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Auch wer leugnet, darf/muss mal ungelockert raus

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Der OLG Hamm, Beschl. v. 29.09.2015 – 1 Vollz(Ws) 411/15 – befasst sich mit den Auswirkungen des (Tat)Leugnens auf Lockerungen im Strafvollzug. Der im Jahre 1966 geborene Verurteilte verbüßt eine lebenslange Freiheitsstrafe. Im Juni 2014 hatte er 15 Jahre der Freiheitsstrafe verbüßt. Im April 2015 schrieb die JVA den Vollzugsplan für den Betroffenen fort, ohne Vollzugslockerungen – sog. vollzugsöffnende Maßnahmen – zu gewähren und wies zur Begründung darauf hin, dass der Betroffene zu einer selbstkritischen Auseinandersetzung mit sich selbst nicht bereit sei und die der Verurteilung zugrunde liegende Tat leugne. Flucht- und Missbrauchsgefahr könnten deswegen nicht mit ausreichender Sicherheit ausgeschlossen werden. Eine Perspektive für Lockerungen ergebe sich erst dann, wenn beim Betroffenen eine Veränderungsbereitschaft bestehe und er darüber hinaus von der bestehenden Leugnungshaltung Abstand nehme. Die StVK hat das „abgesegnet“, das OLG Hamm hat hingegen Bedenken:

„Gemäß § 11 Abs. 2 StVollzG dürfen Lockerungen des Strafvollzuges gewährt werden, wenn nicht zu befürchten ist, dass der Gefangene sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entzieht oder Lockerungen des Vollzuges durch Straftaten missbrauchen wird. Das Gesetz räumt der Vollzugsbehörde damit bei der Gewährung von Lockerungen ein Ermessen ein, macht dessen Ausübung aber zunächst davon abhängig, dass der zwingende Versagungsgrund der Flucht- oder Missbrauchsgefahr fehlt. Hinsichtlich dieser Versagungsgründe ist der Vollzugsbehörde ein Beurteilungsspielraum eröffnet, in dessen Rahmen sie mehrere Entscheidungen treffen kann, die gleichermaßen rechtlich vertretbar sind (BGHSt 30, S. 320). Damit soll vor allem dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Vollzugsbehörde wegen ihrer Nähe zu dem Gefangenen besser als die Gerichte in der Lage ist, diese Prognoseentscheidung unter Berücksichtigung aller Umstände zu treffen. Versagt deshalb die Vollzugsbehörde die Gewährung von Lockerungen, so hat die Strafvollstreckungskammer nur zu prüfen, ob die Vollzugsbehörde bei ihrer Entscheidung von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, ob sie ihrer Entscheidung den richtigen Begriff des Versagungsgrundes zugrunde gelegt hat und ob sie dabei die Grenzen des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums eingehalten hat (BGH a.a.O.).

Dass die Entscheidung der Vollzugsbehörde diesen Anforderungen genügt, ist im vorliegenden Fall nicht festzustellen. Die Vollzugsbehörde hat ihre Entscheidung ersichtlich allein darauf gestützt, dass der Betroffene seine Taten inzwischen bestreitet und deshalb therapeutischen Maßnahmen nicht zugänglich sei. Aus diesem Verhalten haben die in der Justizvollzugsanstalt bislang mit dem Betroffenen befassten Psychologen den Schluss gezogen, dass Art und Umfang der sexuellen Fehlentwicklung des Betroffenen nicht festgestellt werden könnten und das Risiko weiterer sexueller Auffälligkeiten mit strafrechtlicher Relevanz sich möglicherweise nicht verringert habe.

Diese Begründung der Ablehnung von Lockerungen jeder Art hält rechtlicher Überprüfung durch den Senat nicht Stand. Die Vollzugsbehörde hat ihrer Entscheidung ersichtlich – nur – den Versagungsgrund der Missbrauchsgefahr zugrunde gelegt. Zwar stellt in diesem Fall – insbesondere wenn es die Gewährung von Lockerungen für einen rechtskräftig verurteilten Sexualstraftäter betrifft – die nachhaltige Tatleugnung stets ein ungünstiges prognostisches Kriterium für die Beurteilung der Missbrauchsgefahr dar. Die Tatleugnung allein begründet aber eine solche Annahme dann nicht, wenn andere – gewichtige – Umstände dem entgegenstehen. Um das Gewicht der Tatleugnung für die Missbrauchsgefahr beurteilen zu können, müssen deshalb im konkreten Fall weitere Prognosegesichtspunkte herangezogen werden, die die aus der Tatleugnung hergeleitete fehlende Unrechtseinsicht und mangelnde Tataufarbeitung zu stützen vermögen. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Persönlichkeit des Strafgefangenen und seine Entwicklung bis zur Tat, die Art und Weise sowie Motive der Tatbegehung, mögliche oder erkennbare Motive für das Leugnen der Tat sowie die Entwicklung und das Verhalten im Vollzug und die Eignung für eine Therapie bei der Beurteilung der Missbrauchsgefahr zu beachten (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 14. Dezember 2004 – 1 Vollz (Ws) 153/04 -; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2000, S. 251).

