Archiv der Kategorie: Berufsrecht

Die „Plumpsklo-Entscheidung“ des BVerfG, oder: „Würdig“ Rechtsanwältin zu sein?

Heute dann drei BVerfG-Entscheidungen. Zunächst die „Plumpsklo-Entscheidung“, das ist der BVerfG, Beschl. v. 22.010.2107 – 1 BvR 1822/16, der ja auch schon an einigen anderen Stellen gelaufen ist. Es geht um eine Assessorin, die als Rechtsanwältin zugelassen werden möchte. Das ist ihr von der zuständigen RAK wegen Unwürdigkeit im Sinne des § 7 Nr. 5 BRAO verweigert worden

Begründet hat man das mit „Vorfällen“ aus der Referendarsausbildung der Assessorin:

„Sie sind ein provinzieller Staatsanwalt, der nie aus dem Kaff rausgekommen ist, in dem er versauert. Ihr Weltbild entspricht dem des typischen deutschen Staatsbürgers von 1940. Mit Ihrem Leben und Ihrer Person sind Sie so zufrieden wie das Loch vom Plumpsklo.

Als Sie mich vor sich hatten, sind Sie vor Neid fast erblasst. Ich konnte Ihren Hass geradezu sinnlich wahrnehmen. Am liebsten hätten Sie mich vergast, aber das ist ja heute out. Also taten Sie das einzige, wozu Ihnen Ihre begrenzte Position die Möglichkeit bietet: Sie stellten mir ein wirres Zeugnis aus, das an jeder Realität vorbeigeht. Nun, ich beglückwünsche Sie zu diesem strahlenden Sieg, genießen Sie ihn aufrichtig, kosten Sie ihn bloß richtig aus – denn während es für mich nur ein unerhebliches Ärgernis ist (welches mich, zugegeben ziemlich in meinem Rechtsempfinden berührt), ist es für SIE der Höhepunkt Ihres Lebens. Etwas Schöneres wird Ihnen während Ihrer armseligen Existenz nie erfahren.“

„Ich bestaune die Praxis der Staatsanwaltschaft A., Rechtsbrüche zu verfolgen, ohne sich selber an das Recht zu halten. Sollte das eine Frage der inneren Einstellung sein, gehören Sie nicht in den Justizdienst. Sollte das intellektuell bedingt sein, so besuchen Sie doch noch einmal eine Grundstudiumsvorlesung.“

In den anschließenden Verfahren hat die RAK Recht bekommen. Das BVerfG hat dann aber aufgehoben. Es sieht eine Verletzung des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG. RAK und AGH seien zutreffend davon ausgegangen, dass eine Einschränkung der freien Berufswahl nur zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft ist. Eine diesen Anforderungen entsprechende einzelfallbezogene Abwägung vermisst das BVerfG aber. Es hat zwar keine Einwände gegen die Würdigung der konkret herangezogenen Umstände zur Beurteilung der Gesamtpersönlichkeit der Assessorin. Ein Fehlverhalten könne nach einer mehr oder minder langen Zeit durch Wohlverhalten oder andere Umstände derart an Bedeutung verlieren, dass es der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht mehr entgegensteht, gleich wohl können sich eine weiterhin bestehende Uneinsichtigkeit und Rechtfertigung der Tat aber gleichwohl zu Lasten eines Bewerbers auswirken. Angemahnt hat das BVerfG dann eine bessere Abwägung der Grundrechte der ehemaligen Referendarin mit den mit ihrer Zulassung verbundenen Gemeinwohlbelangen. Allein die vorgenommene Würdigung ihrer Persönlichkeit mit der nicht näher begründeten Schlussfolgerung, dass sie für den Anwaltsberuf nicht tragbar sei, werde dem nicht gerecht.

Das Fahren mit Dublettenkennzeichen, oder: Kraftfahrzeugsteuerhinterziehung?

entnommen openclipart.org

In die zweite Arbeitswoche 2018 – die erste vollständige – starte ich mit dem BGH, Beschl. v. 23.08.2017 – 1 StR 173/17. Verurteilt worden ist der Angeklagte wegen mehrerer Straftaten u.a. in Zusammenhang mit Pkw-Fahrten mit „nicht zugelassenen“ Kfz-Schildern, und u.a. auch zwar Steuerhinterziehung,  und zwar auf der Grundlage folgenden Sachverhalts: Der Angeklagte hatte im April 2016 sog. „Dublettenkennzeichen“ herstellen lassen, die er sodann an seinem Fahrzeug angebracht hatte, um den Anschein amtlicher Zulassung zu erwecken. Anschließend fuhr er mit dem Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr, obwohl das Fahrzeug auch weder zugelassen, versichert oder „versteuert“ war.

