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Reise II: Reisekrankenversicherung und Kreditkarte, oder: Mann zahlt nur seine Reise, Frau wird krank

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Und im zweiten „Reiseposting“ dann etwas zur Reisekrankenversicherung, und zwar zur Definition des Versicherungsfalls bei einer als Nebenprodukt eines Kreditkartenvertrages abgeschlossenen Reisekrankenversicherung

Folgender Sachverhalt: Der Kläger verlangt von der Beklagten Versicherungsleistungen aus einer Auslandsreisekrankenversicherung, die mit einem Kreditkartenvertrag des Klägers verbunden ist. Der Kläger ist Inhaber einer sogenannten „Platinum Card“ des Kreditkartenunternehmens A. und versicherte Person aus einem zwischen dem Kreditkartenunternehmen und der Beklagten bestehenden Versicherungsvertrag. Nach den Versicherungsbedingungen der „A. Platinum Card“ wird Versicherungsschutz aus einer Auslandsreise-Krankenversicherung ausweislich der Überschrift in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen („AVB“) zum Abschnitt III nur in Verbindung mit einem Karteneinsatz gewährt und nur für die Dauer von max. 120 Tagen je Reise.

In den AVB ist in Abschnitt 10 u.a. geregelt, was „Reise“ bedeutet: „Eine mit Ihrer A. Platinum Card gezahlte Reise außerhalb ihres Heimatlandes oder eine mit ihrer A. Platinum Card bezahlte Reise innerhalb ihres Heimatlandes, die einen Flug oder mindestens eine zuvor gebuchte Übernachtung außerhalb ihres Heims einschließt.“ „„Sie/Ihr/Ihrer“ bedeutet: „Alle A. Platinum Card Inhaber und deren Familien sowie deren Zusatzkarteninhaber und deren Familien.“ „Familie“ bedeutet: „Ihr Partner/Gatte, verheiratet oder unverheiratet, an der gleichen Adresse wie Sie gemeldet, und Kinder unter 25 Jahren, die rechtlich von ihnen abhängig sind, einschließlich Stiefkinder, Pflegekinder oder Adoptivkinder.“

In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen ist der Auslandsreise-Krankenversicherungsschutz in einem Abschnitt geregelt, der wie folgt überschrieben und eingeleitet ist: „III. Platinum Card Reise-Versicherungsleistungen – Gültig nur mit Karteneinsatz, bis 120 Tage je Reise – Auslandsreise-Krankenversicherung – gültig nur mit Karteneinsatz, bis 120 Tage je Reise- Versicherer ist IPA. Alle Platinum Card Inhaber einschließlich der Zusatzkarteninhaber und ihrer Familien müssen während der mit Ihrer A. Platinum Card gezahlten Reise unter 80 Jahre sein, um ärztliche Hilfe und Kostenersatz zu erhalten (…).

Der Kläger, der gemeinsam mit seiner Ehefrau und dem minderjährigen Kind von Deutschland aus eine Flugreise in die USA über Bremen, München, Denver, San Diego, San Francisco am 27.7.2021 sowie zurück von San Diego über Francisco, München nach Bremen am 24. und 25.8.2021 antrat, buchte hierfür seinen eigenen Flug über seine A. Platinum Card separat. Die Flüge für die gleichzeitig mitreisenden Familienangehörigen, die Ehefrau des Klägers und das minderjährige Kind, wurden nicht unter Verwendung der klägerischen Kreditkarte, sondern jener seiner Ehefrau bezahlt.

Während der Reise erkrankte die Ehefrau des Klägers plötzlich und schwer und musste mit akuten heftigen Bauchschmerzen stationär in ein Krankenhaus aufgenommen werden, wo noch gleichentags operativ eine Gallenblasen-Entfernung durchgeführt wurde. Für die Behandlung stellte der Krankenhausträger der Ehefrau des Klägers einen Betrag von 31.992,52 US-Dollar in Rechnung, welchen der Kläger und seine Ehefrau (zunächst) aus eigenen Mitteln beglichen. Es ist weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich, dass irgendwelche Reiseleistungen für die Ehefrau des Klägers mit der Kreditkarte des Klägers bezahlt wurden.

