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KCanG I: Gleichzeitiges Bereithalten einer Waffe, oder: Klammerwirkung auch nach neuem Recht

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Es ist Montag, also Start in die neue Woche. Und da habe ich ja zum Wochenanfnag häufig Entscheidungen zu neuen Problemkreisen, das war bei Corona so, dann kamen die Klimakleber und das beA. Derzeit beschäftigen uns die Fragen, die mit dem KCanG zusammenhängen. Dazu gibt es dann heute auch wieder drei Entscheidungen.

Zunächst hier der BGH, Beschl. v. 30.04.2024 – 6 StR 164/24. Nein, es ist keine Entscheidung des BGH, in der dieser sagt: Tut uns leid, dass wir die neue „nicht geringe Menge“ nur bei 7,5 g n/ml angesetzt haben, wir ändern das mal wieder – das AG Mannheim (vgl. AG Mannheim, Urt. v. 29.04.2024 – 2 Ls 801 Js 37886/23 und dazu: KCanG II: „Neue“ „nicht geringe Menge“ liegt bei 75 g, oder: Fortbildung des AG Mannheim für den BGH?) hat Recht. Nein, es bleibt alles beim Alten – leider. Die Entscheidung zementiert den „BGH-Grenzwert“ und nimmt dabei zu einer konkurrenzrechtlichen Frage Stellung.

Das LG hat den Angeklagten wegen „bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit vorsätzlicher Zuwiderhandlung gegen ein Waffenbesitzverbot in Tatmehrheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe v verurteilt. Der BGH hat unter Aufrechterhaltung der Feststellungen aufgehoben:

„1. Der Schuldspruch hält revisionsgerichtlicher Prüfung nicht stand.

a) Mach den Feststellungen kaufte der Angeklagte im Frühjahr 2022 ein Kilogramm Amphetamingemisch und 200 Gramm Marihuana. Das Amphetamingemisch verkaufte er gewinnbringend nahezu vollständig zum Preis von 5.000 Euro. Vom Marihuana verkaufte er nur einen kleinen Teil, verbrauchte es teilweise und bewahrte die übrigen 168,1 Gramm mit einer Wirkstoffmenge von 14,81 Gramm THC auf, um sie später zu konsumieren oder zu verkaufen (Fall II.1 der Urteilsgründe). Im Dezember 2022 kaufte der Angeklagte ein weiteres Kilogramm Amphetamingemisch, von dem er 226,12 Gramm zum Preis von fünf Euro pro Gramm verkaufte. Am 27. Februar 2023 verwahrte er in der Küche seines Wohnhauses neben der Restmenge des im Dezember gekauften Amphetamingemischs mit einem Wirkstoffanteil von 64,69 Gramm Amphetaminbase auch das restliche im Frühjahr 2022 erworbene Marihuana. Dort lagen griffbereit auf der Sitzfläche eines Stuhls eine funktionsbereite, geladene Schreckschusspistole und in einem Schrank ein Teleskopschlagstock (Fall II.2 der Urteilsgründe).

b) Die Strafkammer hat bei ihrer konkurrenzrechtlichen Wertung nicht erkennbar bedacht, dass eine Tat anzunehmen gewesen wäre, wenn es sich bei dem zur Veräußerung bestimmten Anteil des am 27. Februar 2023 noch vorhandenen Marihuanas um eine nicht geringe Menge gehandelt hätte.

aa) Werden zwei unterschiedliche, zum Verkauf bestimmte, nicht geringe Mengen von Betäubungsmitteln in einem Raum aufbewahrt, verbindet wegen der Teilidentität der Ausführungshandlungen das gleichzeitige Bereithalten einer Waffe im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG an diesem Ort beide Taten zur Tateinheit (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Februar 2020 – 1 StR 9/20,BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Nr. 2 Konkurrenzen 2; vom 9. Juli 2020 – 5 StR 208/20; Patzak in Patzak/Volkmer/Fabricius, Betäubungsmittelgesetz 10. Aufl., § 30a Rn. 130a).

