Archiv der Kategorie: Berufsrecht

Für den Fachanwalt: Es wird Zeit für die Fortbildung, sonst droht Widerruf

entnommen wikimedia.org Urheber Photo: Andreas Praefcke

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Was bringt man am Tag der Deutschen Einheit bzw., welche Entscheidungen bieten sich für die Berichterstattung an? Dass an einem Feiertag nur zwei Postings kommen, liegt auf der Hand. Am Besten wäre natürlich etwas Staatstragendes, nur ist das nicht so einfach, dazu etwas zu finden. Und da bin ich dann auf eine (weitere) „Fortbildungsentscheidung“ des BGH gestoßen. Im Moment haben die m.E. beim BGH einen Lauf; ich erinnere da nur an das BGH, Urt. v. 18.07.2016 – AnwZ (BrfG) 46/13 und dazu Qualitätssicherung beim Fachanwalt, oder: Was kann/darf/muss in der Fortbildung drin sein?.

Heute geht es um den BGH, Beschl. v. 09.08.2016 – AnwZ (Brfg) 13/16. Der passt zeitlich ganz gut, denn er behandelt die Folgen einer verspäteten Erfüllung der Fortbildungsverpflichtung des Fachanwaltes. Und immerhin schreiben wir ja schon Anfang Oktober.Da wird es für 2016 allmählich Zeit mit Fortbildung.

Im entschiedenen Fall ging es um einen Fachanwalt für Strafrecht, bei dem die Erlaubnis zur Führung des Fachanwaltstitels widerrufen worden war, weil er keine Fortbildung für das Jahr 2014 nachgewiesen hatte. Dagegen hatte der Fachanwalt geklagt und beim AGH NRW verloren. Die Berufung dagegen hatte beim BGH keinen Erfolg:

„2. Der Kläger beruft sich weiter auf den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Er behauptet, die Fortbildungspflicht erfüllt, nämlich im Jahre 2015 zehn Fortbildungsstunden nachgewiesen zu haben.

Dieser Vortrag ist nicht geeignet, die Richtigkeit des anzufechtenden Urteils in Zweifel zu ziehen. Der Anwaltsgerichtshof ist von fünf Fortbildungsstunden ausgegangen, welche der Kläger nach Zustellung des Widerrufsbescheids im Oktober 2015 absolviert hatte. Auf die Rechtmäßigkeit des zuvor ergangenen, die Fortbildungspflicht im Jahre 2014 betreffenden Bescheides hatten sich diese fünf Stunden nicht ausgewirkt. Gleiches gilt, soweit der Kläger später noch weitere Fortbildungsveranstaltungen besucht haben sollte. Der Tatbestand der Nichterfüllung der Fortbildungspflicht stand mit Ablauf des Jahres 2014 fest (vgl. BGH, Urteil vom 8. April 2013 – AnwZ (Brfg) 16/12, NJW 2013, 2364 Rn. 10; Beschluss vom 5. Mai 2014 2014 – AnwZ (Brfg) 76/13, AnwBl. 2014, 755 Rn. 10). Für Ereignisse, die erst nach Erlass des Bescheides eingetreten sind, kann dies jedoch nicht gelten.

Soweit der Kläger meint, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, eine ausreichende Zahl von Fortbildungsveranstaltungen anzubieten, trifft dies nicht zu. Weder die Bundesrechtsanwaltsordnung noch die Fachanwaltsordnung sehen eine entsprechende Pflicht der Kammern vor.“

Der Kläger/Fachanwalt hat im Übrigen inzwischen auf die Führung der Bezeichnung „Fachanwalt für Strafrecht“ verzichtet. Damit erledigt sich für ihn die Fortbildungsverpflichtung.

„Hereinspaziert, hereinspaziert, hier wird Ihr Unfallschaden vorfinanziert!“, aber: Zulässig?

© vschlichting - Fotolia.com

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In der letzten Zeit hat es eine ganz Reihe berufsrechtlicher Entscheidungen gegeben, die auch für den Verkehrs- und Strafrechtler von Interesse sind. Eine davon will ich heute in meinem „Kessel Buntes“ bringen. Es ist das BGH, Urt. v. 20.06.2016 – AnwZ (Brfg) 26/14. In ihm geht es um die Frage: Darf der Rechtsanwalt  bei der Abwicklung von Verkehrsunfällen auch die Vorfinanzierung von Schadensaufwendungen anbieten? Sicherlich eine Frage, die im doch hart umkämpften Anwaltsmarkt für den ein oder anderen Kollegen von Interesse sein könnte.

