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StPO III: Rechtwidrigkeit einer Speichelprobe, oder: Worüber ist der Beschuldigte belehrt worden?

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Und dann im dritten Posting eine AG-Entscheidung, nämlich der schon etwas ältere AG Chemnitz, Beschl. v. 15.03.2024 – 11 Gs 432/23 – zur Wirksamkeit der Einwilligung in die Entnahme von Körperzellen (§ 81e StPO).

Der Beschuldigte hatte auf Befragen zunächst die Entnahme von Körperzellen zur Erhebung seines DNA-Identitätsmusters abgelehnt, dann aber noch am selben Tag die schriftliche Einwilligung für die Erhebung und Nutzung des DNA-Musters in den laufenden und künftigen Ermittlungsverfahren erteilt. Diese Einwilligung hat er dann später widerrufen. Er beantragt nunmehr die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Entnahme der Körperzellen sowie des gewonnenen Materials.

Das AG hat festgestellt, dass die Entnahme von Körperzellen in Form einer Speichelprobe beim Beschuldigten rechtswidrig war:

„Es kann dahingestellt bleiben, ob die erklärte Einwilligung schon im Hinblick auf die vorangegangene Einnahme des Medikaments Tavor und deren Auswirkungen auf den Körper rechtswidrig war. Ebenso, ob nach der ersten Erklärung, mit der Entnahme von Körperzellen nicht einverstanden zu sein, weitere Versuche im Sinne eines „guten Zuredens“ die schriftlich erklärte Einwilligung unwirksam gemacht haben. Dem Beschuldigten ist insoweit zuzustimmen, dass der Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit gebietet, dass die Ermittlungsbehörden entsprechende Entscheidungen des Betroffenen zu respektieren haben, ohne weiter auf ihn einzuwirken.

Die Entnahme der Körperzellen erweist sich bereits aus anderen Gründen als rechtswidrig. So ergibt sich aus der Akte nur, dass der Beschuldigte mehrfach qualifiziert belehrt worden sein soll. Es ist aber nicht ersichtlich, worüber der Beschuldigte genau belehrt wurde. Erforderlich ist dabei der Hinweis auf die Reichweite des Grundrechtseingriffs, der durch die Einwilligung gedeckt werden soll. Namentlich außer dem Zweck der Datenerhebung die weitere Nutzung, insbesondere deren Dauer (KK/Senge, § 81 f StPO Rdnr. 3). Die Norm schreibt zwar nicht eine schriftliche Belehrung vor; ohne sie lässt sich aber dem Vorwurf der unzureichenden Belehrung kaum begegnen (Senge a.a.O.).

Unzweifelhaft lagen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine richterliche Anordnung nicht vor. Für einen Vergleich der Muster im anhängigen Verfahren fehlte es an gesicherten Spuren, mit denen das DNA-Muster des Beschuldigten hätte verglichen werden können. Für eine Verwendung in künftigen Straftaten hätte es der Prognose bedurft, dass wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder sonstige Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig Strafverfahren wegen Straftaten von erheblicher Bedeutung zu führen sind. Auch eine erteilte Einwilligung lässt das Erfordernis der Negativprognose, also die Wiederholungsgefahr, nicht entfallen (KK/Senge, § 81 g StPO Rdnr. 16; Michalke, Strafprozessuale Zwangsmaßnahmen, 2. Aufl. 2022, Rdnr. 787), denn diese ist unverzichtbare Voraussetzung für die Erstellung eines molekulargenetischen Identifizierungsmusters für Zwecke künftiger Strafverfahren. Im Falle der Einwilligung hat die Staatsanwaltschaft die Negativprognose zu erstellen, die sich an den Vorgaben des § 81 g Abs. 3 Satz 5 StPO zu orientieren hat und zweckmäßigerweise zu dokumentieren ist (Senge a.a.O.) Sie liegt nicht vor, und es bestand kein Zweifel, dass sich die Wiederholungsgefahr des nicht vorbestraften Beschuldigten nicht begründen ließ. Auf dieser Grundlage hätte eine Entnahme der Körperzellen nicht vorgenommen werden dürfen.“

Aber:

„Gleichwohl ist die entnommene Probe nicht sogleich zu vernichten. Inzwischen liegen gesichterte Spuren vor, mit denen das DNA-Muster des Beschuldigten verglichen werden kann. Entsprechend hat die Staatsanwaltschaft Chemnitz die richterliche Anordnung nach § 81 e, f StPO beantragt. Sachliche Gründe gegen den Erlass einer entsprechenden Anordnung sind weder vorgetragen, noch ersichtlich. Es müsste daher eine neue Entnahme von Körperzellen stattfinden, die im Falle der widerrufenen Einwilligung mittels Blutentnahme durchzuführen wäre. Wegen des insoweit erheblicheren Eingriffs erscheint es verhältnismäßig, zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit des Beschuldigten auf die bereits entnommene Probe zurückzugreifen, wie es die Staatsanwaltschaft Chemnitz beantragt hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird wegen der Einzelheiten Bezug auf den Beschluss des Amtsgerichts Chemnitz vom heutigen Tage (15.03.2024) mit dem Aktenzeichen 11 Gs 2011/23 genommen. Im übrigen dient die Maßnahme der Kontrolle, ob die Angaben des Beschuldigten zutreffen. Sie mag deshalb auch zu einer Entlastung des Beschuldigten führen.“

Bei dem zweiten Teil habe ich Bedenken.

StPO III: Etwas Rechtsprechung zur Pflichtverteidigung, oder: Rückwirkung und Beiordnungsgrund

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Und dann zum Abschluss des heutigen Tages noch ein paar Entscheidungen zur Pflichtverteidigung. Es haben sich zwar seit dem letzten „Pflichti-Tag“ einige Entscheidungen angesammelt, das reicht aber nicht für einen ganzen Tag.

Denn die meisten der mir vorliegenden Entscheidungen befassen sich mit der Frage der Zulässigkeit der nachträglichen Bestellung. Das ist nach wie vor der Dauerbrenner im Bereich der §§ 140 ff. StPO. Die beiden Lager Pro und Contra stehen sich unversöhnlich gegenüber. Als Verteidiger muss man einfach schauen, wie das AG/LG, bei dem man gerade verteidigt (hat) entscheidet und sich dann danach richten.

Ich habe hier dann den LG Aurich, Beschl. v. 07.06.2022 – 12 Qs 93/22 – und den LG Magdeburg, Beschl. v. 03.06.2022 – 21 Qs 41/22.  Die beiden Gerichte haben die rückwirkende Bestellung abgelehnt, und zwar auch dann, wenn der Beiordnungsantrag rechtzeitig gestellt ist. Leider zum Teil unter Hinweis auf m.E. veraltete Rechtsprechung des BGH und der OLG. Im Übrigen: Diese Rechtsprechung segnet Untätigbleiben der AG und der StA ab, die damit die Ziele der Neuregelung unterlaufen können/wollen.  Im Gegensatz danzu kann ich dann aber auch auf den LG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 30.05.2022 – 24 Qs 36/22 – und den AG Chemnitz, Beschl. v. 30.05.2022 – 11 Gs 1615/22 – hinweisen, die die Zulässigkeit einer rückwirkenden Bestellung bejaht haben.

Und zu den Beiordnungsgründen (§ 140 Abs. 2 StPO) kann ich dann noch auf den LG Deggendorf, Beschl. v. 02.06.2022 – 1 Qs 31/22– verweisen. Der hat folgenden Leitsatz:

Leidet der Beschuldigte an einer weit fortgeschrittenen Alkoholerkrankung mit erheblichen körperlichen Folgeerscheinungen und kann er sich wegen seines Zustandes nicht selbst verteidigen, ist ihm ein Pflichtverteidiger zu bestellen.

Pflichti II: Und nochmals nachträgliche Beiordnung, oder: Wohl herrschende Meinung

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Im zweiten Posting des Tages dann noch einmal zwei Entscheidungen, die sich erneut/auch mit der Frage der nachträglichen Beiordnung befassen. M.E. liegen zu der Problematik inzwischen die meisten Entscheidungen vor, die – wenn ich es richtig sehe – alle beigeordnet haben.

So auch im LG Duisburg, Beschl. v. 05.08.2020 – 33 Qs 37/20. Da heißt es dann zu der Frage:

„Die Regelung in § 141 Abs. 1 S. 1 StPO, nach der nur dem Beschuldigten, der noch keinen Verteidiger hat, ein Pflichtverteidiger zu bestellen ist, steht der Beiordnung nicht entgegen. Zwar hatte sich Rechtsanwalt bereits als Wahlverteidiger des ehemals Beschuldigten bestellt. Der bisherige Wahlverteidiger kann jedoch zum Pflichtverteidiger bestellt werden, wenn dieser — wie hier – die Niederlegung des Wahlmandats für den Fall der beantragten Bestellung als Pflichtverteidiger ankündigt (vgl. BT-Drucksache 19/13829, 36; OLG Oldenburg, Beschluss v. 20.04.2009, 1 Ws 235/09, zitiert nach juris; Krawczyk, in: BeckOK StPO, 37. Edition, § 141 Rn. 2).

