StPO II: Mal wieder Klageerzwingungsantrag unzulässig, oder: Die Zulässigkeitshürden liegen hoch

Und dann als zweite Entscheidung der OLG Brandenburg. Beschl. v. 08.08.2024 – 2 Ws 88/24 – zu den Anforderungen eines sog. Klageerzwingungsantrages (§ 172 StPO). Auch immer wieder eine „beliebte“ Thematik.

Das OLG hat den Antrag als unzulässig angesehen:

„Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig, weil er nicht der gesetzlichen Formvorschrift des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO genügt.

Danach ist ein Antrag gemäß § 172 Abs. 2 StPO ist nur dann zulässig gestellt, wenn in ihm die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage bzw. die Anordnung der Aufnahme von Ermittlungen begründen sollen, und die Beweismittel angegeben werden (§ 172 Abs. 3 Satz 1 StPO). Nach der ständigen Rechtsprechung auch des Senats bedeutet dieses Formerfordernis, dass ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht nur eine aus sich selbst heraus verständliche Schilderung des zugrunde liegenden Sachverhaltes enthalten muss, sondern die Sachdarstellung auch in groben Zügen den Gang der Ermittlungen, den Inhalt der angegriffenen Bescheide und die Gründe deren behaupteter Unrichtigkeit wiederzugeben hat. Dadurch soll der jeweils erkennende Senat in die Lage versetzt werden, ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten eine Schlüssigkeitsprüfung vornehmen zu können (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, 67. Aufl. § 172 Rn. 27a/27b m.w.N.). Eine Bezugnahme auf beigefügte Schriftstücke bedeutet eine Umgehung der Formvorschrift des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO, wenn erst durch die Kenntnisnahme vom Inhalt der Anlagen die erforderliche geschlossene Sachdarstellung erreicht wird (OLG Düsseldorf StV 1983, 498; KG NStE StPO § 172 Nr. 28).

Ferner muss dem Antrag nach Maßgabe des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO zu entnehmen sein, dass die Fristen gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 StPO und § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO eingehalten worden sind (BVerfG, NJW 1988, 1773). Das Oberlandesgericht ist zu einer Sachentscheidung nur berechtigt, wenn auch die zweiwöchige Frist der Beschwerde gegen den Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft eingehalten wurde (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 15. Januar 2019, 4 Ws 223/18, BeckRS 2019, 782, Rn. 3 m. w. N.; Senat, Beschluss vom 28. Juli 2022 – 2 Ws 97/22 [S]; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 67. Aufl. § 173 Rn. 27b m. w. N.). Da das Antragsvorbringen das Gericht in die Lage versetzen soll, ohne Rückgriff auf die Akten oder Anlagen eine Schlüssigkeitsprüfung der Erfolgsaussicht des Begehrens in formeller und materieller Hinsicht vorzunehmen, ist auch die Zulässigkeit der Vorschaltbeschwerde vollständig darzulegen.

Den danach geltenden Anforderungen wird die Antragsbegründung nicht gerecht.

Ob eine Frist gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 StPO in Lauf gesetzt worden und eine solche gewahrt worden ist, lässt sich der Antragsschrift nicht hinreichend konkret entnehmen, denn darin werden lediglich die Daten eines Bescheids der Staatsanwaltschaft (22. Januar 2024) sowie der Einlegung einer Beschwerde (10. Februar 2024) mitgeteilt (S. 4). Ob die Beschwerde innerhalb einer laufenden Frist rechtzeitig angebracht wurde, ergibt sich daraus nicht.