Gegenstand des Verfahrens beim BGH war ein nach § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO erteilter belehrender Hinweis einer Rechtsanwaltskammer an zwei Rechtsanwälte, die gemeinsam eine Rechtsanwaltskanzlei betrieben, die sich auf die Abwicklung von Verkehrsunfällen spezialisiert hatte. Die Kanzlei bot ihren Mandanten die Verauslagung von Reparatur- und/oder Sachverständigen – sowie Abschleppkosten in Höhe der geschätzten Haftungsquote an. In der Vollmacht zur außergerichtlichen Vertretung ermächtigen die Mandanten die Rechtsanwälte der Kanzlei u.a. „zur Zahlung aller mit dem Unfall in Zusammenhang stehender Rechnungen aus Eigen- oder Fremdmitteln“. Nach Erhalt der Rechnungen der Kraftfahrzeugwerkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmer wurden die Rechnungen jeweils in Höhe der geschätzten Haftungsquote von der Rechtsanwaltskanzlei ausgeglichen. Die zuständige Rechtsanwaltskammer hat den klagenden Rechtsanwälten einen belehrenden Hinweis dahingehend erteilt, dass die Verauslagung von Reparatur- und/oder Sachverständigen- und/oder Abschleppkosten für Mandanten im Rahmen der Bearbeitung von Verkehrsunfallangelegenheiten gegen § 49 b Abs. 2 S. 2 BRAO sowie gegen § 49 b Abs. 3 S. 1 BRAO verstoße. Dagegen richtete sich die Klage, die weder beim AnwGH Bayern noch beim BGH Erfolg hatte. Der BGH hat zwar einen Verstoß gegen § 49b Abs. 2 Satz 2 BRAO verneint, einen Verstoß gegen § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO hingegen bejaht:

b) Zutreffend haben der Anwaltsgerichtshof und die Beklagte in der be-anstandeten Verfahrensweise jedoch einen Verstoß gegen § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO gesehen. § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO untersagt dem Rechtsanwalt, für die Vermittlung von Aufträgen einen Teil der Gebühren zu zahlen oder sonstige Vorteile zu gewähren. Es soll vermieden werden, dass Rechtsanwälte in einen Wettbewerb um den Ankauf von Mandaten treten, die Anwaltschaft ist kein Gewerbe, in dem Mandate „gekauft“ und „verkauft“ werden (BT-Drucks. 12/4993 S. 31; Kilian, aaO Rn. 159). Ein Rechtsanwalt, dem ein Mandat vermittelt wird, darf hierfür den Vermittler nicht belohnen (Kilian, aaO Rn. 161; vgl. auch OLG Thüringen, DStRE 2003, 700, 702 zum Steuerberater). Unter sonstigem Vorteil ist auch die Erbringung von berufsfremden Dienstleistungen zu verstehen, wie hier die sofortige Bezahlung der Rechnungen von Kraftfahrzeugwerkstätten und Abschleppunternehmern für den Mandanten. Die betroffenen Kraftfahrzeug-werkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmer erhalten als Geld-zahlung zwar nur ihre Leistungen im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall-ereignis vergütet. Sie haben aber den sonstigen Vorteil einer sofortigen, sicheren Zahlung und sind deshalb an der von der Kanzlei der Kläger angebotenen Verfahrensweise interessiert, wie auch die von den Klägern geschilderten Kontaktaufnahmen mit der Bitte um Erläuterung des Vorgehens zeigen. Immerhin stammt nach den eigenen Angaben der Kläger etwa die Hälfte der Mandate aus diesem Geschäftsmodell.

