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Ring frei II: AG Parchim: Der „Landkreis..“ hat „…. zu vertuschen versucht…“

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Ich hatte ja schon am Montag zum Wochenauftakt über die Auswertung von Messdaten durch Private und ein sich daraus ergebendes Beweisverwertungsverbot berichtet (vgl. das AG Kassel, Urt. v. 14.04.2015 – 385 OWi – 9863 Js 1377/15 – und dazu Ring frei zur nächsten Runde? oder: Geblitzt – ausgewertet von Privaten – Freispruch). Der in dem Beitrag erwähnte Kollege D. Noack aus Berlin hat mir freundlicher Weise das ebenfalls erwähnte – von ihm/seiner Kanzlei erstrittene AG Parchim, Urt. v. 01.04.2015 –  5 OWi 2215/14 – übersandt. Dafür besten Dank. Ich stelle es ebenfalls gern – zum Wochenende – auf meiner Homepage zu allgemeinen Verwendung 🙂 ein.

Die Argumentation des zeitlich vor dem AG Kassel, Urt. v. 14.04.2015 – 385 OWi – 9863 Js 1377/15 ergangenen AG Parchim, Urt. v. 01.04.2015 –  5 OWi 2215/14 – geht in dieselbe Richtung:

„Die Feststellung von Ordnungswidrigkeiten ist eine typische Hoheitsaufgabe aus dem Kernbereich staatlichen Handelns. Eine Mitwirkung von Privatpersonen ist nur möglich, wenn die Verwaltungsbehörde „Herrin des Verfahrens“ bleibt. Bei Geschwindigkeitsmessungen muss die Behörde nicht nur Ort, Zeit und Häufigkeit der Messungen vorgeben, sondern auch den eigentlichen Messvorgang durch eigene ausgebildete Mitarbeiter kontrollieren, um gegebenenfalls einschreiten zu können. Schließlich muss die Auswertung des Messergebnisses der Ordnungsbehörde vorbehalten bleiben (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.07.2003 – 2 Ss Owi 388/02).“

Und wenn das nicht der Fall ist: Beweisverwertungsverbot (vgl. dazu auch OLG Naumburg, Beschl. v.07.05.2012 – 2 Ss Bz 25/12 und Hilfe von Privaten – Beweisverwertungsverbot für Messergebnisse im Straßenverkehr). Man sieht, so ganz neu ist die Geschichte nicht. Sie kocht nur gerade wieder an verschiedenen Stellen der Republik hoch. Das spricht dafür, dass flächendeckend so ausgewertet wird.

Was mich – gelinde ausgedrückt – erstaunt, ist folgende Passage im AG Parchim-Urteil:

„Der Landkreis Ludwigslust-Parchim hat nicht nur bei Missachtung der Vorgaben aus dem vorbezeichneten Erlass die Datenauswertung exclusiv der V. GmbH als privaten Dienstleistungsanbieter übertragen, sondern dies auch in Kenntnis der Rechtswidrigkeit dieses Vorgehens zu vertuschen versucht.

