Das OLG München hat die Beschwerde der StA gegen den Haftverschonungsbeschluss des LG Augsburg verworfen. Damit kommt Karlheinz Schreiber nach Zahlung einer Kaution von 100.000 € (vorerst) frei. Gefunden hier.
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Karlheinz Schreiber kommt nun doch mal erst nicht frei
Am Dienstag/Mittwoch war berichtet worden, dass das LG Augsburg den den Haftbefehl gegen den früheren Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber wegen gesundheitlicher Probleme gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt hat. Zu lesen u.a. bei der LTO, wie folgt:
„.Schreiber muss eine Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000 Euro in bar hinterlegen und außerdem seinen Personalausweis und seinen Reisepass abgeben.
Die 10. Strafkammer des Landgerichts (LG) hat den Haftbefehl gegen den 78-Jährigen auf Antrag der Verteidigung aufgehoben. Der zu acht Jahren Gefängnis verurteilte Schreiber steht von nun an unter Hausarrest. Die Kammerentscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
Schreiber hatte im März in seiner Gefängniszelle einen Herzinfarkt erlitten. Es bestünden erhebliche Zweifel an Schreibers Haft- und Verhandlungsfähigkeit, erklärte der Sprecher. Sein Hausarrest beinhalte, dass er sich einmal täglich bei der Polizeiinspektion Landsberg meldet.
Den Angaben zufolge darf Schreiber zudem sein Grundstück nicht ohne vorherige gerichtliche Genehmigung verlassen. Mit den Auflagen soll verhindert werden, dass der frühere Waffenlobbyist flüchtet. Er war nach jahrelangen juristischen Verfahren erst im August 2009 von Kanada ausgeliefert worden, wohin er sich abgesetzt hatte.
Nach Justizangaben hat die Staatsanwaltschaft gegen die Freilassung Schreibers Rechtsmittel eingelegt. Darüber muss das Oberlandesgericht München entscheiden.
Schreiber war im Mai 2010 wegen Steuerhinterziehung von 7,3 Millionen Euro zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Im September 2011 verwies der Bundesgerichtshof den Fall an das LG Augsburg zurück. Die Richter sollen unter anderem prüfen, ob die Schlüsselfigur der CDU-Spendenaffäre zur Tatzeit vor allem in Kanada lebte – und damit kanadische Steuerbehörden zuständig wären.“
Inzwischen meldet die SZ, dass man die Freilassung erst mal gestoppt hat, um das Ergebnis des Rechtsmittels der StA abzuwarten, die Beschwerde eingelegt hat. Die „SZ“ spricht von „Verwirrung im Fall Schreiber“. Nun ja, wieso Verwirrung. Ist der normale Gang der Dinge.
„Kann ich mich auf dich verlassen?“ – Haftverschonung auch bei hoher Strafe…
Das KG, Beschl. v. 02.02.2012 – 4 Ws 10/12 entscheidet noch einmal das, was in der Praxis häufig Schwierigkeiten macht: Haftverschonung (§ 116 StPO) auch bei hoher Straferwartung – ohne allerdings expressis verbis zu sagen, was denn nun eine hohe Strafe ist.
„3. Der Senat ist aber der Auffassung, dass der Zweck der Untersuchungshaft auch ohne deren weiteren Vollzug erreicht werden kann. Die aus dem Entscheidungssatz ersichtlichen milderen Maßnahmen im Sinne des § 116 Abs. 1 StPO sind geeignet, diesen Zweck zu erreichen. Der Angeklagte war vor seiner Festnahme in den Verbund seiner Familie eingebunden. Dass sich die Einstellung seiner Angehörigen während der seit knapp zwei Monaten vollzogenen Untersuchungshaft entscheidend geändert hätte, ist nicht ersichtlich. Bei der Frage, ob der Senat sich auf den Angeklagten verlassen kann, ist dessen Verhalten im Verfahren von Bedeutung. Der Angeklagte hat sich dem Verfahren auch weiterhin gestellt, als dieses für ihn ungünstig verlief. Dass ihm eine Gesamtfreiheitsstrafe drohte, die vier Jahre übersteigen würde, war dem anwaltlich beratenen Beschwerdeführer jedenfalls nach der Eröffnung des Hauptverfahrens vor der Jugendkammer, der die Sache von dem Jugendschöffengericht unter Hinweis auf den Gesichtspunkt der Strafgewalt vorgelegt worden war, bereits bewusst. Er hat sich der Hauptverhandlung beanstandungsfrei gestellt, obgleich sich die Beweisaufnahme nicht seiner Hoffnung gemäß entwickelte. Am letzten Sitzungstag ist es nach den Plädoyers zu einer dreistündigen Unterbrechung der Hauptverhandlung gekommen, nach deren Ablauf sich der Angeklagte in Kenntnis der Anträge der Staatsanwaltschaft, eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten auszusprechen und einen Haftbefehl zu erlassen, abermals vor das Gericht begeben hat. Seine Wohnmöglichkeit steht ihm weiterhin zur Verfügung. Die getroffenen Maßnahmen sind hiernach geeignet zu verhindern, dass der Angeklagte dem gegebenen Fluchtanreiz nachgibt. Entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft Berlin führt der Umstand, dass es einer (dem Angeklagten bisher unbekannten) Mitteilung einer sozialpädagogischen Prozessbegleiterin zufolge in den vergangenen Jahren zu Kontakten des Angeklagten mit den Geschädigten gekommen ist, hinsichtlich der Beurteilung der Fluchtgefahr zu keiner anderen Beurteilung. Ein anderer Haftgrund, für den dies von Belang sein könnte, ist bisher von keiner Seite in den Raum gestellt worden. Im Übrigen überrascht die Tatsache solcher Kontakte angesichts dessen, dass der Angeklagte sich – nicht nur mit Billigung der Kindesmutter, sondern seinem unter Beweis gestellten Vorbringen zufolge auch mit Kenntnis des Jugendamtes – oftmals in der Familienwohnung aufhielt, nicht. Allein die Höhe der hier im Raum stehenden Strafe steht einer Haftverschonung nicht entgegen (vgl. auch KG NJW 1994, 601 sowie KG, Beschlüsse vom 20. Oktober 2006 – 3 Ws 507/06 – und 20. Januar 2011 – 3 Ws 26/11 -; Senat, Beschlüsse vom 16. März 2006 – 4 Ws 40-41/06 – und 5. Dezember 2007 – 4 Ws 158/07 -).“
Schön die Formulierung: „Bei der Frage, ob der Senat sich auf den Angeklagten verlassen kann, ...“. Wollen wir es hoffen, für den Angeklagten und den Senat :-).
Der Fall Emden/Lena: Zweite(r) Versuch/Festnahme – hoffentlich nicht das dritte Opfer….
Beim Erstellen meines Wochenspiegels stoße ich gerade auf die Nachricht auf Welt-Online und auch in der SZ, wonach in Emden erneut ein Tatverdächtigter festgenommen worden ist. Die Nachricht war mir neu.
Da heißt es:
„… Im Fall der getöteten elfjährigen Lena in Emden hat die Polizei einen 18-Jährigen vorläufig festgenommen. Nachdem weitere Hinweise aus der Bevölkerung bei den Ermittlern eingegangen seien, habe sich der Verdacht gegen den jungen Mann konkretisiert, wie eine Polizeisprecherin in Emden mitteilte.
Auch habe das Untersuchungsergebnis des Landeskriminalamtes bezüglich der am Tatort gesicherten DNA-Spuren den Tatverdacht gegen den 18-Jährigen untermauert...“
Man kann nur hoffen, dass Polizei und StA/Gericht vor Erlass eine neuen Haftbefehls nun vielleicht doch mal in einen StPO-Kommentar schauen, um dort nachzulesen, was eigentlich ein „dringender Tatverdacht“ i.S. des § 112 StPO ist. Dazu lassen sich alle Kommentare und Handbücher mehr als breit aus. Und das ist eigentlich auch Rüstzeug eines jeden Ermittlungsrichters. Von daher fand ich es schon erstaunlich, wie schnell sich der „dringende Tatverdacht“ gegen den 17-Jährigen dann wieder verflüchtigt hatte. Welche Indizien, Beweise gab es. Nur das fehlende Alibi und die „Widersprüche“ in die sich der 17jährige (!!) bei seiner Vernehmung verwickelt haben soll. Vernehmung mit oder ohne Verteidiger/Rechtsbeistand?
Und: Man kann auch nur hoffen, dass die StA nicht wieder „zu offensiv an die Öffentlichkeit“ geht. Auch dazu auf Welt-Online:
„Auch der Berliner Strafrechtsprofessor Martin Heger kritisierte die Staatsanwaltschaft. Zwar sei es vermutlich korrekt gewesen, den 17-jährigen Berufsschüler aufgrund der Indizien und Beweise zu verhaften, sagte er „Welt Online“. Die Staatsanwaltschaft sei mit den Sachverhalten aber „zu offensiv an die Öffentlichkeit gegangen“.
Zur Rehabilitierung des Jungen müsse sie nun ebenso massiv an die Öffentlichkeit gehen. „Die Staatsanwaltschaft hat nun eine Pflicht zur Offenlegung der Entlastungsgründe – auch unter Inkaufnahme der Gefährdung des Untersuchungszwecks“, sagte Heger dem Blatt.“
Kritisch auch die SZ mit „manchmal etwas voreilig„.
Beate Zschäpe kommt nicht frei – BGH verwirft Haftbeschwerde – Zusammenstellung der bisherigen Ermittlungen zum Nachlesen
Der BGH meldet gerade mit einer PM, dass der 3. Strafsenat in BGH, Beschl. v. 28.02.2012 – StB 1/12 die Haftbeschwerde von Beate Zschäpe verworfen hat.
M.E. verwundert das nicht. Der BGH-Beschl. enthält auch keine neuen Erkenntnisse zu U-Haft-Fragen, aber eine anschauliche Zusammenstellung des bisherigen Ermittlungsergebnisses. Von daher vielleicht lesenswert.