Das Verbot des § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO erfasst nur Provisionszahlungen bzw. die Gewährung von Vorteilen für ein konkret vermitteltes Mandat (vgl. BVerfG, NJW 2008, 1298 Rn. 24). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Kläger bieten zwar allen Mandanten die Bezahlung der Rechnungen der Kraft-fahrzeugwerkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmern in Höhe der geschätzten Haftungsquote an, unabhängig davon, ob und gegebenenfalls auf wessen Empfehlung die Mandanten den Anwaltsvertrag mit ihnen ge-schlossen haben. Wenn die Mandanten jedoch auf Empfehlung der Kraftfahrzeugwerkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmer die Kanzlei der Kläger mit der Abwicklung der Verkehrsunfallsache beauftragt haben, ist in diesen konkreten Fällen die Ursächlichkeit gegeben. Die Kläger streben mit ihrer Vorgehensweise gerade an, dass die Kraftfahrzeugwerkstätten, Sachverständi-gen und Abschleppunternehmer, die den ersten Kontakt mit Verkehrsunfall-opfern mit spezifischem Beratungsbedarf haben, ihre Kanzlei empfehlen. Die Kraftfahrzeugwerkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmer erhalten den sonstigen Vorteil jeweils in einem konkreten Fall, in dem entweder ihre Empfehlung zur Mandatierung der Kläger geführt hat oder der Mandant aus sonstigen Gründen die Kläger beauftragt hat. Der Vorteil wird hingegen nicht allgemein und unabhängig vom konkreten Mandat gewährt. Dass mindestens in einem Fall eine Mandantin auf Empfehlung der Werkstatt die Kanzlei der Kläger beauftragt hat, ergibt sich aus der Beschwerdesache C. K. , die auf Empfehlung ihres Autohauses dem Kläger zu 1 das Mandat erteilt hatte.

c) Es kann dahinstehen, ob die Kläger durch die Zahlungen auf die Zah-lungspflichten ihrer Mandanten deren Geschäft besorgen und sie lediglich einen Aufwendungsersatzanspruch (§ 670 BGB) geltend machen oder ob es sich möglicherweise um erlaubnispflichtige Kreditgeschäfte des Rechtsanwalts im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 KWG handelt. Das Verhalten der Kläger gegenüber den Mandanten widerspricht auch dann den §§ 43, 43b BRAO, wenn eine Genehmigungspflicht nach den Kreditwesengesetz für diese Tätig-keit nicht besteht. Durch die Zusage, Werkstatt-, Abschlepp- und Sachverstän-digenkosten zu verauslagen, werden auch die Mandanten mit einer unentgeltlichen Leistung geworben, die in deren Situation keinen geringen Wert hat. Diese Werbung ist nicht berufsbezogen und zudem auf die Erteilung des Mandats im Einzelfall gerichtet. Die Verauslagung der Kosten des Mandanten wird in Aussicht gestellt, um diese nach Verkehrsunfällen, also bei bestehendem Beratungsbedarf, konkret zum Abschluss des Anwaltsvertrags zu bewegen. Dies ist unzulässig.“

Nach dieser mehr als deutlichen Entscheidung des BGH sollte man als Rechtsanwalt von der Art der Akquise auf jeden Fall die Finger davon lassen. Solche Vorfinanzierungen sind auch nicht ungefährlich. Der nach der Rechtsprechung vorliegende berufsrechtliche Verstoß kann über § 134 BGB Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Mandatsvertrags zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten haben. Der BGH hat schon in der Vergangenheit in verschiedenen Entscheidungen die Nichtigkeit von Mandatsverträgen angenommen, wenn diese gegen eine gesetzliche Regelung verstoßen (vgl. BGH NJW 2001, 1569; ZIP 2016, 1443). Begründung: Die gesetzlichen Regelungen bleiben weitgehend wirkungslos, wenn der Rechtsanwalt auch aus einer ihm untersagten Tätigkeit einen Honoraranspruch erwerben könnte. Das bedeutet, dass dem Rechtsanwalt nach der Rechtsprechung des BGH in diesen Fällen sein anwaltliches Honorar verloren gehen kann.

