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Wer (nur) mündlich eine Vergütung vereinbart, verstößt nicht gegen das Berufsrecht

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Heute dann mal wieder ein wenig Gebührenrecht. Zunächst stelle ich eine berufsrechtliche Entscheidung mit gebührenrechtlichem Einschlag vor. Es handelt sich um den AnwG Hamm, Beschl. v. 11.05.2017 – AnwG Hamm 52/16. Es geht in ihm um die Frage, ob der nur mündliche Abschluss einer Vergütungsvereinbarung mit dem Mandanten einen mit dem Berufsrecht zu ahndenden Verstoß gem. § 43 BRAO darstellt.

Der betroffene Kollege hatte seinen früheren Mandanten in einem Wiederaufnahmeverfahren vertreten. Bevor er den Antrag auf Wiederaufnahme eines gegen seinen Mandanten geführten Strafverfahrens stellte, übermittelte er seinem Mandanten eine Honorarrechnung über 2.500,00 EUR einschließlich Umsatzsteuer. Textlich war in der Rechnung vermerkt: „Der Rechnungsbetrag entspricht hierbei der bereits mündlich getroffenen Vergütungsvereinbarung.“ Die Rechnung wurde von seinem Mandanten bezahlt. Der Mandant hat dann später gegen den Betroffenen Strafanzeige wegen Betruges erstattet, mit dem Vorwurf von dem Kollegen in dem Wiederaufnahmeverfahren nicht sachgerecht vertreten worden zu sein. Die zuständige Staatsanwaltschaft hat von der Einleitung von Ermittlungen abgesehen.

Der Vorstand der RAK hat dem Kollegen eine Rüge erteilt. Er sieht einen berufsrechtlichen Verstoß darin, dass der Kollege eine formell unwirksame Vergütungsvereinbarung getroffen habe.  § 3a RVG diene dem Schutz des Mandanten und ein Verstoß hiergegen stelle einen berufsrechtlichen Verstoß dar.

Anders das AnwG Hamm:

„Zwar hat der betroffene Rechtsanwalt gegen § 3a Abs. 1 RVG verstoßen, indem er eine mündliche Vergütungsvereinbarung mit seinem Mandanten geschlossen hat. Dies stellt jedoch keinen mit dem Berufsrecht zu ahndenden Verstoß gem. § 43 BRAO dar. Richtig ist zwar, dass § 43 BRAO als Generalklausel weiterhin eine Überleitungsnorm ist, indem § 43 BRAO die sich aus anderen gesetzlichen Regelungen mit berufsrechtlicher Relevanz ergebenden Pflichten in das anwaltliche Berufsrecht überträgt (so auch Träger, in Feuerich, 9. Auflage, § 43 BRAO Rn. 13.).

Solche Gesetz mit berufsbezogenem Inhalt werden in Verbindung mit § 43 BRAO zum Bestandteil anwaltlichen Berufsrechts (so auch Prütting, in Henssler/Prütting, 4. Auflage, § 43 BRAO, Rn. 12).

Auch das Gebührenrecht des RVG gehört nach einer Auffassung dazu (so auch Prütting, in Henssler/Prütting, 4. Auflage, § 43 BRAO, Rn. 12).

Eine andere Auffassung meint, dass zwar auch das RVG Berufspflichten enthält, dass aber dem RVG keine allgemeinen Berufspflichten entnommen werden können, weil das RVG ein Gebührengesetz sei. Auch wenn das RVG an den Anwalt anknüpft und dieser Statuspflichten unterliegt, führe dies nicht zu in dem RVG implantierten Berufspflichten. (so Zuck, in Gaier, Wolf, Göcken, 2. Auflage, § 43 BRAO, Rn. 30).

