Archiv der Kategorie: Strafvollzug

Nacktkontrollen im Strafvollzug, oder: Ausnahmen müssen sein

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Ich habe schon länger nicht mehr über Entscheidungen zum/aus dem Strafvollzug berichtet. Das will ich dann heute nachholen. Ich eröffne den Reigen mit dem schon etewas älteren BVerfG, Beschl. v. 05.11.2016 – 2 BvR 6/16. Es geht um die Verfassungsbeschwerde eines Strafgefangenen, die sich gegen dessen Durchsuchung vor dem Gang zu einem Besuch richtete. Der Strafgefangene musste sich dafür vollständig entkleiden, die körperliche Durchsuchung umfasste auch eine Inspektion der Körperöffnungen. Grundlage der Durchsuchung war eine gemäß Art. 91 Abs. 2 Satz 1 BayStVollzG erlassene Durchsuchungsanordnung, wonach jeder fünfte Gefangene und Sicherungsverwahrte vor der Vorführung zum Besuch zu durchsuchen sei. Der Strafgefangene hatte sich dagegen gewehrt, mit seinen Rechtsmitteln aber weder beim LG noch beim OLG Erfolg. Erst das BVerfG hat dem – zumindest vorerst – Einhalt geboten. Dazu aus der PM des BVerfG:

„1. Der Beschluss des Landgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG).

a) Durchsuchungen, die mit einer Entkleidung verbunden sind, stellen einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht dar. Dies gilt in besonderem Maße für Durchsuchungen, die mit einer Inspizierung von normalerweise verdeckten Körperöffnungen verbunden sind. Diese Wertung liegt auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zugrunde, die bei der Auslegung der Grundrechte des Grundgesetzes zu berücksichtigen ist. Mit Entkleidungen und der Inspektion von Körperöffnungen verbundene Durchsuchungen können durch die Erfordernisse der Sicherheit und Ordnung der Haftanstalt gerechtfertigt sein. Insofern erlaubt Art. 91 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BayStVollzG im Einzelfall die mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung von Gefangenen auf Anordnung des Anstaltsleiters. Die Definition des „Einzelfalls“ wird sehr weit gefasst, was verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, solange nicht fast alle Gefangenen von der Anordnung betroffen sind. Demnach ist für eine Einzelfallanordnung ausreichend, dass sie durch Ort, Zeit, Art und Umfang der Maßnahme im Einzelnen so bestimmt abgegrenzt werden kann, dass dadurch für jeden denkbaren Einzelfall erkennbar ist, worin die Maßnahme im Einzelnen besteht und welcher Gefangene ihr unterworfen sein soll.

b) Vor diesem Hintergrund ist das Landgericht vertretbar davon ausgegangen, bei der Durchsuchungsanordnung vom 17. Mai 2015 handele es sich um eine Einzelfallanordnung im Sinne des Art. 91 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BayStVollzG. Allerdings verletzt die Anordnung der Durchsuchung das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschwerdeführers, weil sie keine Abweichungen zulässt und daher dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht ausreichend Rechnung trägt. Mit Blick auf den weiten Begriff des „Einzelfalls“ hätte die Verfügung der Anstaltsleitung erkennen lassen müssen, dass von der Anordnung der Durchsuchung jedes fünften Gefangenen ausnahmsweise abgewichen werden kann. Um einen gerechten Ausgleich zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, der Wahrung der Intimsphäre des Gefangenen und dem Sicherheitsinteresse der Vollzugsanstalt zu erreichen, hätte den die Durchsuchungsanordnung vollstreckenden Vollzugsbeamten durch den Wortlaut der Anordnung zumindest die Möglichkeit belassen werden müssen, von ihr abzuweichen, wenn die Gefahr des Missbrauchs des Besuchs fernliegt.

c) Die Entscheidung der Frage, ob die Justizvollzugsanstalt vorliegend zu Gunsten des Beschwerdeführers von der getroffenen Anordnung hätte abweichen müssen, da die Gefahr eines Missbrauchs des Besuchs durch den Beschwerdeführer fernliegend war, obliegt den Fachgerichten. Dies ist insbesondere mit Blick darauf, dass der Beschwerdeführer sich bei dem Empfang von Besuchen in der Vergangenheit bewährt hatte, jedenfalls nicht ausgeschlossen.“

Dazu passt dann ganz gut der OLG Hamm, Beschl. v. 03.11.2016 – 1 Vollz (Ws) 385/16.