Nachdem der Kläger nach Rückkehr von der Reise die (zunächst) vorgestreckten Behandlungskosten bei der früheren Beklagten, der A. A. Deutschland GmbH, eingereicht hatte, lehnte diese eine Leistung mit der Begründung ab, ein Versicherungsfall nach den insoweit maßgeblichen Bedingungen läge nicht vor, die Behandlungskosten der Ehefrau des Klägers seien nicht vom Versicherungsschutz umfasst. Die daraufhin erhobene Klage hat das LG abgewiesen. Dagegen wendet sich die Berufung des Klägers. Das OLG ist der Überzeugung, dass die Berufung offensichtlich unbegründet ist und daher keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Es hat dem Kläger deshalb im OLG Bremen, Beschl. v. 21.8.2024 – 3 U 46/23 – anheim gegeben, zu prüfen, ob das Rechtsmittel nicht zurückgenommen wird:

„Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zurecht insgesamt abgewiesen. Das Berufungsvorbringen des Klägers rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Ein Deckungsanspruch des Klägers aus dem zwischen dem Kreditkarteninstitut und der Beklagten geschlossenen Versicherungsvertrag besteht nicht, da es bereits – wie es das Landgericht festgestellt hat – am Vorliegen eines Versicherungsfalles fehlt.

Unter I. auf Seite 9 der Versicherungsbedingungen ist Reise unter der Überschrift „Allgemeine Definitionen für Reise-Versicherungen“ wie folgt definiert:

„Reise“ bedeutet: Eine mit Ihrer A. Plantinum Card gezahlte Reise außerhalb Ihres Heimatlandes oder eine mit Ihrer A. Plantinum Card gezahlte Reise innerhalb Ihres Heimatlandes, die einen Flug oder mindestens eine zuvor gebuchte Übernachtung außerhalb Ihres Heims einschließt.“

Nach den A. Plantinum Card Versicherungsbedingungen (Anlage B1, Bl. 20 ff. d.A.) Ziffer III. Nr. 1 1.1 besteht u.a. folgende Leistung des (Gruppen-) Versicherungsvertrages: „Notwendige medizinische, chirurgische und Krankenhauskosten, die sich daraus ergeben, dass Sie während Ihrer Reise krank oder verletzt werden.“

Der so definierte Versicherungsfall liegt nicht vor. In der Person des Klägers fehlt es an einer Erkrankung oder Verletzung. In der Person der Ehefrau des Klägers lag zwar eine Erkrankung vor, aber diese trat nicht während einer bedingungsgemäßen Reise auf, da die Reise der Ehefrau unstreitig nicht mit der A. Plantinum Card des Klägers bezahlt worden ist.

Die Bedingungen zur Definition des Versicherungsfalles sind gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle entzogen (vgl. BGH, Urteil vom 26.03.2014 – IV ZR 422/12, NJW 2014, 2038, Rn. 34). Sie sind auch weder intransparent i.S.v. § 307 Abs. 3 S. 2, Abs. 1 S. 2 BGB noch überraschend nach § 305c Abs. 1 BGB.

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. Liegt – wie hier – ein Gruppenversicherungsvertrag vor, so kommt es daneben auch auf die Verständnismöglichkeiten durchschnittlicher Versicherter und ihre Interessen an (vgl. BGH, Urteil vom 10. Dezember 2014 – IV ZR 289/13, VersR 2015, 318 Rn. 22 m.w.N.; BGH, Urteil vom 10. Juli 2024 – IV ZR 129/23, BeckRS 2024, 19898 Rn. 15, beck-online). In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, NJW 2022, 872 = VersR 2022, 312 Rn. 10; stRspr).

Auf der Grundlage dieses Maßstabs legen die zitierten Klauseln die von der Beklagten geschuldete Leistung fest. Danach soll ein Versicherungsfall nur vorliegen, wenn die Reise (-Leistung) unter Verwendung der Kreditkarte bezahlt wurde. Diese Einschränkung ist weder überraschend noch intransparent. Ersteres wäre allenfalls dann anzunehmen, wenn die Bezahlung der Reise mit einer Kreditkarte Bestandteil der Bedingungen eines direkten Versicherungsvertrages ohne Kreditkartenzusammenhang wäre. Dies ist vorliegend indes nicht der Fall. Es handelt sich bei der hier in Rede stehenden Reisekrankenversicherung um ein Nebenprodukt eines Kreditkartenvertrages. Die angebotenen Versicherungsleistungen sollen (auch) einen Anreiz zur Verwendung der Kreditkarte darstellen. Die Versicherungsbedingungen benennen daher Versicherungsleistungen mit und ohne Karteneinsatz. Für die hier in Rede stehende Reisekrankenversicherung ist der so genannte Karteneinsatz mehrfach als Voraussetzung in den Versicherungsbedingungen genannt und andererseits klar unter I. auf Seite 9 der Versicherungsbedingungen definiert.

