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BVerfG II: „Beschäftigte werden wie Zitronen ausgepresst“, oder: Schmähkritik, oder darf man das sagen?

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Autor Fossa

Bei der zweiten BVerfG-Entscheidung handelt es sich um den BVerfG, Beschl. v. 30.05.2018 – 1 BvR 1149/17, ergangen in/nach einem arbeitsrechtlichen Verfahren wegen einer Kündigung. Gekündigt worden war dem Arbeitnehmer wegen wegen eines Schreibens an die Belegschaft. Der hatte in einer Betriebsratswahl ein Mandat erlangt, die Arbeitgeberin stellte ihn jedoch bald nach Feststellung der Nichtigkeit dieser Wahl aus anderen Gründen von seiner Arbeitsleistung frei und kündigte das seit mehreren Jahren bestehende Arbeitsverhältnis. Daraufhin ließ der Arbeitnehmer im Betrieb ein Schreiben ausgeben. Darin warf er dem namentlich benannten Betriebsleiter u.a. vor, Beschäftigte „wie Zitronen auszupressen“, Alte, Kranke und „Verschlissene“ gegenüber Gesunden und Jungen oder auch Leiharbeitnehmer und befristet Beschäftigte gegenüber der Stammbelegschaft „auszuspielen“. Überhaupt werde mit den Hoffnungen von entliehen oder befristet Beschäftigten „brutal gespielt“. Den (klagenden) Arbeitnehmer der Betriebsleiter anscheinend aus Angst vor den Betriebsratswahlen aus dem Unternehmen entfernt. Am Ende des Schreibens findet sich als Zitat der Satz: „Wer heute einem Übel teilnahmslos zuschaut, kann schon morgen selbst Opfer des Übels werden“. Daraufhin kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich, ein zweites Mal.

Strafrecht meets Arbeitsrecht, oder: Wer schwarz fährt, kann nicht Lehrer werden

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Schon vor einiger Zeit ist das LAG Berlin, Urt. v. 31.03.2017 – 2 Sa 122/17 über die „Blog-Ticker“ gelaufen. Inzwischen liegt der Volltext, so dass ich dann auch (noch einmal) berichten kann/will. Im arbeitsrechtlichen Verfahren ging es um den Anspruch eines Bewerbers auf eine Stelle als Studienrat nach Bekanntwerden einer Straftat durch das im Einstellungsverfahren vorzulegende Führungszeugnis. Der Pädagoge hatte sich in Berlin auf eine Lehramtsstelle beworben. Das Land Berlin stellte ihm auch eine Einstellung als Lehrer in Aussicht. Das Land nahm seine „Zusage“ dann jedoch zurück, nachdem das erweiterte Führungszeugnis über den potentiellen Lehrer vorgelegt worden war. Darin war nämlich ein ein Strafbefehl wegen versuchten Betrugs (§§ 263, 22 StGB) und eine dafür verhängte Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen aufgeführt. Der Pädagoge war mit der S-Bahn schwarzgefahren und hatte bei der Fahrscheinkontrolle einen verfälschten Fahrausweis vorgezeigt. Das Land Berlin ging aufgrund dieser Eintragung von charakterlicher Ungeeigentheit aus.

Es ist dann auf Einstellung geklagt worden. Ohne Erfolg, denn:

„(2) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hat das beklagte Land bzw. die für das Land Berlin handelnde Senatsverwaltung keine sachwidrigen Erwägungen angestellt oder allgemeingültige Wertmaßstäbe verkannt. Denn die Senatsverwaltung hat gerade nicht auf eine in den Augen des Klägers bloße Bagatelle wie das Schwarzfahren abgestellt, sondern hat ausdrücklich bei der Abwägung berücksichtigt, dass der Kläger wegen Betruges verurteilt wurde, weil er seinen Fahrschein manipuliert hat. Es hat ferner berücksichtigt, dass die Aufnahme in das Bundeszentralregister gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 5 BZRG nur dann ergehen kann, wenn im Register eine frühere Verurteilung vermerkt ist. Es hat deshalb aus „Vertrauensgesichtspunkten“ den Kläger nicht eingestellt.

(3) Entgegen der Auffassung des Klägers durfte der Beklagte dies auch, weil die Tat und die erstrebte Einstellung des Klägers als Studienrat wie bei einem Polizisten und einer Straftat im Register miteinander in Beziehung stehen, wobei es dahinstehen kann, ob dies überhaupt erforderlich ist. Denn als Studienrat erzieht der Kläger Minderjährige. Erziehung beinhaltet unter anderem die Vorbildfunktion. Der Kläger kann minderjährigen Jugendlichen kein Vorbild sein, wenn er Bescheinigungen wie hier den Studentenausweis verfälscht und damit eine (weitere) Straftat des versuchten Betruges begeht.“

Was tun? Nun, der Lehrer kann warten, bis das Register ggf. sauber ist und es dann noch einmal versuchen. Aber: Er ist immerhin schon Jahrgang 1967, also auch nicht mehr so ganz jung.