Einzel-TV für den „Rauschgiftdealer“ auf der „Abschirmstation“? oder: Potentieller Bunker

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Der zweite Vollzugsrechtliche Beitrag (zum ersten hier: „Bitte aufräumen“, oder: Eine „Bitte“ ist nicht „verbindlich“) hat ebenfalls eine KG, Entscheidung zum Gegenstand. Es handelt sich um den KG, Beschl. v. 18.03.2016 – 2 Ws 55/16 Vollz, schon etwas älter, aber ist erst vor kurezm „rein gekommen“ und behandelt eine m.E. ganz interessante Problematik, nämlich die Frage, ob einem Verurteilten auf der sog. Abschrimstation ein Einzel-TV zusteht oder nicht.

Der Verurteilte verbüßt in der JVA Tegel eine Freiheitsstrafe von 13 Jahren wegen Totschlags, das Strafende ist auf den 09.01.2018 notiert. Im Anschluss ist eine Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen wegen Verstoßes gegen das BtmG notiert. Der Gefangene ist auf Grund eigenen Verschuldens auf der „Abschirmstation für Rauschgiftdealer“ in der Teilanstalt V untergebracht. Dort steht ihm – wie allen dort besonders untergebrachten Mitgefangenen auch – kein eigenes Fernsehgerät im Haftraum zur Verfügung. Der Gefangene kann während seiner Freizeit am Gemeinschaftsfernsehen im Gruppenraum teilnehmen. In seinem Haftraum steht ihm ein Einzelradiogerät mit Kassetten- und/oder CD-Abspielmöglichkeit mitsamt sechs Tonträgern zur Verfügung. Außerdem hat er die Möglichkeit, Zeitungen zu abonnieren. Der Gefangene hat einen Antrag auf Genehmigung eines Einzelfernsehgeräts in seinem Haftraum gestellt, der zurückgewiesen worden ist. Um die Rechtsmäßigkeit der Zurückwiesung wird nun gestritten.

Das KG hat die Entscheidung der JVA und den bestätigenden Beschluss der StVK gehalten:

1. Es ist bereits obergerichtlich geklärt, dass das Vorliegen einer Gefährdung nach § 70 Abs. 2 Nr. 2 (hier in Verbindung mit § 69 Abs. 2) StVollzG allein wegen einer grundsätzlich vorhandenen Eignung eines Gegenstandes für sicherheits- oder ordnungsgefährdende Verwendungen bejaht werden kann, sofern konkrete derartige Verwendungen nur mit einem von der Anstalt nicht erwartbaren Kontrollaufwand ausgeschlossen werden können. Bereits die einem Gegenstand allgemein innewohnende Gefährlichkeit kann daher ein Recht auf dessen Besitz im Strafvollzug ausschließen, ohne dass in der Person des Gefangenen liegende Anhaltspunkte für eine Gefährdung von Sicherheit und Ordnung vorliegen müssen. Auch das die Belange der Übersichtlichkeit und Durchsuchbarkeit des Haftraums bei der Genehmigung von Fernsehgeräten Berücksichtigung finden müssen, ist bereits entschieden (vgl. zum Ganzen: Senat, Beschluss vom 21. November 2011 – 2 Ws 302/11 Vollz – mit zahlreichen weit. Nachweisen).

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass die Einrichtung einer Abschirmstation für Rauschmittelhändler, für die stärkere Sicherungsvorkehrungen als für andere Anstaltsbereiche getroffen sind, mit den Vorschriften des Strafvollzugsgesetzes zu vereinbaren ist (vgl. Senat, Beschlüsse vom 4. Mai 2006 – 5 Ws 214/06 Vollz -, 15. Januar 2003 – 5 Ws 586/02 Vollz –, 19. November 2002 – 5 Ws 589/02 Vollz -, und 18. Dezember 1996 – 5 Ws 647/96 Vollz – jew. mit weit. Nachweisen; std. Rspr.). Ferner ist bereits entschieden, dass sich bereits aus der besonderen Unterbringung auf der Abschirmstation konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen einer realen Gefährdung der Anstaltssicherheit ergeben (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Juni 2009 – 2 Ws 510/08 Vollz –).