Das reichte für eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung für den Tatzeitraum nicht aus:

„c) Die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung ist zu Unrecht erfolgt. Das festgestellte Verhalten erfüllt nicht den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO, da der Angeklagte gegen keine steuerliche Erklärungspflicht verstoßen hat.

aa) Das Landgericht beschränkt sich auf die Darstellung des Fahrens mit einem unversteuerten Fahrzeug und der rechtlichen Würdigung, dies erfülle den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO. Damit geht es ersichtlich – wenn auch weder in den Urteilsgründen noch in der Liste der angewendeten Vorschriften angegeben – von der Hinterziehung von Kraftfahrzeugsteuer aus. Gegen welche gegenüber den Finanzbehörden bestehende Rechtspflicht zur Offenbarung steuerlich erheblicher Tatsachen der Angeklagte verstoßen haben soll, ist ebenfalls nicht dargelegt. Dies im Zusammenhang mit dem Abstellen allein auf die Nutzung des Fahrzeugs erweckt den Eindruck, das Landgericht könnte die bloße Nichtzahlung geschuldeter Steuern als tatbestandlich ange-sehen haben. Eine Tathandlung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO begeht indes nur derjenige, der die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt. Täter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO kann danach nur derjenige sein, der selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet ist (BGH, Beschluss vom 10. August 2017 – 1 StR 573/16; Urteil vom 9. April 2013 – 1 StR 586/12, BGHSt 58, 218, 227, 231 mwN).

bb) Eine solche Erklärungspflicht bestand für den Angeklagten im Tat-zeitraum nicht. Auf die Frage, ob der Verstoß gegen eine solche Pflicht überhaupt von der Anklage als Teil der einheitlichen prozessualen Tat erfasst wor-den wäre, kam es daher nicht mehr an.

Da der Angeklagte mit seinem Fahrzeug auf öffentlichen Straßen im Inland ohne die verkehrsrechtlich vorgeschriebene Zulassung gefahren ist, liegt zwar eine widerrechtliche und damit steuerbare Benutzung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 2 Abs. 5 KraftStG vor. Gemäß § 7 Nr. 3 KraftStG ist der Ange-klagte als derjenige, der mit dem Fahrzeug gefahren ist, auch der Steuer-schuldner der mit Beginn der Steuerpflicht entstehenden Kraftfahrzeugsteuer, § 6 KraftStG.

Während die Kraftfahrzeugsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 4 KraftStG für inländische Fahrzeuge eine öffentlich-rechtliche Erlaubnis zum Gegenstand hat und die Erklärungspflicht an diese Erlaubnis anknüpft (§ 3 Kraftfahrzeugsteuer-Durchführungsverordnung [KraftStDV] in der bis zum 19. Juli 2017 gültigen Fassung), gilt das für den Ersatztatbestand der widerrechtlichen Benutzung nicht (vgl. BFH, Urteil vom 27. Juni 1973 – II R 179/71, BFHE 110, 213). Eine an den Realakt der Benutzung als die Steuerpflicht auslösendes Moment anknüpfende Erklärungspflicht lässt sich weder dem Gesetz noch der zum Tat-zeitpunkt gültigen Fassung der KraftStDV entnehmen. Die an der Einfuhr orientierte Steuererklärungspflicht nach § 11 KraftStDV a.F. betrifft nur ausländische Fahrzeuge, mithin den Steuergegenstand nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG, findet aber – auch über die sich nur auf die Festsetzung und Erhebung unter den Vo-raussetzungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 beziehende Verweisung des § 16 Abs. 1 Satz 2 der KraftStDV – keine Anwendung für die widerrechtliche Benutzung. Insoweit bestand zum Tatzeitpunkt eine Steuer-, aber keine Erklärungspflicht (Bruschke, Grüne Reihe: Grunderwerbsteuer, Kraftfahrzeugsteuer und andere Verkehrssteuern, 7. Aufl., 3.5.5.1, S. 315; Mayer in Heinz/Kopp/Mayer, Ver-kehrssteuern, 4. Aufl., S. 317; Mößlang, NWB Nr. 51 vom 15. Dezember 1986, Fach 8b, S. 290; Spatscheck/Fraedrich, Steueranwaltsmagazin 2007, 162, 166; Weyand, NZV 1988, 209, 211; a.A. Hellmann in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, AO/FGO, 243. Lieferung, § 370 AO Rn. 310, freilich ohne Begründung).

