StGB II: Benennung der Polizisten als „Affenbande“, oder: Beleidigung, keine Meinungsfreiheit

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Ich hatte in der vergangenen Woche schon über den BayObLG, Beschl. v. 04.10.2024 – 205 StRR 323/24 – berichtet, und zwar wegen der vom BayObLG entschiedenen verfahrensrechtlichen Frage (StPO III: Nur Vorsitzender lehnt Unterbrechung ab, oder: Zwischenrechtsbehelf erforderlich?). Auf diesen BayObLG, Beschl. v. 04.10.2024 – 205 StRR 323/24 – komme ich wegen der materiell-rechtlichen Problematik zurück.

Es geht um die Frage der Beleidigung von Polizeibeamten. Zugrunde liegt folgender Sachverhalt: Aufgrund eines positiven Atemalkoholtests war beim Angeklagten eine Blutentnahme angeordnet worden. Er hat sich zunächst geweigert, die Blutentnahme durchführen zu lassen. Nach einem Gespräch mit dem Arzt war er dann aber zu eine Mitwirkung bereit gewesen. Der Arzt hatte ihn gefragt, welche Stoffe er konsumiert habe. Daraufhin hatte der Angeklagte geäußert, er werde dem Arzt antworten, sobald die „Affenbande“, gemeint waren zwei anwesende Polizeibeamte, das Zimmer verlassen hätten. Das LG hatte deswegen wegen Beleidigung verurteilt. Die Revision des Angeklagten hatte keinen Erfolg:

„b) Bei dem hier relevanten Ausdruck der „Affenbande“ handelt es sich um eine Formalbeleidigung, so dass eine Abwägung zwischen den Beeinträchtigungen der persönlichen Ehre der betroffenen Polizeibeamten auf der einen und der Meinungsfreiheit des Angeklagten auf der anderen Seite regelmäßig nicht erforderlich ist.

i) Beider Formalbeleidigung kann es sich um Fällehandeln, wenn etwa mit Vorbedacht und nicht nur in der Hitze einer Auseinandersetzung aus sich heraus herabwürdigende Schimpfwörter -etwa aus der Fäkalsprache – verwendet werden, die nach allgemeiner Auffassung besonders krass sind. Auch dort ist es – wie bei der Schmähkritik – im Regelfall nicht erforderlich, in eine Grundrechtsabwägung einzutreten. In Fällen der Formalbeleidigung ist das Kriterium der Strafbarkeit nicht der fehlende Sachbezug einer Herabsetzung, sondern die kontextunabhängig gesellschaftlich absolut missbilligte und tabuisierte Begrifflichkeit und damit die spezifische Form dieser Äußerung. Dem liegt zugrunde, dass die Bezeichnung anderer Personen mit solchen Begriffen sich gerade ihrer allein auf die Verächtlichmachung zielenden Funktion bedient, um andere unabhängig von einem etwaigen sachlichen Anliegen herabzusetzen. Sie ist daher in aller Regel unabhängig von den konkreten Umständen als Beleidigung zu werten (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 19. Mai 2020 – 1 BvR 2397/19 –, juris Rn. 21).

ii) Bei einer Bande handelt es sich nach dem allgemeinen primären Sprachgebrauch regelmäßig um eine Gruppe von Menschen, die sich zusammengeschlossen haben, um gemeinsam Straftaten zu begehen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2001 – GSSt 1/00 –, juris Rn. 20). Sofern die Bezeichnung „Affe“ in Bezug auf Menschen gebraucht wird, bringt der Sprecher damit zum Ausdruck, dass es sich bei diesem Menschen um einen besonders dummes, tierähnlich intellektuell beschränktes, Wesen der Gattung „Mensch“ handelt. Hier werden die betroffenen Polizeibeamten demnach als wie Tiere geistig minderbemittelte Wesen bezeichnet, die zudem noch von der Rechtsordnung absolut missbilligt handeln, indem sie nämlich Straftaten begehen. Eine derartige Bezeichnung ist gesellschaftlich absolut missbilligt und tabuisiert. Sie hatte den einzigen Zweck, die Polizeibeamten ohne Bindung an die konkrete Situation verächtlich zu machen.