Der Umstand, dass das Ermittlungsverfahren durch Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 02.06.2020 eingestellt worden ist, steht der Beiordnung ebenfalls nicht entgegen. Zwar kommt die nachträgliche Beiordnung eines Verteidigers nach dem endgültigen Abschluss des Verfahrens grundsätzlich nicht mehr in Betracht, so dass ein entsprechender Antrag unzulässig ist. Im Hinblick auf die Intention des Gesetzgebers zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung (vgl. Bundestag-Drucksache 19/13829 und 19/15151) muss eine rückwirkende Bestellung allerdings ausnahmsweise zulässig sein, wenn der Antrag auf Beiordnung rechtzeitig vor Abschluss des Verfahrens gestellt wurde, die Voraussetzungen für eine Beiordnung gemäß § 140 Abs. 1 StPO vorlagen und die Entscheidung durch interne Vorgänge, auf die ein Außenstehender keinen Einfluss hatte, unterblieben ist. Dies ist hier der Fall. Der Beiordnungsantrag vom 07.05.2020, an den mit Schriftsätzen vorn 22.05.2020 und 04.06.2020 erinnert wurde, wurde erst mit Verfügung vom 17.06.2020 nach der Einstellung des Verfahrens an das Amtsgericht weitergeleitet.

Entgegen den Ausführungen in der Beschwerdebegründung steht auch die Ausnahmeregelung in § 141 Abs. 3 S. 1 StPO der nachträglichen Beiordnung nicht entgegen. Danach kann in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 die Bestellung unterbleiben, wenn beabsichtigt ist, das Verfahren alsbald einzustellen und keine anderen Untersuchungshandlungen als die Einholung von Registerauskünften oder, die Beiziehung von Urteilen oder Akten vorgenommen werden sollen. Hier liegt bereits kein Fall des § 141 Abs. 2 StPO (Bestellung ohne Antrag des Beschuldigten vor), so dass die Ausnahmeregelung nicht greift. Ungeachtet dessen kann nach dem Akteninhalt nicht davon ausgegangen werden, dass die Staatsanwaltschaft Duisburg bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung die alsbaldige Verfahrenseinstellung beabsichtigte. Denn mit Verfügung vom 12.05.2020 wurde dem Verteidiger des ehemals Beschuldigten Akteneinsicht gewährt und um Mitteilung gebeten, ob und wann eine Einlassung erfolgen werde.“

Und ähnlich dann der AG Chemnitz, Beschl. v. 30.07.2020 – 1 Gs 2108/20

„Die Voraussetzungen für das Unterbleiben der Bestellung gemäß § 141 Abs.2 Satz 3 StPO liegen nicht vor.

Rechtsanwalt pp. beantragte mit Schriftsatz vom 12.06.2020, eingegangen bei der Staatsanwaltschaft Chemnitz am 12.06.2020, seine Beiordnung als Pflichtverteidiger. Am 15.06.2020 wurde die Anklageschrift wegen Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht gemäß § 145a StGB gegen den Beschuldigten gefertigt und unterzeichnet. Die Akteneinsicht wurde dem Verteidiger mit Verfügung vom 16.06.2020 gewährt. Am 18.06.2020 wurde der Strafantrag durch die Führungsaufsichtsstelle zurückgenommen, weshalb mit Verfügung vom 16.06.2020 das Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten gemäß § 170 Absatz 2 StPO eingestellt wurde.

Bei Antragstellung auf Beiordnung zum Pflichtverteidiger war demnach durch die Staatsanwaltschaft nicht beabsichtigt, das Verfahren alsbald einzustellen und keine weiteren Untersuchungshandlungen als die Beiziehung von Urteilen und Akten vorzunehmen. Vielmehr sollte ein Strafverfahren durchgeführt werden.

Erst sechs Tage später wurde der Strafantrag aufgrund neuer sachlicher Erkenntnis zurückgenommen.“

Wenn „Gottvater“/der Richter einmal anruft, oder: Die gescheiterte Terminsabsprache

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Ob ein Tag für mich ein „guter Tag“ ist/war,  hängt immer auch ein wenig davon ab, was an Entscheidungen u.a. so aufläuft. Und das war gestern nicht so gut. Denn: Es hat in der Facebook-Gruppe „Strafverteidiger“ das erstaunte (?) Posting eines Kollegen gegeben, der sich gerade beim AG Chemnitz mit einer Terminsverlegungsgeschichte herumärgert. Und die ist, um es mal vorsichtig auszudrücken „schon bemerkenswert“.

