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Die Anwaltliche Abmahnung von Falschparkern, oder: Erstattung der Anwaltsgebühren

Die zweite Entscheidung hat nicht direkt etwas mit Gebühren zu tun, aber mit der Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren, und zwar nach anwaltlicher Abmahnung von Falschparkern. Dazu hier das AG Velbert, Urt. v. 30.07.2021 – 19 C 16/21. Sachverhalt und Urteilsgründe dann hier:

„Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks an der pp.straße in V. In der Nähe befindet sich ein Bäckereigeschäft; insgesamt finden sich wenige Parkmöglichkeiten in der direkten Umgebung. Auf dem Grundstück des Klägers befindet sich zumindest ein Parkplatz, der durch ein Schild als Privatparkplatz gekennzeichnet ist. Da vermehrt Unbefugte ihr Kraftfahrzeug auf dem Privatparkplatz des Klägers abstellten, stellte der Kläger eine Kamera auf, die Aufzeichnungen der Falschparker macht. Darüber hinaus beauftragte er einen Rechtsanwalt damit, Unterlassungserklärungen von den unbefugt Parkenden anzufordern. Dies geschah in zumindest 13 Fällen von 2019 bis 2020.

Am 29.11.2020 um 08:58 Uhr stellte der Beklagte sein Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen pp. auf diesem Parkplatz ab. Der Kläger machte eine Halterabfrage, die Kosten in Höhe von 5,10 EUR verursachte. Mit anwaltlichem Schreiben vom 22.12.2020 mahnte der Kläger den Beklagten ab, forderte ihn auf eine Unterlassungserklärung abzugeben und die Rechtsanwaltskosten in Höhe von 196,62 EUR zu zahlen. Bei der Berechnung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten wurde ein Streitwert von 1.500,00 EUR zugrunde gelegt. Am 28.12.2020 erklärte der Beklagte per E-Mail, damit nicht einverstanden zu sein.

Der Kläger ist der Ansicht, er dürfte auch weiterhin einen Rechtsanwalt mit der Verfolgung der Unterlassungserklärungen beauftragen. Die dadurch entstehenden Kosten hätten die jeweiligen Gegner zu tragen. Dies gelte insbesondere in diesem Fall, da der Beklagte nicht einmal auf die anwaltliche Aufforderung reagiert habe, sodass nicht davon auszugehen sei, dass er auf ein privates Aufforderungsschreiben des Klägers selbst reagiert hätte.

Ursprünglich hat der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, dass er es unter Meidung eines für den Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten es zu unterlassen, den Parkplatz des Klägers pp.straße, V.  zu nutzen oder durch Dritte nutzen zu lassen, es sei denn, dass der Kläger der Benutzung vorher ausdrücklich zu gestimmt hat. Mit Schreiben vom 02.04.2021 hat der Kläger diesen Antrag für erledigt erklärt, nachdem der Beklagte die geforderte Unterlassungserklärung abgegeben hat. Der Beklagte hat sich dieser Erledigungserklärung angeschlossen und erklärte Kostenübernahme im Umfang der Erledigung.“

Das AG hat nur in geringem Umfang zugesprochen:

„Die Klage ist zulässig, aber nur im tenorierten Umfang begründet. Nach der teilweisen, übereinstimmenden Erledigungserklärung und der im gleichen Umfang erklärten Kostenübernahmeerklärung war lediglich über die Kostentragungspflicht bezüglich der Halterabfrage und den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu entscheiden.

Der Kläger hat Anspruch auf Freistellung von den Kosten, die durch die Halterabfrage entstanden sind. Diese sind als Aufwendungen ersatzfähig, da sie der Vorbereitung des Klägers dienen, den Beklagten zur Unterlassung aufzufordern, §§ 683, 677, 670 BGB (BGH, Urteil vom 10.05.2012 – I ZR 70/11). Nur durch die Abfrage erhält der Kläger Kenntnis von der Person, die unbefugt auf seinem Privatgrundstück parkt. Insofern ist er auf die Abfrage angewiesen, insbesondere, wenn er den Störer nicht rechtszeitig in persona konfrontieren kann.