c) Die gerichtliche Feststellung des Vorliegens einer Formalbeleidigung schließt eine – hilfsweise Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Schutz der Persönlichkeit nach den konkreten Umständen des Falles nicht etwa aus. Ein solches Vorgehen bietet sich vielmehr in den vielfach nicht eindeutig gelagerten Grenzfällen an (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 19. Mai 2020 – 1 BvR 2397/19 –, juris Rn. 25). Die Abwägung kann auch vom Revisionsgericht noch nachgeholt werden, sofern das angefochtene Urteil ausreichende Feststellungen getroffen hat (OLG Stuttgart, Urteil vom 7. Februar 2014 – 1 Ss 599/13 –, juris Rn. 21).

i) Für die Schutzwürdigkeit des Persönlichkeitsrechts der betroffenen Polizeibeamten sprechen folgende Umstände: Der konkret ehrschmälernde Gehalt der verwendeten Äußerung ist hier erheblich, weil der Ausdruck „Affenbande“ im dargelegten Sinn grundlegende, allen Menschen gleichermaßen zukommende Achtungsansprüche verletzt und das soziale Ansehen der betroffenen Polizeibeamten geschmälert hat. Der Ausdruck hat auch die angesprochenen Personen als Ganze und nicht nur einzelne ihrer Tätigkeiten oder Verhaltensweisen betroffen. Die Polizeibeamten wurden mit dem Schimpfwort „Affenbande“ betitelt, nachdem der Angeklagte sich nach einem Gespräch mit dem Arzt bereits freiwillig zur Blutentnahme bereit erklärt hatte. Danach hatten auch schon zwei Polizeibeamte den Raum, in dem sich der Angeklagte befand, wieder verlassen. Zu diesem Zeitpunkt fragte der die Blutentnahme durchführende Arzt den Angeklagten, „was er denn konsumiert habe“ (UA S. 10). Hierauf antwortete der Angeklagte dem Arzt, er werde es ihm erst sagen, wenn „die Affenbande“, also die zwei noch im Zimmer anwesenden Polizeibeamten den Raum verlassen hätten. Der Angeklagte belegte somit die betroffenen Polizeibeamten mit dem Schimpfwort „Affenbande“, obwohl sich die Gesamtsituation durch seine Bereitschaft, an der Blutentnahme mitzuwirken, wieder gänzlich entspannt hatte. Dass der Angeklagte durch die Verwendung des Ausdrucks „Machtkritik“ ausüben wollte, ist nicht erkennbar. Er äußerte sich gerade nicht gegenüber den Inhabern der staatlichen Macht, sondern er äußerte sich über sie gegenüber einem unbeteiligten Arzt, der nicht die Staatsmacht repräsentierte. Die betroffenen Polizeibeamten hatten dem Angeklagten in der Situation, in der die Äußerung fiel, auch keinerlei mittelbaren oder unmittelbaren Anlass für die Verwendung des Ausdrucks gegeben.

ii) Im Rahmen der Bewertung der Meinungsfreiheit war zu berücksichtigen: Das Gewicht der Meinungsfreiheit ist im vorliegenden Fall schon deshalb gering anzusetzen, weil der hier gegenständliche Ausdruck keinen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung darstellte, sondern es ging in der konkreten Situation hiervon unabhängig lediglich um die emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen einzelne Personen. Zu berücksichtigen war aber, dass die Äußerung lediglich die beiden betroffenen Polizeibeamten und der anwesende Arzt hören konnten, so dass keine weitreichenden Folgen der Betitelung durch den Angeklagten zu befürchten waren. Ebenfalls zu sehen war, dass die strafrechtliche Sanktion nicht die Freiheit des Angeklagten berührte, bestimmte Inhalte und Wertungen überhaupt zum Ausdruck zu bringen. Es hätte durchaus alternative Äußerungsmöglichkeiten für ähnliche Inhalte gegeben, die die Person der Polizeibeamten nicht herabgewürdigt hätten. Anhaltspunkte für eine beschränkte Ausdrucksfähigkeit des Angeklagten, welche möglicherweise in der Lage gewesen wäre, den verwendeten Ausdruck zu relativieren, sind nicht vorhanden. Die Äußerung fiel zwar nicht mit Vorbedacht, aber auch nicht im spontanen Rahmen einer hitzigen Diskussion. Sie fiel auch nur mündlich, also als flüchtiges Wort, das sich nicht perpetuierte.

iii) Bei wertender Betrachtung dieser Umstände überwiegt nach Ansicht des Senats das Interesse am Schutz der Persönlichkeit der betroffenen Polizeibeamten. Dabei war vor allem von Bedeutung, dass der verwendete Ausdruck kein Beitrag zu einer seriösen Meinungsbildung war, sondern lediglich die beiden Beamten gegenüber dem Arzt herabsetzen sollte.“

StGB I: Brechstange ist gefährliches Werkzeug, oder: Diebstahl mit Waffen

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Auf geht es in den neuen Tag, der heute drei StGB-Entscheidungen bringt.

