Schlagwort-Archive: Adhäsionsverfahren

Die (beschränkte) Bindungswirkung des Adhäsionsurteils

© Dan Race – Fotolia.com

Zur Bindungswirkung des im Adhäsionsverfahren ergangenen Urteils hinsichtlich einer  Haftpflichtversicherung des Schädigers hat der BGH im BGH, Urt. v. 18.12.2012 – VI ZR 55/12 – Stellung genommen.  Danach entfaltet eine im Adhäsionsverfahren auf Antrag des Verletzten/Geschädigten gegen den Beschuldigten/Schädiger ergehende Entscheidung weder Rechtskraft gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Schädigers noch bindet es das in einem Folgeprozess zur Entscheidung berufene Gericht. Daran muss/sollte man denken, wenn man ins Adhäsionsverfahren bzw. anschließend, weil es im Adhäsionsverfahren nur ein Grundurteil gegeben hat, in Zivilverfahren geht.

Und: „Das im Adhäsionsverfahren gegen den Beklagten zu 2 ergangene Grundurteil ist für den Rechtsstreit des Klägers gegen die Beklagte zu 1 auch nicht deshalb bindend, weil diese als Haftpflichtversicherer des Beklagten zu 2 in Anspruch genommen wird. Das Berufungsgericht erwägt für die vorliegende Fallgestaltung eine entsprechende Anwendung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Bindungswirkung eines vorangegangenen Haft-pflichtprozesses zwischen dem Geschädigten und dem Versicherungsnehmer für den nachfolgenden Deckungsprozess zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer. In dieser Fallgestaltung wird die Haftpflichtfrage grund-sätzlich abschließend im Haftpflichtprozess entschieden (sog. Trennungsprin-zip). Die – jedenfalls soweit es um den Haftungstatbestand geht – geltende Bin-dungswirkung verhindert, dass die im Haftpflichtprozess getroffene Entschei-dung und auch deren Grundlagen nochmals zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer in Frage gestellt werden können (vgl. BGH, Urteil vom 30. September 1992 – IV ZR 314/91, BGHZ 119, 276, 278 mwN). Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall, in dem der Haftpflichtversicherer nicht im Deckungsprozess von seinem Versicherungsnehmer, sondern im We-ge der Direktklage durch den Geschädigten (§ 3 Nr. 1 PflVG a.F., jetzt § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG n.F.) in Anspruch genommen wird, nicht anwendbar….“

Liegt in der Beiordnung als Pflichtverteidiger zugleich auch die Beiordnung für das Adhäsionsverfahren?

© Gina Sanders – Fotolia.com

Die Frage: „Liegt in der Beiordnung als Pflichtverteidiger zugleich auch die Beiordnung für das Adhäsionsverfahren?“ beschäftigt die (gebührenrechtliche) Rechtsprechung immer wieder. Denn nur, wenn man sie bejaht, kann der Pflichtverteidiger ohne weitere Bestellung auch die gesetzlichen Gebühren für die von ihm im Adhäsionsverfahren erbrachten Tätigkeiten (nrn. 4143 f. VV RVG) geltend machen. Die Frage ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten, wobei nicht zu verkennen ist, dass die wohl h.M. sie verneint. So (jetzt) auch der OLG Düsseldorf, Beschl. v.11.04.2012 – III 1 Ws 84/12, der keine wesentlich neuen Argumente bringt, sondern nur die bekannten Argumente wiederholt bzw. auf die Argumentation anderer OLG verweist.

Ich bleibe dabei, dass die h.M. nicht zutreffend ist. Denn, wenn man nach PKH-Grundsätzen vorgehen will, dann muss man immer auch die Erfolgsaussichten der Verteidigung gegen den Adhäsionsanspruch beurteilen. Die sind aber m.E. untrennbar mit der Verteidigung im Strafverfahren verbunden. d.h., man prüft also schon bei der Bewilligung von PKH die Verteidigungsaussichten. Das kann aber m.E. nicht richtig sein.

Für den Pflichtverteidiger kann man nur den Rat geben: Wenn ein Adhäsionsantrag gestellt wird, muss die Erstreckung einer bestehenden Pflichtverteidigung beantragt werden. Sonst gehen die gesetzlichen Gebühren verloren.

Ein Blick ins Gesetz – da steht es deutlich…

© Thomas Becker – Fotolia.com

Tja, in § 81 JGG ist eindeutig geregelt: Die Vorschriften  der StPO „über die Entschädigung des Verletzten (§§ 403 bis 406c der Strafprozessordnung) werden im Verfahren gegen einen Jugendlichen nicht angewendet“. Noch deutlicher kann man m.E. nicht regeln, dass es ein Adhäsionsverfahren gegen einen Jugendlichen nicht gibt.

Dennoch hat das LG Gera in einem Verfahren gegen einen Angeklagten, der zur Tatzeit Jugendlicher war, einen Adhäsionsausspruch getroffen.