Schließlich hat der Senat bereits darüber befunden, dass die Versagung eines Einzelfernsehgerätes im Haftraum auf der Abschirmstation für Rauschmittelhändler wegen der von diesem ausgehenden gesteigerte Gefahr für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt durch eine mögliche Nutzung als sogenannter „Bunker“ für Betäubungsmittel der rechtlichen Prüfung standhält (vgl. Beschluss vom 5. September 2011 – 2 Ws 311-312/11 Vollz –).“

„Bitte aufräumen“, oder: Eine „Bitte“ ist nicht „verbindlich“

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Die 3. KW/2017 eröffne ich dann mal mit zwei vollzugsrechtlichen Entscheidungen. Die erste ist der KG, Beschl. v. 29.07.2016 – 2 Ws 133/16 Vollz. Gegenstand des Verfahrens war die Frage, ob eine „mündliche Anordnung“/“Bitte“ der Vollzugsbehörde gegenüber einem Sicherungsverwahrten eine Maßnahme i.S. des § 109 Abs. 1 StVollzG darstellt, gegen die dann Rechtsmittel gegeben sind. Im Grunde geht es um die „Bitte“ aufzuräumen. Dazu hatte die StVK festgestellt:

„Das Patientenzimmer des Antragstellers war überfüllt und nicht ausreichend kontrollierbar. Dieser Umstand wurde im Rahmen der Stationsvisite seitens der Abteilungsleitung bemängelt; der Antragsteller wurde mündlich auf die Vorschrift des § 31 Berliner PsychKG und die darauf basierende Hausordnung hingewiesen. An den Antragsteller wurde zudem die als Bitte bezeichnete Aufforderung herangetragen, seine Habe im Zimmer zu reduzieren. Bezüglich der zahlreichen Bücher und Datenträger wurde ihm eine Orientierung von jeweils 20 Stück genannt. Ein schriftlicher Bescheid erfolgte nicht.

(…)

Der Antragsteller weigerte sich jedoch zunächst, die überzähligen Bücher und Datenträger herauszugeben.

Am 03.11.2015 wurde der Antragsteller, nachdem er den Stationsleiter bedroht hatte, auf eine andere Station verlegt.

(…)

Mit der Verlegung gab der Antragsteller die überzähligen Bücher und Datenträger heraus.“

Das KG sagt: Keine Maßnahme i.S. des § 109 StVollzG, denn:

„Eine „Maßnahme“ im Sinne von § 109 StVollzG (auf den Antragsteller anwendbar über § 130 StVollzG) ist eine Regelung mit Rechtswirkung. Es muss sich deshalb um den Akt einer Vollzugsbehörde handeln, der in das Rechtsverhältnis zwischen dem Sicherungsverwahrten und dem Staat gestaltend eingreifen soll, also um eine Regelung einer einzelnen Angelegenheit, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist und diesbezüglich Verbindlichkeit beansprucht (vgl. z.B. Bachmann in: Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, Strafvollzugsgesetze 12. Aufl., Abschn. P Rdn. 28, 29; Schuler/Laubenthal in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetz 5. Aufl., § 109 Rdn. 11).

Eine Bitte ist – auch wenn sie mit Nachdruck vorgebracht wird – eben keine Regelung. Dem Adressaten steht es frei, sie zu befolgen – oder eben nicht. Das mag für „schlechte Stimmung“ sorgen, hat aber keine unmittelbaren rechtlichen Konsequenzen. Eine Behörde, die dem Adressaten diese Wahlmöglichkeit abschneiden will, muss dies unmissverständlich artikulieren. Dass die Vollzugsbehörde (in Gestalt des Krankenhauses des Maßregelvollzuges) selbst nicht davon ausgegangen ist, dass ihre (noch dazu reichlich unbestimmte) Bitte die Anzahl der Bücher und Datenträger auf jeweils etwa 20 zu reduzieren, bereits eine verbindliche Weisung darstellte, erhellt sich nicht nur aus deren diesbezüglichen Vortrag im Verfahren, sondern auch daraus, dass sie offenbar bis zum 3. November 2015 keinerlei Anstalten gemacht hat, die Bitte vom 12. Oktober 2015 durchzusetzen, obwohl der Beschwerdeführer sich zunächst weigerte, ihr Folge zu leisten.“

DVD mit „FSK 18“ in der Sicherungsverwahrung?