Ich starte mit dem BGH, Beschl. v. 14.3.2024 – 4 StR 354/23. Hier soll es nur um die Frage gehen, die der BGH auf die Revision der Staatsanwaltsschaft zu Lasten des Angeklagten entschieden hat. Nämlich: Es hat sich bei dem Tatgeschehen – ist sehr umfangreich, daher bitte ggf. im Volltext nachlesen – nicht nur um einen Diebstahl, sondern um einen Diebstahl mit Waffen gehandelt. Der BGH sieht die vom Angeklagten mitgeführte Brechstange als ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) Alt. 2 StGB an:

„1. Der Schuldspruch im Fall II. 1. der Urteilsgründe hält einer sachlich-rechtlichen Nachprüfung nicht stand, soweit die Angeklagten wegen Diebstahls und nicht wegen Diebstahls mit Waffen verurteilt worden sind. Das Landgericht ist bei der Prüfung, ob die von den Angeklagten mitgeführte Brechstange ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) Alt. 2 StGB darstellt, von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen.

a) Als ein anderes gefährliches Werkzeug im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) Alt. 2 StGB ist ein Gegenstand anzusehen, der nach seiner objektiven Beschaffenheit geeignet ist, einem Opfer erhebliche Verletzungen zuzufügen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 2023 – 4 StR 481/22 Rn. 19; Beschluss vom 21. Juni 2012 ‒ 5 StR 286/12 Rn. 4; Urteil vom 18. Februar 2010 ‒ 3 StR 556/09, StV 2010, 628; Beschluss vom 3. Juni 2008 – 3 StR 246/07, BGHSt 52, 257, Rn. 32; siehe auch BGH, Beschluss vom 12. Januar 2021 – 1 StR 347/20, NStZ-RR 2021, 107, 108). Ob ein Gegenstand diese Voraussetzungen erfüllt, ist allein nach objektiven Kriterien zu bestimmen. Für ein zusätzliches subjektives Element zur Eingrenzung dieses Tatbestandsmerkmals ist dabei ‒ gerade auch mit Rücksicht auf die Abgrenzung zu den sonstigen Werkzeugen oder Mitteln im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) StGB, die erst durch die ihnen von Seiten des Täters in der konkreten Situation beigelegte Zwecksetzung tatbestandsmäßig werden – kein Raum (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 2023 ‒ 4 StR 481/22 Rn. 19 mwN). Bei der Prüfung ist die objektive Bestimmung und die Beschaffenheit des jeweiligen Gegenstands in den Blick zu nehmen. Für die daran anknüpfende Bewertung als „gefährlich“ kommt es maßgeblich darauf an, ob von dem Gegenstand eine abstrakte Gefahr ausgeht, die derjenigen einer Waffe im technischen Sinne nahekommt, sodass allein deshalb ein Mitführen dieses Gegenstands bei der Tat als latent gefährlich angesehen werden muss (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juni 2008 – 3 StR 246/07, BGHSt 52, 257, Rn. 34 f. [Taschenmesser] mwN; daran anknüpfend BGH, Beschluss vom 12. Januar 2021 ‒ 1 StR 347/20, NStZ-RR 2021, 107 [Zimmermannshammer]; Beschluss vom 21. Juni 2012 – 5 StR 286/12 Rn. 4 [Schraubendreher bei objektiv gegebener Eignung zur Verwendung als Stichwerkzeug]). Aus diesem Grund verlieren objektiv gefährliche Werkzeuge diese Eigenschaft nicht dadurch, dass der Täter sie in der konkreten Situation allein etwa zum Aufbruch oder Aufsprengen eines Behältnisses verwenden will (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 2023 – 4 StR 481/22 Rn. 19; OLG Nürnberg, Urteil vom 15. Oktober 2018 – 8 Ss 183/18, StV 2020, 250; OLG Stuttgart, Urteil vom 5. Mai 2009 – 4 Ss 144/09, NJW 2009, 2756, 2758; Vogel/Brodowski in LK-StGB, 13. Aufl., § 244 Rn. 14; Kindhäuser/Hoven in NK-StGB, 6. Aufl., § 244 Rn. 11; Schmitz in MüKo-StGB, 4. Aufl., § 244 Rn. 19; jew. mwN). Entgegen der vom Landgericht unter Berufung auf Stimmen in der Literatur vertretenen Auffassung scheiden sog. „verwendungsneutrale“ Gegenstände, die nach der konkreten Zwecksetzung durch den Täter der Vollendung der Wegnahme selbst dienen, nicht aus dem Anwendungsbereich des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) Alt. 2 StGB aus (so aber Fischer, StGB, 71. Aufl., § 244 Rn. 24; Chr. Jäger, JuS 2000, 651, 654 f.). Die subjektive Zwecksetzung erlangt erst im Rahmen der Strafzumessung Bedeutung und ist beispielsweise bei der Prüfung der Frage in den Blick zu nehmen, ob ein minder schwerer Fall im Sinne von § 244 Abs. 3 StGB vorliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2021 – 1 StR 347/20 Rn. 5).

