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AG Nördlingen: Grausame Akteneinsicht, aber: Schönen Gruß vom Marketing.

© J.J.Brown - Fotolia.com

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Der Kollege Gratz vom VerkehrsrechtsBlog hat ja vor einigen Tagen schon über den AG Nördlingen, Beschl. v. 08.09.2016 – 4 OWi 99/16 – berichtet. Von ihm habe ich den grausamen Beschluss erhalten und stelle ihn hier heute auch vor. Als ich den Beschluss gelesen habe, habe ich nur gedacht: Das sind dann die Auswüchse vom OLG Bamberg, Beschl. v. 04.04.2016 – 3 Ss OWi 1444/15 (dazu „Logik ist Ansichtssache“, oder: Zirkelschluss beim OLG Bamberg zur Einsichtnahme in die Messdatei bei ESO 3.0) und vom OLG Bamberg, Beschl. v. 05.09.2016 – 3 Ss OWi 1050/16 (dazu: Zement aus Bamberg, oder: Mia san mia).  Man kann sagen: Die Saat ist aufgegangen, oder, wenn das die Absicht des OLG Bamberg war: Es ist vollbracht.

Und das AG Nördlingen geht sogar noch weiter als das OLG Bamberg – ist ja auch umgefährlich, wenn man dessen Rechtsprechung sieht. Der Verteidiger hatte „Akteneinsicht in Eichschein, Lehrgangsbescheinigung, Lebensakte und Überlassung von Rohmessdaten bezüglich der erfolgten Messung“ beantragt. Das AG Nördlingen verweigert ALLES. Begründung: Haben wir nicht und brauchen wir, vor allem du nicht. Und wenn wir es nicht haben, wollen wir es auch nicht haben/beiziehen, denn wir/du brauchst es nicht. Wie der Verteidiger allerdings „Zweifel an der Ordnungsgemäßheit“ der Messung vortragen soll, das sagt ihm das AG nicht. Und wie er „konkrete Bedenken“ vortragen/geltend machen soll, wenn er die Messung, um die es geht, gar nicht kennt und auch gar nicht überprüfen kann, erfährt er auch nicht.

Der Gipfel der Entscheidung, die sich natürlich nicht mit anderer abweichender Rechtsprechung auseinander setzt – mia san eben mia -,  ist dann ihr letzter Absatz:

„Soweit ein Anspruch auf Einsicht in die Lebensakte und die Bedienungsanleitung teilweise aus den Grundsätzen des fairen Verfahrens und der effektiven Verteidigung hergeleitet wird, überzeugt dies nicht. Denn zum einen gibt es inzwischen Handbücher speziell für die Verteidigung bei Ordnungswidrigkeiten, welche auf den Bedienungsanleitungen basieren und die rechtlich und technisch relevanten Fragen darstellen. Diese bieten dem Betroffenen die Möglichkeit, sich mit Messergebnissen und Zeugenaussagen kritisch auseinanderzusetzen.“

Ah, der Verteidiger soll also „Handbücher speziell für die Verteidigung bei Ordnungswidrigkeiten“ kaufen und hat dann „die Möglichkeit, sich mit Messergebnissen und Zeugenaussagen kritisch auseinanderzusetzen.“ Wie soll das gehen, wenn ich die Messung gar nicht kenne. Soll der Verteidiger im stillen Kämmerlein sitzen, Handbücher lesen, dann Einwände (welche ?) vortragen, um sich dann von den Gerichten bescheinigen zu lassen, dass das alles ja nicht konkret sei, sondern es sich um die Behauptung von Fehlern ins Blaue hinein handele? Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man lachen.

Nun, aber: Ich will den Beschluss des AG nicht völlig verreißen. „Handbücher speziell für die Verteidigung bei Ordnungswidrigkeiten“ lese ich als Herausgeber von zwei solcher Handbücher natürlich gerne, nämlich unser „Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren“ und „Messungen im Straßenverkehr„, beide jetzt (bald) in 4. Aufl. Die sollen – bzw. werden hoffentlich – von Verteidigern nun noch besser gekauft als schon in der Vergangenheit, um sich mit Messverfahren auseinandersetzen zu können. Insofern: Lieben Dank an das AG Nördlingen und schönen Gruß von der Marketing-Abteilung des ZAP-Verlages. Wir hätten es kaum besser gekonnt. Und nur zu Klarstellung: Ich habe bei der Marketing-Abteilung nachgefragt. Dort ist niemand mit einem Richter/einer Richterin am AG Nördlingen verwandt oder verschwägert 🙂 .

Blutentnahme – immer ohne Richter – Beweisverwertungsverbot

Die mit der Blutentnahme und einem Beweisverwertungsverbot bei Verletzung des sich aus § 81a Abs. 2 StPO ergebenden Richtervorbehalts zusammenhängenden Fragen beschäftigen die Rechtsprechung längst nicht mehr in dem Maße wie sie es eine in den vergangenen Jahren zunächst getan haben.

Aber man trifft immer wieder noch auf Entscheidungen, die sich mit der Problematik befassen. Dazu gehört AG Nördlingen, Urt. v.28.12.2011 – 5 OWi 605 Js 109117/11, das mir der Verteidiger übersandt hat. Das AG ist dort von einem Beweisverwertungsverbot ausgegangen. Begründung: Der Polizeibeamte sei pauschal davon ausgegangen, bei Verdacht von Alkohol- und Drogendelikten stets zur Anordnung einer Blutprobe berechtigt zu sein. Dies begründet die Besorgnis einer dauerhaften und ständigen Umgehung des Richtervorbehalts und führe zur Annahme eines Beweisverwertungsverbotes.

Der Ansatz wird im Übrigen auch in der Rechtsprechung der OLG vertreten, so z.B. das OLG Köln und das OLG Oldenburg.