Der Kollege schildert folgenden Sachverhalt:

…. Ich habe ursprünglich mal eine Terminsverlegung recht spät beantragt, mich dafür entschuldigt und die Terminsaufhebung bekommen. Da ich um Absprache des Termins bitte, hat der Richter mich sogar angerufen, ich war zu diesem Zeitpunkt aber in einer Verhandlung, konnte also nicht ans Telefon. Anstatt mir eine Nachricht zu hinterlassen, setzt er einfach einen neuen Termin fest und beschwert sich in dem Terminsschreiben, dass er mich um 09:42 Uhr nicht erreichen konnte.

An dem neuen Termin verteidige ich in einer Totschlagssache vor unserem LG, muss also erneut Verlegung beantragen. Jetzt kommt das anliegende Schreiben…...

Der Kollege fragt, ob es Sinn macht gegen den AG Chemnitz, Beschl. v. 09.03.2018 – in 19 Ds 910 Js 31761/17– Beschwerde einzulegen. Und ich meine, es macht Sinn. Denn der Amtsrichter hat folgendes ausgeführt:

„Der Terminsverlegungsantrag des Angeklagten wird abgelehnt. da ein wichtiger Grund für die Terminverlegung nicht vorliegt.

Der Verteidiger hat vorgetragen. dass er auch am nunmehrigen Termin wegen eines anderen Gerichtstermins verhindert sei Dies nötigt nicht zur erneuten Terminsverlegung. § 228 Abs. StPO stellt ausdrücklich klar, dass die Verhinderung des Wahlverteidigers keinen Anspruch auf Terminsverlegung begründet. Vorliegend kommt hinzu, dass der Termin wegen Verhinderung des Verteidigers bereits verlegt worden ist

Auf Wunsch des Verteidigers hat der unterzeichnete Amtsrichter zudem versucht. mit dessen Kanzlei am Freitag. dem 16.2.2018 um 9.42 Uhr einen neuen Termin abzusprechen. Hierbei handelt es sich gewiss nicht um einen Anruf zur Unzeit. Vielmehr kann erwartet werden. dass – zumal wenn der Anwalt ausdrücklich um telefonische Terminsabsprache bittet,- ein Anruf zu einer solchen Zeit entgegen genommen wird. Hierfür hat der Anwalt durch geeignete Kanzleiorganisation zu sorgen, anstatt den Richter darauf zu verweisen, sein Anliegen auf einen Anrufbeantworter zu sprechen, die Akte erst einmal beiseite zu legen und darauf zu warten, dass der Verteidiger sich zurück meldet. Der Richter ist gegenüber dem Verteidiger nämlich kein Bittsteller, sondern Inhaber der Terminshoheit (§ 213 StPO). Wenn ein Richter also überhaupt den Versuch einer telefonischen Terminsabsprache unternimmt, handelt er – im Interesse des Angeklagten – bereits überobligatorisch.

Sehr zutreffend führte der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Naumburg im Beschluss vom 8.10.2012 (2 Ss (B) 101/12) insoweit aus:

„ist das Verteidiger indes fernmündlich während üblicher Bürozehen nicht zu erreichen oder erklärt die fernmündlich erreichte Mitarbeiterin, sie könne keine Termine vereinbaren, weil der Verteidiger sich dies selbst vorbehalten habe, indes zur Zeit nicht im Büro sei, ist die Terminsabsprache aus Gründen, die in der Sphäre des Verteidigers liegen, gescheitert. Dann ist es dem Betroffenen zuzumuten, sich einen  anderen Verteidiger zu suchen, der an dem dann ohne Absprache anberaumten Termin vertretungsbereit ist.“

Dem ist nichts hinzuzufügen. Das Gericht macht sich die Ausführungen zur eigen und verweist den Angeklagten darauf, sich einen anderen oder weiteren Verteidiger zu suchen. „

Muss man es zweimal lesen, dann erschließt sich erst voll, von welchem Selbstverständnis der Amtsrichter offenbar getragen wird: ICH bin RICHTER und ich rufe an und dann hat das auch zu klappen.  Denn ich muss das nicht, sondern ich handele „überobligatorisch“. Und das hast du Verteidiger und du Angeklagter so hinzunehmen (wie war das noch mit dem Verfahrenssubjekt?).