 

Hingegen hat der Kläger keinen Anspruch auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Nach § 670 BGB sind lediglich die Aufwendungen ersatzfähig, die der Geschäftsführer den Umständen nach für erforderlich halten darf. Hierbei ist sorgfältig nach den Gesamtumständen und im Einzelfall zu prüfen, was er vernünftigerweise aufwenden darf (MüKoBGB/Schäfer, 8. Aufl. 2020, BGB § 670 Rn. 8). Im hiesigen Fall wusste der Kläger insbesondere aufgrund der zahlreichen vorangegangenen Fälle, welche Rechte ihm bei derartigen Verstößen zustehen und was zu veranlassen ist. Unschädlich ist dabei, dass die vorangegangenen Fälle alle unter anwaltlicher Tätigkeit gelöst wurden. Der Kläger hätte spätestens beim hiesigen Fall die Vorgehensweise erkennen und persönlich durchführen müssen, da er entsprechend über die Vorgehensweise betreffend der Durchsetzung eines Unterlassungsanspruches informiert ist. Dabei bleibt, da hier die Sicht ex ante entscheidend ist, unklar, ob der Beklagte nicht vielmehr auf eine privat an ihn gerichtete Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung reagiert hätte, da dadurch nicht automatisch eine Zahlungsaufforderung einherging. Es ist durchaus denkbar, dass ein juristischer Laie dem Irrtum unterliegt, dass er durch die Unterzeichnung der Unterlassungserklärung auch zwangsläufig die Übernahme der Rechtsanwaltskosten erklärt, was wiederum zu einem Widerwillen führt.“

Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen wegen unsachlicher Reaktion, oder: Mimimimimi

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Die zweite Entscheidung im heutigen „Kessel Buntes“ ist dann ein Beschluss des OLG Frankfurt/Main aus dem Zivilverfahrensrecht.

Ergangen ist der OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 20.08.2021 – 17 W 16/21 –  in einem Arzthaftungsverfahren. Es geht um die Frage der Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen wegen unsachlicher Reaktion auf Kritik an einem von ihm erstatteten Gutachten.

In dem hatte der vom Gericht bestellte Sachverständige A sein Gutachten erstattet. Dazu hatte die Klägerin Stellung genommen und auf eine abweichende Bewertung der von ihr eingebundenen Privatgutachter durch A hingewiesen und wie folgt ausgeführt: „…Beide Gutachter müssen nachweisen, dass das Gutachten des Herrn A, den wir durchaus als objektiven Gutachter schätzen, in dieser Form keinen Bestand haben kann…“. Der Sachverständige A ist daraufhin zu einer Ergänzung seines Gutachtens veranlasst worden.  In seinem Ergänzungsgutachten führt der Sachverständige A dann unter Beifügung eines Schriftsatzauszuges der Prozessbevollmächtigten der Klägerin einleitend aus, dass er von diesen in einigen [anderen] Verfahren als Privatgutachter eingebunden und dort als objektiv und kompetent beschrieben worden sei und sodann: “…Der Klägerseite und RA Kanzlei…muss mitgeteilt werden, dass es unmoralisch ist, dass im Falle einer nicht der gleichen Meinung mit der RA Kanzlei, erstellte GA durch den Unterzeichner auf einmal der Gutachter (der Unterzeichner) nicht gut genug ist oder der [gemeint: er] nicht spezialisiert ist oder nicht die entsprechende Kompetenz hat.“

Daraufhin hat die Klägerin den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das LG hat den Antrag zurückgewiesen, das OLG ist dem Antrag gefolgt:

