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Freispruch bei einem Verstoß gegen rechtliches Gehör? AG Landstuhl, geht es wirklich so einfach?

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Vor einiger Zeit hatte der Beck-Blog (vgl. hier) über das AG Landstuhl, Urt. v. 3. 5. 2012 – 4286 Js 12300/10 – berichtet. Das AG hat den Betroffenen vom Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung frei gesprochen. Begründung: Werden von der Herstellerfirma eines Messgeräte (hier: ESO ES 3.0) die Mess-/Gerätedaten zu einer Messung nicht zur Verfügung gestellt, so dass die Ordnungsgemäßheit der Messung nicht überprüft werden könne, liege ein Verstoß gegen den zu Gunsten des Betroffenen geltenden Grundsatz des rechtlichen Gehörs vor, der zum Freispruch des Betroffenen führe.

Sicherlich eine überraschende Entscheidung, obwohl das AG Landstuhl, wie es zitiert, mit der Auffassung nicht allein ist (vgl. AG Kaiserslautern, Urt. v. 14. 3. 2012 – 6270 Js 9747/11). Ob das Urteil „ein deutlicher Pflock [ist], den das AG Landstuhl eingeschlagen hat„, da bin ich mir nicht so ganz sicher. Denn zwei Fragen stellen sich für mich – und ich greife jetzt mal meiner Stellungnahme im VRR-Heft 07/2012 vor:

1. Man sollte nicht übersehen, „dass das AG erst im zweiten Anlauf Art. 103 GG und den Amtsaufklärungsgrundsatz „entdeckt“ und die Betroffene frei gesprochen hat. In einem Urteil vom 10.o2. 2011 hatte das noch anders geklungen und das AG war zur Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung mit 600 € Geldbuße und einem Fahrverbot von drei Monaten gekommen. Nun ist niemand gegen bessere Einsicht gefeit und es ist sicherlich zu begrüßen, dass das AG offenbar lernfähig ist: Nur den Unterschied zur ersten Entscheidung und die Begründung des AG, warum diese richtig gewesen ist, nun aber die damalige Begründung nicht mehr zutreffend sein soll, erschließt sich mir nicht. Die Frage des rechtlichen Gehörs (Art. 103 GG) und/oder der Amtsaufklärungspflicht hängt doch weder davon ab, ob – offenbar meint das AG: „nur“ – ein konkreter Beweisantrag gestellt ist, oder ob ausdrücklich fehlenden Aufklärung an sich und der Grundsatz des fairen Verfahrens gerügt wird Diese Fragen sind doch miteinander verwoben und mit einem Beweisantrag wird immer auch geltend gemacht, dass der Sachverhalt noch weiter aufgeklärt werden muss. Warum das AG dann nicht bereits im Urteil vom 10. 2. 2011 frei gesprochen hat, leuchtet mir nicht ein. 

2. Einen Haken hat m.E. die „Konstruktion“ des AG. Das AG muss sich nämlich m.E. fragen lassen, „ob es eigentlich alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Aufklärung ausgenutzt/eingesetzt hat (§ 244 Abs. 1 StPO)? Was ist also mit einer Durchsuchung beim Hersteller des Messgerätes und einer Beschlagnahme der Daten? Angesichts der Vorwurfs und der im Raum stehenden sicherlich nicht unverhältnismäßig.Zudem sicherlich auch deshalb „interessant“, weil diese Maßnahme einen wahrscheinlich „großen Erziehungseffekt“ gegenüber dem Hersteller haben dürfte, in Zukunft bei der Herausgabe der Messdaten vielleicht doch nicht ganz so sperrig zu sein, wie man es hier ist und dann auch noch „arrogant“ dem Gericht schreibt. Es stellt sich weiter die Frage, ob das AG nicht ggf. weitere Zeugen der Herstellerfirma hätte laden müssen, die dann Angaben zu den Messdaten hätten machen können. Denn diese sind, wenn auch verschlüsselt, im Messgerät vorhanden. Ein Zeugnisverweigerungsrecht für einen solchen Zeugen sehe derzeit nicht. Ich will mit diesem Einwand die für die Betroffenen günstige Entscheidung des AG Landstuhl gar nicht schlecht reden. Man muss sich aber vergegenwärtigen, dass die Staatsanwaltschaft im Zweifel den Freispruch mit der Rechtsbeschwerde angreifen wird und dann dürften diese Fragen im Rahmen einer Aufklärungsrüge eine Rolle beim OLG eine Rolle spielen.