b) Nach diesem Maßstab handelt es sich bei der gegenständlichen rund 90 cm langen Brechstange um ein „anderes gefährliches Werkzeug“ im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) Alt. 2 StGB. Sie ist – einem Zimmermannshammer oder Schraubendreher ähnlich – ein alltägliches Werkzeug, das seiner Beschaffenheit nach dazu geeignet und bestimmt ist, eine Kraft gegen ein anderes Objekt zu entfalten oder zu verstärken, und das sich dementsprechend ohne weitreichende Veränderung der vorgesehenen Einsatzform einer verbotenen Waffe vergleichbar gegen Menschen einsetzen lässt (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juni 2023 – 4 StR 481/22 Rn. 20). Für eine restriktive Anwendung von § 244 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) Alt. 2 StGB lassen die Feststellungen keinen Raum (vgl. in diesem Zusammenhang für „Stemmeisen“ inzident auch BGH, Beschluss vom 10. Juni 2020 – 5 StR 635/19 Rn. 4 ff.).“

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Welche Gebühren verdiene ich im Nachverfahren nach dem KCanG

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Am Freitag hatte ich gefragt: Ich habe da mal eine Frage: Welche Gebühren verdiene ich im Nachverfahren nach dem KCanG.

Meine Antwort:

„Moin, dazu gibt es in AGS 9/2024 einen Aufsatz von Volpert und demnächst auch etwas in StRR. Der Beitrag steht auch bei Juris online.“

Die Antwort mit dem Hinweis auf AGS 2024, 382 ff. hat natürlich so nicht weitergeholfen. Ich habe dem Kollegen dann mehr zur Verfügung gestellt, was ich dann auch hier tue, und zwar.

„b) Verteidigervergütung

Vor diesem Hintergrund spricht vieles dafür, dass die Tätigkeit des Verteidigers bei der Neufestsetzung der Strafe bzw. einer Gesamtstrafe nach Art. 316p, 313 Abs. 3, 4 EGStGB keine Gebühren in der Strafvollstreckung nach Teil 4 Abschnitt 2 VV auslöst (Nrn. 4200 ff. VV), sondern als Teil des Erkenntnisverfahrens Teil 4 Abschnitt 1 VV (Nrn. 4100 ff. VV) unterfällt. Für die einzelnen Gebühren gilt daher Folgendes:

• Eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV entsteht nicht erneut, weil unverändert derselbe Rechtsfall vorliegt. Der Rechtsfall ist der strafrechtliche Vorwurf, der dem Verurteilten gemacht wird.

• Eine Verfahrensgebühr nach Nrn. 4106, 4112, 4118 VV kann nur dann erneut entstehen, wenn das Verfahren auf Neufestsetzung der Strafe bzw. einer Gesamtstrafe eine neue gebührenrechtliche Angelegenheit bildet. Das ist nur dann der Fall, wenn der frühere Auftrag seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt ist, § 15 Abs. 5 S. 2 RVG. Auch eine weitere Postentgeltpauschale nach Nrn. 7001, 7002 VV kann nur unter dieser Voraussetzung anfallen.

• Nimmt der Verteidiger im Rahmen der Neufestsetzung an einem der in Nr. 4102 VV genannten Termine teil, löst die Teilnahme eine allgemeine Terminsgebühr nach Nr. 4102 VV aus.8 Allerdings muss es sich um einen der dort explizit genannten Termine handeln, eine analoge Anwendung auf andere Termine ist nicht möglich.9 Entsteht deshalb keine Terminsgebühr nach Nr. 4102 VV, muss die Verteidigertätigkeit gem. § 14 Abs. 1 RVG bei der Bemessung der Verfahrensgebühr berücksichtigt werden. Ein Hauptverhandlungstermin (§ 243 StPO), der die Terminsgebühr nach Nrn. 4108, 4114 oder 4118 VV auslösen könnte, findet bei der Neufestsetzung der Strafe oder der Gesamtstrafe nicht statt.