bb) Die Annahme nur einer Tat kommt auch bei Berücksichtigung der nach § 354a StPO, § 2 Abs. 3 StGB anzuwendenden neuen Vorschriften des zum 1. April 2024 in Kraft getretenen Konsumcannabisgesetzes (KCanG) in Betracht. Denn der als Verbrechen ausgestaltete Qualifikationstatbestand des bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis nach § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG, der hier erfüllt sein könnte, hat die Kraft, das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hinsichtlich des im Frühjahr 2022 erworbenen Amphetamins (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) und das bewaffnete Handeltreiben mit Betäubungsmitteln hinsichtlich des im Dezember 2022 gekauften Amphetamins (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) zu einer Tat zu verklammern. Soweit der Qualifikationstatbestand des § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG eine nicht geringe Menge voraussetzt, wäre dieser Grenzwert von 7,5 Gramm THC (vgl. BGH, Beschluss vom 18. April 2024 – 1 StR 106/24) unter Berücksichtigung des festgestellten Wirkstoffgehaltes von acht Prozent bei einer Handelsmenge von 93,75 Gramm erreicht.

c) Der Senat ist gehindert, den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO zu ändern, weil ihm die dafür nötigen Feststellungen fehlen. Es ist offengeblieben, welcher Anteil des noch vorhandenen Marihuanas zum Konsum und welcher zum Verkauf bestimmt war (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2018 – 5 StR 582/17, NStZ-RR 2018, 113).“

StGB II: Nebenklägerin im „dissoziativen Zustand“, oder: „Nein heißt Nein“ oder: „Nur Ja heißt ja“

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Die zweite Entscheidung kommt mit dem BGH, Beschl. v. 03.04.2024 – 6 StR 5/24 – ebenfalls vom BGH. Zu entscheiden hatte der über die Revision eines Angeklagten gegen ein landgerichtliches Urteil, mit dem der Angeklagte u.a. wegen Vergewaltigung verurteilt worden war.

Dem lag folgenden Sachverhalt zugrunde: „Nach den Feststellungen des LG trafen sich der Angeklagte und die an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidende Nebenklägerin M. kurz nach ihrem Kennenlernen in deren Wohnung. Sie berichtete dem Angeklagten zwar von dissoziativen Zuständen, nicht feststellbar aber davon, dass diese insbesondere im Zusammenhang mit sexuellen Handlungen auftreten würden. Obwohl sie selbst nicht primär sexuelle Absichten verfolgte, ließ sie sich auf sexuelle Handlungen ein, weil sie davon ausging, den Angeklagten ansonsten zu verlieren.

Während des einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs fiel die Nebenklägerin in einen dissoziativen Zustand. In diesem war sie nicht in der Lage, einen Willen hinsichtlich des sexuellen Geschehens zu bilden. Der Angeklagte erkannte den Zustand der Nebenklägerin und unterbrach den Geschlechtsverkehr. Nachdem die Nebenklägerin wieder zu sich gekommen war und ihren Zustand erklärt hatte, versicherte der Angeklagte ihr, dass sie bei ihm sicher sei und er ihr nichts tun werde. Sie sprachen nicht darüber, ob der Geschlechtsverkehr fortgesetzt werden soll. Sodann verfiel die Nebenklägerin erneut in einen dissoziativen Zustand, was der Angeklagte bemerkte. Gleichwohl übte er den vaginalen Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss aus.

Das LG hat den Tatbestand des § 177 Abs. 2 Nr. 1 , Abs. 4 , Abs. 6 StGB als erfüllt angesehen, weil der Angeklagte während des zweiten dissoziativen Zustands den Geschlechtsverkehr mit der Nebenklägerin fortführte, obwohl ihm aufgrund des unmittelbar vorausgegangenen dissoziativen Zustands bewusst war, dass sie nicht in der Lage war, einen entgegenstehenden Willen zu bilden. Die Beweisaufnahme habe keine vorherige Einwilligung der Nebenklägerin „erbracht“, die über den Eintritt des dissoziativen Zustands fortgewirkt hätte.

