Die Waffengleichheit im Strafverfahren. Gibt es das bzw. gibt es sie? Zumindest wird manchmal versucht, Sie herzustellen. So im Beschl. des OLG Köln v. 03.12.2010 – III-1 RVs 213/10, in dem es um die Bestellung eines Pflichtverteidigers ging, die im Erkenntnisverfahren nicht erfolgt war.
Das OLG sagt: Es liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung im Sinne der Generalklausel einer Beiordnung vor, wenn dem Angeklagten ein qualifiziertes Körperverletzungsdelikt zur Last gelegt wird, sich das Tatopfer dem Verfahren als Nebenkläger anschließt und sich auf eigene Kosten eines anwaltlichen Beistandes bedient, wenn dadurch ein prozessuales Ungleichgewicht geschaffen wird. Ein solches Ungleichgewicht ist anzunehmen, wenn eine gesetzliche Mindeststrafe für den Tatvorwurf bei gleichzeitiger Möglichkeit der Annahme eines minder schweren Falles gegeben ist, da damit Verteidigungsmöglichkeiten eröffnet sind, die der Rechtskunde bedürfen und denen der gegnerische Anwalt entgegentreten kann, ohne dass dem Angeklagten dies bewusst werden kann.
Das ergänzende Argument, weil zwei Zeugen nicht erschienen seien, sei wegen der Beratung zu Verzicht/Beweisantrag ein PV erforderlich, halte ich für etwas sehr gewagt. Es war natürlich nur ein Hilfsargument, aber dass irgendwann in der HV Zeugen nicht erscheinen, kann immer passieren und mE kaum (dann quasi rückwirkend?) die Notwendigkeit eines PV begründen. Wenn man schon wie das OLG in dieser Weise ex post argumentiert (ich weiß, dass nach dem Gesetz die Straferwartung maßgeblich ist und nicht das Ergebnis) am Ende wurde ohnehin keine gefährliche KV, sondern eine einfache KV abgeurteilt…
Das Gesetz benennt nicht nur die Fälle mit hoher Straferwartung oder Haft, sondern auch die Schwierigkeit von Sach- und Rechtslage und wenn der Angeklagte Verteidigungs-defizite aufweist (Behinderung, evt Sprachprobleme etc). Die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugenaussagen ist nicht einfach, die Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlässigkeit, ebenso von Mitwisserschaft von Mittäterschaft. Unterhaltspflichtverletzungen sind meist schwierig. Die meisten Anklagen erfüllen nicht den Standard, wie sie von Revisionsbegründungen erwartet werden, das heisst sie sind ohne Aktenkenntnis gar nicht schlüssig verständlich. Da fängt ja schon die Waffenungleichheit an, ohne Anwalt keine Akteneinsicht.
Ich verstehe sowieso Strafrichter nicht, die ruhig schlafen können, wenn Sie dem Angeklagten die Möglichkeit eines Pflichtverteidigung nehmen und somit einen unfairen Prozess schaffen.
Konsequent wäre dann aber, im Gesetz die Beiordnung eines Verteidigers in jedem Strafverfahren vorzuschreiben.
Das ist aber nicht der Fall.