„Ein Sachverständiger kann wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn hinreichende Gründe vorliegen, die vom Standpunkt einer vernünftigen Partei aus geeignet sind, Zweifel an seiner Unparteilichkeit zu wecken. Es ist unerheblich, ob der gerichtlich beauftragte Sachverständige tatsächlich parteilich ist oder ob das Gericht etwa Zweifel an dessen Unparteilichkeit hegt. Es ist allein maßgeblich, ob für die das Ablehnungsgesuch stellende Partei der Anschein einer nicht vollständigen Unvoreingenommenheit und Objektivität besteht (vgl. nur BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2007 – X ZR 100/05 -, Rn. 5, juris), wobei mehrere Gründe, die für sich genommen eine Besorgnis der Befangenheit nicht zu rechtfertigen vermögen, in ihrer Gesamtheit die notwendige Überzeugung vermitteln können (vgl. OLG München, Beschluss vom 4. Juli 2005 – 1 W 1010/05 -, Rn. 11, juris; Huber: Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl., Rn. 4, § 406 ZPO).

In diesem Zusammenhang können Negativäußerungen über eine Prozesspartei die Voreingenommenheit begründen (vgl. BGH, Urteil vom 12. März 1981 – IVa ZR 108/80 -, Rn. 19, juris); ebenso können einzelfallbezogen das Überschreiten des Gutachtenauftrags oder eine parteilastige Beweiswürdigung und das Nichtoffenbaren herangezogener Beweisunterlagen zu einer Voreingenommenheit beitragen (vgl. i. E. Scheuch in: BeckOK ZPO, Stand 1. März 2021, Rn. 24.2 ff., § 406 ZPO m. w. N.). Die Besorgnis der Befangenheit kann sich zudem daraus ergeben, dass der Sachverständige auf die gegen sein Gutachten gerichtete sachliche Kritik mit abwertenden Äußerungen über die Partei, ihre Prozessbevollmächtigten oder einen Privatgutachter reagiert (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 12. Januar 2009 – 8 W 78/08 -, Rn. 8, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 20. Januar 2010 – I-1 W 85/09 -, Rn. 4 ff., juris; KG, Beschluss vom 6. September 2007 – 12 W 52/07 -, Rn. 4 ff., juris; OLG Köln, Beschluss vom 11. Juli 2001 – 16 W 26/01 -, Rn. 5, juris).

Gemessen daran liegen für die Klägerin in der Person des Sachverständigen Gründe vor, die Anlass zur Besorgnis der Befangenheit geben.

Die Unterstellung unmoralischen Verhaltens der Prozessbevollmächtigten der Klägerin verlässt vorliegend jeglichen Verfahrensbezug und stellt sich als nicht veranlasste Kränkung der Reputation des Sachverständigen dar, die begründete Zweifel zu wecken geeignet ist, der Sachverständige werde angesichts dessen den Behauptungen der Klägerin nicht mehr unvoreingenommen entgegentreten, mag der Sachverständige auch in dem Gutachten und seiner Stellungnahme zu dem Befangenheitsgesuch auf seine Objektivität verweisen. Entscheidend ist nicht, ob der Sachverständige tatsächlich befangen ist oder das Gericht ihn für befangen hält, sondern allein wie sich sein Verhalten aus Sicht der Klägerin darstellt. Dass die Prozessbevollmächtigten der Klägerin den Sachverständigen in anderen Verfahren als Privatgutachter eingebunden und als objektiv und kompetent beschrieben haben, rechtfertigt keineswegs eine – aus Sicht des Sachverständigen wohl unterstellte – Pflicht zur kritiklosen Hinnahme seiner Bewertungen in dem vorliegend maßgeblichen verfahrensbezogenen Gutachten. Das Verhalten der Prozessbevollmächtigten der Klägerin wegen deren kritischer Stellungnahme als unmoralisch zu bezeichnen, entfernt sich von einer verfahrensbezogenen, die Förmlichkeiten des dem erfahrenen Sachverständigen bekannten zivilprozessualen Verfahrens wahrenden Reaktion.

Zwar ist nicht zu beanstanden, wenn sich der Sachverständige gegen unsachliche und unangemessene Kritik einer Partei mit drastischen Ausführungen erwehrt (vgl. Scheuch, aaO, Rn. 24.5 m. w. N.). Diese Reaktion hat die Partei hinzunehmen.