Strafzumessung I: Die Verurteilung des Steuerberaters wegen Steuerhinterziehung

© eyetronic Fotolia.com

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Heute also mal wieder ein Strafzumessungstag, den ich mit dem BGH, Beschl. v. 27.07.2016 – 1 StR 256/16 – eröffne. Gegenstand der BGH, Entscheidung ist die Verurteilung eines selbständig tätigen Steuerberaters wegen gemeinschaftlicher versuchter Steuerhinterziehung. Und wenn man nur ein wenig Ahnung von Strafzumessung hat, dann weiß man: In einem solchen Fall müssen die Strafzumessungserwägungen etwas zu den ggf. drohenden berufsrechtlichen Folgen sagen bzw. die muss die Strafkammer im Blick haben. Hatte sie aber beim LG Kassel nicht, was für mich nicht so ganz nachvollziebar ist. Und das führt dann beim BGH zur Aufhebung:

3. Der Strafausspruch hält dagegen rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Das Landgericht hat im Rahmen seiner Strafzumessungserwägungen nicht erkennbar die dem Angeklagten als Steuerberater drohenden berufsrechtlichen Folgen in den Blick genommen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 11. April 2013 – 2 StR 506/12, NStZ 2013, 522 mwN). Die Begehung einer – hier versuchten – Steuerhinterziehung durch einen Steuerberater kann gemäß § 89 Abs. 1, § 90 Abs. 1 Nr. 5 Steuerberatungsgesetz als Berufspflichtverletzung sogar zu einem Ausschluss aus dem Beruf führen (Kuhls in Kuhls u.a., Steuer-beratungsgesetz, 3. Aufl., § 90 Rn. 47 mwN). Steht die Möglichkeit eines Verlustes der beruflichen oder wirtschaftlichen Existenz aufgrund berufsrechtlicher Folgen aus Anlass der Begehung einer Straftat im Raum, handelt es sich regelmäßig um einen zu berücksichtigenden Strafzumessungsgrund (BGH aaO). Dem hat die Strafkammer nicht entsprochen, sondern lediglich außerhalb der Strafzumessung die Maßregel des § 70 StGB erörtert und die Anordnung des Berufsverbots im Ergebnis abgelehnt.

Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Tatgericht zu einer geringeren Freiheitsstrafe gelangt wäre, wenn es die aufgezeigten, möglichen berufsrechtlichen Folgen bei der Bemessung der Strafe bedacht hätte.“

„Unsachliche“, „reißerische“, „dilettantische“ Anwaltwerbung, oder: Frevel am Antlitz der „heiligen deutschen Anwaltschaft“?

Anzeige Nr. 4Der Kollege Riemer aus Köln hat – in meinen Augen – immer wieder ganz pfiffige Werbeideen für sich und seine Kanzlei. Ich habe hier ja auch schon über eine berichtet, nämlich über „Die mit Werbung bestickte Anwaltsrobe – darf ich?“, die dann allerdings dem Verdikt des AGH NRW zum Opfer gefallen ist (AGH NRW, Urt. v. 29.05.2015 – 1 AGH 16/15). Nun hatte der Kollege sich etwas Neues einfallen lassen. Er hatte im Kölner Stadtanzeiger ingesamt vier (Werbe)Anzeigen für seine Kanzlei geschaltet, und zwar folgende Anzeigen:

In der ersten Anzeige sind auf einem Foto zwei Personen ganz oder teilweise zu erkennen, und zwar in Form des rechten Beins einer mit High-Heels und kurzem Rock bekleideten Frau, die auf einem Schreibtisch steht. An dem Schreibtisch sitzt ein Mann. Seine Krawatte liegt auf dem Tisch, die Frau steht mit ihren High Heels auf dem Ende der Krawatte. Zwischen den beiden Personen zwei Sprechblasen, mit folgendem Text: „Diskriminierung am Arbeitsplatz?“ sowie „Kündigungsschutz?“.

Die zweite Anzeige enthält ebenfalls eine Foto, und zwar das einer nackten Person, die verhüllt mit einer weißen Decke auf einem Bett liegt. Auf dem Foto kann man aber nur die nackten Füße der Person erkennen. An ihrem großen Zeh hängt ein Namensanhänger mit der Aufschrift: „War nicht rechtzeitig beim Anwalt!“.

Die dritte Anzeige enthält das Bild eines Flüchtlingskindes, das neben Bahnschienen läuft. Darunter steht der Text: „Wenn Sie mir bei Mandatsaufnahme diesen Coupon vorlegen, spendet meine Kanzlei 10% des von Ihrer Rechtsschutzversicherung vereinnahmten Nettohonorars an eine Hilfsorganisation für jugendliche Flüchtlinge Ihrer Wahl.