Ein anderes Verständnis der Versicherungsbedingungen wird dem im Bürgerlichen Recht geltenden Grundsatz der Privatautonomie nicht gerecht. Danach ist es den Vertragsparteien – vorbehaltlich einer Abweichung von gesetzlichen Regelungen – freigestellt, Leistung und Gegenleistung zu bestimmen (vgl. BGH, NJW 2001, 1132 unter A II 1 a Rn. 20; BGH NJW 2018, 534, Rn. 15). Dies gilt auch für den vom Versicherer gewährten Versicherungsschutz und damit ebenfalls für die versicherten Ereignisse. Hier ist für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar, dass die Beklagte nicht schon bei jeder Reise, sondern nur bei einer Reise, die mit der Kreditkarte bezahlt wurde, (Kranken-) Versicherungsschutz gewährt. Dass bereits die Teilnahme an einer bedingungsgemäßen Reise (hier nur die Reise des Klägers selbst) einen Versicherungsschutz für die Teilnehmer, hier die Ehefrau, begründen soll, lässt sich den Bedingungen nicht entnehmen.

Fehlt es somit am Vorliegen eines Versicherungsfalles, bedarf es keiner weiteren Ausführungen dazu, ob die Ehefrau des Klägers versicherte Person nach den Versicherungsbedingungen ist. Ebenso kann die Frage dahingestellt bleiben, ob etwaige Leistungsansprüche auch deswegen ausgeschlossen sind, da es sich jedenfalls nicht um Kosten handelt, die vom Arzt des Assistance-Service-Erbringers genehmigt worden sind (vgl. Ziffer III, 2., Nr. 2.1 der Versicherungsbedingungen). Insgesamt hat das Landgericht die Klage daher zurecht vollständig als unbegründet abgewiesen.“

Reise I: Enteisung des Flugzeugs vor dem Start, oder: Nicht immer ein „außergewöhnlicher Umstand“

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Und im „Kessel Buntes“ heute dann „Reiserecht“, also zwei Entscheidungen, die sich mit Rechtsfragen rund um die Reise befassen.

Ich stelle zunächst das BGH, Urt. v. 27.08.2024 – X ZR 146/23 – zur Ausgleichzahlung wegen einer Flugverspätung aufgrund einer erforderlichen Enteisung des Flugzeugs vor dem Start.

Dazu folgender Sachverhalt: Die Klägerin nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht auf eine Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung in Anspruch. Die Zedentin verfügte über eine bestätigte Buchung für einen Flug von Minneapolis über Amsterdam nach Düsseldorf. Der von der Beklagten durchgeführte Flug von Minneapolis nach Amsterdam sollte planmäßig am 05.12.2021 um 21:20 Uhr (Ortszeit) starten und am Tag darauf um 12:15 Uhr (Ortszeit) landen. Wegen einer erforderlichen Enteisung in Minneapolis startete das Flugzeug verspätet und erreichte Amsterdam um 12:51 Uhr (Ortszeit). Die Zedentin versäumte ihren Anschlussflug und erreichte Düsseldorf mit einer Verspätung von 3 Stunden und 51 Minuten.

Die Klägerin hat die Beklagte außergerichtlich zur Zahlung einer Ausgleichsleistung aufgefordert. Die Beklagte berief sich auf außergewöhnliche Umstände i.S. von Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO und lehnte eine Zahlung ab. Die Klägerin hat dann ursprünglich auf Zahlung von 600 EUR nebst Zinsen geklagt. In ihrer Klageerwiderung hat sich die Beklagte ergänzend auf eine Kürzung um 50 % nach Art. 7 Abs. 2 Buchst. c FluggastrechteVO berufen. Daraufhin erklärten die Parteien den Rechtsstreit in Höhe von 300 EUR für in der Hauptsache erledigt.

Das AG hat die Beklagte nach Beweisaufnahme zur Zahlung von 600 EUR nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung, da die Beklagte sich auf das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände im Sinne von Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO berufen könne. Die eine Enteisung erforderlich machende Wetterlage am 5.12.2021 gehöre zu den nicht mit der Durchführung des betreffenden Fluges zu vereinbarenden Wetterbedingungen im Sinne von Erwägungsgrund 14 der Verordnung und stelle einen außergewöhnlichen Umstand dar. Mit ihrer (zugelassenen) Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch in Höhe von 300 EUR nebst Zinsen weiter. Insoweit hatte das Rechtsmittel Erfolg:

2.    Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts begründet die Notwendigkeit der Enteisung im Streitfall keinen außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO.

a)    Als außergewöhnliche Umstände im Sinne von Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO sind nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union Vorkommnisse anzusehen, die ihrer Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens sind und von ihm nicht tatsächlich beherrschbar sind. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist von Fall zu Fall zu beurteilen (vgl. nur EuGH, Urteil vom 23. März 2021 – C-28/20, NJW-RR 2021, 560 Rn. 23 – Airhelp; Urteil vom 7. Juli 2022 – C-308/21, NJW-RR 2022, 1573 Rn. 20 – SATA International – Azores Airlines).

b)    Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts reicht es für die Annahme eines außergewöhnlichen Umstands danach nicht aus, dass ein Problem aufgetreten ist, welches nicht nur ein einzelnes Flugzeug betroffen hat.

Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass außergewöhnliche Umstände auch im Hinblick auf solche Vorgänge vorliegen können, die grundsätzlich zur normalen Ausübung der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens gehören, etwa das Betanken des Flugzeugs oder die Verladung von Gepäck, wenn dabei ein Problem auftritt, das auf außergewöhnlichen Umständen beruht, wie etwa auf einem allgemeinen Ausfall des Versorgungssystems oder einem allgemeinen Mangel an Personal, das vom Betreiber des Flughafens verwaltet wird (EuGH, Urteil vom 7. Juli 2022 – C-308/21, NJW-RR 2022, 1573 Rn. 22 f. – SATA International – Azores Airlines SA; Urteil vom 16. Mai 2024 – C-405/23, NJW 2024, 1865 = EuZW 2024, 678 Rn. 23 f. – Touristic Aviation Services Ltd).

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts reicht es für die Annahme eines außergewöhnlichen Umstands in solchen Fällen jedoch nicht aus, dass eine Vielzahl von Flugzeugen von dem in Rede stehenden Problem betroffen ist. Vielmehr ist zusätzlich erforderlich, dass es sich um ein tatsächlich nicht beherrschbares externes Ereignis handelt. Unter diesen Begriff fallen Ereignisse, die vom Luftfahrtunternehmen nicht beherrschbar sind, weil sie auf ein Naturereignis oder die Handlung eines Dritten, etwa eines anderen Luftfahrtunternehmens oder einer öffentlichen oder privaten Stelle, zurückgehen, die in den Flug- oder den Flughafenbetrieb eingreifen (EuGH, Urteil vom 7. Juli 2022 – C-308/21, NJW-RR 2022, 1573 Rn. 25 – SATA International – Azores Airlines SA; Urteil vom 16. Mai 2024 – C-405/23, NJW 2024, 1865 = EuZW 2024, 678 Rn. 25 – Touristic Aviation Services Ltd).

3.    Bei Anlegung dieses Maßstabs beruht die Verspätung im Streitfall nicht auf einem außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO.

a)    Wie die Revision zu Recht geltend macht und auch das Berufungsgericht im Ansatz nicht verkannt hat, gehört die Enteisung eines Flugzeugs bei winterlichen Temperaturen grundsätzlich zur normalen Ausübung der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens.

Die Enteisung eines Flugzeugs vor dem Start dient der Gewährleistung eines technisch einwandfreien und betriebssicheren Zustands des Flugzeugs (BGHS Wien, Urteil vom 12. Oktober 2015 – 16 C 194/15v-12, BeckRS 2016, 81341 Rn. 28; Schmid (Anm.), RRa 2011, 241, 244; Führich, RRa 2012, 166, 169; Marti, Fluggastrechte gemäß der Verordnung (EG) Nr. 261/2004, 2016, 212). Ein solcher Vorgang ist jedenfalls an Flughäfen und in Zeiträumen, in denen mit winterlichen Temperaturen zu rechnen ist, nicht außergewöhnlich.

b)    Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts stellen Verzögerungen bei der Enteisung nicht schon dann einen außergewöhnlichen Umstand dar, wenn eine Vielzahl von Flugzeugen davon betroffen ist und das Luftfahrtunternehmen keinen Einfluss auf den Enteisungsvorgang hat.

Wie das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang zutreffend ausgeführt hat, kommt eine Einordnung als externes Ereignis im oben genannten Sinne allerdings auch bei Vorgängen in Betracht, die häufig auftreten (EuGH, Urteil vom 7. Juli 2022 – C-308/21, NJW-RR 2022, 1573 Rn. 25 – SATA International – Azores Airlines SA; Urteil vom 16. Mai 2024 – C-405/23, NJW 2024, 1865 = EuZW 2024, 678 Rn. 25 – Touristic Aviation Services Ltd; BGH, Urteil vom 24. September 2013 – X ZR 160/12, NJW 2014, 861 Rn. 16). Als Naturereignis oder als Handlung eines Dritten, die in den Flug- oder den Flughafenbetrieb eingreift, können solche Vorgänge aber nur dann angesehen werden, wenn sie – ungeachtet der Häufigkeit, mit der sie auftreten können – einen Umstand bilden, der außerhalb dessen liegt, was als normale Ausübung der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens anzusehen ist. Winterliche Flugbedingungen sind danach jedenfalls an Flughäfen und in Zeiträumen, in denen mit solchen Bedingungen typischerweise zu rechnen ist, nicht als Naturereignis anzusehen.