Eine solche Erklärungspflicht ist erst mit Wirkung zum 20. Juli 2017 – mithin nach den Taten – durch § 15 Abs. 1 KraftStDV statuiert worden, wonach bei widerrechtlicher Benutzung unverzüglich eine Steuererklärung abzugeben ist. Ob dies im Hinblick auf den Verordnungscharakter eine Pflicht im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO begründen kann, war hier nicht zu entscheiden.

cc) Mangels Erklärungspflicht hat der Angeklagte nicht den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO verwirklicht und sich nach dieser Vorschrift nicht strafbar gemacht.

An einer solchen Entscheidung der Rechtsfrage ist der Senat auch nicht durch die Entscheidungen des 4. Strafsenats vom 13. November 1959 – 4 StR 301/59; vom 1. August 1962 – 4 StR 209/62, BGHSt 17, 399; des 5. Straf-senats vom 22. Dezember 1959 – 5 StR 570/59; des 1. Strafsenats vom 6. Dezember 1960 – 1 StR 520/60 und vom 4. Februar 1968 – 1 StR 276/68 gehindert. Diese ergingen sämtlich noch zu §§ 396, 402, 404 Reichsabgabenordnung, wonach allein das Bewirken einer Steuerverkürzung schon tatbestandsmäßig war. Zudem musste der 1. Strafsenat bei den anderen Senaten schon deshalb nicht anfragen, weil er innerhalb des Bundesgerichtshofs für Steuerstrafsachen allein zuständig ist (vgl. § 132 Abs. 3 Satz 2 GVG).“

Ist auf den Anwaltsvertrag ggf. das Fernabsatzrecht anwendbar?

© Haramis Kalfar – Fotolia.com

So, und dann die angekündigte gebührenrechtliche Entscheidung 🙂 . Ich weise hin auf das AG Brandenburg, Urt. v. 13.10.2017 – 31 C 244/16. Das behandelt ein Problem, das die Rechtsprechung im Moment beschäftigt, nämlich die Frage, ob auf den Anwaltsvertrag die Regelungen des Fernabsatzrechts anzuwenden sind oder nicht. Das haben das LG Bochum und das AG Charlottenburg vor kurzem verneint (vgl. LG Bochum RVGreport 2017, 91 = AGS 2017, 370; AG Berlin-Charlottenburg NJW-RR 2016, 184), das AG Düsseldorf hat es hingegen bejaht (vgl. AnwBl. 2017, 92). Das AG Brandenburg geht in seiner Entscheidung auch von der Anwendbarkeit aus, und zwar auf der Grundlage folgenden Sachverhalts:

Geklagt hatte ein Rechtsanwalt. Der verlangte von der Beklagten Zahlung von Rechtsanwaltsvergütung. Die Ehefrau des Beklagten war mit dem Fahrzeug ihres Ehemannes am 27.02.2016 in B. in einen Verkehrsunfall verwickelt. Am Morgen des 29.02.2016 wurde der Beklagte dann zusammen mit seiner Ehefrau im „Autohaus pp.“ in N. ein Mietfahrzeug zur Verfügung gestellt. Anlässlich dieses Termins füllte der Beklagte dann auch Unterlagen hinsichtlich der Reparatur des Unfallfahrzeuges und der Anmietung des Mietfahrzeuges aus und hat diese unterzeichnet. Durch den Mitarbeiter des Autohauses wurden die Personalien des Beklagten und seiner Ehefrau und deren Mobil-Telefonnummer mitaufgenommen. Der Mitarbeiter des Autohauses in N. empfahl dem in Br. wohnenden Beklagten dann noch, den Kläger, der sein Büro in H. hat, als Rechtsanwalt zu beauftragen. Der Kläger übersandte noch am 29.2.2016 per Telefax um 11:44 Uhr an das „Autohaus pp.“ eine vorgedruckte „Prozessvollmacht“ des Klägers mit den eingefügten Personalien des Beklagten und der Unfallgegnerin. Diese vorgedruckte und ausgefüllte „Prozessvollmacht“ des Klägers unterzeichnete der Beklagte noch im Autohaus. Mit Schreiben vom 29.2.2016 bestätigte der Kläger gegenüber dem Beklagten und seiner Ehefrau die Übernahme des Mandats und zeigte mit Schriftsatz vom gleichen Tag gegenüber der Versicherung der Unfallgegnerin unter Beifügung der auf ihn lautenden Vollmacht an, dass er die Interessen des Beklagten vertrete. Am 1.3.2016 teilte die Ehefrau des Beklagten dann dem Büro des Klägers telefonisch um 11:15 Uhr mit, dass sie doch keine Vertretung durch den Kläger wünsche, sondern einen Kollegen in ihrer Heimatstadt beauftragen wolle. Mit einer E-Mail vom 1.3.2016 um 13:17 Uhr entzog die Ehefrau des Beklagten dem Kläger das Mandat und teilte dem Kläger mit, dass sie einen Rechtsanwalt in ihrer Stadt beauftrage. Der Kläger rechnete mit Kostennote vom 2.3.2016 nach bei einem Geschäftswert von 6.879 EUR eine Geschäftsgebühr zzgl. Auslagenpauschale und MwSt. i.H.v. insgesamt 650 EUR brutto gegenüber dem Beklagten ab. Am 10.3.2016 meldete sich dann der vom Beklagten beauftragte Rchtsanwalt beim Kläger und erklärte diesem im Namen des Beklagten, dass eine „konkrete Mandatierung“ des Klägers durch den Beklagten nicht erfolgt sei. Der Beklagte hat in der Folgezeit nicht gezahlt. Die Klage hatte keinen Erfolg.