Als Verteidiger muss man sich natürlich auf diese Rechtsprechung berufen und die Fragen im Verfahren thematisieren und andere AG zwingen, sich damit auseinander zu setzen.Für die Betroffene hat das Hin und Her zudem auf jeden Fall ein Gutes: Sollte das OLG Zweibrücken ggf. nochmals zur Aufhebung kommen, dann liegt die Tat inzwischen so lange zurück, dass ein Fahrverbot, wenn überhaupt, nur noch in reduzierter Höhe wird verhängt werden können.

Die Rotlichtzeit von mehr als 1 Sekunde – kann das ein Zeuge?

Die Feststellung einer Rotlichtzeit von mehr als 1 Sekunde ist bei einem Rotlichtverstoß für den Betroffenen von erheblicher Bedeutung, da daran die Verhängung eines Fahrverbotes nach nr. 132.3 BKat hängt. Daher haben die Fragen in der Praxis erhebliche Bedeutung. Mit der Problematik hat das AG Landstuhl, Urt. v. 24.02.2011 – 4286 Js 13706/10 zu tun. Dort hatte das Gericht einen Zeugen – offenbar einen Polizeibeamten – zu der Frage vernommen und führt dann in der Beweiswürdigung aus:

Allerdings konnte das Gericht nicht mit der zur Überzeugung notwendigen Sicherheit feststellen, dass diese Rotphase länger als 1 Sekunde dauerte. Zum einen war der Zeuge … uneindeutig, ob er tatsächlich beide Ampeln beobachtet haben kann oder seine Erkenntnis aus der Beobachtung der eigenen Ampel oder der anderen Ampel mit Rückschluss aus seinem Wissen über die oft befahrene Strecke gefolgert hat. Aus Sicht des Gerichts ist es jedenfalls nur schwer nachzuvollziehen, dass man an dieser Stelle als an erster Stelle der Schlange stehende Verkehrsteilnehmer zuverlässig beide Ampeln im Blick haben kann. Jedenfalls hat der Zeuge aber auch angegeben, keine Sekundenzählung vorgenommen zu haben. Insofern fehlt es für die Sicherheit einer Feststellung des qualifizierten Rotlichtverstoßes schon an einer gezielten Rotlichtüberwachung…“.

Der Hinweis erschließt sich mir so nicht, denn, was hat das Zählen mit der Frage der gezielten Überwachung zu tun?

Aber zur Abrundung weist das AG dann darauf hin:

„Eine bloß gefühlsmäßige Schätzung der Zeit auch durch erfahrene Polizeibeamte ist nicht zur Feststellung des qualifizierten Verstoßes ausreichend (OLG Hamburg, DAR 2005, 165).“

Abstandsmessung: Messung mit geeichtem Datengenerator

Mal wieder was zum Messverfahren: Das AG Landstuhl führt in seinem Urt. v. 03.03.2011 – 4286 Js 13510/10 zu Abstandsmessverfahren mit vorschriftsmäßig geeichtem Datengenerator aus: Eine Abstandsmessverfahren mit dem Charaktergenerator und Timer JVC/Piller, Typ CG-P50-E, sei nicht zu beanstanden, wenn vorschriftsmäßig Generator und Timer geeicht waren. Bei standardisierten Messverfahren habe das Gericht lediglich die Ordnungsmäßigkeit der Messung durch Einhaltung der Bedienungsanleitung und Überprüfung der vorgeschriebenen Eichung und nicht darüber hinaus nicht vorgeschriebene Eichungen weiterer Komponenten zu überprüfen. Der Tatrichter müsss sich, wenn der konkrete Einzelfall keine Veranlassung dazu gebe, nicht um die technischen Details des Messverfahrens kümmern. Das muss er nur, wenn der Verteidiger/Betroffene dazu konkret etwas vorträgt.