c)    Im Streitfall hat das Berufungsgericht festgestellt, dass ein Flugzeug, das im Dezember von Minneapolis aus startet, nicht immer enteist werden muss. Die Notwendigkeit einer Enteisung hängt vielmehr vom jeweiligen Wetter und von der Entscheidung des Piloten ab.

Daraus ergibt sich, dass die Notwendigkeit einer Enteisung unter den für den Streitfall maßgeblichen Umständen einen Umstand darstellt, mit dem typischerweise zu rechnen war. Folglich liegt kein außergewöhnlicher Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO vor.“

OWi III: (Nicht)Verteidigung im OWi-Verfahren, oder: Dann kann man den Verteidiger in Regress nehmen

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Und als dritte Entscheidung dann hier das LG Potsdam, Urt. v. 24.03.2023 – 12 S 16/22. Leider schon etwas älter, aber ich stelle es vor, weil es eine interessante Entscheidung ist. Und ich stelle es an einem „OWi-Tag“ vor, auch wenn es, wie man schon am Aktenzeichen sieht, sich um ein zivilrechtliches Berufungsurteil handelt.

In der Entscheidung geht es um den Regress eines Betroffenen gegenüber seinem Verteidiger aus dem Bußgeldverfahren. Der Einsender hatte zur Einordnung des Falls – das LG-Urteil enthält keinen Sachverhalt – darauf hingewiesen, das der Kollege in dem zugrundeliegenden Ordnungswidrigkeitenverfahren keinerlei Verteidigung hatte erkennen lassen. Seine Tätigkeit beschränkte er nur darauf, Einspruch einzulegen und gegenüber dem Mandanten, der zudem nicht rechtschutzversichert war, abzurechnen. Akteneinsicht beantragte er seche Tage vor dem HT-Termin bei Gericht. Gegen daie Verurteilung des Betroffenen beantragte man dann zwar noch die Zulassung der Rechtsbeschwerde, die aber in Ermangelung einer Begründung verworfen wurde.

Im erstinstanzlichen Zivilverfahren, mit dem der Kollege in Regress genommen wurde, verteidigte sich dieser damit, dass das AG von Amts wegen zu prüfen habe, und ein etwaiges Anwaltsverschulden daher nicht kausal sei. Das AG sah zwar das Anwaltsverschulden, aber keine Kausalität. Das LG hat das anders gesehen und verurteilt:

„Die zulässige Berufung ist begründet.

Der Kläger hat gemäß §§ 611, 675, 280 BGB einen Anspruch auf Zahlung von 1.420,51 EUR.

Der Beklagte hat seine Pflichten aus dem Mandatsverhältnis mit dem Kläger verletzt.

Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, die Interessen seines Mandanten umfassend wahrzunehmen und sein Verhalten so einzurichten, dass Schädigungen des Mandanten vermieden werden (BGH, Urteil vom 11.02.1999 — IX ZR 14/98, NJW 1999, 1391; Urteil vom 13.03.1997 — XI ZR 81/96 NJW 1997, 2168 (2169)). Bei der Prozessvertretung muss der Anwalt die Angaben des Mandanten, wenn sie ihm lückenhaft erscheinen, vom Mandanten ergänzen lassen und hierzu Nachfrage halten (BGH, NJW 2002, 1413; NJW 2000, 730).

Auch im Verfahren mit Amtsermittlungsgrundsatz muss der Rechtsanwalt die für die Argumentation seiner Mandanten sprechenden Gründe vortragen. Der Rechtsanwalt muss dafür Sorge tragen, dass die zu Gunsten seines Mandanten sprechenden rechtlichen Gesichtspunkte möglichst umfassend berücksichtigt werden, um seinen Mandanten vor einer Fehlentscheidung des Gerichts zu bewahren (BGH, Urteil vom 07.10.2010 – IX ZR 191/09, Urteil vom 15.11.2007 – IX ZR 44/04, BGHZ 174, 205 Rn 15; Urteil vom 18.12.2008 – IX ZR 179/07, NJW 2009, 987 Rn 8).