• Zur zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV bei Einziehung s. nachfolgend unter II. 2.“

Dies war ein Service vom BOB 🙂 .

StGB I: NSDAP-Zeichen auf Corona-Schutzmaske, oder: Veröffentlichung bei Twitter

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In die neue Woche geht es dann mit zwei StGB-Entscheidungen, beide zu – man sieht es an der Überschrift – § 86a StGB. Also Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Orgnaisationen, und zwar beide Male das Hakenkreuz.

Ich eröffne mit dem KG, Urt. v. 30.09.2024 – 2 ORs 14/24 – 121 SRs 43/24. Das ist bisher nur als PM veröffentlicht, aber noch nicht im Volltext. Ich hatte es mir vom KG „besorgt“.

Es geht um einen Fall aus dem Sommer 2022, also noch Corona-Pandemie-Zeit. Nach den Feststellungen des AG hatte der Angeklagte am 24.08.2022 um 17.51 Uhr und am 27.08.2022 um 8.47 Uhr auf seinem bei Twitter geführten, öffentlich einsehbaren Nutzerprofil mit dem Benutzernamen @c…_f…. ein Foto veröffentlichte, auf welchem eine medizinische Mund-Nasen-Bedeckung sichtbar ist, wel­che mittig die Abbildung eines sogenannten Hakenkreuzes trägt.

Der Veröffentlichung des Fotos am 24.08.2022 fügte er den folgenden Text bei: „Die #Masken sind Symbole der Ideologiekonformität. Das ist alles, was sie sind. Das waren sie schon immer. Hören Sie auf, so zu tun, als wären sie jemals etwas anderes, oder gewöhnen Sie sich daran, sie zu tragen. #MaskensindkeinmildesMittel“. Der Veröffentlichung des Fotos am 27.08.2022 fügte er den folgenden Text bei: „,Von der Maske geht immer auch ein Signal aus‘ – K… L…, August 2022“. Darunter verlinkte er einen Artikel der „Welt“ mit dem Titel „Von der Maske geht immer auch ein Signal aus“.

Das AG ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte wusste, dass dieser Post durch einen größeren, durch persön­liche Beziehungen nicht verbundenen Personenkreis wahrgenommen werden könnte. Ihm war ferner bewusst, dass es sich bei dem Hakenkreuz um ein Symbol der verbotenen NSDAP handelt.

Das AG hat den Angeklagten  vom Vorwurf, im Inland Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation in zwei Fällen verbreitet zu haben, „aus tatsächlichen Gründen“ mit der Begründung freigesprochen, dass die Veröffentlichungen des Angeklagten nicht vom Tatbestand des § 86a StGB erfasst seien.

Dagegen die Revision der Staatsanwaltschaft, die Erfolg hatte. Das KG hat den Freispruch aufgehoben, den Angeklagten wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Or­ganisationen in zwei Fällen schuldig gesprochen und die Sache dann zur Verhandlung und Entscheidung über den Strafausspruch an dass AG zurückverwiesen.

Wegen der Einzelheiten der Begründung verweise ich auf den verlinkten Volltext. Ich stelle hier nur die Passagen ein, die sich mit der sog. Tatbestandsrestriktion befassen: Danach kann im Einzelfall unter bestimmten Voraussetzungen der Gebrauch eines Kennzei­chens einer verfassungswidrigen Organisation in einer Darstellung, deren Inhalt in of­fenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der Organisation und die Be­kämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck bringt, dem Schutzzweck ersichtlich nicht zu­widerlaufen und daher vom Tatbestand des § 86a StGB nicht erfasst werden. Das hat das KG aber verneint:

„cc) Ein solcher Ausnahmefall, der eine zulässige Verwendung des verbotenen Kenn­zeichens begründen würde, liegt hier nicht vor.

(1) Die Ausführungen des Amtsgerichts Tiergarten zur Begründung einer Tatbestands­restriktion überzeugen nicht. Danach sei ohne weiteres erkennbar, dass die Verbin­dung zum Nationalsozialismus in einem nachdrücklich ablehnenden Sinn hergestellt werde; es sei ersichtlich, dass der Angeklagte als Verfasser den Nationalsozialismus scharf ablehne. Der Angeklagte habe – auch für seine Anhänger erkennbar – durch die Verwendung des Hakenkreuzes im Zusammenhang mit der Maske als Symbol der Corona-Maßnahmen gerade seine Ablehnung des durch das Hakenkreuz repräsen­tierten nationalsozialistischen Totalitarismus zum Ausdruck bringen wollen, um seine Kritik an den Corona-Maßnahmen zu verdeutlichen. Damit fehle den Posts jede Eig­nung, einer Wiederbelebung nationalsozialistischen Gedankenguts oder gar ehemali­ger nationalsozialistischer Organisationen zu dienen.