Das sieht der BGH anders:

„b) Diese Ausführungen tragen die Verurteilung nach § 177 Abs. 2 Nr. 1 , Abs. 4 StGB nicht, weil nicht rechtsfehlerfrei festgestellt ist, dass der Angeklagte den Zustand der Nebenklägerin ausgenutzt hat.

aa) Der Täter nutzt den Zustand des Opfers im Sinne des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB aus, wenn ihm die sexuelle Handlung gerade erst aufgrund der besonderen Situation des Opfers gelingt. Die Unfähigkeit des Opfers, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern, muss demnach die Vornahme der fraglichen Handlung ermöglichen oder zumindest begünstigen. An diesem – bereits vor der zum 10. November 2016 in Kraft getretenen Reform des Sexualstrafrechts geltenden – Begriffsverständnis des Ausnutzens (vgl. zu § 179 a.F. BGH, Urteil vom 28. März 2018 – 2 StR 311/17 , Rn. 12, NStZ-RR 2018, 244; Beschlüsse vom 17. Juni 2008 – 3 StR 198/08 Rn. 4, NStZ 2009, 90; vom 28. Oktober 2008 – 3 StR 88/08 Rn. 5, NStZ 2009, 324; MüKo-StGB/Renzikowski, 2. Aufl., § 179 Rn. 35 mwN) ist im Rahmen des § 177 Abs. 2 StGB n.F. festzuhalten (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2019 – 2 StR 301/18 , BGHSt 64, 55 Rn. 21 unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung; ebenso: Schönke/Schröder/Eisele, StGB, 30. Aufl., § 177 Rn. 30; MüKo-StGB/Renzikowski, 4. Aufl., StGB § 177 Rn. 71; SSW-StGB/Wolters, 5. Aufl., § 177 StGB Rn. 47).

(1) Dem steht der Anlass zur Gesetzesreform nicht entgegen. Der Reformgesetzgeber wollte die Strafbarkeit in erster Linie auf solche Fälle erweitern, in denen der Täter sich ohne Einsatz von Nötigungsmitteln über einen erkennbaren entgegenstehenden Willen des Opfers hinwegsetzt („Nein heißt Nein“-Lösung, vgl. BT-Drucks. 18/9097, S. 21). § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB setzt jedoch die fehlende Möglichkeit des Opfers zur Willensbildung voraus. Auf einen – erkennbaren – entgegenstehenden Willen kann es in dieser Konstellation demnach nicht ankommen, so dass das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel keine Erweiterung des bislang über § 179 StGB gegebenen strafrechtlichen Schutzes indiziert.

(2) Zudem wird nach dem Willen des Gesetzgebers der von § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB beschriebene Zustand nicht bereits dann ausgenutzt, wenn die geschützte Person im Vorfeld kein ausdrückliches Einverständnis mit sexuellen Handlungen während des ihre Fähigkeit zur Willensäußerung ausschließenden Zustands erklärt hat. Ein solches Erfordernis würde der in anderen europäischen Rechtsordnungen geltenden „Nur Ja heißt Ja“-Lösung entsprechen. Der deutsche Reformgesetzgeber hat diesen Ansatz ausweislich der Gesetzesbegründung indes nur dem § 177 Abs. 2 Nr. 2 StGB n.F. zugrunde gelegt (vgl. BTDrucks. aaO S. 25). Diese bewusste gesetzgeberische Entscheidung spricht dagegen, ihn auch auf § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB zu erstrecken.

bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Angeklagte den Zustand der Nebenklägerin jedenfalls dann nicht tatbestandsmäßig ausgenutzt, wenn es vor dem zweiten dissoziativen Zustand der Nebenklägerin erneut zu einvernehmlichen sexuellen Handlungen zwischen ihm und der Nebenklägerin kam, weil diese dann nicht erst durch ihren Zustand ermöglicht worden wären.

(1) Die hierzu vom Landgericht getroffenen Feststellungen sind unklar. Sie verhalten sich nicht dazu, aufgrund welcher Umstände die Nebenklägerin erneut in einen dissoziativen Zustand verfiel. Zudem ist nicht beweiswürdigend belegt, dass es zuvor zu keinen weiteren einvernehmlichen sexuellen Handlungen kam. Insoweit hätte sich das Landgericht damit auseinandersetzen müssen, dass die Nebenklägerin zum einen bekundet hat, „es müsse nach ihrer Erfahrung wieder körperlich geworden sein, so dass sie deswegen wieder weggetreten sei“ (UA S. 39 aE) und zum anderen gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen angegeben hat, dass der Angeklagte „dann weitergemacht habe und sie (…) wieder in den dissoziativen Zustand zurückgefallen“ sei (UA S. 46).