Das AG Brandenburg sagt: Auch ein Anwaltsvertrag kann ein Fernabsatzvertrag sein, der ein Widerrufsrecht begründet. Zwar sei nicht jeder Anwaltsvertrag, bei dem zwischendurch telefoniert werde oder Mails bzw. Telefaxe verschickt werden, ein Fernabsatzvertrag. Das Gesetz verlange ein erkennbares System der Akquise und/oder der Abwicklung des Anwaltsvertrages über die Distanz der Fernkommunikationsmittel. Zur Anwendung des Fernabsatzrechts genüge es aber, wenn der Rechtsanwalt seinen Betrieb so organisiere, dass Verträge mit Verbrauchern regelmäßig auch im Fernabsatz abgeschlossen und abgewickelt werden könnten. Werde ein Anwaltsvertrag mit einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (§ 312c BGB) abgeschlossen und bediene sich der Rechtsanwalt in der Folge dieser Fernkommunikationsmittel auch zur Leistungserbringung, so könne das Vorliegen eines Fernabsatzvertrages nicht verneint werden. Voraussetzung hierfür sei nur, dass sich der Rechtsanwalt Techniken der Kommunikation systematisch zu Nutze mache, um seine Geschäfte insgesamt als Distanzgeschäfte abzuwickeln. Vorliegend seien die Vertragsverhandlungen zwischen den Parteien unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln durchgeführt worden.

Also: Vorsicht:

Wer (nur) mündlich eine Vergütung vereinbart, verstößt nicht gegen das Berufsrecht

© fotodo – Fotolia.com

Heute dann mal wieder ein wenig Gebührenrecht. Zunächst stelle ich eine berufsrechtliche Entscheidung mit gebührenrechtlichem Einschlag vor. Es handelt sich um den AnwG Hamm, Beschl. v. 11.05.2017 – AnwG Hamm 52/16. Es geht in ihm um die Frage, ob der nur mündliche Abschluss einer Vergütungsvereinbarung mit dem Mandanten einen mit dem Berufsrecht zu ahndenden Verstoß gem. § 43 BRAO darstellt.

Der betroffene Kollege hatte seinen früheren Mandanten in einem Wiederaufnahmeverfahren vertreten. Bevor er den Antrag auf Wiederaufnahme eines gegen seinen Mandanten geführten Strafverfahrens stellte, übermittelte er seinem Mandanten eine Honorarrechnung über 2.500,00 EUR einschließlich Umsatzsteuer. Textlich war in der Rechnung vermerkt: „Der Rechnungsbetrag entspricht hierbei der bereits mündlich getroffenen Vergütungsvereinbarung.“ Die Rechnung wurde von seinem Mandanten bezahlt. Der Mandant hat dann später gegen den Betroffenen Strafanzeige wegen Betruges erstattet, mit dem Vorwurf von dem Kollegen in dem Wiederaufnahmeverfahren nicht sachgerecht vertreten worden zu sein. Die zuständige Staatsanwaltschaft hat von der Einleitung von Ermittlungen abgesehen.

