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Strafvollzug II: Toilettengang des Gefangenen, oder: Kein Betreten des Haftraums durch JVA-Bedienstete

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Die zweite Entscheidung kommt auch aus Bayern. Es handelt sich um den LG Regensburg, Beschl. v. 20.01.2022 – SR StVK 245/21. Der hat einen „unschönen“ Sachverhalt:

Es geht um einen Vorfall in einer JVA. Dort wollten am 17.03.2021 gegen 10.00 Uhr wollten zwei Vollzugsbeamte kontrollieren, ob der Antragssteller einer ihm zuvor erteilten Anweisung bestimmte Bilder an der Außenwand seines Haftraumes zu entfernen, nachgekommen war. Der Antragssteller befand sich zu diesem Zeitpunkt auf der neben der Haftraumtür stehenden Toilette. Da er aus diesem Grund verhindern wollte, dass sein Haftraum betreten wird, machte er die beiden Vollzugsbeamten über seine Situation durch Zurufen aufmerksam, als diese die Haftraumtür öffnen wollten. Außerdem hielt der Antragssteller, um ein Betreten des Haftraumes zu verhindern, die sich nach innen öffnende Tür zu. Trotzdem stieß einer der Vollzugsbeamten ohne Abzuwarten die Haftraumtür auf, betrat den Haftraum und konnte den Antragssteller dabei beobachten, wie sich dieser auf der Toilette befand.

Der Antragssteller ist der Ansicht, es liege ein massiver, ungerechtfertigter und unverhältnismäßiger Eingriff in seine Privatsphäre vor. Er sei gezielt erniedrigt und in seiner Würde herabgesetzt worden. Er begeht festzustellen, dass das Betreten seines Haftraumes durch Vollzugsbeamte der JVA, während er auf der Toilette saß, rechtswidrig war.

Die JVA ist dem entgegen getreten. Sie ist der Ansicht, dass es notwendig gewesen sei, die Haftraumtür vollständig zu öffnen und den Haftraum zu betreten, um illegale Handlungen des Antragsstellers wie zum Beispiel eine kurzfristige Manipulation sowie die Vernichtung von unerlaubten Gegenständen durch den Gefangenen zu verhindern. Eine Störung der Privatsphäre des Gefangenen sei hierbei ein Umstand, den dieser aus Gründen der Sicherheit und Ordnung hinzunehmen habe. Um sein Schamgefühl zu schonen, habe der Bedienstete seinen Blick nicht direkt auf den Antragssteller gerichtet.

Die StVK erklärt der JVA dann mal die Rechtslage:

„Der Antrag ist begründet.

Das Betreten des Haftraumes war rechtswidrig.

Aus dem Hausrecht der Anstalt ergibt sich grundsätzlich die Befugnis der Anstaltsmitarbeiter, auch Hafträume jederzeit unabhängig vom Einverständnis der dort untergebrachten Gefangenen zu betreten; sie ergibt sich im Übrigen aus den Aufgaben nach Art. 2 ff. BayStVollzG. Mithin liegt ein Eingriff in Grundrechte des Gefangenen nicht schon darin, dass ein Vollzugsbediensteter den Haftraum betritt. Eine Grundrechtsverletzung kann jedoch in der Art und Weise liegen, in der sich der Anstaltsmitarbeiter dabei verhält. Sein Handeln ist auch insoweit an das Willkürverbot und an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden, die ein schonendes Vorgehen gebieten (BVerfG NJW 1996, S. 2643).

Denn mit der Zuweisung eines Haftraumes soll der Gefangene einen persönlichen, vom allgemeinen Anstaltsbereich abgegrenzten Lebensbereich zur Verfügung erhalten (BVerfG NJW 1996, S. 2643).