(2) Eine solche eindeutige Abkehr vom Nationalsozialismus ist aus den Posts des An­geklagten, die dem Senat aufgrund der ausdrücklichen Bezugnahme des Amtsgerichts nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO in den Urteilsgründen aus eigener Anschauung zu­gänglich und damit in seine revisionsgerichtliche Prüfung einzubeziehen sind, nicht erkennbar.

Aus Sicht eines objektiven Betrachters zeigt die Fotomontage in Form einer weißen Mund-Nasen-Bedeckung mit einem weißen Hakenkreuz allenfalls indirekt eine kriti­sche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Ziel der Verwendung der Ab­bildung sollte nach den Feststellungen des Amtsgerichts die Kritik an den staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Covid 19-Pandemie sein. Durch die Verbindung des Abbildes der Mund-Nasen-Bedeckung mit dem weißen Hakenkreuz solle nach den Vorstellungen des Angeklagten darauf hingewiesen werden, dass das Handeln der Regierung an die Methoden des Nationalsozialismus erinnere und das Vorgehen der Regierung mit den Methoden des NS-Staats vergleichbar sei. Kritisiert werden damit allein die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Covid 19-Pandemie, nicht aber der Nationalsozialismus. Es sollen jedoch nur solche Handlungen nicht vom Tat­bestand des § 86a StGB erfasst werden, in denen das Kennzeichen offenkundig ge­rade zum Zweck der Kritik an der verbotenen Vereinigung oder der ihr zu Grunde lie­genden Ideologie eingesetzt wird, woran es hier fehlt.

Der Vergleich von Corona-Maßnahmen, die durch die Verwendung der Mund-Nasen-Bedeckung verkörpert werden sollen, mit dem durch das Hakenkreuz symbolisierten NS-Terrorregime stellt eine Verharmlosung des Nationalsozialismus und des national­sozialistischen Völkermordes an Millionen Juden dar, nicht aber eine Kritik daran (zu § 130 StGB vgl. BayObLG, Urteil vom 20. März 2023 – 206 StRR 1/23 –). Selbst die teilweise – nicht jedoch vom Senat (vgl. Urteil vom 13. Februar 2023 – [2] 121 Ss 140/22 [44/22] –, juris) – vertretene Auffassung, dass Gegner der Maßnahmen zur Eindämmung der Covid 19-Pandemie durch entsprechende Vergleiche das durch Na­tionalsozialisten zugefügte Unrecht gerade nicht bagatellisieren, sondern das eigene Leid lediglich im Sinne einer überzogenen Dramatisierung aufwerten wollen, führt hier nicht zu einem anderen Ergebnis. Denn auch darin liegt keine für die Tatbestandsrest­riktion des § 86a StGB erforderliche Abkehr vom Nationalsozialismus, die voraussetzt, dass sich – wie der Senat ausgeführt hat – die Gegnerschaft eindeutig und offenkundig ergibt und ein Beobachter sie somit auf Anhieb zu erkennen vermag.

Eine andere Beurteilung folgt ebenso wenig aus dem Zusammenhang mit den den Abbildungen jeweils beigefügten Texten. Aus den Texten ist eine Ablehnung des Na­tionalsozialismus ebenfalls nicht zu erkennen, diese beziehen sich jeweils nur auf die Maßnahme der Maskenpflicht; aus ihnen wird allein deren Ablehnung deutlich.

Auch liegt es nicht fern, dass derartige Abbildungen einer Wiederbelebung nationalso­zialistischen Gedankenguts oder ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen dienen. Eine Maske mit einem Symbol des Nationalsozialismus erweckt bei einem ein­sichtigen Betrachter ohne Weiteres den Eindruck, die Verwendung des Hakenkreuzes werde in der Bundesrepublik Deutschland geduldet (vgl. BGHSt 25, 133).“

Edit: Der Beitrag hatte zunächst eine andere Überschrift. Aber mit „Hakenkreuz“ im Titel wird er bei FB als gewaltverherrlichendes Spam eingeordnet. So viel zur KI 🙂 .