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Vor Weihnachten will ich dann doch noch auf den OLG Nürnberg, Beschl. v. 04.07.2016 – 2 Ws 681/15 – hinweisen, in dem es um die Frage der Zulässigkeit des Besitzes von DVD bzw. Blue-ray mit der Alterfreigabe „FSK ab 18“ in der Sicherungsverwahrung geht: Das OLG hat dazu mit folgenden Leitsätzen Stellung genommen:

  1. „Der Besitz optischer Medien (DVD, Blue-ray) mit der Altersfreigabe „FSK ab 18“ bzw. „keine Jugendfreigabe“ gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 JuSchG durch Sicherungsverwahrte gefährdet grundsätzlich das Erreichen der Vollzugsziele.
  2. Wegen der nicht kontrollierbaren Weitergabe solcher Medien innerhalb der Anstalt kann deren Besitz generell untersagt werden, ohne dass es darauf ankommt, ob und inwieweit die Erreichung der Vollzugsziele hinsichtlich des einzelnen Sicherungsverwahrten in besonderem Maße vom Besitz derartiger Medien konkret gefährdet wird oder nicht.
  3. Das Verbot der Überlassung solcher Medien an Sicherungsverwahrte verstößt nicht gegen das sogenannte Abstandsgebot.“

Mehr will ich hier nicht einstellen und kann den Beschluss dann nur insgesamt zum Selbststudium empfehlen. Sind immerhin 20 Seiten.

Die nächtliche Sichtkontrolle im Vollzug – so einfach geht das nicht

entnommen wikimedia.org Urheber ka?stn Disk/Cat

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Urheber ka?stn Disk/Cat

Den Abschluss der Entscheidungen zu Strafvollstreckung und Strafvollzug macht der OLG Hamm, Beschl. v. 24.11.2016 – III – 1 Vollz (Ws) 302/16, ergangen in einer sog. Maßregelvollzugsache. Der Betroffene befindet sich auf Grundlage der §§ 7 JGG, 63 StGB wegen einer von ihm begangenen gefährlichen Körperverletzung seit dem 15.02.2002 in der Unterbringung, die seit dem 04.02.2011 in der LWL-Maßregelvollzugsklinik Herne vollzogen wird. Der Betroffene hat sich gegen zweimal nächtlich stattfindende Sichtkontrollen seines Zimmers gewendet, die in unregelmäßigen Abständen bei verschlossen bleibender Zimmertür durch eine Sicht- bzw. Kommunikationsklappe derart erfolgen, dass mit einer Taschenlampe kurz auf das Bett bzw. auf den Betroffenen geleuchtet wird, wobei der Lichtkegel der Taschenlampe auch das Gesicht des Betroffenen treffen kann. Am 08.11.2015 beantragte der Betroffene das Unterlassen dieser Kontrollen, die nach seinem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen im gerichtlichen Verfahren seit vier Jahren erfolgen. Das ist abgelehnt worden: Nach therapeutischer Beurteilung gebiete die Fürsorgepflicht die Durchführung der Kontrollen und überwiege das Interesse an ungestörter Nachtruhe.

Das OLG sagt dazu: Bei nächtlichen Überprüfungen eines Untergebrachten in Form von nächtlichen Sichtkontrollen handelt es sich um an § 21 Abs. 1 MRVG NRW zu messende besondere Sicherungsmaßnahmen:

Denn entgegen der Auffassung des Antragsgegners und der Strafvollstreckungskammer handelt es sich bei den nächtlichen Überprüfungen des Betroffenen an § 21 Abs. 1 MRVG NRW zu messende besondere Sicherungsmaßnahmen. Nach dieser Vorschrift kann bei einer erheblichen Gefahr für das geordnete Zusammenleben in der Einrichtung, insbesondere bei – vorliegend von dem Antragsgegner im angefochtenen Bescheid gerade nicht positiv festgestellten – Selbstgefährdung und Fluchtgefahr, unter anderem die „Beobachtung bei Nacht“ angeordnet werden, soweit und solange dies erforderlich ist. Schon der Gesetzeswortlaut spricht eindeutig dafür, dass die vorliegende Maßnahme dem Regelungsgehalt dieser Norm unterfällt. Auch der von der Strafvollstreckungskammer angeführte Umstand, dass die Überprüfung hier lediglich stichprobenartig und nicht dauerhaft erfolgt, ändert nichts daran, dass es sich hierbei begrifflich um eine – wenn auch im Verhältnis zur permanenten Überwachung weniger einschneidende – Beobachtung zur Nachtzeit handelt (vgl. die Einordnung punktueller, aber jederzeit möglicher nächtlicher Kontrollen im Strafvollzug bei BGHSt 37, 380, Rn. 7, juris; Senatsbeschluss vom 27.01.2015 – 111-1 Vollz (Ws) 664-665114 Rn. 10, juris; Arloth, a.a.O., § 88 Rn. 5 m.w.N.; Schwind in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, Strafvollzugsgesetz, 6. Aufl., § 88 Rn. 12; ähnl. Rzepka in: Kammeier, Maßregelvollzugsrecht, 3. Aufl., Rn. H 99), die von der – keine besondere Sicherungsmaßnahme darstellenden – nächtlichen Überprüfung aufgrund eines konkreten dienstlichen Anlasses wie etwa bei verdächtigen Geräuschen (vgl. Schwind in: Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, a.a.O.) oder der im Rahmen des Maßregelvollzugs unerlässlichen einfachen Beaufsichtigung von Patienten (vgl. Rzepka in: Kammeier, a.a.O.) zu unterscheiden ist.