Darum geht es vorliegend indessen nicht.

Die von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin an dem (Erst-)Gutachten geübte Kritik wahrt die Sachlichkeit. Die Bewertungen des Sachverständigen werden mit Blick auf die Implantation der Kappenprothese und die Befunderhebung unter Heranziehung der Bewertungen der Privatgutachter bezweifelt, ohne dass etwa die Objektivität oder Kompetenz dem Sachverständigen abgesprochen wird. Im Gegenteil wird betont, dass der Sachverständige als objektiver Gutachter geschätzt werde. Mit Blick darauf stellt sich die Reaktion des Sachverständigen umso mehr als nicht mehr gerechtfertigt und verfahrensfremd dar.“

Der Beschluss stammt aus einem Zivilverfahren, die Frage kann aber natürlich auch mal in einem Straf- oder Bußgeldverfahren eine Rolle spielen.

Verweigerte/Verspätete Zulassung zur Anwaltschaft, oder: Anspruch auf Schadensersatz?

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Der ein oder andere wird sich vielleicht noch erinnern. Vor einigen Jahren hatte es den Streit um die Zulassung einer Referendarin zur Anwaltschaft gegeben. Die hatte am 28.08.2014 nach bestandener zweiter juristischer Staatsprüfung einen Antrag auf Zulassung zur Anwaltschaft gestellt, Mit Bescheid vom 15.05.2015 lehnte die zuständige RAK Köln den Antrag mit der Begründung ab, die Referendarin sei gemäß § 7 Nr. 5 BRAO unwürdig, zur Anwaltschaft zugelassen zu werden, da sie mit Urteil des AG Aachen vom 12.04.2013 wegen Beleidigung ihres Ausbilders in der Staatsanwaltsstation im Rahmen ihres Rechtsreferendariats zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30,00 € sowie bereits im Jahre 2008 wegen uneidlicher Falschaussage verurteilt worden war. Die gegen den Ablehnungsbescheid erhobene Klage wurde vom Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 30.10.2015 (1 AGH 25/15) abgewiesen. Der BGH lehnte den anschließenden Antrag auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 27.06.2016 (AnwZ (Brfg) 10/16) ab. Mit Beschluss vom 22.10.2017 (1 BvR 1822/16) gab das BVerfG der Verfassungsbeschwerde der Referendarin statt und stellte fest, dass die Entscheidung der Beklagten und das Urteil des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen diese in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG verletzten. Der Anwaltsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen beraumte daraufhin einen neuen Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 31.08.2018 an, in der man sich dann dahingehend verständigte, dass die RAK die Referendarin nunmehr zur Anwaltschaft zulassen wollte, was am 05.09.2018 vollzogen wurde.

Mit Schreiben vom 01.10.2020 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung von 75.000,00 € auf. Darum wird inzwischen geklagt. Das LG Köln hat mit LG Köln, Urt. v. 03.08.2021 – 5 O 341/20 – die Klage abgewiesen:

„…..

2.a) Auch hinsichtlich der Ablehnung des Zulassungsantrags kann zugunsten der Klägerin von der Verletzung einer Amtspflicht ausgegangen werden. Der Ablehnungsbescheid ist – wie das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat – verfassungswidrig und damit rechtswidrig. Daran ist das erkennende Gericht gebunden. Der Beklagten ist jedoch kein Verschulden vorzuwerfen. Die Entscheidung der Beklagten, der Klägerin die Zulassung zu verweigern, erfolgte nicht mindestens fahrlässig.