Gefordert ist hier vor allem die Achtung der Menschenwürde des Strafgefangenen (BVerfGE 64, 261 (277) = NJW 1984, 33). Das schließt die Pflicht ein, die Privat- und Intimsphäre des Gefangenen als Ausdruck seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 I, 2 I GG) tunlichst zu wahren. Dabei ist anzuerkennen, dass der gesonderte Haftraum für den Gefangenen regelmäßig die einzige verbleibende Möglichkeit bietet, sich eine gewisse Privatsphäre zu schaffen und ungestört zu sein (vgl. BGHSt 37, 380 (382) = NJW 1991, 2652).

Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die Vollzugsbeamten besondere Sensibilität geboten, wenn Maßnahmen durchgeführt werden, während Gefangene die Toilette benutzen. Denn hier wird regelmäßig die durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Intimsphäre beeinträchtigt. Der Gefangene, in dessen Haftraum die Toilette nicht mit ausreichendem Sichtschutz versehen ist, hat insoweit Anspruch auf besondere Rücksichtnahme durch das Personal. Ein Bediensteter, der den Haftraum betreten will, muss sein Kommen hierbei – etwa durch Anklopfen oder ausreichend vernehmbare Schließgeräusche beim Öffnen der Tür (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 30. Mai 1996 – 2 BvR 727/94 u. a. -, NJW 1996, S. 2643, und vom 4. Juli 2006 – 2 BvR 460/01) – in einer Weise ankündigen, die dem Gefangenen im Falle der Benutzung der Toilette einen rechtzeitigen Hinweis ermöglicht, und hat in diesem Fall vom Betreten des Raumes, wenn dieses nicht ausnahmsweise dringend geboten erscheint, für eine den Umständen angemessene Zeitspanne abzusehen.

Denn nur auf diese Weise wird dem Gefangenen ausreichend Gelegenheit gegeben einer Verletzung seiner Intimsphäre vorzubeugen.

Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen wurde das Verhalten der Vollzugsbeamten der JVA nicht gerecht. Das Betreten des Haftraumes des Antragsstellers stellte einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Intimsphäre des Antragsstellers dar.

Dem Antragssteller wurde hier keine Möglichkeit offen gehalten einer Beeinträchtigung seiner Intimsphäre vorzubeugen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Haftraumtür in diesem Fall durch die Vollzugsbeamten zunächst aufgeschlossen wurde oder ob diese bereits unverschlossen war. Denn selbst wenn für den Antragssteller durch das Aufschließen der Tür erkennbar war, dass Vollzugsbeamte den Haftraum betreten wollen, reichte dies in diesem Fall als einzige Maßnahme, um einen Eingriff in die Intimsphäre zu verhindern, nicht aus.

Vielmehr hätte dem Antragssteller hier mehr Zeit eingeräumt werden müssen, bevor der Haftraum hätte betreten werden dürfen. Der Antragssteller hatte den Vollzugsbeamten hier mitgeteilt, dass er sich gerade auf der Toilette befindet. Es ist aber ersichtlich, dass deren Benutzung nicht augenblicklich abgebrochen werden kann. Eine tatsächliche Möglichkeit, Beeinträchtigungen der Intimsphäre zu verhindern, wie sie das Bundesverfassungsgericht fordert, bestand daher hier nicht.

Dieser Eingriff konnte dabei insbesondere auch nicht aus Gründen, der mit der Achtung der Intimsphäre abzuwägenden, Sicherheit und Ordnung der Anstalt gerechtfertigt werden.

Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin genügen nämlich allgemeine Sicherheitsbedenken für das sofortige Betreten des Haftraumes nicht, wenn der Gefangene deutlich zu erkennen gibt, dass er sich gerade auf der Toilette befindet. Den ein derartiges Vorgehen stellt einen vergleichbar intensiven Eingriff in die Intimsphäre, wie eine mit einer Entkleidung verbunden Durchsuchung gemäß Art. 91 II BayStVollzG dar. In beiden Fällen wird das Schamgefühl des Gefangenen in besonderer Weise beeinträchtigt. Hieraus folgert die Kammer, dass für einen Eingriff in die Intimsphäre durch das Betreten des Haftraumes während der Toilettenbenutzung zumindest eine vergleichbare Gefährdungslage wie sie Art. 91 II BayStVollzG („Gefahr im Verzug“) voraussetzt, notwendig ist.