Bereits in den vorangegangenen Verfahren 5 OWi 1913/14 und 5 OWi 1633/14 hat das Gericht am 9.12.2014 bei Durchführung eines Ortstermins in den Geschäftsräumen der Stabsstelle Verkehrsüberwachung bei dem Landkreis Ludwigslust-Parchim sich von dem tatsächlichen Ein-satz eines dort installierten TUFFViewers im Rahmen der Datenauswertung zu überzeugen versucht. Dort ist dem Gericht durch den Leiter der Stabsstelle Verkehrsüberwachung, Herrn pp., die Auskunft erteilt worden, dass es wegen seiner fehlenden Sachkenntnis nicht möglich sei, das dortige Messdatenauswertungsverfahren zu demonstrieren. Auch die zuständigen Sachgebietsleiter stünden hierfür nicht zur Verfügung. Aus der dem Gericht vorliegenden, in der Hauptverhandlung verlesenen, von der Zeugin A. an die Mitarbeiter der Stabsstelle Verkehrsüberwachung übersandten E-Mail vom 21.11.2014 ist zu entnehmen, dass anfragenden Rechtsanwälten die Auskunft zu erteilen sei, dass seit dem 15.10.2013 die Umstellung auf den neuen TUFFViewer 3.45-1 abgeschlossen worden sei und dieser seither für die ausschließliche Auswertung durch die Mitarbeiter des Landkreises Ludwigslust Parchim verwendet werde. Weiterführende Auskünfte an Rechtsanwälte sollten nicht erteilt werden. In seiner ebenfalls dem Gericht vorliegenden und in der Hauptverhandlung verlesenen weiteren E-Mail vom 02.02.2015 beklagt der vorgenannte Leiter der Stabsstelle Verkehrsüberwachung gegenüber den dortigen Mitarbeitern den Umstand, dass die interne E-Mail vom 21.11.2014 dem Amtsgericht Parchim vorläge und er prüfen lasse, wer für die Weitergabe der betreffenden E-Mail an „unbefugte Dritte“ verantwortlich sei.

Dem ist zu entnehmen, dass die Stabsstelle Verkehrsüberwachung in Kenntnis der ihr bereits in vorangegangenen Verfahren mitgeteilten oben bezeichneten obergerichtlichen Rechtsprechung bewusst auch der Erlasslage zuwiderhandelnd die Datenauswertung ausschließlich in private Hände ohne eigene Kontrollmöglichkeit übertragen hat. Auch hat der Landkreis Ludwigslust-Parchim dem Gericht die Einsichtnahme in die mit der V. Wismar GmbH bestehende Dienstleistungsvereinbarung trotz in der Hauptverhandlung verlesenen schriftlichen Ersuchens mit Fristsetzung zum 28.3.2015, 12.00 Uhr, verweigert.“

Da ist man doch ein wenig „verwundert“. Ich kann nur sagen: Keinen weiteren Kommentar.

Fahrverbot – wohin mit dem Führerschein zur Vollstreckung?

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Nach § 25 Abs. 2 Satz 2 StVG werden die von einer deutschen Behörde ausgestellten nationalen und internationalen Führerscheine für die Dauer eines verhängten Fahrverbotes amtlich verwahrt. Für die Berechnung der Fahrverbotsfrist ist von Bedeutung, wann und wo der Führerschein in amtliche Verwahrung gelangt (§ 59a StrVollStrO). Und da stellt sich dann häufig die Frage: Muss das bei der Staatsanwaltschaft oder kann das auch bei anderen Stelle sein, die zur Annahme bereit ist (vgl. § 59a Abs. 5 StrVollStrO)? Häufig sprechen Praktikabilitätsgründe – bessere Erreichbarkeit pp. für Letzteres.

Um die Frage haben ein Verteidiger und die Staatsanwaltschaft Schwerin gestritten. Der Verteidiger hatte mitgeteilt, dass er den Führerschein für seine Mandantin bei der Kreisordnungsbehörde abgeben wolle. Die StA sah das anders und man traf sich beim AG Parchim im Verfahren über einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung wieder. Der AG Parchim, Beschl. v. 18.12.2012 – 5 OWiG 424/12 – hat dem Verteidiger Recht gegeben.

„Nach § 25 Abs. 2 S. 2 StVG werden die von einer deutschen Behörde ausgestellten nationalen und internationalen Führerscheine für die Dauer des Fahrverbotes amtlich verwahrt. Dabei enthält die Vorschrift allerdings keine Regelung, dass die amtliche Verwahrung regelmäßig nur bei der Vollstreckungsbehörde als eine solche anzusehen ist Vielmehr sprechen Praktikabilitätserwägungen dafür, die Abgabe des Führerscheines bei jeder das Fahrerscheindokument entgegennehmenden  Ordnungsbehörde als Abgabe in amtliche Verwahrung im Sinne de Vorschrift anzuerkennen.“

 

 