Im vorliegenden Fall ist von besonderem Gewicht, dass sich die Straffälligkeit des Betroffenen, die zu seiner bisher einzigen Verurteilung geführt hat, in einem familiären Umfeld ereignet hat, das in dieser Form nicht mehr besteht. Die damaligen Tatopfer, die inzwischen volljährigen ehelichen Töchter des Betroffenen, stehen in keinem Kontakt mehr zu ihm. Ihnen droht deshalb im Falle einer Bewilligung des beantragten Begleitausgangs – jedenfalls soweit ersichtlich – keine von dem Betroffenen ausgehende Gefahr. Für eine Gefährdung Dritter lässt aber weder das gegen den Betroffenen ergangene Strafurteil noch sein Vorleben oder sein Vollzugsverhalten irgendwelche Anhaltspunkte erkennen. Unter diesen Umständen vermag der Senat – jedenfalls nach den bisher getroffenen Feststellungen – nicht zu erkennen, warum der Betroffene den von ihm beantragten Begleitausgang zum Grab der Schwiegermutter im Beisein des Anstaltsgeistlichen und seiner körperbehinderten Ehefrau zur Begehung zu Straftaten missbrauchen könnte.

An einer ausreichenden Auseinandersetzung mit diesen für die Prognoseentscheidung maßgeblichen Gesichtspunkten fehlt es….“

In der Sicherungsverwahrung: Kein jederzeitiger Anruf, aber zeitnaher Rückruf….

1896_telephoneIn Bayern haben sich ein „Sicherungsverwahrter“ und die JVA um die Frage des Telefonkontakts (mit seinen Verteidigern) gestritten; dabei ging es vornehmlich um die Frage, ob dem Sicherungsverwahrten zu ermöglichen ist, von  eingetragenen Rechtsanwälten und Verteidigern angerufen zu werden. Die JVA und auch die StVK haben das abgelehnt. Die Sache ist dann beim OLG Nürnberg gelandet, das sich im OLG Nürnberg, Beschl. v. 17.09.2015 – 2 Ws 419/15 – der Auffassung der StVK angeschlossen hat, und das wie folgt begründet:

„2. Art. 25 Abs. 1 Satz 1 BaySvVollzG gibt lediglich einen Anspruch auf Telefongespräche unter Vermittlung der Anstalt während der Freizeit. Dass eingehende Telefonate unmittelbar an den Sicherungsverwahrten durchzustellen wären, ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Regelung noch aus der Begründung des Gesetzentwurfs der bayerischen Staatsregierung zu Art. 25 BaySvVollzG. Dort ist ausgeführt, dass mit der Schaffung der Vorschrift im Vordergrund steht, dem Sicherungsverwahrten im Gegensatz zur Regelung im Strafvollzug, die nur einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung begründet, zur Wahrung des Abstandsgebots einen Anspruch auf Bewilligung von Telefongesprächen unter Vermittlung der Anstalt zu gewähren, um damit den hohen Stellenwert von Telefongesprächen für die Kommunikation der Sicherungsverwahrten mit der Außenwelt zu berücksichtigen.

