstrafe droht.“
  • OLG Hamm, Beschl. v. 23.08.2016 – 2 Ausl 125/16 betreffend die Unzulässigkeit der Auslieferung nach Rumänien zur Strafvollstreckung aufgrund der Besorgnis menschenrechtswidriger Haftbedingungen. Der Leitsatz der Entscheidung:„Die Auslieferung eines Verfolgten nach Rumänien zur Strafvollstreckung ist derzeit unzulässig, weil die begründete und durch die bisherigen Auskünfte der rumänischen Behörden nicht ausgeräumte Besorgnis besteht, dass der Verfolgte im Hinblick auf den ihm lediglich zugesicherten persönlichen Haftraumanteil von 2-3 Quadratmetern menschenrechtswidrigen Haftbedingungen ausgesetzt sein wird.“