Zum einen verstieß die Auslegung sowohl von § 7 Nr. 5 BRAO als auch von Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG durch die Beklagte zum Bescheidungszeitpunkt nicht gegen den klaren, bestimmten, unzweideutigen Wortlaut der Vorschriften oder gegen eine eindeutige höchstrichterliche Rechtsprechung (Palandt/Sprau, BGB, § 839 Rn. 53 m.w.N.). Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich klargestellt, dass „sowohl die Rechtsanwaltskammer als auch der Anwaltsgerichtshof im Ansatz zutreffend davon ausgegangen [sind], dass eine Einschränkung der freien Berufswahl nur zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft ist“, die Beklagte bei der Normauslegung des § 7 Nr. 5 BRAO der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gefolgt ist und dass auch der richtige Prüfungsmaßstab für Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG festgelegt wurde (Beschluss vom 22.10.2017, Rn. 25). Für eine andere Beurteilung bestehen keine Anhaltspunkte. Die Beklagte hat in ihrem Bescheid auf Seite 2 den bis dato bekannten Prüfungsmaßstab korrekt dargelegt. Die in Rn. 29 der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung – ohne eine Verweisung auf bereits ergangene Entscheidungen der Obergerichte – erfolgten Ausführungen fanden sich in der bis zu diesem Beschluss ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung in dieser Eindeutigkeit noch nicht und sind im Übrigen ausweislich Rn. 26 einzelfallbezogen.

Zum anderen ist nach der sog. Kollegialgerichts-Richtlinie das Verschulden regelmäßig zu verneinen, wenn bei einer zweifelhaften, nicht einfach zu beantwortenden Rechtsfrage ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht nach sorgfältiger Prüfung, aber unrichtigerweise die Rechtsmäßigkeit der Amtshandlung bejaht hat, auch wenn diese Entscheidung erst nach der Amtshandlung ergangen ist (Palandt/Sprau, BGB, § 839 Rn. 53 m.w.N.). Der Ablehnungsbescheid der Beklagten wurde sowohl durch den 1. Senat des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen, besetzt durch zwei Berufsrichter und drei Rechtsanwälte, als auch den Senat für Anwaltssachen des Bundesgerichtshofs, besetzt durch drei Berufsrichter und zwei Rechtsanwälte, nach jeweils eingehender, insbesondere nicht summarischer Prüfung über mehrere Seiten Entscheidungsgründe hinweg bestätigt.

Eine Ausnahme gälte nur dann, wenn die Gerichte in entscheidenden Punkten von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wären oder diesen nicht erschöpfend gewürdigt hätten bzw. eine eindeutige Bestimmung handgreiflich falsch ausgelegt oder maßgebliche Fragen verkannt hätten oder das Verhalten des Amtsträgers aus anderen Rechtsgründen als dieser Bestimmung als objektiv gerechtfertigt angesehen hätten (Palandt/Sprau, BGB, § 839 Rn. 53 m.w.N.). Die Gerichte haben – wie bereits festgestellt – sowohl § 7 Nr. 5 BRAO als auch Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG richtig ausgelegt und dabei maßgebliche Fragen nicht verkannt. Ebenfalls sind die Gerichte von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen und haben diesen erschöpfend gewürdigt. Diesbezüglich hat das Bundesverfassungsgericht in Rn. 27 seines Beschlusses ausgeführt, dass „die Würdigung der konkret herangezogenen für und gegen die Beschwerdeführerin sprechenden Umstände zur Beurteilung ihrer Gesamtpersönlichkeit“ keinen Bedenken begegne. Die Kammer schließt sich dieser Bewertung an. Insbesondere hat die Beklagte berücksichtigt, dass die Verurteilungen der Klägerin bereits einige Zeit zurück lagen. Nach Ansicht der Beklagten war aber in der Zwischenzeit ein „Wandlungsprozess […] bei Ihnen nicht feststellbar. Sie haben zudem in keiner Ihrer Aussagen zum Ausdruck gebracht, Ihre Taten zu bereuen.“ Dass die Entscheidungen letztlich „eine Prognoseentscheidung im Hinblick auf die Beeinträchtigung der einer Zulassung entgegenstehenden Interessen der Öffentlichkeit vermissen“ ließen (BVerfG, Beschluss vom 22.10.2017, Rn. 29), erfüllt keinen der oben genannten Ausnahmetatbestände.

b) Selbst wenn man zugunsten der Klägerin davon ausginge, der Bescheid der Beklagten wäre schuldhaft rechtswidrig ergangen, so ist die Beklagte jedenfalls gemäß § 214 Abs. 1 BGB wegen Eintritt der Verjährung berechtigt, die Leistung zu verweigern. Die Verjährung ist gleichsam mit Ablauf des 31.12.2018 eingetreten.