Ein erstattungsfähiger Schaden ist dann begründet, wenn der Prozessausgang ohne die Pflichtverletzung für den Mandanten günstig ausgegangen und der eingetretene Schaden nicht entstanden wäre. Maßgeblich ist, wie der Vorprozess unter Berücksichtigung des hier unterlassenen Tatsachenvortrages nach Auffassung des Regressgerichts richtigerweise hätte entschieden werden müssen; hierzu hat der Kläger vorzutragen (BGH, Urteil vom 27.01.2000 – IX ZR 45/98, NJW 2000, 1572; Beschluss vom 05.03.2009 – IX ZR 90/06, NJW 2009, 1422 Rn 8).

Der Beklagte hat es versäumt, rechtzeitig in dem Bußgeldverfahren vor dem Amtsgerichts Zossen (Az.: 11 OWIG 483-Js-Owi 51015/19) zu beantragen, dass das dem Bußgeldverfahren zugrundeliegende Messverfahren durch ein Gutachten überprüft wird. Der Beklagte hätte unter Berücksichtigung seiner umfassenden Sorgfaltspflicht einwenden müssen, dass anhand der in dem Messverfahren vorgegebenen Parameter, die Messung nicht ordnungsgemäß erfolgte. Entgegen den Feststellungen des zuständigen Richters am Amtsgericht liegt die hier maßgebliche Markierungsrand oberhalb der Radaufstandspunkte. Diese Feststellungen hätte das einzuholende Gutachten beachten und die Messergebnis für unverwertbar erklären müssen.

Inwieweit bzw. dass, der Beklagte im Rahmen seiner bestehenden Beratungspflicht den Kläger darüber aufgeklärt hat, dass es für seine erfolgreiche Rechtsverteidigung notwendig ist, ein Gutachten zu den Messdaten einzuholen, fehlt jeglicher konkreter und nachvollziehbarer Vortrag.

Der Beklagte hatte ausweislich der beigezogenen Bußgeldakte auch die Rohmessdaten am 16.7.2020 vor der mündlichen Verhandlung vom 14.0.2020 erhalten. Er hatte damit ausreichend Gelegenheit und Zeit sich auf die mündliche Verhandlung vorzubereiten und vorab rechtzeitig Beweisanträge zur Überprüfung der Messdaten zu stellen. Diesen Beweisantrag hatte der Beklagte pflichtwidrig erst in er mündlichen Verhandlung gestellt, der dann gemäß § 77 Abs.2 Nr. 2 OWiG im Urteil des Amtsgerichts Zossen ( Az.: 11 OWIG 483-Js-Owi 51015/19) vom 14.09.2020 zurückgewiesen wurde. Bei Entscheidung nach Einholung eines Gutachtens, hätte der Kläger freigesprochen werden müssen und ihm wären keine Kosten in Höhe von 1420,51 € entstanden.

Der Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Kläger ihn nicht weiter mit der Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahren beauftragt habe, so dass die Rechtsbeschwerde wegen fehlender Begründung als unzulässig verworfen wurde.

Das Urteil des Amtsgericht vom 14.09.2020 war mit der Rechtsbeschwerde nicht erfolgreich anfechtbar, da die Voraussetzungen der §§ 79 Abs. 1 Satz 2, § 80 OWiG nicht vorliegen.

Dem Vortrag des Beklagten kann nicht entnommen werden, mit welcher Begründung eine Rechtsbeschwerde Aussicht auf Erfolg gehabt hätte.

Aufgrund der gegen den Kläger verhängten Geldbuße in Höhe von lediglich 120,00 € kommt eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nur unter dem Gesichtspunkt der Versagung rechtlichen Gehörs und der Fortbildung materiellen Rechts in Betracht, nicht jedoch zur Überprüfung des Verfahrens sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG) in Betracht.

Die Beanstandung der Versagung des rechtlichen Gehörs ist nicht erfolgreich. Das Tatgericht hat sich ausweislich der Urteilsgründe mit den Einwänden der Verteidigung zur Geschwindigkeitsmessung auseinandergesetzt. Auch die – abgelehnte – Beweiserhebung stellt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar (Art. 103 Abs. 1 GG, § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG). Die Ablehnung verstößt nicht gegen das Willkürverbot (vgl. Cierniak/Niehaus DAR 2018, 181, 185).