Dieser Meinung ist im Ergebnis zu folgen. Es ist nicht davon auszugehen, dass in jedem Verstoß gegen Regelungen des RVG zugleich über § 43 BRAO ein Berufsrechtsverstoß zu sehen ist. Dabei ist nämlich zu berücksichtigen, ob der von einem Anwalt begangene Gesetzesverstoß über seine Auswirkungen im Einzelfall hinaus geeignet sein muss, das Vertrauen in die Kompetenz und die Integrität der Anwaltschaft zu beeinträchtigen und damit die Funktion der Anwaltschaft im System der Rechtspflege zu stören (so Prütting in Henssler/Prütting, 4. Auflage, § 43 BRAO, Rn. 24).

Es muss daher geprüft werden, ob immer allein in dem Umstand dass eine formell unwirksame Gebührenvereinbarung getroffen wurde, ein Berufsrechtsverstoß liegt. Dies würde dann auch bedeuten, dass eine Gebührenvereinbarung, die nicht als solche oder in vergleichbarer Weise bezeichnet ist, immer zu einem Berufsrechtsverstoß führen würde, weil der betroffene Rechtsanwalt gegen eben eine Vorschrift aus dem RVG verstoßen hat.

Dies geht nach diesseitiger Auffassung zu weit, denn allein der Abschluss einer formunwirksamen Vereinbarung führt nicht in jedem Fall dazu, dass das Vertrauen in die Integrität der Anwaltschaft verletzt wird. Zwar muss von jedem Rechtsanwalt erwartet werden können, dass er in der Lage ist, eine formwirksame Gebührenvereinbarung zu treffen, jedoch stellt ein Verstoß hiergegen eben nicht zugleich einen berufsrechtlichen Verstoß dar. Die Folgen dieses Verstoßes werden gebührenrechtlich durch § 4b RVG geregelt, nämlich dem Rechtsanwalt stehen höhere als die gesetzlichen Gebühren dann nicht mehr zu.

Zudem ist es allgemeine Ansicht, dass die Verletzung zivilrechtlicher Pflichten aus dem Mandatsvertrag in der Regel keinen Verstoß gegen Berufspflichten indizieren (so Prüttung, in Henssler/Prütting, 4. Auflage, § 43 Rn. 29). So wird demnach die Auffassung vertreten, dass selbst unzulängliche Aufklärung, inhaltlich falsche Beratung und unsachgemäße Vertretung zwar zum Schadensersatz führen können, jedoch eine anwaltsgerichtliche Ahndung oder Rüge nicht zulässig wäre (so Träger in Feuerich/ Weyland, 9. Auflage, § 43 Rn. 23.).

Das führt dann aber im Umkehrschluss dazu, dass allein der Verstoß gegen formelle Reglungen des Gebührenrechts erst recht keinen immer zu ahndenden Berufsrechtsverstoß indiziert. Etwas anderes kann gelten, wenn die Art und Weise und besondere Umstände dazu führen, dass dies keine gewissenhafte Berufsausübung mehr darstellt und mit Stellung des Rechtsanwaltes nicht mehr zu vereinbaren ist.

Vorliegend sind solche besonderen Umstände nicht ersichtlich, weshalb allein der Umstand, dass eine mündliche Gebührenvereinbarung geschlossen wurde, nicht zu einem Berufsrechtsverstoß führt.

Auch der Umstand, dass gem. § 4b RVG im Falle des Verstoßes gegen § 3 a Abs. 1 Satz und 2 RVG keine höheren Gebühren als die gesetzlichen gefordert werden können, führt dann nicht automatisch zu einem berufsrechtlichen Verstoß wegen Gebührenüberhöhung. Denn § 3a Abs. 1 RVG knüpft allein an formelle Voraussetzungen an, der Mandant kann von dem betroffenen Rechtsanwalt über die Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung gezahltes Honorar zurückfordern. Auch die Verletzung von § 4b RVG führt nicht automatisch zu einem Berufsrechtsverstoß, mit der Begründung, dass das Rechnungsstellung zu einem Vertrauensverlust in die Anwaltschaft führt und deswegen berufsrechtlich zu ahnden ist. Etwas anderes gilt auch hier, wenn Umstände vorliegen, die im Einzelfall zu einer anderen Wertung führen.“

M.E. zutreffend.