3. Dieser Anspruch auf das Führen von Telefonaten durch Vermittlung der Anstalt wird für eingehende Gesprächswünsche mit der bestehenden Praxis in der Justizvollzugsanstalt Straubing – Einrichtung für Sicherungsverwahrte gewahrt. Wie das Oberlandesgericht Hamm (Beschluss vom 01. April 2014 – III-1 Vollz (Ws) 93/14, 1 Vollz (Ws) 93/14 –, juris) zutreffend ausführt, muss die Praxis der Vermittlung der Telefonate darauf ausgerichtet sein, dem hohen Stellenwert von Telefongesprächen für die Kommunikation des Untergebrachten mit der Außenwelt gerecht zu werden. Es besteht aber kein Anspruch darauf, jederzeit und sofort Telefonate zu führen. Der Senat teilt die Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm, dass angesichts der Bedeutung von Telefonaten für die Erfüllung des Angleichungsgrundsatzes Verbindungswünsche des Sicherungsverwahrten für Telefonate während dessen Freizeit zeitnah zu erfüllen sind, wobei die nach Art. 25 Abs. 1 Satz 3, 24 BaySvVollzG vorgesehene Prüfung möglich sein muss, ob das Telefonat zu überwachen ist. Dies gilt für ein- und ausgehende Telefonverbindungen. Der von der Justizvollzugsanstalt Straubing – Einrichtung für Sicherungsverwahrte vorgesehene Ablauf bei eingehenden Telefonaten genügt diesen Anforderungen: Telefonisch oder mit Telefax teilt der Gesprächspartner der Telefonvermittlungszentrale der Anstalt den Gesprächswunsch und die mögliche Anrufzeit mit und diese gibt dem Sicherungsverwahrten zeitnah oder zu einem späteren vom Gesprächspartner gewünschten Zeitpunkt Gelegenheit für einen Rückruf.

Ein weitergehender Anspruch ergibt sich auch nicht aus dem bestehenden Verteidigungsverhältnis. Das Recht des Sicherungsverwahrten, sich einer Verteidigerin zu bedienen und Kontakt zu dieser aufzunehmen, erfordert es nicht, dass die Verteidigerin den Sicherungsverwahrten jederzeit telefonisch sprechen kann. Dass die Verteidigerin im Kanzleibetrieb organisatorische Vorkehrungen dafür treffen muss, ihrerseits telefonisch erreichbar zu sein führt nicht zu einem anderen Ergebnis, zumal die Verteidigerin diese Einschränkungen durch die Angabe eines möglichst konkreten Rückrufzeitpunkts minimieren kann.“

Beim OLG Hamm hat der Monat (demnächst) nur noch 25 Tage

© beermedia.de -Fotolia.com

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Ich lese ja gerade Korrektur der Texte für das „Handbuch für die strafverfahrensrechtliche Nachsorge“, in dem es natürlich auch ein Kapitel zur Rechtsbeschwerde nach den §§ 116 StVollzG geben wird. Und da viel mir dann beim Lesen ein, dass in meinem Blogordner immer noch der schon etwas ältere OLG Hamm, Beschl. v. 28.05.2015 – 1 Vollz (Ws) 248/15 – hängt, über den ich schon seit längerem berichten will. In ihm geht es um eine verfristete Rechtsbeschwerde und einen gegen die Fristversäumung gestellten Wiedereinsetzungsantrag.

Der Gefangene hatte seinen Antrag an das zuständige Gericht auf Protokollierung des Rechtsmittels erst drei Tage vor Ablauf der Rechtsmittelfrist zur Post gegeben. Das reichte dann nicht mehr für eine rechtzeitige Protokollierung  mit Vorführung zum Rechtspfleger.

Das OLG sieht darin ein Verschulden des Gefangenen und hat die Wiedereinsetzung abgelehnt:

„Zwar ist ein Betroffener nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts berechtigt, die ihm vom Gesetz eingeräumten prozessualen Fristen bis zu ihrer Grenze auszunutzen. Dies bedeutet auch, dass ein Gefangener grundsätzlich das Recht hat, eine Rechtsbeschwerdebegründung gegebenenfalls auch noch am letzten Tag der Frist zu Protokoll des Urkundsbeamten zu erklären. Es beinhaltet jedoch keinen Anspruch darauf, dass der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle auch verpflichtet ist, bei später Antragstellung zur Vorführung allein wegen des bevorstehenden Fristablaufes  überobligatorische Tätigkeiten außerhalb des normalen Geschäftsganges zu entfalten, um die Einhaltung der Rechtsbeschwerdefrist zu gewährleisten. Die gesetzlich vorgeschriebene Rechtsmittelfrist beinhaltet nämlich keine reine Bedenkzeit, sondern umfasst zugleich die Zeitspanne, die dem Betroffenen je nach den Umständen zur Erledigung des rein technischen Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung verbleibt (vgl. Senat a.a.O.). Es muss deshalb von dem Betroffenen erwartet werden, dass er seinerseits alles ihm Zumutbare veranlasst, um die rechtzeitige Protokollierung des Rechtsmittels sicherzustellen…..“

Und das OLG setzt nach – für zukünftige Fälle:

„Es wird insoweit ergänzend ohne Vornahme einer allgemeinen Festlegung für jeden Einzelfall darauf hingewiesen, dass nach Auffassung des Senats ein Protokollierungsersuchen im Regelfall dann als rechtzeitig anzusehen sein wird, wenn es zumindest fünf Werktage vor Ablauf der Rechtsmittelfrist abgesendet worden ist.