Sofern die Verteidigung der Sache nach auch eine Verletzung des fairen Verfahrens beanstanden hätte — was im Hinblick auf die Höhe der verhängten Geldbuße ohnehin nur unter dem Gesichtspunkt einer hier nicht ersichtlichen Verletzung rechtlichen Gehörs zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde führen könnte,  wäre mit der Antragsbegründung konkret darzulegen gewesen, dass die Verteidigung die Beiziehung konkreter Messunterlagen gegenüber der Verwaltungsbehörde geltend gemacht und dieses Begehren gegebenenfalls im Verfahren nach § 62 OWiG weiterverfolgt hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12. November 2020 2 BvR 1616/18,mwN). Die Messdaten sind vorliegend an den Beklagten übermittelt worden, so dass ein entsprechender diesbezüglich begründeter Einwand nicht ersichtlich ist.

Weiter Einwände, die eine Zulassung der Rechtsbeschwerde begründen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die dem Kläger durch das Bußgeldverfahren entstandenen Kosten hat der Beklagte zu tragen. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten hat der Beklagte aus Verzug zu tragen.“

Gefährdungshaftung – beim Betrieb eines Kfz, oder: Fahrzeugkollision auf dem Sylt Shuttle

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Und dals zweite Entscheidung dann der OLG Schleswig, Beschl. v. 31.07.2024 – 7 U 48/24 – zur Frage der Gefährdungshaftung nach § 7 StVG  bei einer Kollision der abgestellten Fahrzeuge auf dem Autozugtransport nach Sylt, also dem Sylt Shuttle.

Die Klägerin, eine GmbH verlangt Schadensersatz wegen der Beschädigung ihres Pkws während der Fahrt auf einem Autozug nach Sylt (Sylt-Shuttle).

Am 24.08.2022 wurde der Pkw der Klägerin (Mercedes-Benz) in Niebüll auf den Autozug nach Westerland (Sylt) verladen. Im Pkw befanden sich der Geschäftsführer der Klägerin sowie die Zeugin H.. Entsprechend einer Lautsprecherdurchsage der DB als Betreiberin der Zugverbindung war im klägerischen Fahrzeug die Handbremse angezogen und ein Gang eingelegt. Hinter diesem Pkw stand ein Mercedes Sprinter mit französischen Kennzeichen, geführt vom Fahrer T.. Dieser Sprinter wurde von DB-Mitarbeitern vor der Fahrt angegurtet. Während des ersten Abschnitts der Fahrt des Zuges nach Sylt kam es zweimal dazu, dass nach einem Anfahren und Abstoppen des Zuges der Sprinter von hinten gegen das klägerische Fahrzeug stieß, die Gurte waren gerissen. Am Klägerfahrzeug entstand ein Schaden in Höhe ca. 20.000,– EUR.

Die Klägerin hat behauptet, der französische Fahrer habe die Handbremse nicht angezogen und keinen Gang eingelegt gehabt. Die Gurte hätten nur der zusätzlichen Sicherung neben Handbremse und Gang gedient, unter diesen Umständen das Gewicht des Beklagtenfahrzeugs aber nicht halten können. Nach den zwei Anstößen habe der französische Fahrer die Bremse angezogen, deshalb sei es danach zu keinen weiteren Aufschlägen mehr gekommen.

Die Beklagte hat behauptet, dass selbst bei nicht angezogener Handbremse (was bestritten sei) die Gurte nicht hätten reißen dürfen, dies sei nur durch Verschleiß/Materialermüdung zu erklären. Außerdem sei für den Schaden allein die DB verantwortlich. Die straßenverkehrsrechtliche Gefährdungshaftung für das Kraftfahrzeug greife nicht, weil dieses lediglich wie eine Ware auf dem Zug transportiert worden sei.

Das LG hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin H. Außerdem hat es den Geschäftsführer der Klägerin persönlich angehört und dann der Klage gem. §§ 7,17 StVG in vollem Umfang stattgegeben. Dagegen richtet sich die Berufung der beklagten Versicherung, die keinen Erfolg hatte. Darauf hatte das LG hingewiesen und die Beklagte dann dann ihre Berufung zurückgenommen.

„Der Senat hat mit Verfügung vom 31.7.2024 auf Folgendes hingewiesen und der Beklagten geraten, die Rücknahme ihrer Berufung – aus Kostengründen- in Erwägung zu ziehen:

