Schlagwort-Archive: Aktenversendungspauschale

Sie versuchen es immer wieder II – oder: Hier wird mal wieder „kreativ“ gedacht

Der Kollege Siebers berichtete hier über den Versuch des Gerichts, die Gebühr Nr. 4141 VV RVG nicht festzusetzen.

Zu dem Beitrag passt ganz gut eine gebührenrechtliche Anfrage, die mich vor einigen Tagen erreicht hat. Der Kollege schreibt:

„Es geht um ein Strafverfahren mit Ermittlungs- und gerichtlichem Verfahren. Im Ermittlungsverfahren war die Übersendung der polizeilichen Akte nötig, was die 12,00 EUR Aktenübersendungspauschale auslöste. Im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahren wurde diese Gebühr mit geltend gemacht, jedoch hat das Gericht diese nicht festgesetzt und darauf verwiesen, dass man die Akte auch hätte bei der Behörde abholen können. Verwiesen worden ist auf § 464 a StPO i.V.m § 91 ZPO als auch auf § 2 KostO. Nun stellt sich uns die Frage, ob man nicht mit dem Argument der Kostenersparnis (Abwesenheit aus Kanzlei und Fahrtkosten) dagegenhalten könnte und ob dies überhaupt erfolgversprechend wäre. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass das Verfahren in Berlin stattfand und die Akte auch von der Behörde in Berlin hätte in Berlin abgeholt werden können.“

Wenn man es liest, ist man dann doch erstaunt, darüber wie mal wieder zu Lasten des Verteidigers/Angeklagten kreativ gedacht wird, um 12 € zu sparen (Kleinvieh macht eben doch Mist).

Mich würde interessieren, ob das Einzelfall ist oder die Problematik nur in Berlin von Bedeutung ist oder ob – auch Rechtspfleger nehmen an Schulungen Teil – diese Argumentationslinie auf uns zukommt. M.E. ist sie falsch. Die Justiz bietet die Versendung der Akte an. Damit muss es m.E. dem Rechtsanwalt überlassen sein, ob er davon Gebraucht macht oder die Akte abholt. Lässt er sich die Akte schicken, entsteht die Aktenversendungspauschale, die der Rechtsanwalt dann zu zahlen hat = für den Mandanten verauslagt. M.E. kann dann nicht später die Justiz hingehen und die Zusendung der Akte statt deren Abholung als nicht erforderlich beurteilten, wenn man die Möglichkeit selbst zur Verfügung stellt.

Im Übrigen ist die Argumentation des Kollegen, sich Abwesenheit und Fahrtkosten bezahlen zu lassen, ganz nicht so dumm. Wenn man das durchrechnet, kommt sicherlich mehr dabei heraus, als die 12 €. Auf die Argumentation dazu darf man gespannt.

Das Ganze m.E. ein „schönes Beispiel“ dafür, welcher Aufwand manchmal getrieben wird, um 12 € zu sparen.

Akteneinsicht nur gegen Vorschuß? – da war doch mal was, oder: 15 Jahre sind genug…

Im Forum bei LexisNexis Strafrecht (immer wieder eine Fundgrube für Blogbeiträge :-)) fragte gestern ein Kollege nach, der gerade „Post machte“ und dort die Mitteilung einer – wie sich auf Nachfrage herausstellte – Verwaltungsbehörde aus einem „kleinen Kaff im Osten“ vorfand, die ihm mitteilte, dass die im OWi-Verfahren beantragte Akteneinsicht nur gegen Vorschuss von12 € als Verrechnungsscheck gewährt werde. Der Kollege erinnerte sich, dass da doch mal was war, hat aber lieber doch mal nachgefragt. Man weiß ja nie; es gibt ja immer wieder mal was Neues.

Recht hat er. Nicht, dass es etwas Neues gibt, sondern, dass da schon mal was war. Nämlich eine Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 1995 (!!) (vgl. NJW 1995, 3177), wonach die Akteneinsicht eben nicht von der vorherigen Zahlung der Aktenversendungspauschale (derzeit 12 €) abhängig gemacht werden darf. Also: Ein sprichwörtlicher alter Hut, der aber nun nach 15 Jahre nicht davon abhält, das Faß wieder aufzumachen (zur der Frage gibt es übrigens eine ganze Menge älterer Rechtsprechung, die in meinen Handbuch EV, bei Rn. 140 zusammengestellt ist).

Man fragt sich wirklich: Ob der Beschluss des BVerfG sich bisher noch nicht bis in den Osten durchgesetzt hat? Oder was steckt dahinter? Und mir soll jetzt bitte keiner schreiben, in kleinen Orten im Osten hätten die Verwaltungsbeamten nicht so viel Zeit, sich mit solchen Fragen zu beschäftigen. 15 Jahre sind genug…

LG Leipzig: So kann man nur argumentieren, wenn man den Unterschied nicht kennt

Gebührenrechtliche Fragen sind immer wieder interessant bzw. es gelingt den Gerichten immer wieder, einfache Fragen interessant zu machen. So z.B. das LG Leipzig. Dieses – und damit natürlich auch die „nachgeordneten“ AG – vertritt – soweit ich das sehe als einziges LG – die Auffassung, dass die Aktenversendungspauschale Nr. 9003 KV GKG und die Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG nicht nebeneinander geltend gemacht werden können; s. z.B. auch im Beschluss v. 04.02.2010 – 5 Qs 71/09.

Darauf muss man erst mal kommen, oder, wie schreibt N. Schneider so schön treffend in AGS 2010, 75: „Auf die Idee kann man nur kommen, wenn man nicht weiß, was die Aktenversendungspauschale ist“. Sie entsteht für die durch die Versendung bei Gericht entstehenden Kosten, während die Nr. 7002 VV RVG Versendungen des Rechtsanwalts abgilt. Das/die eine hat also mit der anderen nichts zu tun, bzw.: LG Leipzig wirft Birnen und Äpfel in einen Topf. Die Verteidiger in dem Bezirk sollten weiterhin so tapfer gegen die falsche Auffassung ankämpfen, wie sie es bisher schon getan hat. Vielleicht gelingt es ihnen ja, das LG zur besseren Einsicht zu bringen.

Im übrigen: Auch die anderen Ausführungen im Beschluss vom 04.02.2010 reizen zum Widerspruch, da sie m.E. die Gebühren des Verteidigers zu niedrig ansetzen. Aber auch da kämpft man manchmal gegen Windmühlenflügel.