Durch die vorstehend dargelegte Betrachtungsweise wird einem Gefangenen der Zugang zu den Gerichten und zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Rechtsmittelinstanzen auch nicht entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. Die notwendigen organisatorischen Maßnahmen zur Protokollierung der Rechtsbeschwerdebeschwerde eines Gefangenen sind vielmehr als sachlicher Grund anzusehen, der einen für den Betroffenen hinnehmbaren höheren Zeitaufwand erfordert. Hierbei ist zudem zu beachten, dass die Möglichkeit der Protokollierung einer Rechtsbeschwerde vor dem Rechtspfleger sich lediglich als ein gesetzliches Äquivalent zur gemäß § 118 Abs. 3 StVollzG grundsätzlich notwendigen Einlegung des Rechtsmittels unter Mitwirkung eines Rechtsanwaltes darstellt. Auch bei Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes könnte der Betroffene unter Berücksichtigung dessen anderweitiger Auslastung nicht damit rechnen, dass dieser im Falle des Einganges eines Mandatsauftrages am Tag vor Ablauf der Rechtsmittelbegründungsfrist für ihn noch in sinnvoller Weise tätig werden könnte. Auch insoweit könnte der Gefangene gerade nicht erwarten, der Rechtsanwalt werde sich bereits am Folgetag in die JVA begeben, um die Angelegenheit zu besprechen und anschließend noch taggleich eine Rechtsbeschwerdebegründung abzufassen und für deren Zugang bei Gericht zu sorgen. Vielmehr wird in derartigen Fällen mangels ausreichender Einarbeitungsmöglichkeiten in die Sach- und Rechtslage eine über die Erhebung der allgemeinen Sachrüge hinausgehende Rechtsbeschwerdebegründung im Regelfall kaum möglich sein.“

Tja, solche „Neigungsbeschlüsse“ sind immer unschön, kündigen sie doch i.d.R. eine Rechtsprechungsänderung an. So wohl auch hier. In Hamm hat der Monat demnächst also nur noch 25 Tage. Ob das das BVerfG schön findet/mitmacht? Man wird es dann sehen.

In die Kirche gehen darf man auch im „(Maßregel)Vollzug….

© ogressie Fotolia.cm

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Schon etwas älter ist der KG, Beschl. v. 18.12.2014 – 2 Ws 376/14 Vollz – der sich mit den Rechten eines im Maßregelvollzug Untergebrachten befasst, nämlich mit der Teilnahme am gemeinsamen Hofgang,  der Einschränkung des Schriftverkehrs sowie der Teilnahme an Gottesdiensten im Krankenhaus. Ich will hier heute nur die mit dem Gottesdienstbesuch zusammenhängenden Ausfürhungen vorstellen.  Der Untergebrachte hatte vom Krankenhaus des Maßregelvollzuges die Ermöglichung seiner Teilnahme an den einmal wöchentlich in der (fußläufig erreichbaren) Kirche auf dem Klinikgelände stattfindenden evangelischen Gottesdiensten begehrt. Das war mit der Begründung abgelehnt worden, dass der Antragsteller die dafür notwendige Lockerungsstufe nicht habe. Dieser habe jedoch die Möglichkeit von Gesprächen mit dem katholischen Seelsorger, der die Station des Untergebrachten regelmäßig besuchen würde. Der evangelische Seelsorger sei zudem schriftlich zu erreichen.

Na, schon da habe ich so meine Schwierigkeiten. Einen „Evangelen“ an die „Katholiken“ verweisen? Geht m.E. gar nicht. Und auch das KG hatte mit der Versagung der Teilnahme am Gottesdienst Probleme:

„c) Soweit der Antragsteller die Verpflichtung des Antragsgegners begehrt, ihm die Teilnahme an evangelischen Gottesdiensten in der auf dem Klinikgelände befindlichen Kirche zu ermöglichen, gilt Folgendes:

Art. 4 GG garantiert in Absatz 1 die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses, in Absatz 2 das Recht der ungestörten Religionsausübung. Beide Absätze des Art. 4 GG enthalten ein umfassend zu verstehendes einheitliches Grundrecht. Es erstreckt sich nicht nur auf die innere Freiheit zu glauben oder nicht zu glauben; sondern auch auf die äußere Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten (vgl. BVerfGE 108, 282, 297). Zur grundrechtlich geschützten Religionsausübung gehören insbesondere kultische Handlungen und Ausübung sowie Beachtung religiöser Gebräuche wie Gottesdienst, Sammlung kirchlicher Kollekten, Gebete, Empfang der Sakramente oder Prozession u.a. (vgl. BVerfGE 24, 236, 246).