Zumindest nach der Systematik des MRVG NRW (zur Rechtslage in anderen Bundesländer vgl. Rzepka in: Kammeier, a.a.O., Rn. H 98) erscheint es auch nicht zulässig, beim Fehlen der Voraussetzungen für besondere Sicherungsmaßnahmen gemäß § 21 Abs. 1 MRVG NRW eine Beobachtung zur Nachtzeit auf die allgemeine Regelung des § 5 S. 2 MRVG NRW zu stützen, nach der dem Betroffenen vorbehaltlich einer „besonderen Regelung“ dieses Gesetzes Einschränkungen bereits dann auferlegt werden dürfen, wenn dies zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Therapie, des geordneten Zusammenlebens oder für die Zusammenarbeit unerlässlich ist. Denn bei § 21 Abs. 1 MRVG NRW handelt es sich gerade um eine solche „besondere Regelung“, deren erhöhte und einzelfallbezogene Anordnungsvoraussetzungen (vgl. Verrel in: Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, Strafvollzugsgesetze, 12. Aufl., Abschnitt M Rn. 79) unterlaufen würden, wenn eine Beobachtung zur Nachtzeit auch aus anderen Gründen angeordnet werden dürfte (ähnl. zur Erforderlichkeit einer gesetzlichen Grundlage für die Fesselung eines nach § 63 StGB Untergebrachten im Rahmen einer Vorführung Senatsbeschluss vorn 23.09.2014 – 11I-1 Vollz(Ws) 411/14 – Rn. 14, juris). Zutreffend führt Prütting (MRVG und PsychKG NRW, § 21 MRVG Rn. 7) aus, dass die Beobachtung bei Nacht einen sehr massiven Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des Betroffenen darstellen kann, die daher unter dem Blickwinkel des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegen das Recht auf Schutz der Persönlichkeit und der Intimsphäre abgewogen werden muss und die zudem einer gesetzlichen Grundlage bedarf, welche mit den Vorgaben des § 21 Abs. 1 MRVG NRW vorliegt. Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass grundsätzlich allein unter den in dieser Vorschrift normierten Voraussetzungen nach Prüfung des Einzelfalles eine nächtliche Beobachtung zulässig ist (ähnl. BGH, a.a.O., zu § 88 StVollzG; allg. Volckart/Grünebaum, Maßregelvollzug, 8. Aufl., Rn. 111.210, wonach die je nach Landesrecht zu den besonderen Sicherungsmaßnahmen gehörende Beobachtung „nur unter den engen Kautelen des jeweiligen Maßregelgesetzes zur Gefahrenabwehr zulässig“ ist).

Ergebnis: Die Überwachung hat zu unterbleiben. Allerdings:

„Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Antragsgegner durch diese Entscheidung nicht an einer etwaigen erneuten Anordnung der nächtlichen Beobachtung des Betroffenen im Sinne des § 21 Abs. 1 MRVG NRW gehindert wird, sofern sich zukünftig ergeben sollte, dass die diesbezüglichen Voraussetzungen erfüllt sind. Auch bleiben von dieser Entscheidung die Möglichkeiten zur nächtlichen Überprüfung aufgrund eines konkreten dienstlichen Anlasses oder zur im Rahmen des Maßregelvollzugs unerlässlichen einfachen Beaufsichtigung von Patienten unberührt, die nach den obigen Ausführungen von einer besonderen Sicherungsmaßnahme im Sinne des § 21 Abs. 1 MRVG NRW zu unterscheiden sind.“