Darüber hinaus ist der Antrag jedenfalls deshalb unzulässig, wie er den Inhalt der (Vor)Ermittlungen und die Gründe für die Ablehnung eines Tatverdachtes nur oberflächlich schildert und der Senat auf Grundlage dieses nur lückenhaften Vorbringens ohne Rückgriff auf den Akteninhalt oder Anlagen zum Schriftsatz nicht hinreichend zu überprüfen vermag, ob ein Tatverdacht zu Unrecht verneint worden ist. Insbesondere werden die Aussage der als Zeugen vernommenen Polizisten („Name 01“) und („Name 02“), die Auswertung des Funkverkehrs, der Bericht über waffen- und munitionstechnische Untersuchungen vom 12. April 2023, sowie der Inhalt des Bescheids der Staatsanwaltschaft vom 22. Januar 2024 zum Vorliegen einer Notwehrlage nur unzureichend – und nicht wie geboten dem wesentlichen Inhalt nach – dargetan. Zur gebotenen Darstellung des Verfahrensganges und der angefochtenen Entscheidungen genügt es nicht, nur auf einzelne Erkenntnisse aus Zeugenbefragungen und Würdigungen der Ermittlungsbehörden einzugehen, etwa diejenigen, die das Antragsbegehren stützen. Vielmehr ist das gesamte für die objektive und subjektive Tatseite bedeutsame Ermittlungsergebnis einschließlich der Tatsachen, die dem Antragsbegehren den Boden entziehen könnten, mitzuteilen (OLG Koblenz NStZ-RR 2007, 317). Daran fehlt es.“

Nichts Neues. Und auch nicht neu ist <<Werbemodus an>, dass die mit dem Klageerzwingungsverfahren zusammenhängenden Fragen eingehend von mir sowohl in Burhoff (Hrsg. Handbuch für die strafrechtlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe, 3. Aufl., 2024, als auch in Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 10. Aufl., 2025, behandelt sind. Die Bücher sind natürlich neu 🙂 und man kann sie hier bestellen. Und das erklärt auch das Bild zu dem Posting 🙂 . Wenn man die (abgebildete) Trilogie bestellt, spart man übrigens recht ordentlich .<<Werbemodus aus>>.

StPO I: Geheimdienstliche Agententätigkeit in der BRD, oder: Keine Immunität bei Spionage

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In die neue Woche geht es dann mit zwei Entscheidungen zu Fragen, mit denen man als Verteidiger/Rechtsanwalt wahrscheinlich nicht so häufig zu tun hat.

Ich stelle zunächst den BGH, Beschl. v. 27.08.2024 – StB 54/24 – vor. Ich denke, die dort vom BGH entschiedene Frage wird mit zunehmender Verschärfung der (außen)politischen Lage und daraus folgend zunehmender geheimdienstlicher Tätigkeit in Deutschland an Bedeutung zunehmen Der BGH hat nämlich Stellung genommen zur  geheimdienstlichen Tätigkeiten und der damit ggf. verbundenen völkerrechtlichen Immunität. In dem Verfahen geht es um die Festnahme und Untersuchungshaft eines Beschuldigten, der sich der geheimdienstlichen Agententätigkeit für einen fremden Geheimdienst schuldig gemacht haben soll ( § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB an).

Ich beschränke mich hier auf den Leitsatz der Entscheidung, wegen der Einzelheiten verweise ich auf die umfangreiche Begründung des BGH:

Die allgemeine Funktionsträgerimmunität gilt bei Spionage und geheimdienstlichen Gewaltakten nicht; § 20 Abs. 2 Satz 2 GVG steht dem nicht entgegen.

Sonntagswitz: Zum Ende der Kreuzfahrt – Diät steht an

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Und dann der Sonntagswitz. Und auch hier eine Rückschau, da ich ja noch unterwegs bin. Ich habe mal nachgeschaut, was ich bei den früheren Kreuzfahrten so gebracht habe und bin dabei auf einen Beitrag gestoßen, der im Zusammenhnag mit Kreufahrten immer passt. Nämlich: Diät.

Und da habe ich:

„Herr Doktor, wenn ich weiterhin die von Ihnen verordnete Diät befolge, werde ich bald ins Gras beißen.“

„Halb so schlimm, Gras hat kaum Kalorien.“


„Und hat die Diät bei deinem Onkel geholfen?“, fragt Susi Ihre Freundin.