Dazu der BGH, Beschl. v. 30.05.2012 – 2 StR 98/12:

1. Die im Adhäsionsverfahren gegen den Angeklagten K. getroffenen Entscheidungen haben schon deshalb keinen Bestand, weil dieser Angeklagte zur Tatzeit Jugendlicher war. Eine Anwendung der Vorschriften über eine Entschädigung des Verletzten (§§ 403 bis 406c StPO) kam daher gemäß § 81 JGG nicht in Betracht.“

Der BGH erspart sich jede weitere Begründung. Was soll man dazu auch mehr schreiben. Ein Blick ins Gesetz……

Echternacher Springprozession beim LG Braunschweig – zwei vor – eins zurück

© Gina Sanders - Fotolia.com

Der im Gebührenrecht ergangene LG Braunschweig, Beschl. v.08.03.2012 5 Qs 39/12 erinnert mich ein wenig an die Echternacher Springprozession – vor und zurück. Denn

Der Leitsatz 1:„Für das Entstehen der Gebühr nach Nr. 4143 VV RVG genügt es, wenn ein vermögensrechtlicher Anspruch in Strafverfahren miterledigt wird. Das Entstehen der Gebühren nach Nr. 4143 VVRVG ist nicht von einem förmlichen Antrag nach § 406 Abs. 1 StPO abhängig“ ist richtig.

Der Leitsatz 2: „Die Tätigkeit des Pflichtverteidigers, die zu einer Einstellung des Verfahrens gem. § 153 a Abs. 1 S. 2 Nr. 1, Abs. 2 StPO gegen Erfüllung einer Auflage zur Schadenswiedergutmachung führt, führt zwar zur Gebühr Nr. 4143 VV RVG, darauf erstreckt sich der Umfang der Beiordnung des Pflichtverteidigers jedoch nicht.“ m.E. nicht. M.E. gilt insoweit der Satz: Wer A sagt, muss auch B sagen. Wenn man nämlich davon ausgeht, dass die Gebühr Nr. 4143 VV RVG in einem Fall, wie er der Entscheidung zugrunde liegt, entsteht, dann muss man m.E. diese Gebühr auch „als gesetzliche Gebühr“ entstehen lassen. Wenn der Pflichtverteidiger in Zusammenhang mit der Einstellung des Verfahrens tätig wird und dafür – wovon ja auch das LG ausgeht – Gebühren entstehen, dann entstehen sie auch als gesetzliche Gebühren. Hier bekommt dann die Diskussion um die Frage der Erstreckung der Pflichtverteidigerbeiordnung auf das Adhäsionsverfahren Bedeutung, der das LG offensichtlich ausweichen wollte. Sie wäre zwar nicht direkt, aber sicherlich indirekt zu führen gewesen.

Das Adhäsionsurteil

Adhäsionsverfahren nehmen in der Praxis an Bedeutung zu. Das zeigt sich m.E. an der zunehmenden Zahl von Entscheidungen auch des BGH, die es zum Adhäsionsverfahren gibt. Deshalb der Hinweis auf den BGH, Beschl. v.23.02.2012 – 4 StR 602/11 – der sich noch einmal mit den Anforderungen an das Adhäsionsurteil bzw. an adhäsionsrechtlichen Teil eines Urteils befasst.

Das LG hatte den Angeklagtenauf der Grundlage von § 823 Abs. 1 i.V.m. § 253 Abs. 2 BGB unter Berücksichtigung von ihm bereits gezahlter 1.000 €verurteilt, an die Nebenklägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von (noch) 5.000 € zu zahlen. Zur Begründung hatte es ausgeführt, der Angeklagte habe Leben und Gesundheit der Nebenklägerin ganz erheblich verletzt; beim Würgen habe sie Todesangst verspürt. Eine billige Entschädigung in Höhe von 6.000 Euro sei daher angemessen.

Dazu der BGH (noch einmal):

Diese Begründung trägt den Adhäsionsausspruch schon deshalb nicht, weil die Strafkammer, wie es regelmäßig erforderlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juli 2010 – 2 StR 100/10, NStZ-RR 2010, 344), die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten und der Nebenklägerin nicht erörtert hat. Ob sich im Einzelfall eine ausreichende Begründung aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergeben kann (so BGH, Urteil vom 27. September 1995 – 3 StR 338/95, BGHR StPO § 404 Abs. 1 Entscheidung 4) oder ausdrückliche Feststellungen für eine gerechte Festsetzung des Schmerzensgeldes immer unabdingbar sind (so Senatsbeschluss vom 14. Mai 1996 – 4 StR 174/96, StV 1997, 302), kann hier offen bleiben. Aus dem angefochtenen Urteil ergeben sich weder die Höhe der Einkünfte des freiberuflich tätigen Angeklagten und seine sonstigen Vermögensumstände noch Näheres über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Nebenklägerin. Angesichts der Höhe des zugesprochenen Schmerzensgeldes hätte es hierzu entsprechender Feststellungen bedurft. Ohne sie lässt sich die Möglichkeit nicht ausschließen, dass die Verpflichtung zur Zahlung des zuerkannten Betrages für den Angeklagten eine unbillige Härte bedeutet.“