Einer meiner Twitter-Follower hatte mich in der vergangenen Woche auf einen Beitrag beim WDR aufmerksam gemacht, und zwar hier: Verurteilter Hooligan pleite: Opfer müssen Teil der Prozesskosten zahlen, in dem Folgendes berichtet wurde:
Verurteilter Hooligan pleite: Opfer müssen Teil der Prozesskosten zahlen: (16.34 Uhr)
Zweieinhalb Jahre nach einem brutalen Angriff von Hooligans sollen ausgerechnet zwei Opfer der brutalen Attacke Prozesskosten zahlen. Dies berichteten am Mittwoch (19.11.2014) mehrere Zeitungen. Ein heute 28-jähriger Werder-Bremen-Fan war im Mai 2012 in Bielefeld auf dem Weg vom Stadion zum Bahnhof von Hooligans angegriffen, niedergeschlagen und von einem der Täter mit Tritten lebensgefährlich verletzt worden. Ein Freund des 28-Jährigen wurde bei der Attacke ebenfalls verletzt. Der Haupttäter wurde zu vier Jahren und zehn Monaten Haft wegen versuchten Mordes verurteilt.
Das Landgericht Bielefeld fordert den Medienberichten zufolge nun die Erstattung eines Teils der Prozesskosten – laut „Neue Westfälische“ insgesamt fast 4.000 Euro – von den zwei Opfern. Hintergrund ist, dass der Verurteilte zahlungsunfähig ist und dass die Opfer im Strafprozess Schadenersatz eingeklagt haben. Da der verurteilte Haupttäter die Prozesskosten aber nicht zahlen kann, holt sich die Gerichtskasse das Geld, das ihm zuvor im Rahmen der Prozesskostenhilfe vorgestreckt worden war, vom Nebenkläger – also von den Opfern – wieder.
Ein Gerichtssprecher bestätigte auf WDR-Anfrage den Fall, nannte aus datenschutzrechtlichen Gründen allerdings keine Summen.“
Die Frage meines „Followers“ war, ob das denn wohl richtig sei und ob ich das mit „§§ untermauern“ könne? Nun, die Antwort hat ein wenig gedauert und ich habe fachlichen Rat beigezogen, weil ich mich in dem Bereich auch nicht so ganz sicher bewege, getreu dem Sprichwort: „Schuster, bleib bei deinen Leisten“. Und der WDR hat dann auch noch einmal nachgelegt unter: Prozesskosten in Strafverfahren: Wenn das Opfer zur Kasse gebeten wird. Und da haben dann mein Ratgeber, dem ich in solchen Dingen sehr vertraue – er ist Bezirksrevisor 🙂 – und ich doch ganz erheblich Bedenken, ob das alles so richtig ist, was man aber letztlich, da man mal wieder den Sachverhalt nicht so genau kennt, nicht abschließend sagen kann.
Also: Irgendetwas stimmt da nicht. Entweder ist der Bericht falsch bzw. enthält wesentliche Infos nicht oder das LG Bielefeld liegt falsch.
- Nach dem Bericht geht es „lediglich um die Kosten für die Rechtsanwälte, die die beiden Geschädigten vertreten haben.“ Gerichtskosten des Adhäsionsverfahrens (Nr. 3700 KV GKG) sind also wohl nicht betroffen.
- „Die beiden Bremer Fußballfans hatten sich für das Adhäsionsverfahren entschieden und Prozesskostenhilfe beantragt, um ihre Anwälte bezahlen zu können. Jetzt fordert die Staatskasse dieses Geld zurück – eigentlich natürlich vom verurteilten Haupttäter. Doch bei dem ist nichts zu holen – und deshalb werden als „Sekundärschuldner“ jetzt die beiden Geschädigten zur Kasse gebeten.“ Aber: Wenn die beiden Geschädigten für das Adhäsionsverfahren PKH bekommen haben, können die aus der Landeskasse insoweit gezahlten Anwaltskosten (offenbar 3.900 €, was uns recht viel erscheint) bei Fortgeltung der PKH nicht von den Geschädigten gefordert werden, §§ 404 Abs. 5 StPO, 122 Abs. 1 Nr. 1 b) ZPO. Wenn PKH mit Raten bewilligt worden ist, könnten die Kosten allenfalls in Raten gefordert werden.
- Der Hinweis auf die „Sekundärschuldnerhaftung“, also wohl Zweitschuldnerhaftung, ist u.E. unrichtig. Die gibt es bei gem. § 59 RVG auf die Landeskasse übergegangenen Ansprüchen nicht.
Mal schauen, vielleicht erfährt man ja vom LG Bielefeld demnächst mal mehr….