Archiv für den Monat: März 2024

Verkehrsrecht I: Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer, oder: Angriff auf die Entschlussfreiheit in Raubabsicht

Bild von Simon auf Pixabay

Und zum Auftakt der 13. KW heute zwei Entscheidungen aus dem Verkehrsrecht.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v. 05.12.2023 – 4 StR 435/23 – zum räuberischen Angriff auf Kraftfahrer (§ 316a StGB).

Folgender Sachverhalt: Das LG hat den Angeklagten wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer (§ 316a StGB) verurteilt. Nach den Feststellungen des LG planten unbekannt gebliebene Täter, einen Lkw-Fahrer, der ? wie sie wussten ? einen Umschlag mit einem größeren Bargeldbetrag „im Bereich des Beifahrersitzes“ mit sich führen würde, durch das Vortäuschen der Panne eines Pkw zum Anhalten zu zwingen und das Bargeld zu entwenden. Der Angeklagte übernahm gegen einen zugesagten Tatlohn in Höhe von 500 EUR die Aufgabe, „das Geschehen zusätzlich abzusichern“ und die erwartete Beute anschließend in seinem Zimmer zu verstecken. In Ausführung dieses Tatplans lauerten der Angeklagte und zwei weitere Tatbeteiligte dem Lkw auf. Als dieser von einem Betriebsgelände in die davor verlaufende Straße einbog, schob ein Mittäter den Pkw quer in die Mitte der Fahrbahn, so dass der Fahrer des Lkw die Straße nicht mehr passieren konnte und zum Anhalten gezwungen war. Unmittelbar darauf lief einer der Täter zur Beifahrertür, öffnete sie und ergriff den dort hinter der Windschutzscheibe liegenden Umschlag mit Bargeld. Dem Lkw-Fahrer gelang es, den Umschlag „durch ein Entreißen aus der Hand des Mittäters“ wieder an sich zu bringen. Auf ein Zeichen des weiteren Tatbeteiligten begab sich der Angeklagte, der nunmehr beschloss, sich „aktiv an der Wegnahme zu beteiligen“, weisungsgemäß zur Fahrertür, griff nach dem in der Hand des Fahrers befindlichen Geldumschlag und versuchte, ihm diesen unter Kraftaufwand zu entreißen. Dies misslang; der Umschlag zerriss. Der Angeklagte und die beiden anderen Beteiligten flüchteten, als sich Mitarbeiter des Betriebes, die auf den Vorgang aufmerksam geworden waren, näherten.

Der Angeklagte hat sich gegen die Verurteilung mit der Revision gewandt. Sein Rechtsmittel hatte Erfolg.

Ich stelle hier nur den Leitsatz ein, da die Entscheidung recht umfangreich begründet ist. Der lautet – stammt von mir 🙂 – :

Bei einer Verurteilung wegen eines räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer (§ 316a StGB) muss sich aus den Feststellungen nicht nur ein Angriff auf die Entschlussfreiheit des Kraftfahrzeugführers ergeben, wenn der z.B. durch die Blockade seines Fahrwegs zum Anhalten gezwungen wurde, sondern auch, dass die Beteiligten hierbei in der Absicht handelten, einen Raub (§ 249 Abs. 1 StGB), einen räuberischen Diebstahl (§ 252 StGB) oder eine räuberische Erpressung (§ 255 StGB) zu begehen.

Das „Eckpunktepapier zur Modernisierung des Strafgesetzbuchs“ des BMJ sieht im Übrigen vor, § 316a StGB aus dem StGB zu streichen. § 316a StGB sei ein Produkt nationalsozialistischer Strafrechtswissenschaft und gehe auf das Gesetz gegen Straßenraub mittels Autofallen vom 22.6.1938 zurück. Die hohe Strafandrohung, die ohnehin eine restriktive Auslegung der Norm erfordere, der historische Hintergrund und die systematische Einordnung im 28. Abschnitt des StGB (Gemeingefährliche Straftaten) begründen nach Auffassung des BMJ seit längerem Zweifel an der kriminalpolitischen Legitimation des Tatbestandes. Das StGB biete ausreichende Möglichkeiten, um die von § 316a StGB erfassten Sachverhalte mit den Straftatbeständen des Raubs (§ 249 StGB), des schweren Raubs (§ 250 StGB), des Raubs mit Todesfolge (§ 251 StGB), des räuberischen Diebstahls (§ 252 StGB) und der räuberischeren Erpressung (§ 255 StGB) angemessen zu ahnden. Daher soll § 316a StGB aufgehoben werden. Bisher liegt aber nur das Eckpunktepapier vor.