Eine insoweit damit erforderliche Konkretisierung der Gefährdungslage für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt lag hier aber nicht vor.

Das Betreten des Haftraumes erfolgte hier – auch nach den Angaben der Antragsgegnerin -nur, um zu überprüfen, ob der Antragssteller einer Anordnung Plakate abzuhängen, nachgekommen war. Ein etwaiger konkreter Verdacht, der zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt ein sofortiges Einschreiten der Vollzugsbeamten erforderlich gemacht hätte, bestand nicht.

Etwas anderes kann sich auch nicht aus dem Umstand ergeben, dass der Antragssteller die Haftraumtür zugehalten hatte, als die Vollzugsbeamten versucht hatten diese zu öffnen. Denn der Antragssteller wollte auf diese Weise nur sicherstellen, dass seine Privatsphäre ausreichend gesichert wird. Dies war in dieser Situation auch für die Vollzugsbeamten ersichtlich, da der Antragsteller diese hierauf verbal hingewiesen hatte. Die bloße Absicherung der grundrechtlichen Intimsphäre durch den Antragssteller kann aber keinen Hinweis auf das Vorliegen einer konkreten Gefährdung darstellen. Dies gilt insbesondere, wenn die JVA keine organisatorischen Maßnahmen getroffen hatte, die ein Betreten des Haftraums für den Fall der Benutzung der Toilette unterbinden können.

Dass sich dies so abgespielt hat ergibt sich aus den im Kern übereinstimmenden Angaben des Antragsstellers und des Zeugen pp. Dieser hat bestätigt, dass er den Haftraum betreten hat, obwohl der Antragssteller ihn auf seinen Toilettengang hingewiesen hat und es keine konkreten Anhaltspunkte für eine Gefahr in diesem Sinn gab.

Neben dem Betreten des Haftraumes stellt überdies auch der weitere Aufenthalt des Vollzugsbeamten einen rechtswidrigen Eingriff in die Intimsphäre des Antragsstellers dar. Denn jedenfalls als dieser bemerkt hatte, dass sich der Antragssteller tatsächlich auf der Toilette befand, hätte er, um eine andauernde Beeinträchtigung zu verhindern, den Haftraum unverzüglich wieder verlassen müssen.

Dass sich dies so abgespielt hat ergibt sich aus den im Kern übereinstimmenden Angaben des Antragsstellers und des Zeugen pp. Dieser hat auch bestätigt, dass er die Zelle betreten hat und mit dem Antragssteller diskutiert hat, während dieser noch auf der Toilette war.“

Strafvollzug I: Wenn der Gefangene kochen will, oder: Kochplatten gibt es nicht

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In die 7. KW. starte ich dann mal ohne „Corona-Entscheidungen“, derzeit habe ich nichts vorliegen. Gott sei Dank 🙂 . Stattdessen gibt es heute zwei Entscheidungen zum/aus dem Strafvollzug.

Zunächst hier der BayObLG, Beschl. v. 29.11.2021 – 203 StObWs 459/21. Der Verurteilte, der inzwischen aus dem Strafvollzug entlassen ist, hatte den Besitz einer Kochplatte in seinem Haftraum begehrt. Nach seiner Entlassung hatte sich sein Antrag erledigt, das BayObLG musste nur noch über die Kosten des Verfahrens und die Auslagen des Verfahrens. Die hatte es demn Verurteilten auferlegt:

„1. Der Senat hat gemäß Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 121 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 StVollzG nurmehr nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des ehemaligen Strafgefangenen zu entscheiden. Dabei sind der bisherige Sach- und Streitstand, insbesondere die Erfolgsaussichten des Antrags auf gerichtliche Entscheidung zu berücksichtigen (vgl. Arloth/Krä, a.a.O., § 121 Rn. 4).

