VW-Abgasskandal I: Kauf eines Diesel mit „Schummelsoftware“, oder: Kleiner Schadensersatz

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VW-Dieselskandal und kein Ende. Zumindest derzeit in der Aufarbeitung durch die Rechtsprechung. Denn die Reihe der Veröffentlichung von Entscheidungen zu der Thematik ebbt nicht ab. Daher heute auch hier im „Kessel Buntes“ noch einmal das Thema.

Zunächst das BGH, Urt. v. 06.07.2021 – VI ZR 40/20 – mit folgendem Sachverhalt: Die Klägerin hatte im Juli für 22.730 EUR einen von der Beklagten (VW-AG) hergestellten, gebrauchten VW Passat Variant 2.0 TDI mit einer Laufleistung von 58.500 km erworben. Das im Februar 2012 Fahrzeug zugelassene Fahrzeug war mit einem Dieselmotor des Typs EA189 (Euro 5) ausgestattet. Die im Zusammenhang mit dem Motor ursprünglich verwendete Software erkannte, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wurde, und schaltete in diesem Fall vom regulären Abgasrückführungsmodus 0 in einen stickoxid(NOXX-Emissionswerte als im normalen Fahrbetrieb. Die Grenzwerte der Euro-5-Norm wurden nur im „Modus 1“ eingehalten.

Im Jahr 2015 ordnete das KBA gegenüber der Beklagten den Rückruf der mit dieser Software ausgestatteten Fahrzeuge an, weil es die Software als unzulässige Abschalteinrichtung einstufte. Die Beklagte entwickelte in der Folge ein Softwareupdate, das vom KBA freigegeben und auch im Fahrzeug der Klägerin installiert wurde.

Die Klägerin hat Klage auf Ersatz des Minderwerts, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, der jedoch mindestens 5.682,50 EUR (25 % des Kaufpreises) betragen sollte. Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG in einem Grundurteil die Ansprüche auf Ersatz des Minderwerts und auf Freistellung von den vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung ihres Feststellungsantrags hat es durch Endurteil zurückgewiesen.

Dagegen sowohl die Revision der Klägerin als auch der Beklagten. Beide Rechtsmittel hatten keinen Erfolg.

Hier die Leitsätze zu der BGH-Entscheidung:

  1. Ein Geschädigter, der durch das deliktische Handeln eines Dritten (hier: Fahrzeughersteller) zum Abschluss eines Kaufvertrags (hier: über ein Dieselfahrzeug mit Prüfstanderkennungssoftware) bestimmt worden ist, kann, wenn er die Kaufsache behalten möchte, als Schaden von dem Dritten den Betrag ersetzt verlangen, um den er den Kaufgegenstand – gemessen an dem objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung – zu teuer erworben hat (sog. kleiner Schadensersatz).

  2. Für die Bemessung dieses kleinen Schadensersatzes ist grundsätzlich zunächst der Vergleich der Werte von Leistung (Fahrzeug) und Gegenleistung (Kaufpreis) im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich. Eine etwaige Aufwertung des Fahrzeugs durch eine nachträgliche Maßnahme (hier: Softwareupdate) des Schädigers, die gerade der Beseitigung der Prüfstanderkennungssoftware dienen sollte, ist im Rahmen der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen; dabei sind etwaige mit dem Softwareupdate verbundene Nachteile in die Bewertung des Vorteils einzubeziehen.

  3. In den so zu bemessenden Schaden (Minderwert) sind Nachteile, die mit der Prüfstanderkennungssoftware oder dem Softwareupdate (Vorteilsausgleichung) verbunden sind, bereits „eingepreist“. Für eine Feststellung der Ersatzpflicht für diesbezügliche weitere Schäden ist daher kein Raum.

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