In der zweiten KG-Entscheidung, dem KG, Beschl. v. 14.01.2017 – (4) 151 AuslA 11/16 (10/17) – geht es um die Zulässigkeit der Auslieferung zur Auslieferung zur Strafvollstreckung an die Türkei. Vollstreckt werden soll dort eine Freiheitsstrafe von rund 3 Jahren und sechs Monaten wegen eines versuchten Tötungsdelikts.
Die formellen Voraussetzungen für die Auslieferung haben vorgelegen, das KG hat aber dennoch die Auslieferung abgelehnt:
„2. Der Senat vermag die Voraussetzungen für die Anordnung der Auslieferungshaft (§ 15 Abs. 2 IRG) aber nicht anzunehmen, weil bei derzeitiger Bewertung davon auszugehen ist, dass ein der Auslieferung entgegenstehendes Hindernis nicht ausgeräumt werden wird. Angesichts der politischen und justiziellen Entwicklungen in der Republik Türkei seit der Verhängung des Ausnahmezustands im Juli 2016 und deren Auswirkungen (auch) auf die Haftbedingungen in der Türkei ist anzunehmen, dass der Auslieferung ein Hindernis aus § 73 Satz 1 IRG i.V.m. Art. 3 EMRK endgültig entgegen stehen wird.
Der Senat lässt offen, ob, wie das OLG Schleswig (NStZ 2017, 50) – allerdings im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Schilderung von Haftbedingungen im türkischen Polizeigewahrsam in einer Mitteilung des Auswärtigen Amtes vom 16. August 2016 – meint, die Auslieferung an die Türkische Republik zurzeit generell als unzulässig anzusehen ist.
Jedenfalls hält er es in Übereinstimmung mit der Auffassung des OLG München (Beschluss vom 16. August 2016 – 1 AR 252/16 – [juris] = NStZ-RR 2016, 323) für erforderlich, dass die türkische Regierung eine völkerrechtlich verbindliche Zusicherung zu den den Verfolgten konkret erwartenden Haftbedingungen und zur Überprüfbarkeit durch deutsche Behördenvertreter mit folgenden Inhalten abgibt:
- Angabe der – in einer Entfernung von maximal 250 Kilometern zur Deutschen Botschaft oder zu einem Deutschen (General-)Konsulat befindlichen – Haftanstalt (genaue namentliche Bezeichnung der Haftanstalt), in die der Verfolgte nach erfolgter Auslieferung aufgenommen und in der er während der Dauer des Freiheitsentzugs inhaftiert sein wird;
- Zusicherung, dass die räumliche Unterbringung und die sonstige Gestaltung der Haftbedingungen in dieser Haftanstalt den europäischen Mindeststandards entsprechen und den Häftlingen dort keine unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung im Sinne von Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten droht;
- Beschreibung der Haftbedingungen in der namentlich benannten Haftanstalt, insbesondere im Hinblick auf: Zahl der Haftplätze, Gesamtzahl der Gefangenen, Anzahl, Größe und Ausstattung der Hafträume (insbesondere auch Angaben zu Fenstern, Frischluftzufuhr und Heizung), Belegung der Hafträume, Ausstattung der Haftanstalt mit sanitären Einrichtungen, Verpflegungsbedingungen, Art und Bedingungen des Zugangs der Häftlinge zu medizinischer Versorgung;
- Zusicherung, dass Besuche durch diplomatische oder konsularische Vertreter der Bundesrepublik Deutschland beim Verfolgten während der Dauer seiner Inhaftierung – auch unangekündigt – möglich sind.
Der Senat hat in anderen Verfahren die Erfahrung gemacht, dass die türkische Seite ersichtlich nicht bereit zu sein scheint, solche konkreten Erklärungen verbindlich abzugeben, und Besuche von Angehörigen der diplomatischen oder konsularischen Dienste der Bundesrepublik Deutschland zudem von längerfristigen Ankündigungen abhängig macht. Durch eine Nachfrage bei dem Oberlandesgericht München (zum Fortgang der dortigen Sache 1 AR 252/16) ist ihm überdies bekannt geworden, dass das OLG in jenem Verfahren die Zulässigkeit der Auslieferung nicht feststellen konnte, weil die türkischen Behörden – wie im Übrigen auch in allen anderen vergleichbaren Fällen, in denen das OLG in den vergangenen Monaten Entscheidungen zu treffen hatte – keine ausreichenden Zusicherungen abgegeben haben, da sie hierzu offensichtlich nicht bereit sind, sondern vielmehr lediglich allgemein gehaltene Erklärungen zu Haftbedingungen abgegeben und zunehmend offenes Unverständnis gegenüber entsprechenden Anfragen der deutschen Seite gezeigt haben. Auch im hier gegebenen Fall liegt bislang lediglich eine unzureichende allgemein gehaltene Erklärung vor. Dem Senat ist schließlich aus einem anderen bei ihm anhängigen Verfahren bekannt, dass derzeit solche pauschalen Zusicherungen im Rechtshilfeverkehr mit der Türkischen Republik auch im Bewilligungsverfahren vom Bundesamt für Justiz für nicht ausreichend erachtet werden.“