2. Danach trifft die Kostenlast den ehemaligen Strafgefangenen. In Übereinstimmung mit dem ablehnenden Bescheid der Justizvollzugsanstalt Kaisheim vom 01.03.2021 hat sein Antrag in der Sache keinen Erfolg.

a) Die Justizvollzugsanstalt Kaisheim führt in ihrem ablehnenden Bescheid vom 01.03.2021 aus, dass es sich bei der Justizvollzugsanstalt Kaisheim um eine Anstalt der höchsten Sicherheitsstufe handelt, bei der hinsichtlich der Ausstattung gerade mit elektrischen Geräten strenge Maßstäbe angelegt werden müssen. Als Grund für eine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt gibt sie u.a. an, dass die elektrischen Komponenten und Heizelemente ausgebaut und zu anderen verbotenen oder gefährlichen Zwecken mißbraucht werden können.

b) Nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 BayStVollzG dürfen Gefangene ihren Haftraum in angemessenem Umfang mit eigenen Sachen ausstatten. Nach Art. 21 Abs. 2 BayStVollzG gilt dies aber nicht für Gegenstände, die die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährden.

c) Für die Besitzversagung reicht grundsätzlich eine dem Gegenstand innewohnende abstrakte – vom Verhalten des einzelnen Gefangenen unabhängig zu beurteilende – Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt aus (h.M.; vgl. – jeweils mit umfangreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur – Arloth/Krä, a.a.O., § 70 StVollzG Rn. 5; BeckOK Strafvollzug Bund/Knauss, 20. Ed. 01.08.2021, § 70 StVollzG Rn. 22; Laubenthal in Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, Strafvollzugsgesetze, 12. Aufl., Abschn. G Rn. 34; Goldberg in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetze, 7. Aufl., 5. Kap. Abschn. D Rn. 15). Das billigt das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung, sofern eine bestehende abstrakte Gefährlichkeit nur mit einem von der Anstalt nicht erwartbaren Kontrollaufwand ausgeschlossen werden kann (BVerfG, Beschluss vom 27.03.2019, Az.: 2 BvR 2268/18, NStZ-RR 2019, 191, juris Rn. 4; Beschluss vom 14.08.1996, Az.: 2 BvR 801/96, NStZ-RR 1997, 24, juris Rn. 7; Beschluss vom 28.02.1994, Az.: 2 BvR 2731/93, NStZ 1994, 453, juris Rn. 10 f.).

d) Unter diesen Vorgaben steht einem Strafgefangenen kein Recht auf den Besitz einer Kochplatte in seinem Haftraum zu.

Wie die Justizvollzugsanstalt zutreffend ausführt, können ausgebaute Heizelemente zu gefährlichen Zwecken eingesetzt werden. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn sie erhitzt und gegen den Körper einer anderen Person eingesetzt werden und bei dieser Verbrennungen hervorrufen – eine Gefahr, die auch von einer nicht zerlegten erhitzten Kochplatte ausgehen kann, die als ganzes leicht bewegt werden und einer anderen Person durch Berührung mit deren Körper erhebliche Brandverletzungen zufügen kann.

Eine solch spontaner Einsatz gefährlicher Gegenstände kann durch vorgängige Kontrollen nicht verhindert werden.

Insoweit besteht eine Vergleichbarkeit mit den Heizspiralen eines Tauchsieders, dessen Gebrauch ebenfalls abstrakt geeignet ist, zu einer Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt zu führen (dazu s. BeckOK Strafvollzug Bayern/Arloth, 15. Ed. 01.07.2021, BayStVollzG Art. 21 Rn. 9; BeckOK Strafvollzug Bund/Setton, 20. Ed. 01.08.2021, StVollzG § 19 Rn. 16). So hat bereits das Oberlandesgericht München entschieden (Beschluss vom 25.06.1980, Az.: 1 Ws 520/80, bei Franke NStZ 1981, 214; ebenso OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 05.12.1978, Az.: 3 Ws 716/78 (StVollz), ZfStRVo 1979, 186), dass die Vorenthaltung des mit erheblichen Mißbrauchsgefahren (Brand, Verbrennung) belasteten Besitzes eines eigenen Tauchsieders jedenfalls in einer Anstalt hohen Sicherheitsgrades keiner Abwägung gegen individuelle Bedürfnisse des Strafgefangenen bedarf, da die Sicherheitsanforderungen regelmäßig bei weitem überwiegen. So liegt der Fall auch hier.“