Der Amtshaftungsanspruch entsteht im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB, wenn alle Tatbestandsmerkmale des § 839 BGB erfüllt sind. Hinsichtlich des Schadens genügt es nach dem Grundsatz der Schadenseinheit, dass ein Teilschaden eines auf einer abgeschlossenen Handlung beruhenden und vorhersehbaren Gesamtschadens entstanden ist (BGH, Urteil vom 07.03.2019 – III ZR 117/18; Palandt/Ellenberger, BGB, § 199 Rn. 14 m.w.N.). Wegen des Grundsatzes der Schadenseinheit umfasst die Kenntnis eines bereits entstandenen Schadens auch die Kenntnis weiterer nachteiliger Folgen, die zwar im Zeitpunkt der Erlangung der Kenntnis noch nicht eingetreten, aber bei verständiger Würdigung voraussehbar gewesen wären (BGH, Vorlagebeschluss vom 12.10.2006 – III ZR 144/05.

Der Amtshaftungsanspruch ist – unterstellt – dem Grunde nach mit der Ablehnung des Zulassungsantrags am 15.05.2015 entstanden. Wie bereits dargelegt wurde, war der Klägerin auch die Erhebung einer Feststellungsklage zumutbar. Der Ausnahmefall der Rechtsunkenntnis des Gläubigers, der den Verjährungsbeginn hinausschieben kann, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag (vgl. nur BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 – XI ZR 348/13 -, BGHZ 203, 115-140, Rn. 35 m.w.N.), liegt ersichtlich nicht vor. Die Klägerin ging nach ihrem eigenen Vortrag davon aus, dass die Entscheidung der Beklagten „offenkundig“ rechtswidrig war, sodass für sie ein Anspruch nahe lag. Auch dass in Folge zwei Gerichte die Entscheidung der Beklagten bestätigten, ist insofern ohne Belang, ebenso wie der Umstand, dass die Klägerin bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht sicher wusste, ob der Bescheid tatsächlich rechtswidrig ist, denn eine solche „absolute“ Sicherheit wird von der Rechtsprechung im Rahmen des § 199 Abs. 1 BGB nicht gefordert…..“

Von der Sache werden wir sicher noch einmal hören.

VW-Abgasskandal II: Schadensersatz beim Gebrauchtwagenkauf, oder: Auswirkungen eines Software-Update

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Und als zweite Entscheidung des Tages das BGH, Urt. v. 27.07.2021 – VI ZR 698/20 – mit folgendem Sachverhalt:

Der Kläger erwarb am 0 bei einem Autohaus einen gebrauchten Audi Q 3 mit einem Dieselmotor der Baureihe EA189 EU5 zum Kaufpreis von 41.580 EUR, den er in Höhe von 5.000 EUR aus eigenen Mitteln zahlte und im Übrigen durch ein Darlehen bei der Volkswagen Bank finanzierte. In Motoren dieser Baureihe war eine vom KBA als unzulässig gewertete Abschalteinrichtung für Schadstoffemissionen eingebaut. Die Beklagte hat dann die Fahrzeuge zurückgerufen, um sie durch Aufspielen einer geänderten Software technisch zu überarbeiten. Das KBA gab diese Nachrüstung frei. Beim Fahrzeug des Klägers wurde diese Nachrüstung durchgeführt.

Das LG hat die Beklagte u.a. verurteilt, an den Kläger 9.555,56 EUR nebst Zinsen zu zahlen und den Kläger von sämtlichen Verbindlichkeiten aus dem Darlehensverhältnis freizustellen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs sowie Abtretung sämtlicher Rechte, die dem Kläger gegen den Darlehensgeber zustehen. Das OLG hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des LG abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte Erfolg

Hier der Leitsatz zu der Entscheidung:

Die Haftung eines Automobilherstellers nach § 826 BGB gegenüber dem Käufer in einem sogenannten Dieselfall nach Verkauf eines Gebrauchtwagens entfällt nicht durch ein Software-Update.