Auch im Rahmen der Unterbringung im Krankenhaus des Maßregelvollzuges ist das Recht auf ungestörte Religionsausübung zu gewährleisten. Zu diesem Zwecke verleiht § 32 BerlPsychKG dem Untergebrachten das Recht, innerhalb der Einrichtung am Gottesdienst und an den Veranstaltungen von Religions- und Glaubensgemeinschaften teilzunehmen. Ein Ausschluss eines Untergebrachten von der Teilnahme sieht das BerlPsychKG nicht vor. Insofern unterscheidet sich § 32 BerlPsychKG von den für die Strafgefangenen maßgeblichen Regelungen des § 54 StVollzG.

Zwar ist das Recht der Untergebrachten auf Teilnahme beispielsweise an Gottesdiensten nicht dadurch sicherzustellen, dass die Einrichtung selbst Initiativen ergreifen muss. Diese hat jedoch die Teilnahme dadurch zu fördern, dass sie Initiativen der berufenen Personen oder Stellen nicht nur duldet, sondern unterstützt (vgl. Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucksache 9/1226, Seite 16).

Damit hat der Beschwerdeführersteller ein Recht, an den in der Einrichtung stattfindenden Gottesdiensten – zumindest seines Glaubensbekenntnisses – teilzunehmen. Hierzu zählen nicht nur jene Gottesdienste, die auf der dem Untergebrachten zugewiesenen Station oder innerhalb des die Station beherbergenden Hauses stattfinden. Das Teilnahmerecht der Untergebrachten erstreckt sich vielmehr auf alle auf dem Klinikgelände abgehaltene Gottesdienste. Denn bereits angesichts der Bedeutung des grundrechtlich garantierten Rechts auf ungestörte Religionsausübung ist der in § 32 BerlPsychKG verwendete Begriff der „Einrichtung“ weit auszulegen. Im Übrigen ist der Begriff der „Einrichtungen“ in § 10 Abs. 1 Satz 1 BerlPsychKG legal definiert als „psychiatrische Krankenhäuser, psychiatrische Abteilungen in einem Krankenhaus, für psychisch Kranke geeignete Heime oder Teile von solchen Heimen“. Als psychiatrisches Krankenhaus ist das Krankenhaus des Maßregelvollzugs daher – zumindest hinsichtlich seiner standortbezogenen Anlagen – in seiner Gesamtheit als eine Einrichtung im Sinne des BerlPsychKG anzusehen.

Das Recht auf Teilnahme an innerhalb des Krankenhauses des Maßregelvollzugs angebotenen Gottesdiensten besteht unabhängig von der jeweiligen Lockerungsstufe der Untergebrachten. Eine ungestörte Religionsausübung muss auch einem Untergebrachten ermöglicht werden, dem Ausgänge auf dem Klinikgelände nicht gewährt werden können. Um etwaigen Fluchtgefahren zu begegnen, sind seitens des Krankenhauses geeignete Maßnahmen zu ergreifen, etwa in Form einer Begleitung des Untergebrachten.“

Na bitte, geht doch 🙂 .

Menschenunwürdige Unterbringung bei u.a. 23 Stunden Einschluss/Tag

 © jtanki - Fotolia.com

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Das KG, Urt v. 17.02.2015 – 9 U 129/13 – befasst sich mit der Frage einer Geldentschädigung für immaterielle Schäden wegen der nach Ansicht eines Gefangenen menschenunwürdigen Unterbringung in Justizvollzugsanstalten in Berlin: Das Urteil lässt sich auf die kurzen Formel zusammenfassen: Menschenunwürdig war die Unterbringung – zumindest teilweise, aber eine Entschädigung gibt nur in geringem Umfang, das im Übrigen die Regelung in § 839 Abs. 3 BGB entgegensteht.