Und die vierte Anzeige enthält das Bild einer jungen Frau, die lächelt. Neben ihrem Gesicht eine Sprechblase mit dem folgenden Text: „Wie praktisch: Bei diesem Anwalt kann ich mich zunächst kostenlos beraten und meine Ansprüche prüfen lassen.“

Diese Anzeigen haben dann (wieder) den AG NRW beschäftigt. Der Kollege Riemer hat ein sog. Selbstreinigungsverfahren in Gang gesetzt, das dann mit dem AGH, Beschl. v. 03.06.2016 – 2 AGH 1/16 – geendet hat.

Anders sieht es der AGH indes bei den drei anderen Anzeigen des Kollegen. Diese seien nicht mit dem berufsrechtlichen Sachlichkeitsgebot von Anwaltswerbung nach § 43b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA vereinbar:

6. Auch die Werbung mit dem an den nackten Füßen eines Toten baumelnden Etikett in der Anzeige Nr. 2 ist unsachlich, weil sie keinerlei Informationsgehalt hat und lediglich als reißerisch bewertet werden kann. Unerheblich ist es, dass der Antragsteller nach seinen Angaben nicht einen Toten, sondern einen Patienten, der zur Operation vorbereitet wird, darstellen wollte. Wenn das tatsächlich sein Ziel war, so hat er es verfehlt. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass der unbefangene Leser der Anzeige an einen Toten denkt, wenn er das Bild sieht. Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch den Text auf dem Anhänger, der ja „war nicht rechtzeitig beim Anwalt“ lautet. Wer stellt sich bei diesem Gesamteindruck vor, dass das Bild zum Ausdruck bringen soll, dass der rechtzeitige Besuch beim Anwalt Nachteile, die durch eine Operation versinnbildlicht werden sollen, vermeiden könnte? Ein angemessener Zusammenhang zwischen der Abbildung in der Anzeige und der Werbung um Mandate und Mandanten ist jedenfalls nicht erkennbar. Es fehlt jeder Informationsgehalt und damit auch jede durchaus auch mit den Mitteln der Ironie oder der satirischen Formulierung mögliche Betonung, Erläuterung oder Zuspitzung des Leistungsangebotes des Antragstellers. Ein Fall der allein zulässigen in Form und Inhalt sachlichen Unterrichtung über die berufliche Tätigkeit liegt nicht vor. Durch die Veröffentlichung der Anzeige ergibt sich also der hinreichende Verdacht einer schuldhaften Pflichtwidrigkeit (zu Vorwurf 8).43

Für die lesenden Strafrechtler: Wenn die Gutscheine für zivilrechtliche Rechtsgebiete zulässig sind, dann auch für alle anderen, einschließlich Strafrecht. 🙂

ich könnte dazu etwas resignativ sagen, dass mich ohnehin bereits jeder kennt. Von daher brauchen Sie nichts zu anonymisierten; die Sachen waren schliesslich auch schon in der Zeitung.?

Aber es gibt dabei ja auch nichts „zu verstecken“.

Qualitätssicherung beim Fachanwalt, oder: Was kann/darf/muss in der Fortbildung drin sein?

entnommen wikimedia.org Urheber Photo: Andreas Praefcke

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Fachanwälte sind nach § 15 FAO zur jährlichen Fortbildung verpflichtet. Diese sog. Pflichtfortbildungen sind nicht unbedingt beliebt, zumal sich auch nicht immer eine passende Veranstaltung findet. Der BGH hat jetzt die Frage beantwortet, ob die Fortbildungspflicht auch erfüllt wird, wenn an einem Seminar teilgenommen wird, das nicht speziell das Fachgebiet des Rechtsanwalts betriftt (vgl. BGH, Urt. v. 18.07.2016 – AnwZ (BrfG) 46/13).