Wie weit die Umsetzung dieses Papiers in ein Gesetzesvorhaben ist, ist (mir) nicht bekannt. dem BMJ wahrscheinlich auch nicht 🙂 .

Sonntagswitz, zum „Tag des Glücks“ um/zu/mit Glück

© Teamarbeit – Fotolia.com

Und dann der Sonntagswitz. Und die Thematik heute: Glück. Denn wir haben am Mittwoch, 20.02.2024 weltweit den „Tag des Glücks“ gefeiert. Und da kann man schon mal Witze zum Glück bringen. Hier sind dann:

Ein amerikanischer Geschäftsmann ist auf der Party von einem Deutschen Kollegen eingeladen und informiert sich darüber, dass man hier manchmal statt „Glück gehabt“ auch „Schwein gehabt“ sagt.

Auf der Party kommt der Deutsche zu ihm und fragt: „Haben sie denn schon mit meiner Tochter getanzt.“

Der Ami: „Nein, dieses Schwein habe ich noch nicht gehabt.“


Der Patient sagt zum Arzt: „Ich kann mich zwischen Operation und sterben nicht entscheiden.“

Darauf meint der Arzt: „Mit ein bisschen Glück können Sie vielleicht beides haben!“


Die Ehefrau schimpft mit ihrem Mann: „Du bist immer anderer Meinung als ich!“

Der Mann: „Zum Glück, sonst hätten wir ja beide Unrecht“.


Das Telefon im Büro klingelt. Ein Angestellter hebt ab und fragt: „Welcher Idiot wagt es, mich in der Mittagspause anzurufen?“

Da brüllt der Anrufer: „Wissen Sie eigentlich, mit wem Sie sprechen? Ich bin der Generaldirektor!“

Der Angestellte erwidert: „Wissen Sie eigentlich, mit wem Sie sprechen?“

Der Generaldirektor antwortet verdutzt: „Nein.“

Worauf der Angestellte sagt: „Na, dann habe ich ja nochmal Glück gehabt!“ und legt auf.

Wochenspiegel für die 12. KW., das war Corona-LFZ, Google, entlassene Polizistin, Urteil ohne Unterschrift

© Aleksandar Jocic – Fotolia.com

Und zum Auftakt am Sonntag dann der Wochenspiegel für die ablaufende 12. KW, und zwar mit folgenden Hinweisen/Beiträgen:

  1. Auch symptomlose Corona-Infektion begründet Lohnfortzahlung im Krankheitsfall

  2. EuGH: Erfassung und Speicherung des Fingerabdrucks auf dem Personalausweis ist mit der DSGVO sowie Art. 7 und 8 der EU-Grundrechte-Charta vereinbar

  3. Stellenbewerbung muss auf verlangten Führerschein hinweisen

  4. Aufbruch in die Zukunft: Digitale Forensik im Wandel

  5. Google Consent Mode: Datenschutz bei der Implementierung

  6. Rückweg von begleitetem Schulweg nicht unfallversichert

  7. OLG Brandenburg: Pauschales Behaupten von „Ärger, Unwohlsein und Stress“ begründet keinen DSGVO-Schadens­er­satz­an­spruch

  8. LG München I: Zum Anspruch auf Gegendarstellung bei falscher „Titelzeile“ trotz Korrektur im Zeitungsartikel

  9. und dann aus meinem Blog, was mich nicht überrascht: Urteil I: Erneut: „es fehlt die Unterschrift der Richter“, oder: Der BGH erklärt es noch einmal…

Entlassung eines Polizeibeamten/Kommissaranwärters, oder: Eingestellte Unfallflucht und Quarantäneverstoß

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Und dann als zweite Entscheidung im „Kessel Buntes“ heute dann noch der OVG Saarland, Beschl. v. 13.12.2023 – 1 B 154/23. Es geht u.a. um die Entlassung eines Polizeibeamten auf Widerruf wegen fehlender charakterlicher Eignung, die mit einer Unfallflucht (§ 142 StGB) begründet worden ist und ein wenig auch mit einem Corona-Quarantäne-Verstoß.