Zur Unterbringung/Menschenunwürdigkeit führt das KG aus:

„(1) Das folgt allerdings nicht allein aus der Haftraumgröße. Der Kläger war im genannten Zeitraum in einem Einzelhaftraum mit einer Größe von 8,89 Quadratmetern inhaftiert. Der als solchen für sich allein genommenen unproblematischen Haftraumgröße steht aber gegenüber, dass der Kläger täglich bei nur einer Freistunde rund 23 Stunden in dem Haftraum eingesperrt war und sich sein dortiger Aufenthalt ohne klare zeitliche Begrenzung über Monate hinzog. Derart lange tägliche Einschlusszeiten über einen längeren Zeitraum hinweg stellen eine ganz erhebliche Beeinträchtigung grundlegender menschlicher Lebensbedingungen dar. Im Rahmen der durchzuführenden Gesamtwürdigung liegt es nahe, dass hierbei die Grenze des noch Zumutbaren überschritten wurde und die Haftbedingungen unter Berücksichtigung der besonderen Anforderungen an die Untersuchungshaft einerseits und der Strafhaft andererseits nicht mehr menschenwürdig waren.

Jedenfalls war die Unterbringung des Klägers im Zeitraum vom 11. Juni 2009 bis 6. April 2010, in dem Zeitraum also, da die Verurteilung des Klägers bereits rechtskräftig war, menschenunwürdig, weil die in diesem Zeitraum vollzogene Strafhaft unter den vorgenannten Bedingungen nicht an seiner Resozialisierung als dem nach den §§ 2, 3 StrafVollzG maßgeblichen Ziel des Strafvollzuges ausgerichtet war. Der Einschluss von 23 Stunden ohne Ausbildungs- oder Arbeitsmöglichkeiten, ohne Gruppenangebote im weiteren Sinne und ohne jeden sozialen Austausch widerspricht diesen Vollzugszielen in eklatanter Weise und verhindert jede Form der Resozialisierung. Ein Vollzug von Haft ohne klare Orientierung an diesem Vollzugsziel der Resozialisierung aber regrediert zur bloßen Verwahrung, verletzt den Gefangenen in seiner Menschenwürde und macht ihn zum Objekt staatlichen Handelns. Von besonderer Bedeutung im Rahmen dieser Bewertung einer Verletzung der Menschenwürde des Klägers ist für den Senat auch der Umstand, dass der Beklagte mit Eintritt der Rechtskraft der Verurteilung des Klägers, also mit Übergang der Untersuchungshaft in Strafhaft erkennbar keine Maßnahmen getroffen hat, um diesem grundsätzlichen Wechsel im Charakter des Haftvollzuges überhaupt gerecht zu werden. Es sind weder Anhaltspunkte vorgetragen noch sonst erkennbar, nach welchen der Beklagte diesem Umstand Rechnung getragen hätte. Wird ein in Haft befindlicher Mensch jedoch in diesem Sinne „vergessen“, so kommt darin eine ganz besondere Missachtung des Kernbereichs der Persönlichkeit, dessen Achtung jeder Mensch verdient hat, zum Ausdruck. ……

(2)  Soweit daneben auch unhygienische und ungesunde Zustände in den Hafträumen, zwar nicht isoliert, wohl aber wenn sie massiv und kumulativ auftreten, eine Verletzung der Menschenwürde begründen können, fallen derartige vom Kläger angeführte Umstände seiner Haft (alte Toilettenschüssel, Fliegengitter, zu hoch angesetzte Fenster, Hafträume zu dunkel, nicht renoviert, verschmutzt, Ausdünstungen, Schimmel, Fäkaliengeruch), wie auch das Landgericht zutreffend dargelegt hat, nicht erheblich ins Gewicht. Der Kläger hat keinen Zustand vorgetragen, der eine Verletzung der Menschenwürde begründen würde. Insoweit mag zwar eine „schäbige“ Ausstattung der Hafträume gegeben sein, jedoch ist insoweit nicht zu erkennen, dass dies Ausdruck von Verachtung oder Missachtung des Wertes, der dem Menschen kraft seines Personseins zukommt, gewesen ist. Nicht jeder im allgemeinen Sprachgebrauch als „unwürdig“ bezeichnete Zustand verletzt die verfassungsrechtlich geschützte Menschenwürde (BerlVerfGH, Beschluss vom 3. November 2009 – 184/07- juris Tz. 25). Die Schwelle zu einer Verletzung der Menschenwürde ist aufgrund der geschilderten baulichen Gegebenheiten noch nicht überschritten.“