1. Bei der Neufassung des § 7 Abs. 1 StVG zum 01.08.2002 hat sich der Gesetzgeber bei der Bestimmung des „Betriebsbegriffs“ – abweichend von der engen maschinentechnischen Auffassung des Reichsgerichts- von der verkehrstechnischen Auffassung leiten lassen. Der Zweck des Gesetzes, die Verkehrsteilnehmer vor den wachsenden Gefahren des Kraftfahrzeugverkehrs zu schützen, macht es erforderlich, den Begriff „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ weit zu fassen. Die Gefahren, die durch das Kraftfahrzeug in den Verkehr getragen werden, gehen nicht nur von dem Motor und seiner Einwirkung auf das Fahrzeug aus, sondern mit der Zunahme des Verkehrs mehr und mehr von der gesamten Abwicklung des Verkehrs und im besonderen Maße von Kraftfahrzeugen, die nach der diese Umstände nicht berücksichtigenden maschinenrechtlichen Auffassung eigentlich nicht „im Betrieb“ sind. Die Haftung aus Betriebsgefahr verwirklicht sich auch dann, wenn einzig die von außen wirkende Kraft des Windes den Schaden im ruhenden Verkehr bewirkt (vgl. BGH v. 11.02.2020 – VI ZR 286/19ZfSch 2020, 614 ff. „Der umgewehte Auflieger“) Denn § 7 Abs. 1 StVG beschränkt die Einstandspflicht nicht auf fahrzeugspezifische Gefahren in dem Sinne, dass der in Rede stehende Schaden allein durch ein Fahrzeug verursacht werden können müsste. Die Beeinflussung von Fahrzeugen (insbesondere mit höheren Aufbauten) durch Wind stellt grundsätzlich auch eine typische Gefahrenquelle des Straßenverkehrs dar, die bei wertender Betrachtung vom Schutzzweck der Gefährdungshaftung miterfasst wird (vgl. Laws/Lohmeyer/Vinke in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 7 StVG, Rn. 29). 2) Das Beweisangebot (Zeugnis des Fahrers T.) dürfte gem. §§ 529, 531 ZPO verspätet sein. Der Zeuge wurde – wie das Landgericht richtig erkannt hat – erstinstanzlich nur für die unstreitige Tatsache benannt, dass die Spanngurte im Verlauf der Fahrt rissen und es zu einem Kontakt zwischen dem Sprinter und dem klägerischen Mercedes kam. Erstmals im zweiten Rechtszug ist der Zeuge jedoch für die Behauptung benannt worden, dass er beim Bahntransport tatsächlich die Handbremse angezogen und einen Gang eingelegt hatte. Dies hat die Klägerin stets bestritten, im Übrigen spricht auch das Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme dagegen.

Die Beklagte hat daraufhin Ihre Berufung mit Schriftsatz vom 8.8.2024 zurückgenommen. Die Entscheidung des Landgerichts zur Haftung der Beklagten aus §§ 7 I STVG, 115 VVG ist damit rechtskräftig geworden.“

 

Grundlage für Schätzung des merkantilen Minderwerts, oder: Abzug des Umsatzsteueranteils

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Heute im Kessel Buntes mal wieder zwei Entscheidungen zum Verkehrszivilrecht.

Zunächst hier ein Hinweis auf das BGH, Urt. v. 16.7.2024 – VI ZR 205/23 zum Schadensersatz nach einem Kfz-Unfall und da zur Grundlage für die Schätzung des merkantilen Minderwerts und zum Abzug des Umsatzsteueranteils.

Die Klägerin nimmt den Beklagten als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners auf restlichen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall in Anspruch, bei dem ihr Fahrzeug erheblich beschädigt wurde. Die volle Haftung des Beklagten dem Grunde nach steht außer Streit.

Die Klägerin ist vorsteuerabzugsberechtigt. Eine Sachverständige ermittelte einen merkantilen Minderwert in Höhe von 500 EUR. Der Beklagte erstattete insoweit lediglich einen Betrag in Höhe von 420,17 EUR mit der Begründung, dass ein Abzug in Höhe des Umsatzsteueranteils vorzunehmen sei. Die Klägerin hat eingewandt, die Berechnung durch die Sachverständige sei bereits auf der Grundlage des Nettowertes getroffen worden. Mit der Klage hat sie die Differenz in Höhe von 79,83 EUR nebst Zinsen geltend gemacht.

Das AG hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Die Berufung der Klägerin hat das LG zurückgewiesen. Mit der vom LG zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter. Sie hatte in der Revision beim BGH Erfolg.

Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den verlinkten Volltext. Die BGH-Entscheidung hat folgende Leitsätze:

    1. Grundlage für die Schätzung des merkantilen Minderwerts ist ein hypothetischer Verkauf des Fahrzeugs. Dabei ist von Netto-, nicht von Bruttoverkaufspreisen auszugehen.
    2. Wurde davon abweichend der merkantile Minderwert ausgehend vom Bruttoverkaufspreis geschätzt, ist er in der Weise nach unten zu korrigieren, dass von ihm ein dem „Umsatzsteueranteil“ entsprechender Betrag abgezogen wird.