VW-Abgasskandal I: Kauf eines Diesel mit „Schummelsoftware“, oder: Kleiner Schadensersatz

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VW-Dieselskandal und kein Ende. Zumindest derzeit in der Aufarbeitung durch die Rechtsprechung. Denn die Reihe der Veröffentlichung von Entscheidungen zu der Thematik ebbt nicht ab. Daher heute auch hier im „Kessel Buntes“ noch einmal das Thema.

Zunächst das BGH, Urt. v. 06.07.2021 – VI ZR 40/20 – mit folgendem Sachverhalt: Die Klägerin hatte im Juli für 22.730 EUR einen von der Beklagten (VW-AG) hergestellten, gebrauchten VW Passat Variant 2.0 TDI mit einer Laufleistung von 58.500 km erworben. Das im Februar 2012 Fahrzeug zugelassene Fahrzeug war mit einem Dieselmotor des Typs EA189 (Euro 5) ausgestattet. Die im Zusammenhang mit dem Motor ursprünglich verwendete Software erkannte, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wurde, und schaltete in diesem Fall vom regulären Abgasrückführungsmodus 0 in einen stickoxid(NOXX-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb. Die Grenzwerte der Euro-5-Norm wurden nur im „Modus 1“ eingehalten.

Im Jahr 2015 ordnete das KBA gegenüber der Beklagten den Rückruf der mit dieser Software ausgestatteten Fahrzeuge an, weil es die Software als unzulässige Abschalteinrichtung einstufte. Die Beklagte entwickelte in der Folge ein Softwareupdate, das vom KBA freigegeben und auch im Fahrzeug der Klägerin installiert wurde.

Die Klägerin hat Klage auf Ersatz des Minderwerts, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, der jedoch mindestens 5.682,50 EUR (25 % des Kaufpreises) betragen sollte. Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG in einem Grundurteil die Ansprüche auf Ersatz des Minderwerts und auf Freistellung von den vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung ihres Feststellungsantrags hat es durch Endurteil zurückgewiesen.

Dagegen sowohl die Revision der Klägerin als auch der Beklagten. Beide Rechtsmittel hatten keinen Erfolg.

Hier die Leitsätze zu der BGH-Entscheidung:

  1. Ein Geschädigter, der durch das deliktische Handeln eines Dritten (hier: Fahrzeughersteller) zum Abschluss eines Kaufvertrags (hier: über ein Dieselfahrzeug mit Prüfstanderkennungssoftware) bestimmt worden ist, kann, wenn er die Kaufsache behalten möchte, als Schaden von dem Dritten den Betrag ersetzt verlangen, um den er den Kaufgegenstand – gemessen an dem objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung – zu teuer erworben hat (sog. kleiner Schadensersatz).

  2. Für die Bemessung dieses kleinen Schadensersatzes ist grundsätzlich zunächst der Vergleich der Werte von Leistung (Fahrzeug) und Gegenleistung (Kaufpreis) im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich. Eine etwaige Aufwertung des Fahrzeugs durch eine nachträgliche Maßnahme (hier: Softwareupdate) des Schädigers, die gerade der Beseitigung der Prüfstanderkennungssoftware dienen sollte, ist im Rahmen der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen; dabei sind etwaige mit dem Softwareupdate verbundene Nachteile in die Bewertung des Vorteils einzubeziehen.

  3. In den so zu bemessenden Schaden (Minderwert) sind Nachteile, die mit der Prüfstanderkennungssoftware oder dem Softwareupdate (Vorteilsausgleichung) verbunden sind, bereits „eingepreist“. Für eine Feststellung der Ersatzpflicht für diesbezügliche weitere Schäden ist daher kein Raum.