„Ja, sein Piratenschiff auf der Brust ist nur noch ein Ruderboot!“


Macht Euch mal keine Sorgen wegen Eurer Bäuche.

Wir wissen ja schon gar nicht mehr wie Waschbretter aussehen.


Ich war zwei Wochen auf Diät.

Das Einzige, was ich verloren habe, waren 14 Tage 🙂 .

Rückschau auf die 44.KW/2019, mit Menschenwürde, NetzDG, Liebesdrama in der JVA, Gesichtserkennung

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Da ich noch immer unterwegs bin, gibt es heute dann noch einmal „nur“ einen „Rückschauwochenspiegel“, und zwar auf die 44. KW/2019, also fünf Jahre zurück. Da gatte ich auf folgende Beiträge hingewiesen:

„Die 44 KW. endet und das ist dann „Wochenspiegelzeit“, heute mit folgenden Beiträgen aus anderen Blogs:

  1. Gesetz gegen Hass und Hetze in Social Media – Neues zum NetzDG:

  2. Europäische Einigkeit in Action: Menschenwürde im Strafvollzug,

  3. OLG Saarbrücken zum Beschlussverfahren: Keine nachträgliche Begründung, wenn von Begründung nicht abgesehen werden durfte,

  4. Gesichtserkennung: VG Hamburg erlaubt biometrische Datenbank,

  5. LG München I: Vodafone darf für SEPA-Überweisungen keine Entgelte nehmen ,

  6. Polizeianwärter ist nach Betrugs-Video auf Youtube Job los,

  7. OLG Köln: Verkäufer muss nicht über Sicherheitslücken eines Android-Smartphones informieren und nicht auf fehlende Update-Möglichkeit hinweisen

  8. Liebesdrama in der JVA Vechta,

  9. und dann aus meinem Blog: Das kleine 1 x 1 der Terminsverlegung/Terminierung, oder: “Angefressenes” Beschwerdegericht

„Ich will mindestens Premium-Economy-Class fliegen“, oder: Einseitige Umbuchung auf Economy unzulässig

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Und dann als zweite Entscheidung ein Hinweisbeschluss des OLG Celle, und zwar der OLG Celle, Beschl. v. 04.09.2024 – 11 U 43/24, aus dem Reiserecht.

Folgender Sachverhalt:

„Die Parteien streiten um – innbesondere immateriellen – Schadenersatz nach dem Scheitern einer Pauschalreise.

Der Kläger buchte für sich, seine Ehefrau und seine drei erwachsenen Söhne bei der Beklagten unter dem 17. Januar 2022 für einen Gesamtpreis von 22.890 € eine Flugpauschalreise mit Hotelaufenthalten in Singapur, Kambodscha und Thailand. Der Hinflug sollte am 30. Juli 2022 direkt von Frankfurt/Main nach Singapur führen, der Rückflug nach dem letzten Hotelaufenthalt 13. August 2022 ebenfalls direkt auf dieser Strecke zurück. Schon bei der ersten Übermittlung seines Reisewunsches an das örtliche Reisebüro der Beklagten im November 2022 hatte der Kläger mitgeteilt, dass er für die Langstreckenflüge „mindestens Premium-Economy“ buchen wolle. Dementsprechend erfolgte die Buchung.