(2) Soweit das Landgericht ohne nähere Begründung ausgeführt hat, dass die Beweisaufnahme eine vorherige Einwilligung nicht „erbracht“ habe, hat es – von einem zu engen Maßstab ausgehend – nur darauf abgestellt, dass die Nebenklägerin nicht ausdrücklich in die weitere Durchführung des Geschlechtsverkehrs auch für den Fall eingewilligt hat, dass sie erneut in einen dissoziativen Zustand verfällt.

Demgegenüber lassen sich der angefochtenen Entscheidung keine tatsächlichen Anhaltspunkte für die Annahme entnehmen, dass die etwaige erneute Annäherung gegen den erkennbaren Willen der Nebenklägerin erfolgte. Ausweislich der Urteilsgründe wurde zwischen den beiden dissoziativen Zuständen der Nebenklägerin nicht thematisiert, ob der Geschlechtsverkehr fortgesetzt werden soll. Zwar hat sie bekundet, dass sie erwartet habe, dass der Angeklagte aufhöre und akzeptiere, dass es gerade nicht der richtige Zeitpunkt sei (UA S. 44 f.). Dass sie dies erkennbar zum Ausdruck brachte, liegt jedoch bereits vor dem Hintergrund ihrer Bekundung nicht nahe, sie sei davon ausgegangen, den Angeklagten zu verlieren, wenn sie nicht mit ihm schlafen würde und habe gemerkt, dass sie ohne ein Treffen bei ihr uninteressant für ihn werde. Ihr sei klar gewesen, dass er auf Sex aus gewesen sei. Für sie sei es die Hauptsache gewesen, ihn nicht zu verlieren. Er habe sie nicht verlassen sollen (UA S. 39). In ihrer polizeilichen Vernehmung hat sie ausdrücklich angegeben, dass sie nicht gesagt habe, sie wolle „es“ nicht. Sie habe gewusst, dass sie ihn nur dann halten könne, wenn sie „das“ jetzt tun würde. Auch im Nachgang hat sie sich über das Verhalten des Angeklagten in der Tatsituation nicht erbost oder schockiert gezeigt. Dass Geschlechtsverkehr für sie einfach immer eine Überwindung gewesen sei, könne sie dem Angeklagten nicht anlasten (UA S. 44).

(3) Die Feststellungen erweisen sich darüber hinaus als lückenhaft, weil es näherer Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten hinsichtlich seines Ausnutzungsbewusstseins bedurft hätte (vgl. BGH, Urteil vom 28. März 2018 – 2 StR 311/17 , Rn. 13; Beschluss vom 8. Januar 2014 – 3 StR 416/13 Rn. 2, jeweils zu § 179 StGB aF).“

StGB I: Die (anonyme) „Kinderpornobande“ im Internet, oder: Bandenmitgliedschaft geht auch anonym.

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Ich mache heute dann einen StGB-Tag. In den starte ich mit einem schon etwas älteren BGH-Beschluss, der aber erst jetzt veröffentlicht worden ist, und zwar der BGH, Beschl. v. 14.11.2023 – 6 StR 449/23.

Es geht in der Entscheidung um den Begriff der Bande beim Verbreiten kinder- und jugendpornografischer Inhalte. Das LG hat den Angeklagten deswegen wegen eines Verstoßes gegen §§ 184b Abs. 2, 184c Abs. 2 StGB verurteilt. Nach den Feststellungen des LG hatte sich der Angeklagte dem Internetforum „B.“ unter Verwendung des Nutzernamens „S.“ angeschlossen. Dabei han­delte sich dabei um einen szenetypischen, internationalen Zusammenschluss pä­dophiler Personen, die hierüber einen längerfristigen und umfangreichen Aus­tausch kinder- und jugendpornographischer Bild- und Videodateien abwickelten. Das Internetforum war über das TOR-Netzwerk erreichbar. Eine Anmeldung war nach Registrierung möglich, wozu Nutzername und Passwort hinterlegt wurden.