In meinen Augen ungeheuerlich und es zeugt von einem „Gottvater ähnlichen“ richterlichen Selbsterständnis, das ich nicht mehr erwartet hatte. Hat sich der „Kollege Richter“ eigentlich mal überlegt, wie oft Verteidiger und/oder Parteien bei Gericht anrufen (müssen), um ggf. einen Richter zu erreichen? Wer kennt die Auskünfte der armene Geschäftsstellen nicht: Der Richter ist nocht nicht im Haus, ist nicht mehr im Hause, ist in der Sitzung, ist zu Tisch und/oder ist in Urlaub? Kann/Muss man so miteinander umgehen, zumal, wenn es sich bei dem Verteidiger um einen Einzelkämpfer handelt? M.E. sollte sich die Justiz nicht digitalisieren, sondern erst mal an den Stellen ihre Hausaufgaben machen und ihren Mitarbeitern beibringen, dass sie auch ein Dienstleistungsbetrieb ist, mit dem andere zusammen arbeiten müssen. Das wäre mal eine Aufgabe für den Deutschen Richterbund und nicht immer nur das Rufen nach neuen strengeren Gesetzen. Welcher Zacken fällt dem Amtsrichter eigentlich aus der Krone, wenn er den Verteidiger noch einmal anruft. Das braucht im Zweifel weniger Zeit und Ressourcen als den o.a. Beschluss zu schreiben.

Wie man es als Richter machen sollte, das zeigt der vom AG herangezogene OLG Naumburg, Beschl. v. 08.10.2012 – 2 Ss (B) 101/12, aus dem das AG dann aber (leider) nur die „unschöne“ Passage zitiert. Das OLG hat vorab nämlich einige Verhaltensmaßregeln gegeben, die in eine andere Richtung gehen. Insoweit sehr schön. Aber m.E. entwertet der Beschluss sich leider teilweise selbst (ein wenig). Denn, was soll in einem OLG-Beschluss die Passage mit dem „Sankt-Nimmerleinstag“:

„Gleiches gilt, wenn mehrere Terminsvorschläge des Gerichts dahingehend beantwortet werden, dass der Verteidiger verhindert ist, er hat sich dann „mehr auf den Teller getan, als man aufessen kann“ (vergl. dazu Basdorf u. a., Kleines Strafrichterbrevier, Seite 24), das Gericht ist nicht verpflichtet, das Verfahren bis zum Sankt Nimmerleinstag auszusetzen, weil der Verteidiger mehr Mandate übernommen hat, als er bewältigen kann.“

Manchmal fragt man sich, ob eigentlich beim „Absetzen“ von Entscheidungen niemand an deren Außenwirkung denkt.

So, und jetzt werden Sie wieder kommen: Die Kommentare, die mir sagen, wie schwer es doch die „armen Einzelrichter“ haben. Dafür eignet sich diese Sache aber sicher nicht. Denn es ist/war einfach eine blöd gelaufene „Terminsverlegungsgeschichte“, in der mit der Keule drauf gehauen wird. Muss das sein?

Fahrtkostenerstattung, oder: Bis zu 2 Stunden Fahrtzeit darf der Verteidiger entfernt sein

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Am letzten Arbeitstag des Jahres dann noch ein wenig Gebührenrecht. Zunächst kommt der Hinweis auf den AG Chemnitz, Beschl. v. 14.12.2017 – 10 Ds 940 Js 2084/12 -, den mir der Kollege Stephan, Dresden, übersandt hat. Gestritten worden ist im Rahmen der Kostenfestsetzung um die Fahrtkosten. Der Angeklagte/Verteidiger hatte Fahrtkosten von Dresden nach Chemnitz geltend gemacht. Das AG/der Rechtspfleger hat die (zunächst) nicht festsetzen wollen, sondern nur die Fahrtkosten eines Rechtsanwaltes angesetzt, die bei Beauftragung eines Anwaltes am Wohnsitz des Angeklagten entstanden wären. Anders dann das AG auf die Erinnerung des Verteidigers:

„Der Antrag des Verteidigers des Angeklagten pp. Rechtsanwalt Stephan auf Erstattung seiner Anreise aus Dresden ist jedoch zu Recht erfolgt. Es kann einem Be­schuldigten, Angeschuldigten oder Angeklagten in einer immer mobiler werdenden Welt sch­licht und ergreifend nicht zugemutet werden, sich bei der Suche nach einen Verteidiger auf Rechtsanwälte aus seinem Wohnort zu verlassen. Jedenfalls werden die Kosten zu erstatten sein, die bei einer Fahrt zu einem Verteidiger innerhalb von 2 Stunden Fahrt entstehen. Das betrifft vorliegend in jedem Fall die Kosten des Verteidigers des Angeklagten

Rechtsanwalt Stephan. Ob darüberhinaus auch Kosten von Verteidigern zu erstatten sind, die noch weiter entfernt ihren Kanzleisitz haben, kann dahinstehen.“

Schöner Ansatz.