Auszugehen war/ist von folgendem Sachverhalt: Der Kläger ist seit 2011 Fachanwalt für Verkehrsrecht. Am 22. 6. 2012 besuchte er ein sechsstündiges Seminar „Vernehmungslehre und Vernehmungstaktik“, das sich neben Straf-, Familien, Versicherungs- und Baurecht schwerpunktmäßig auch mit dem Verkehrsrecht beschäftigte. Danach reichte er die dieses Seminar betreffende Teilnahmebestätigung bei der später beklagten RAK München ein und bat um Bestätigung, dass er seiner Fortbildungsverpflichtung für das Jahr 2012 nachgekommen sei. Die antwortete, es handele sich um ein allgemeines Seminar ohne besonderen Bezug zum Fachgebiet „Verkehrsrecht“. Im sich darüber entwickelnden Streit hat der Kläger Klage gegen die RAK erhoben. Mit seinem Klagehauptantrag wollte er erreichen, dass das Seminar, welches hinreichende Bezüge zum Fachgebiet „Verkehrsrecht“ aufgewiesen habe, als Fortbildungsnachweis für das Jahr 2012 anerkannt wird. Der BGH hat den Hauptantrag des Klägers zurückgewiesen. Mit seinem Hilfsantrag hatte der Kläger hingegen Erfolg.

Der recht umfangreichen BGH-Entscheidung wird man folgenden Leitasatz voran stellen können:

„Fachanwälte können ihre jährliche, sich aus § 15 FAO ergebende Fortbildungspflicht auch durch die Teilnahme an einem Seminar erfüllen, das nicht speziell ihr Fachgebiet betrifft. Erforderlich ist jedoch, dass in dem Seminar Fachwissen behandelt wird, das gerade auch für den Tätigkeitsbereich des Fachanwalts, der die Fortbildung besucht, von Bedeutung ist.“

Und die Entscheidung führt zu folgenden Grundsätzen:

  • Die Fortbildungsveranstaltung i.S.v. § 15 FAO muss einen Bezug zum Fachgebiet des jeweiligen Fachanwalts aufweisen.
  • Die Pflichtfortbildung muss besondere Kenntnisse vermitteln. Es geht nicht darum, den (erneuten) Erwerb von Grundlagenkenntnissen nachzuweisen, die bei jedem Anwalt vorausgesetzt werden können.
  • Die Fortbildung nach § 15 FAO dient vielmehr dem Aufbau, der Vertiefung und der Aktualisierung der bereits vorhandenen besonderen Kenntnisse des Fachanwalts.
  • Die (Fachanwalts)Fortbildungen darf mehr als ein Fachgebiet betreffen, wenn sie Fachwissen behandelt, welches auf mehr als einem Gebiet von Bedeutung ist. Es darf sich aber nicht um ein bloßes Querschnittsseminar ohne spezifischen Bezug zum jeweiligen Fachgebiet handeln.

Dazu folgende Anmerkungen:

  1. Die BGH-Entscheidung betrifft zwar einen Fachanwalt für Verkehrsrecht. Die grundsätzliche Aussage der Entscheidung ist aber sicherlich auch auf andere Fachgebiete übertragbar: Es kann also zu Fortbildungszwecken grundsaätzlich auch an fachfremden bzw. nicht rein fachspezifischen Seminaren als Pflichtfortbildung teilgenommen werden, wenn in dem Seminar Fachwissen behandelt wird, das gerade auch bzw. zumindest auch für den Tätigkeitsbereich des Fachanwalts, der die Fortbildung besucht, von Bedeutung ist.
  2. Die Entscheidung bezieht sich auf § 15 Abs. 1 FAO in der Fassung vom 1. 9. 2009. Die sah vor, dass der Fachanwalt an einer anwaltlichen Fortbildungsveranstaltung auf seinem Fachgebiet teilzunehmen habe. Inzwischen ist § 15 Abs. 1 FAO geändert worden. In der seit dem 1. 1. 2015 geltenden Fassung heißt es jetzt, dass der Fachanwalt an fachspezifischen, der Aus- oder Fortbildung dienenden Veranstaltungen hörend oder dozierend teilnehmen muss. Nach der BGH-Entscheidung ist offen, ob die aufgestellten Grundsätze auf diese aktuelle Fassung des § 15 FAO übertragbar sind. M.E. müsste das aber der Fall sein. Denn wird Fachwissen behandelt, das (nur) auch für den Tätigkeitsbereich des Fachanwalts, der die Fortbildung besucht, von Bedeutung ist, ist das immer auch fachspezifisch.