Voraussetzung war ferner, dass der Nutzer die durch die Administratoren festge­legten „Forenregeln“ akzeptierte. Hierzu gehörte namentlich, dass ausschließlich Dateien mit männlichen Kindern ab dem ersten Lebensjahr und Jugendlichen hochgeladen werden. Der Austausch der Dateien erfolgte mittels in Threads „ge­posteter“ Links zu passwortgeschützten Dateiarchiven. Sämtliche Nutzer konnten auf die Dateiinhalte zugreifen. Zur Tatzeit ge­hörten dem Internetforum etwa 245.000 registrierte aktive Mitglieder an. Auch der Angeklagte beabsichtigte mit seinem Beitritt, sich den Regeln des Internetforums zu unterwerfen, hierüber langfristig kinder- und jugendporno­graphische Inhalte mit anderen registrierten Nutzern auszutauschen und mit die­sen hierüber zu kommunizieren. Insbesondere durch das wiederholte Bereitstel­len („Posten“) solcher Inhalte, aber auch durch das Verfassen von Beiträgen leistete er wissentlich einen wesentlichen Beitrag zur Aufrechterhaltung des Inter­netforums. Hierdurch sollten die anderen registrierten Nutzer zum Posten von Links zu entsprechenden Inhalten motiviert werden, damit der Angeklagte immer wieder neues kinder- und jugendpornographisches Bild- und Videomaterial er­halten konnte. Der Angeklagte gehörte zu den „TOP 350“ des Netzwerks und damit zu einer Gruppe von Mitgliedern, die bereits mehr als 250 Posts verfasst hatten.

Die Revision des Angeklagten ist bis auf eine  Schulspruchberichtigung („Zugänglichmachen“ statt „Verbreiten“) erfolglos geblieben.

Der BGH hat seine Entscheidung, die zur Aufnahme in BGHSt bestimmt ist, recht umfangreich begründet. Daher stelle ich hier nur den Leitsatz ein, die Einzelheiten der Begründung bitte im Volltext nachlesen. Der Leitsatz lautet:

    1. Bandenmäßig im Sinne von § 184b Abs. 2 Var. 2 bzw. § 184c Abs. 2 Var. 2. StGB handelt, wer einem zum Zwecke des Austauschs kinder- und jugendpor­nographischer Inhalte (§ 184b Abs. 1, § 184c Abs. 1 StGB) betriebenen zu­gangsbeschränkten Internetforum beitritt und entsprechend den hierfür aufge­stellten Regeln zugleich (konkludent) erklärt, hierüber fortan einen wiederhol­ten Tauschhandel mit anderen registrierten Nutzern zu betreiben.
    2. Eine Bandenabrede ist auch zwischen Personen möglich, die sich sämtlich nicht näher kennen, sondern unter Pseudonymen und Decknamen im virtuel­len Raum des Internets miteinander handeln.

KCanG I: 6. Ss zur „neuen“ „nicht geringen Menge, oder: Auch du mein Sohn Brutus..

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Ich starte in die neue Woche mit Entscheidungen zum KCanG, leider nicht unbedingt Erfreuliches. Ich stelle hier zunächst den BGH, Beschl. v. 29.04.2024 – 6 StR 132/24 – vor. Der äußert sich noch einmal zur „neuen“ nicht geringen Menge.

„aa) Nach den Feststellungen verwahrte und verpackte der Angeklagte zum gewinnbringenden Verkauf 43,55 Gramm Haschisch mit einer Wirkstoffmenge von 11,8 Gramm THC in seinem Zimmer, in dem sich griffbereit an der Rückseite des Kühlschranks eine geladene und funktionstüchtige Schreckschusspistole befand, bei der der Explosionsdruck nach vorn austritt. Die Strafkammer hat dieses Verhalten – im Urteilszeitpunkt zutreffend – als bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG gewertet.