Der Vorstand der RAK hat dem Kollegen eine Rüge erteilt. Er sieht einen berufsrechtlichen Verstoß darin, dass der Kollege eine formell unwirksame Vergütungsvereinbarung getroffen habe.  § 3a RVG diene dem Schutz des Mandanten und ein Verstoß hiergegen stelle einen berufsrechtlichen Verstoß dar.

Anders das AnwG Hamm:

„Zwar hat der betroffene Rechtsanwalt gegen § 3a Abs. 1 RVG verstoßen, indem er eine mündliche Vergütungsvereinbarung mit seinem Mandanten geschlossen hat. Dies stellt jedoch keinen mit dem Berufsrecht zu ahndenden Verstoß gem. § 43 BRAO dar. Richtig ist zwar, dass § 43 BRAO als Generalklausel weiterhin eine Überleitungsnorm ist, indem § 43 BRAO die sich aus anderen gesetzlichen Regelungen mit berufsrechtlicher Relevanz ergebenden Pflichten in das anwaltliche Berufsrecht überträgt (so auch Träger, in Feuerich, 9. Auflage, § 43 BRAO Rn. 13.).

Solche Gesetz mit berufsbezogenem Inhalt werden in Verbindung mit § 43 BRAO zum Bestandteil anwaltlichen Berufsrechts (so auch Prütting, in Henssler/Prütting, 4. Auflage, § 43 BRAO, Rn. 12).

Auch das Gebührenrecht des RVG gehört nach einer Auffassung dazu (so auch Prütting, in Henssler/Prütting, 4. Auflage, § 43 BRAO, Rn. 12).

Eine andere Auffassung meint, dass zwar auch das RVG Berufspflichten enthält, dass aber dem RVG keine allgemeinen Berufspflichten entnommen werden können, weil das RVG ein Gebührengesetz sei. Auch wenn das RVG an den Anwalt anknüpft und dieser Statuspflichten unterliegt, führe dies nicht zu in dem RVG implantierten Berufspflichten. (so Zuck, in Gaier, Wolf, Göcken, 2. Auflage, § 43 BRAO, Rn. 30).

Dieser Meinung ist im Ergebnis zu folgen. Es ist nicht davon auszugehen, dass in jedem Verstoß gegen Regelungen des RVG zugleich über § 43 BRAO ein Berufsrechtsverstoß zu sehen ist. Dabei ist nämlich zu berücksichtigen, ob der von einem Anwalt begangene Gesetzesverstoß über seine Auswirkungen im Einzelfall hinaus geeignet sein muss, das Vertrauen in die Kompetenz und die Integrität der Anwaltschaft zu beeinträchtigen und damit die Funktion der Anwaltschaft im System der Rechtspflege zu stören (so Prütting in Henssler/Prütting, 4. Auflage, § 43 BRAO, Rn. 24).

Es muss daher geprüft werden, ob immer allein in dem Umstand dass eine formell unwirksame Gebührenvereinbarung getroffen wurde, ein Berufsrechtsverstoß liegt. Dies würde dann auch bedeuten, dass eine Gebührenvereinbarung, die nicht als solche oder in vergleichbarer Weise bezeichnet ist, immer zu einem Berufsrechtsverstoß führen würde, weil der betroffene Rechtsanwalt gegen eben eine Vorschrift aus dem RVG verstoßen hat.

Dies geht nach diesseitiger Auffassung zu weit, denn allein der Abschluss einer formunwirksamen Vereinbarung führt nicht in jedem Fall dazu, dass das Vertrauen in die Integrität der Anwaltschaft verletzt wird. Zwar muss von jedem Rechtsanwalt erwartet werden können, dass er in der Lage ist, eine formwirksame Gebührenvereinbarung zu treffen, jedoch stellt ein Verstoß hiergegen eben nicht zugleich einen berufsrechtlichen Verstoß dar. Die Folgen dieses Verstoßes werden gebührenrechtlich durch § 4b RVG geregelt, nämlich dem Rechtsanwalt stehen höhere als die gesetzlichen Gebühren dann nicht mehr zu.