Am 20. Juli 2022 erhielt der Kläger von der Beklagten per E-Mail die Mitteilung, dass der gebuchte (Hin-) Flug „storniert“ sei. Die Beklagte habe für ihn alterativ für den 31. Juli 2022 einen Flug von Frankfurt/Main nach Singapur eingebucht, allerdings nur in der Economy-Klasse. Am 22. Juli 2022 erhielt der Kläger eine weitere E-Mail, nunmehr von dem örtlichen Reisebüro der Beklagten, aus der sich ergab, dass – angeblich – die Fluggesellschaft den gebuchten Flug gestrichen habe. Der angebotene Ersatzflug solle nicht direkt, sondern mit Umstieg in Seoul erfolgen und insgesamt rund 17 1/4 Stunden (statt rund 11 1/2 Stunden auf der direkten Strecke) dauern. Auch der Rückflug könne nicht wie gebucht direkt stattfinden, sondern nur mit Umstieg in Dubai und auch nur in der Economy-Klasse. Der Kläger bestand daraufhin am nächsten Tag mit E-Mail gegenüber dem örtlichen Reisebüro auf der „Bestätigung der gebuchten Reise“ und erklärte sich allenfalls mit einer Zwischenlandung Bangkok einverstanden. Anschließend gab es ein Telefongespräch des Klägers mit der zuständigen Mitarbeiterin des Reisebüros. Als dessen Ergebnis teilte das Reisebüro dem Kläger am selben Tag Folgendes mit: „[…] wie bereits kurz telefonisch besprochen, stornieren wir Ihre Buchungen […] kostenlos, da diese nicht wie von Ihnen gebucht durchgeführt werden können.“ Der Kläger und seine Familie traten die Reise nicht an. Die Beklagte erstattete den Reisepreis.

Mit der vorliegenden Klage beansprucht der Kläger Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit in Höhe von 75 % des Reisepreises sowie den Ersatz verschiedener vergeblich aufgewandter Kosten (etwa Parkgebühren am Flughafen). Im Zuge des ersten Rechtszugs hat die Beklagte eingeräumt, dass die gebuchten Direktflüge von der Fluggesellschaft plangemäß durchgeführt wurden. Die Mitteilungen vom 20. und 22. Juli 2022 beruhten auf einem Fehler in ihrem Buchungssystem.“

Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise durch die von der Beklagten veranlasste Umbuchung auf andere Flüge nicht vorgelegen habe; diese sei jedoch Voraussetzung eines Entschädigungs- und Schadensersatzanspruchs. Gegen diese rechtliche Beurteilung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.

Und die hätte, worauf das OLG hinweist überwiegend Erfolg. Es hat deshalb einen Vergleich vorgeschlagen, wonach der Kläger 92 % der Klageforderung erstattet bekommen soll. Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den Volltext. Hier nur die Leitsätze, und zwar:

1. Konfrontiert der Reiseveranstalter den Reisenden nach Vertragsschluss mit einer erheblichen Änderung wesentlicher Eigenschaften der Reiseleistungen oder kann er besondere vertragsgegenständliche Vorgaben des Reisenden doch nicht einhalten, darf der Reisende vom Pauschalreisevertrag zurücktreten und allein deshalb – ohne dass im Rahmen des § 651n Abs. 2 BGB nochmals die Erheblichkeit der (in dieser Fallgestaltung mangels Antritts der Reise ohnehin nur hypothetischen) Beeinträchtigung der Reise zu prüfen wäre – eine Entschädigung nach § 651n Abs. 2 BGB beanspruchen.

2. Eine solche besondere Vorgabe kann darin bestehen, dass der Reisende dem Reisebüro vor der Buchung einer Fernreise mitgeteilt hat, die Langstreckenflüge mindestens in der „Premium-Economy-Class“ absolvieren zu wollen. Der Reiseveranstalter darf dann den Reisenden nach einem dieser Vorgabe entsprechenden Abschluss des Pauschalreisevertrags zur Meidung eines Rücktritts nicht einfach einseitig auf einen Flug in der „Economy-Class“ umbuchen.

3. Auch die einseitige Umbuchung des Reisenden von dem vertraglich geschuldeten Langstreckenflug als Direktflug mit einer Dauer von rund 11 1/2 Stunden auf einen Flug mit Umsteigeerfordernis und einer Dauer von mehr als 17 Stunden kann eine erhebliche Änderung wesentlicher Eigenschaften der Reiseleistung darstellen und den Reisenden unter den Voraussetzungen des § 651g Abs. 1, 3 BGB zum Rücktritt sowie zur Geltendmachung einer Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit berechtigen.