Folgender Sachverhalt:

„Der in A-Stadt wohnhafte Antragsteller ist als Kommissaranwärter seit Oktober 2018 Beamter auf Widerruf bei der saarländischen Vollzugspolizei. Infolge einer Corona-Infektion wurde für ihn am 3.1.2022 die häusliche Absonderung (Quarantäne) vom 31.12.2021 bis zum 14.1.2022 angeordnet. In der Nacht vom 11. auf den 12.1.2022 verließ er die häusliche Quarantäne und fuhr mit einem Pkw in einen mehrere Kilometer entfernten Nachbarort. Auf dem nächtlichen Rückweg kam er (nach Aktenlage zwischen ca. 2.00 h und 3.00 h nachts) mit dem Pkw auf einer schmalen Verbindungsstraße von der witterungsbedingt glatten Straße ab und kollidierte mit mehreren Bäumen; das stark beschädigte Fahrzeug (wirtschaftlicher Totalschaden in Höhe von ca. 8.000.- €) kam mit ausgelösten Airbags ca. 2 m abseits der Straße und ca. 2 m oberhalb eines Bachlaufs zum Stehen. Der Antragsteller, der ausweislich des ärztlichen Attestes vom 13.1.2022 ein HWS-Schleudertrauma erlitten hatte, rief seine Mutter an und verließ mit ihr den Unfallort nach Hause, wo er sich schlafen legte.

Nachdem der verunfallte Pkw am Morgen des 12.1.2022 (ca. 6.00 h) von einem Bürger aufgefunden und gemeldet wurde, stellte die Polizei fest, dass die amtlichen Kennzeichen entfernt waren, die Fahrgestellnummer nicht lesbar war, die Abdeckung der Abschleppöse fehlte und Betriebsstoffe ausliefen (Kühlflüssigkeit), die in den angrenzenden Bach zu laufen drohten; im Fahrzeuginneren wurde ein Wappen der saarländischen Vollzugspolizei und eine auf den Antragsteller ausgestellte Kundenkarte gefunden. Die daraufhin gegen 7.50 h von einem Streifenkommando aufgesuchte Mutter des Antragstellers benannte ihren Sohn als Fahrer des Unfallfahrzeugs und gab an, man habe gegen 8.00 h einen Abschleppdienst informieren wollen, um dieses bergen zu lassen. Der anschließend als Beschuldigter vernommene Antragsteller gab an, er habe die Polizei nicht über den Unfall verständigt, weil das Fahrzeug, das sie zeitnah eigenständig hätten abschleppen lassen wollen, abseits der Straße gestanden und niemanden behindert habe; auf Fragen zu den fehlenden Kennzeichen und zum Verlassen der Quarantäne machte er keine Angaben. Der Eigentümer des betroffenen Grundstücks gab einen Schaden von ca. 350.- € für die Neupflanzung von vier Bäumen an und wies auf aufwendige Aufräumarbeiten hin.

Gegen den Antragsteller wurde ein Strafverfahren wegen Verdachts der Unfallflucht (§ 142 Abs. 1 StGB) und ein Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Verdachts des Verstoßes gegen die Absonderungspflicht (§ 4 Abs. 1 Satz 1 CO-VP) eingeleitet. Mit Verfügung vom 14.1.2022 leitete der Antragsgegner außerdem ein – zugleich ausgesetztes – Disziplinarverfahren gegen den Antragsteller ein, der am 31.1.2022 die Laufbahnprüfung zum Polizeikommissar ablegte.

Im Rahmen seiner Anhörung zur beabsichtigten Entlassung aus dem Beamtenverhältnis gab der Antragsteller u.a. an, er habe mit seiner nächtlichen Fahrt einen betrunkenen Freund von einer Autofahrt abhalten wollen und bei der Rückfahrt nach dem Unfall seiner von ihm angerufenen Mutter gesagt, dass sie die Polizei anrufen müssten; auf Hinweis seiner Mutter habe er die Kennzeichen entfernt, einen eigenen Abschleppversuch habe er nicht unternommen.

