Durch Anfragen von Kollegen weiß ich, dass eine gebührenrechtliche Problematik in der Praxis eine erhebliche Rolle spielt. Nämlich die Frage, ob und inwieweit Vorschüsse, die der Rechtsanwalt als Wahlanwalt erhalten hat, auf seine gesetzlichen Gebühren angerechnet werden, wenn er später zum Pflichtverteidiger bestellt wird.
Das läuft über § 58 Abs. 3 RVG. Mit dessen Anwendung liegt m.E. in der verhältnismäßig strengen obergerichtlichen Rechtsprechung aber einiges im Argen, weil die OLG den Begriff des „Verfahrensabschnitts“, auf den es ankommt, unzutreffend auslegen. Dazu ist einiges im RVG-Kommentar, auf den ich bei der Gelegenheit mal wieder hinweise – das war jetzt Werbung 🙂 – geschrieben. Zu den Problemen des Auslegung des § 58 Abs. 3 RVG will ich mich jetzt hier aber gar nicht äußern. Es geht vielmehr um eine ganz andere – vorrangige – Frage.
In Zusammenhang mit der Anrechnung von als Wahlanwalt erhaltenen Vorschüssen auf die Pflichtverteidigergebühren (§ 58 Abs. 3 RVG) beschäftigt einen Kollegen nämlich folgendes Problem: Erfolgt die Anrechnung nach § 58 Abs. 3 RVG auch dann, wenn im Rahmen eines früheren Wahlmandats Honorar an den Partner einer Kanzlei geleistet wurde und nun ein angestellter Anwalt die Pflichtverteidigung übernimmt? Muss dieser sich also die frühere Zahlung an die Kanzlei auf seine gesetzlichen Gebühren anrechnen lassen?
Ich habe dem Kollegen folgende Antwort gegeben: M.E. nein. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 58 Abs. 3 RVG. Denn dort heißt es: „… sind Vorschüsse und Zahlungen, die der Rechtsanwalt vor oder nach der gerichtlichen Bestellung oder Beiordnung für seine Tätigkeit für bestimmte Verfahrensabschnitte erhalten hat, auf die von der Staatskasse für diese Verfahrensabschnitte zu zahlenden Gebühren anzurechnen.“ Die Anrechnung erfolgt also also personenbezogen und stellt darauf ab, ob der nun als Pflichtverteidiger bestellte Rechtsanwalt Vorschüsse erhalten hat. Das ist aber, wenn die Vorschüsse an den Partner der Kanzlei gezahlt worden sind, nicht der Fall. Dass der Pflichtverteidiger dort angestellt ist, ändert daran m.E. nichts. Er hat keinen Vorschuss erhalten.