Vollzug II: Gutachten zur Unterbringungsaussetzung, oder: Postlaufzeit

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Die zweite Entscheidung zum Vollzug betrifft den Maßregelvollzug, und zwar eine sofortige Beschwerde gegen die Aussetzung der Unterbringung. Auch hier nur die Leitsätze. Das OLG Celle nimmt im OLG Celle, Beschl. v. 09.07.2021 – 2 Ws 194/21 – zu zwei Fragen Stellung, und zwar:

Zunächste geht es um eine Wiedereinsetzungproblematik, da die sofortige Beschwerde des Untergebrachten verspätet war. Dazu das OLG:

Ein Beschwerdeführer darf darauf vertrauen, dass sein Beschwerdeschreiben innerhalb der üblichen Postlaufzeit – das heißt am Werktag nach der rechtzeitigen Einlieferung bei der Post – beim Empfänger eingeht; die rechtzeitige Einlieferung ist nachgewiesen, wenn der Brief am Tag vor Fristablauf im Briefzentrum gestempelt wurde.

Und: Die sofortige Beschwerde hatte dann auch Erfolg, denn:

Das gemäß § 463 Abs. 4 StPO zur Prüfung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus einzuholende Gutachten ist regelmäßig von einem Arzt für Psychiatrie zu erstellen, wenn bei dem Betroffenen eine paranoide Schizophrenie vorliegt.

Vollzug I: Der Besitz einer Spielekonsole/Playstation, oder: Erlaubt oder nicht erlaubt?

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In die 44. KW – die letzte des Jahres 2021 mit einer Schnapszahl – will ich dann mit einigen Entscheidungen zum (Maßregelvollzug) starten.

Ich beginne mit zwei Entscheidungen zur Frage der Zulässigkeit des Besitzes einer Playstation im Vollzug. Da stelle ich aber nur die Leitsätze vor, und zwar:

1. Eine Playstation 4 stellt einen Gegenstand zur Freizeitbeschäftigung dar, der regelmäßig die Sicherheit oder Ordnung einer Justizvollzugsanstalt des Regelvollzugs mit höchstem Sicherheitsgrad gefährdet.

2. Es bedarf konkreter besonderer Umstände, die die Regelvermutung des Art. 72 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 Hs. 2 BayStVollzG widerlegen können.

1. Die einem Sicherungsverwahrten erteilte Erlaubnis, eine Spielkonsole zu besitzen, gilt bei seiner Verlegung in die Justizvollzugsanstalt eines anderen Bundeslandes nicht fort.

2. Die Rücknahme der einem Sicherungsverwahrten erteilten Erlaubnis zum Besitz einer Spielkonsole nach § 96 Abs. 2, 4 SVVollzG (Berlin) ist nur unter engen Voraussetzungen möglich.

3. Die Rücknahme einer Erlaubnis stellt eine eigenständige Maßnahme dar, gegen die allein ein Anfechtungsantrag statthaft ist.

4.  Nach § 115 Abs. 1 Satz 3 StVollzG (Bund) ist eine Bezugnahme nur auf einzelne nach Herkunft und Datum genau zu bezeichnende Dokumente möglich; eine allgemeine Bezugnahme „auf die Akte“ geht ins Leere.

Haft III: Zulässige Dauer der Organisationshaft, oder: Bloßes Warten auf einen Therapieplatz reicht nicht

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Und als dritte Entscheidung dann ein Beschluss aus dem Bereich der sog. Organisationshaft, und zwar der LG Mannheim, Beschl. v. 01.02.2021 – R 19 StVK 13/21 – mit folgendem Sachverhalt:

Am 5.10.2020 verurteilte das LG wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu vier Jahren Freiheitsstrafe. Zudem ordnete es die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an. Das Urteil ist seit dem 13.10.2020 rechtskräftig.