Zudem ist es allgemeine Ansicht, dass die Verletzung zivilrechtlicher Pflichten aus dem Mandatsvertrag in der Regel keinen Verstoß gegen Berufspflichten indizieren (so Prüttung, in Henssler/Prütting, 4. Auflage, § 43 Rn. 29). So wird demnach die Auffassung vertreten, dass selbst unzulängliche Aufklärung, inhaltlich falsche Beratung und unsachgemäße Vertretung zwar zum Schadensersatz führen können, jedoch eine anwaltsgerichtliche Ahndung oder Rüge nicht zulässig wäre (so Träger in Feuerich/ Weyland, 9. Auflage, § 43 Rn. 23.).

Das führt dann aber im Umkehrschluss dazu, dass allein der Verstoß gegen formelle Reglungen des Gebührenrechts erst recht keinen immer zu ahndenden Berufsrechtsverstoß indiziert. Etwas anderes kann gelten, wenn die Art und Weise und besondere Umstände dazu führen, dass dies keine gewissenhafte Berufsausübung mehr darstellt und mit Stellung des Rechtsanwaltes nicht mehr zu vereinbaren ist.

Vorliegend sind solche besonderen Umstände nicht ersichtlich, weshalb allein der Umstand, dass eine mündliche Gebührenvereinbarung geschlossen wurde, nicht zu einem Berufsrechtsverstoß führt.

Auch der Umstand, dass gem. § 4b RVG im Falle des Verstoßes gegen § 3 a Abs. 1 Satz und 2 RVG keine höheren Gebühren als die gesetzlichen gefordert werden können, führt dann nicht automatisch zu einem berufsrechtlichen Verstoß wegen Gebührenüberhöhung. Denn § 3a Abs. 1 RVG knüpft allein an formelle Voraussetzungen an, der Mandant kann von dem betroffenen Rechtsanwalt über die Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung gezahltes Honorar zurückfordern. Auch die Verletzung von § 4b RVG führt nicht automatisch zu einem Berufsrechtsverstoß, mit der Begründung, dass das Rechnungsstellung zu einem Vertrauensverlust in die Anwaltschaft führt und deswegen berufsrechtlich zu ahnden ist. Etwas anderes gilt auch hier, wenn Umstände vorliegen, die im Einzelfall zu einer anderen Wertung führen.“

M.E. zutreffend.

Hamburger Schanzenviertel brennt, oder: „St. Florians-Prinzip“ geht gar nicht

entnommen openclipart.org

Ich habe jetzt nicht vor, die Ereignisse vom vergangenen Wochenende hier näher/weiter zu kommentieren. Allerdings meine ich, dass die Presseerklärung der RAK Hamburg einen Bericht wert ist. Sie bezieht sich u.a. auf Äußerungen eines Hamburger Kollegen zu den Vorfällen im Schanzenviertel, die man hier nachlesen kann.

Dazu gibt es nun folgende Presseerklärung des Präsidenten der Hanseatischen RAK:

„Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer verurteilt mit aller Schärfe Äußerungen eines Hamburger Rechtsanwaltes zu den empörenden und bedrückenden Vorfällen im Hamburger Schanzenviertel, „Autonome“ und er als deren „Sprecher“ hätten „gewisse Sympathien für solche Aktionen, aber bitte doch nicht im eigenen Viertel wo wir wohnen. Also warum nicht irgendwie in Pöseldorf  oder Blankenese?…“.
 
Die Kammer stellt zu solchen „Aktionen“ fest, dass es sich dabei um Brandschatzungen, Plündereien und gefährliche oder schwere Körperverletzungen hochaggressiver, krimineller Banden handelt, die damit viele Menschen schwer schädigten, entrechteten, bedrohten und verängstigten. Diese widerwärtige Sympathiebekundung und die verdeckte, bösartige Aufforderung, solche Taten (auch) in anderen Stadtteilen zu begehen, beschämen die mehr als 10.000 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Hamburg bis in das Herz.
 
Im Übrigen hält die Hanseatische Rechtsanwaltskammer fest:
 
Auf dem Gelände der Gefangenensammelstelle/Außenstelle Amtsgericht Hamburg waren die Voraussetzungen für einen gesetzestreuen und prozessordnungsgemäßen Verfahrensablauf gegeben. Davon habe ich mir durch einen Besuch und die Besichtigung mit dem Präsidenten des Amtsgerichtes am 7.7.2017 sowie Gesprächen mit Rechtsanwälten selbst ein umfassendes Bild verschaffen können.

Hamburg, den 10. Juli 2017
Kury
Präsident“
Schneller und deutlicher geht es kaum. M.E. sehr schön