Mit Bescheid vom 16.2.2022 entließ der Antragsgegner den Antragsteller wegen fehlender charakterlicher Eignung mit Ablauf des 31.3.2022 aus dem Beamtenverhältnis (§ 23 Abs. 4 BeamtStG i.V.m. § 37 Abs. 4 SBG) und ordnete zugleich die sofortige Vollziehung an (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO). Über den vom Antragsteller hiergegen eingelegten Widerspruch ist noch nicht entschieden. Das Strafverfahren gegen den Antragsteller stellte die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 14.3.2022 nach § 153 Abs. 1 StPO ein.“

Gestritten wird nun um die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers. Er hatte damit keinen Erfolg. Hier die Leitsätze zu der OVG-Entscheidung:

    1. Zu den Voraussetzungen der Entlassung eines Beamten auf Widerruf (hier: Kommissaranwärter) wegen fehlender charakterlicher Eignung.
    2. Die Entlassung eines Widerrufsbeamten gemäß § 23 Abs 4 Satz 1 BeamtStG erfordert nicht den Nachweis eines konkreten Vergehens; berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde an der persönlichen Eignung des Beamten genügen.
    3. Zum objektiven Tatbestand des § 142 Abs 1 StGB.
    4. Eine staatsanwaltliche Einstellungsverfügung nach § 153 Abs 1 StPO entfaltet für das Entlassungsverfahren keine Bindungs- sondern lediglich Indizwirkung, was aber den Dienstherrn nicht hindert, eigenständig den Tatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu bejahen.
    5. Bereits ein einzelnes gravierendes Ereignis kann geeignet sein, den Schluss des Dienstherrn auf eine fehlende persönliche Eignung des Widerrufsbeamten zu rechtfertigen, wenn dieses die charakterlichen Mängel des Beamten hinreichend deutlich zu Tage treten lässt.
    6. Ein objektiver und subjektiver Verstoß gegen die einem Kommissaranwärter auferlegte Corona-Quarantäne sowie eine anschließende zumindest objektiv verwirklichte Unfallflucht sind als außerdienstliches Verhalten hinreichend bedeutsam, um seitens des Dienstherrn negative Rückschlüsse auf die dienstliche Vertrauenswürdigkeit als Polizeibeamter, von dem ein gesetzestreues Verhalten in besonderer Weise erwartet werden kann, ziehen zu dürfen.
    7. Zur Streitwertfestsetzung für ein verbundenes Beschwerdeverfahren.

Verlinkt habe ich auf die im Bürgerservice des Saarlandes eingestellt Entscheidung. Die enthält nämlich Fußnoten (?) und das ist in meinem System etwas schwierig darzustellen.

Zwei OVG-Entscheidungen zur Fahrtenbuchauflage, oder: Mitwirkungspflicht beim Firmenfahrzeug

© euthymia – Fotolia.com

Und im Kessel Buntes dann heute (Verkehrs)Verwaltungsrecht.

Zunächst hier zwei OVG-Entscheidungen zum Fahrtenbuch (§ 31a StVZO). Ich stelle, da die Problematik ja weitgehend bekannt ist, hier nur die Leitsätze der beiden Entscheidungen ein, und zwar:

Aus der Perspektive des späteren Verfahrens zur Anordnung einer Fahrtenbuchführungspflicht obliegt einer GmbH als Halterin des Tatfahrzeugs einer Geschwindigkeitsüberschreitung auch dann eine hinreichende Mitwirkung an der Ermittlung des verantwortlichen Fahrzeugführers, wenn sie im Bußgeldverfahren nicht nur als Zeugin, sondern in erster Linie als Betroffene angehört wird.

1. Steht fest, dass die Fahrzeughalterin einen Zeugenfragebogen erhalten und darauf nicht reagiert hat, kommt es auf den Einwand, ein vorangegangenes Anhörungsschreiben nicht erhalten zu haben, nicht entscheidend an.
2. Auf die Einhaltung der sog. Zweiwochenfrist, die weder ein formales Tatbestandsmerkmal des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO noch eine starre Grenze darstellt, kann sich der Halter nicht bei Verkehrsverstößen berufen, die mit einem Firmenfahrzeug eines Kaufmanns im geschäftlichen Zusammenhang begangen worden sind. Denn bei Firmenfahrzeugen fällt es in die Sphäre der Geschäftsleitung, organisatorische Vorkehrungen dafür zu treffen, dass im Falle einer Verkehrszuwiderhandlung ohne Rücksicht auf die Erinnerung Einzelner festgestellt werden kann, welche Person zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Geschäftsfahrzeug benutzt hat.