Die Geschichte eines Beschlusses – Akteneinsicht a la AG Parchim

Manchmal ist es schon ganz interessant zu erfahren/zu wissen, wie es eigentlich zu einem Beschluss gekommen ist bzw., was sich vorab abgespielt hat. Deshalb stelle ich dem AG Parchim, Beschl. v. 08.10.2012 – 5 OWiG 407/12 – die Ausführungen voran, die der Kollege, der mir den Beschluss geschickt hat, bei der Übersendung erläutern gemacht hat:

„…anbei ein Beschluß des AG Parchim zur Bedienungsanleitung, welcher dem vorgeblichen Urheberrecht eine Absage erteilt.

An sich ja nichts so neues (mehr), interessant daran ist, dass auf Anforderung der BedAnl die Bußgeldstelle zunächst Zugangsdaten für einen Onlinezugang unter http://onlinehandbuch.vidit-systems.de/index.php/anmelden/login übersandte, unter dem man per http://www.3dpageflip.com/ ein Onlinebuch durchblättern kann, bei dem es nicht möglich ist, die Anleitung komplett oder einzelne Seiten auszudrucken. Im Rahmen der Registrierung folgt der Hinweis von Vidit „Das Recht zur Einsicht der Bedienungsanleitung gilt nur für die Dauer des Verfahrens. Der Ausdruck, Nachdruck, auch auszugsweise, ohne ausdrückliche Erlaubnis des Herausgebers ist nicht statthaft.“.

Ich teilte der Bußgeldstelle darauf mit, dass der Hersteller eine zur sachgerechten Verteidigung erforderliche Einsicht vereiteln würde und verwies auf den beigefügtene Ausdruck der Registrierungsmaske.

Dazu verwies ich darauf, daß eine sachgerechte Vorbereitung auf die Zeugenvernehmung des Messbeamten, erfordert, dass die Verteidigung sich eine komplette Kopie – zumindest soweit die eigentliche Bedienung und Vorbereitung der Messung selbst betroffen ist – verschaffen muß, um anhand derer die Befragung des Messbeamten als Zeugen zu gestalten. Es sei weder zeitlich noch vom Aufwand her zumutbar, mittels Screenshots zig Einzelseiten zum kaum lesbaren Ausdruck zu bringen (was möglich wäre), zumal der Hersteller dieses ausdrücklich nicht genehmigt.

Als Antwort verwies die Bußgeldstelle des Landkreises Ludwigslust-Parchim darauf,  man könne „nach nochmaliger Rücksprache mit der Fa. Vidit mitteilen, dass die Seiten nur käuflich über die Firma selbst erworben werden können. Das eigenständige Ausdrucken ist aus urheberechtlichen Gründen nicht möglich“.

Das hat das AG Parchim in seinem Beschluss dann anders gesehen.:

Der Verteidiger hat den Landkreis Ludwigslust-Parchim als zuständige Verwaltungsbehörde um Übersendung einer Kopie der Bedienungsanleitung des Abstandsmessgerätes VKS 3.0 gebeten. Dies hat der Landkreis mit der Begründung abgelehnt, es stünden urheberrechtliche Bedenken einer Vervielfältigung der dort vorhanden Bedienungsanleitung entgegen. Dem ist nach ständiger Rechtsprechung nicht so.

Grundsätzlich erstreckt sich das Recht des Verteidigers auf Akteneinsicht auch auf solches verfahrensbezogenes Material der Verwaltungsbehörde, das in den Akten nicht enthalten ist, etwa die Bedienungsanleitung, Wartungs- und Störungsprotokolle des verwendeten Messgerätes u.ä.. Nur so ist der Verteidiger in die Lage versetzt, das ordnungsgemäße Zustandekommen des Messergebnisses zu überprüfen und gegebenenfalls in der Hauptverhandlung die betr. Messbeamten hinreichend zu befragen.

Im nächsten Jahr wird es uns dann ja der AK IV des 51. VGT sagen, wie es geht (vgl. hier). Wirklich?