bb) Seit dem 1. April 2024 werden Straftaten im Zusammenhang mit Cannabis nicht mehr vom Betäubungsmittelgesetz, sondern dem Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz – KCanG) erfasst. Dies ist hier das nach § 2 Abs. 3 StGB mildere Gesetz. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Strafkammer einen minder schweren Fall nach § 30a Abs. 3 BtMG angenommen hat. Der Senat kann ausschließen, dass der Sonderstrafrahmen für minder schwere Fälle nach § 34 Abs. 4 KCanG nicht zur Anwendung gelangt, obgleich dem Umstand, dass es sich bei Cannabis um eine „Droge mit geringem Gefährdungspotential“ handelt, unter dem KCanG keine strafmildernde Bedeutung (vgl. zum BtMG BGH, Urteil vom 15. Dezember 2022 – 3 StR 295/22, Rn. 30 mwN) beizumessen ist. Denn die Strafkammer hat die Anwendung des Sonderstrafrahmens des § 30a Abs. 3 BtMG nicht maßgeblich auf diesen Umstand gestützt, sondern mit zahlreichen weiteren Umständen begründet.

cc) Das vom Landgericht festgestellte Geschehen erfüllt den Tatbestand des bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis nach § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG.

Bei Haschisch handelt es sich um ein Produkt der Cannabispflanze, das nach den Begriffsbestimmungen des KCanG als „Cannabis“ erfasst wird (§ 1 Nr. 5 KCanG). Die Tathandlungen nach § 34 Abs. 1 KCanG hat der Gesetzgeber an die Begrifflichkeiten des BtMG angelehnt und hinsichtlich des Handeltreibens zudem auf die hierzu ergangene Rechtsprechung Bezug genommen (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 94). Der Verbrechenstatbestand des § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG ist § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nachgebildet (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 132). Soweit § 34 Abs. 4 KCanG das Handeltreiben mit einer nicht geringen Menge Cannabis verlangt, beträgt der Grenzwert der nicht geringen Menge des maßgeblichen Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol (§ 1 Nr. 2 KCanG) 7,5 Gramm und ist hier überschritten (vgl. BGH, Beschluss vom 18. April 2024 – 1 StR 106/24).“

Bitte nicht wundern und/bzw. nein, ich habe nichts vergessen. Das war es, was der 6. Strafsenat zur Frage der „neuen“ „nicht geringen Menge“. Praktisch nichts. Während der 1. und der 5. Strafsenat ja nun wenigstens ihre (falsche) Auffassung begründet haben, hält der 6. Strafsenat das nicht einmal mehr für nötig. Es wird auf den 1. Strafsenat verwiesen und das war es. Im Examen hätte ein Zitat nicht gereicht. Man ist schon erstaunt. Zudem hätte man ja schon gern gewusst, was der 6. Strafsenat an der Auffassung des 1. und des 5 Strafsenat so überzeugend findet.

Und: Das Gemunkel über die Absicht des 6. Strafsenats, dem Großen Senat vorzulegen, ist/war damit also eine Fehlmeldung. Man kann das Fazit ziehen, das neulich ein Kollege gezogen hat: „Der BGH negiert den Gesetzgeber so konsequent wie mich meine Frau, wenn sie richtig sauer auf mich ist. “

StGB III: (Erweiterte) Einziehung von Taterträgen, oder: Kontokorrentgutschrift und Ursprungsort

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Und dann habe ich hier noch zwei Entscheidungen zur Einziehung (§§ 73 ff. StGB), und zwar:

Die Gutschrift auf einem im Kontokorrent geführten Girokonto stellt einen Gegenstand dar, der Grundlage für die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen sein kann.

Die Vorschrift des § 73a StGB ist wie seine Vorgängervorschrift § 73d StGB a.F. gegenüber § 73 StGB subsidiär und kann erst dann zur Anwendung gelangen, wenn nach Ausschöpfung aller zulässigen Beweismittel ausgeschlossen werden kann, dass die Voraussetzungen des § 73 StGB erfüllt sind. Dies schließt es aus, Gegenstände der erweiterten Einziehung zu unterwerfen, die der Angeklagte aus anderen, von der Anklageschrift nicht erfassten, aber konkretisierbaren Straftaten erlangt hat; denn diese Taten können und müssen zum Gegenstand eines gesonderten Strafverfahrens gemacht werden, in dem die Voraussetzungen des vorrangig anwendbaren § 73 StGB zu prüfen sind.