Und dann habe ich zum Tagesschluss hier dann noch einen – oder: mal wieder einen – Beschluss des AG Köln zum Umfang der Akteneinsicht im Bußgeldverfahren.
Das AG führt im AG Köln, Beschl. v. 29.01.2025 – 812 OWi 3/25 (b) – aus:
„Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist begründet, soweit die Herausgabe der gesamten Messreihe begehrt wird.
Dem Verteidiger ist auf Antrag die vollständige Messreihe zur Verfügung zu stellen. Ein entsprechender Anspruch ergibt sich aus § 46 OWiG in Verbindung mit § 147 StPO. Ohne die Herausgabe der entsprechenden Daten würde der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Wird ein standardisiertes Messverfahren eingesetzt, muss der Betroffene zur Verteidigung konkrete Einwendungen gegen die Messung vorbringen. Das standardisierte Messverfahren bewirkt in diesem Sinne eine Beweislastumkehr, da der Betroffene konkret die Richtigkeit der Messung entkräften muss. Dies ist ihm nicht möglich, wenn er keine vollständige Überprüfung der Messung durchführen kann, was wiederum voraussetzt, dass ihm alle vorhandenen Daten, insbesondere die gesamte Messreihe, zugänglich gemacht werden. Auch ist eine Begrenzung der herauszugebenden Datensätze, bspw. auf fünf oder acht weitere Messungen aus der Messreihe, nicht statthaft. Der Betroffene muss selbst die Messreihe sichten können, um entscheiden zu können, welche anderen Messungen er anführen möchte um die Fehler in seiner Messung belegen zu können. Eine Vorauswahl durch das Gericht, indem dem Betroffenen nur eine bestimmte Anzahl anderer Messungen oder nur Messungen an bestimmten Positionen der Messreihe zugänglich gemacht werden, würden eine weitere Einschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten darstellen, da andere Messungen, ohne dass diese hätten geprüft werden können, von vorne herein aus der möglichen Beweisführung ausgenommen werden.
Die Stellungnahme der PTB vom 30.03.2020 ändert hieran nach Auffassung des Gerichts nichts. Soweit die PTB anführt, dass die gesamte Messreihe sehr lang sein könnte und daher praktisch nicht auswertbar sei, stellt dies keinen Grund gegen die Herausgabe dar. Das Ausmaß der Überprüfung der Messreihe ist die Entscheidung des Betroffenen. Hinsichtlich der weiteren dort aufgeführten Punkte haben gerichtliche Sachverständige in der Vergangenheit die gesamte Messreihe untersucht und vorgetragen, diese zur Auswertung zu benötigen. Diese sachverständige Auskunft kann das Gericht mangels technischer Kenntnisse nicht überprüfen. Sie erscheint aber auch nicht von vorneherein unplausibel.
Gründe des Datenschutzes sprechen nicht gegen die Herausgabe, da die Interessen des Betroffenen ohne die Messreihe nicht gewahrt werden können und zudem die Möglichkeit besteht, die Messreihe zu anonymisieren. Die Daten werden zudem nur einem zur Verschwiegenheit verpflichteten Personenkreis (Rechtsanwalt und Sachverständiger) zur Verfügung gestellt. Letztlich handelt es sich um Daten, die durch die freiwillige Teilnahme am Straßenverkehr entstanden sind.
Diese Rechtsauffassung wird auch vom OLG Köln geteilt, Beschluss vom 30.05.2023, Az.: III -1 RBs 288/22.
Es war ebenfalls die Herausgabe des Token anzuordnen. Die insoweit geänderte Rechtsprechung des Amtsgerichts Köln beruht auf der zutreffenden Entscheidung des OLG Saarbrücken (Beschluss vom 14. März 2024,1 Ss OWI 7/24). Dieser Ansicht hat sich inzwischen auch das Landgericht Köln angeschlossen (Beschluss v. 08.10.2024, 114 Qs 45/24). Dem Anspruch auf Bereitstellung der Token-Datei und des zugehörigen Passworts zum Zwecke der Entschlüsselung und Verifizierung des Fall-Datensatzes kann nicht entgegengehalten werden, dass die Verwaltungsbehörde lediglich über einen sogenannten Sammel-Token verfügt, der die Entschlüsselung auch solcher Fall-Datensätze erlauben soll, die von anderen Messgeräten stammen. Will oder darf die Verwaltungsbehörde diesen digitalen Schlüssel aus datenschutzrechtlichen Gründen oder vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Hersteller nicht herausgeben, kann dies von Rechts wegen nicht das Recht der Verteidigung auf Einsicht in den digitalen Fall-Datensatz beeinträchtigen, sofern die technische Möglichkeit besteht, der Verteidigung auch ohne Herausgabe des Sammel-Tokens, etwa durch Übermittlung eines gegebenenfalls zu beschaffenden Einzel-Tokens die Entschlüsselung des Fall-Datensatzes der verfahrensgegenständlichen Messung zu ermöglichen. Es geht nicht darum, dem Betroffenen und seinem Verteidiger Beweismittel und Daten, die der Verwaltungsbehörde nicht vorliegen, erst zu beschaffen, sondern ihnen dieselbe Möglichkeit zur Prüfung der Falldatei zu geben, die der Verwaltungsbehörde aufgrund der dort vorliegenden Token-Datei eröffnet ist. Der Grundsatz der Verfahrensfairness und das hieraus folgende Gebot der Waffengleichheit erfordern gerade, dass die Verteidigung in gleicher Weise wie die Verfolgungsbehörde Teilnahme-, Informations-und Äußerungsrechte wahrnehmen kann.
Weil die Gewährung von Akteneinsicht durch die Verwaltungsbehörde und nicht durch ein am Verfahren nicht beteiligtes Eichamt zu erfolgen hat, ist insoweit auch ein Verweis an die Hessische Eichdirektion nicht zulässig (vgl. OLG Saarbrücken a.a.O.). Vor diesem Hintergrund spielt es auch keine Rolle, dass im Einzelfall die Frage der Notwendigkeit der Herausgabe eines solchen Tokens zweifelhaft sein kann, da die Sachverständigen, die üblicherweise im hiesigen Bezirk mit der Prüfung der Messreihe beauftragt werden, bereits über einen Token verfügen.“