Bereits am 07.10.2020 hatte die Vollstreckungsabteilung der Staatsanwaltschaft beim Landgericht erbeten, die Rechtskraft des Urteils umgehend mitzuteilen. Eine entsprechende Mitteilung machte das LG dann am 15. und erneut am 20.10.2020. Am 21.10.2020 richtete die Staatsanwaltschaft eine Anfrage an die Koordinierungsstelle für Aufnahmen in eine Entziehungsanstalt in Baden-Württemberg, wann aufgenommen werden könne. Am gleichen Tag ließ die Staatsanwaltschaft über die Justizvollzugsanstalt bei pp. anfragen, ob er auch mit einer Unterbringung in einem anderen Bundesland einverstanden sei. Dieser ließ unter dem 23.10.2020 mitteilen, dass er auch mit einer Unterbringung in Schleswig-Holstein einverstanden sei.

Am 06. und am 16.11.2020 erinnerte die Staatsanwaltschaft beim Zentrum für Psychiatrie Calw an ihr Aufnahmeersuchen. Mit Schreiben vom 17.11.2020, bei der Staatsanwaltschaft eingegangen am 19.112020, erhielt die Staatsanwaltschaft die Information des ZfP Calw, dass      dort am 05.05.2021 aufgenommen werden könne. Gleiches teilte die Koordinierungsstelle mit Schreiben vom 23.11.2020 mit. Weiter bat sie die Staatsanwaltschaft um Mitteilung, falls gegen die Organisationshaft Rechtsmittel eingelegt werde und die Besorgnis bestehe, der Unterzubringende könnte auf freien Fuß kommen. In diesem Fall wolle man „nochmals prüfen [..,], ob die aktuelle Belegungssituation in einem der ZfP eine vorgezogene Aufnahmemöglichkeit zulässt.“ Schließlich wies die Koordinierungsstelle darauf hin, das „ab Frühjahr 2021 UI im ZfP Weinsberg 30 weitere Therapieplätze zur Verfügung stehen‘ werden. Man gehe daher davon aus, „dass sich der Aufnahmetermin deutlich nach vorne verschieben kann.“

Am 24.11.2020 richtete die Staatsanwaltschaft Mannheim eine (in der Vollstreckungsakte nicht dokumentierte) Anfrage an das Sozialministerium. Daran anschließend bat das Justizministerium das Sozialministeriums mit E-Mail vom 25.11.2020 „um zeitnahe Mitteilung eines akzeptablen Aufnahmetermins, um eine Freilassung wegen unverhältnismäßig langer Organisationshaft zu vermeiden.“ Noch am 25.112020 teilte das Sozialministerium mit, dass der schleswig-holsteinische Maßregelvollzug derzeit keine Patienten aus anderen Bundesländern aufnehme, der Verlegungswunsch aber vermerkt worden sei.

Mit Schreiben vom 12.01.2021 beantragte dann die Verteidigerin, pp. aus der Organisationshaft zu entlassen, hilfsweise gerichtliche Entscheidung darüber. Mit Verfügung vom 14,1.2021 hat die Staatsanwaltschaft die Entlassung abgelehnt und die Sache der Strafvollstreckungskammer zur Entscheidung vorgelegt.

Das LG hat den Verurteilten entlassen. Es meint (zusammengefasst):

Welche Dauer der sog. Organisationshaft vertretbar ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmen, wobei die konkreten Bemühungen der Vollstreckungsbehörde um einen Platz im Maßregelvollzug zu berücksichtigen sind. Die Organisationshaft ist nicht zu rechtfertigen, wenn die Vollstreckungsbehörde die Umsetzung. des Urteils nach Rechtskraft nicht unverzüglich und beschleunigt einleitet. Sie ist auch nicht zu rechtfertigen, wenn die Umsetzung allein an fehlenden Ressourcen im Maßregelvollzug scheitert. Bloßes Warten auf einen mittel- oder langfristig freiwerdenden Therapieplatz kann die Organisationshaft nicht begründen.